SCHWÄBISCHES TAGBLATT

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SAMSTAG, 5. APRIL 1947 VERLAG UND SCHRIFTLEITUNG: TÜBINGEN, UHLANDSTRASSE 2 3. JAHRGANG/ NUMMER 27

Die Moskauer Konferenz vor dem Höhepunkt

Beratungen zur Frage der Wirtschaftseinheit, der Reparationen und der politischen Gestaltung

MOSKAU. Nachdem in den vergangenen Wochen in Moskau in der Hauptsache sowohl die Prozedurfragen behandelt, als auch die ver- schiedenen Standpunkte der vier Außenmini- ster klargelegt wurden, ist die Konferenz nun- mehr in das entscheidende Stadium der Bera-

tung der Hauptfragen, soweit sie Deutschland betreffen, eingetreten. Die Probleme, die nun zur Beratung kommen, sind erstens die wirt- schaftliche Vereinheitlichung aller vier Zonen und die Reparationsfrage, zu der auf russi- sches Verlangen die industrielle Entmilitari- sierung hinzugefügt wurde, zweitens die Stei- gerung des deutschen Industrieniveaus und di ittens die vorläufige deutsche Regierung. Nachdem man noch in der vergangenen Woche gelaubt hatte, daß die Konferenz am 15. April beendet sei, ist man nun der Ansicht, daß sie noch fünf bis sechs Wochen dauern werde.

Die Russen wenden ihre Aufmerksamkeit vor allem den Reparationen aus Industrieaus-

Verfassungsentwurf abgelehnt TÜBINGEN. Die französische Militärregie-

rung hat in einem Schreiben an die Beratende Landesversammlung in Bebenhausen den vom Verfassungsausschuß vorgelegten Verfassungs- entwurf abgelehnt.

rüstungen zu. Die nach der Sowjetunion über- führten Fabriken stellen nicht den Wert dar, den man ihnen ursprünglich beigemessen hatte. Da Rußland vor allem Verbrauchsgüter benö- tigt und der Mangel an Produkten der Leicht- industrie sehr groß ist, schlägt es vor, seine Reparationen aus der laufenden Produktion zu entnehmen. Um das zu ermöglichen, fordern die Russen die Erhöhung des deutschen Indu- strieniveaus. Die Angelsachsen fordern das gleiche, jedoch im Interesse der deutschen Zah- lungsbilanz, während Frankreich darin eine große Gefahr für Europa erblickt.

Bidault wies in diesem Zusammenhang auf eine ausreichende Kohlenlieferung als erste Notwendigkeit hin. Frankreichs Forderungen lassen sich in zwei Worten zusammenfassen: Sicherheit und Wiederaufbau seiner Wirtschaft. In bezug auf den politischen Aufbau Deutsch- lands hält Frankreich die Rückkehr zur Wei- marer Verfassung für verfrüht. Erst müßten die deutschen Einzelstaaten den Beweis er- bringen, daß sie von demokratischer Gesin- nung erfüllt seien. Frankreichs These fand bei Bevin und Marshall Verständnis.

Allgemeine Ueberzeugung ist, daß das Ruhr- gebiet kontrolliert werden müsse, wobei aber keine Einigkeit besteht, ob England allein oder alle vier Besatzungsmächte die Kontrolle aus- üben sollten.

Einige Aufmerksamkeit erweckte der Hin- weis des französischen Vorsitzenden des- ros für Reparationen, daß Deutschland nach dem ersten Weltkrieg in zwei Jahren acht Mil- liarden Goldmark Reparationen gezahlt habe, in den 20 Monaten seit Abschluß des zweiten Weltkrieges jedoch nur 12 Millionen Pfund Sterling in Form von Schiffslieferungen und 64 Millionen in Form demontierter Betriebe. General Marshall ging aus seiner bis jetzt bewahrten Reserve heraus. Er trat für die Verwirklichung der deutschen Wirtschaftsein- heit entsprechend den Potsdamer Beschlüssen und ohne andere Vorbedingungen ein. Die Ent- nahme der Reparationen aus der laufenden Produktion lehnte er ebenso kategorisch ab, wie die von Frankreich gestellte Bedingung,

Kleine Weltchronik

In Washington unterzeichnete Präsident Truman ein Gesetz über die Aufhebung der Militärdienst- pflicht in den Vereinigten Staaten.

Der französische Botschafter in den Vereinigten Staaten, Henry Bonnet, suchte am Dienstag den Unterstaatssekretär im amerikanischen Außenmini- sterium, Dean Acheson, auf, um ihm über die gegen- wärtige Wirtschaftslage Frankreichs zu berichten. In ganz Norditalien greift die durch die Erhöhung der Lebensmittelpreise hervorgerufene Unzufrieden- heit weiter um sich.

In Mailand führten die Stadtangestellten und Bau- arbeiter Demonstrationen durch, in deren Verlauf es zu Zwischenfällen gekommen ist.

Als erste führende amerikanische Zeitung nahm die ,, Washington- Post" in einem Leitartikel Stellung gegen die beabsichtigte Auflösung der Kommuni- stischen Partei in den USA.

400 000 Grubenarbeiter in den Vereinigten Staaten führen einen einwöchigen Streik als Ausdruck der Trauer der bei einem Grubenunglück ums Leben gekommenen 111 Bergarbeiter durch.

Zwischen Griechenland und Italien ist gestern ein provisorisches Handelsabkommen unterzeichnet wor-

den.

Nach einer Reutermeldung hat die amerikanische Telefonarbeiter- Gewerkschaft bekanntgegeben, daß die Verhandlungen zur Lohnerhöhung ergebnislos verlaufen sind. Die Telefonarbeiter von 42 amerika- nischen Staaten werden daher am 7. April in den Streik treten.

Die britische Kriegsmarine wird am 18. April die Befestigungsanlagen auf Helgoland sprengen.

( Sonderbericht von der Moskauer Konferenz)

daß Deutschland in regelmäßigen Monatsraten Kohle liefern solle. Bei dieser Gelegenheit warf er die Frage nach den landwirtschaftlichen Hilfsquellen in den zurzeit von Polen verwal- teten Gebieten auf.

lenlieferung und der Erhöhung des Produk- Bidault erklärte, daß die Probleme der Koh-

tionsniveaus unlösbar miteinander verbunden seien, weil die Heraufsetzung des Produktions- niveaus eine Steigerung des deutschen Kohlen- verbrauchs und demzufolge eine Verminde- rung der Liefermöglichkeiten auf das Repa-

rationskonto bedeute.

Bevin stellte für die Wirtschaftseinheit vier Grundsätze auf: 1. die Bewegungsfreiheit für Personen und Waren und Gedankenfreiheit, 2. den Ausgleich der Ein- und Ausfuhr, 3. die Aufteilung der Besatzungsunkosten auf alle vier Besatzungsmächte, 4. die Schaffung von zentralen Verwaltungsbehörden mit Exeku- tionsvollmachten. Er sprach sich gegen die Viererkontrolle des Ruhrgebiets und gegen die Annullierung des Fusionsabkommens der bri- tischen und amerikanischen Zone aus. Mit der wirtschaftlichen Angliederung des Saargebiets an Frankreich war er einverstanden, lehnte liefern zu müssen, ab. aber eine Verpflichtung Deutschlands, Kohle

Molotow erklärte sich bereit, an der Aus- arbeitung eines vernünftigen Im- und Export- planes teilzunehmen. In einem solchen Plan sollte auch die Erhöhung der Importe berück- sichtigt werden, um der deutschen Bevöl- kerung einen menschlichen Lebensstandard zu gewährleisten. Die Sowjetunion sei bereit, mit

allen erdenklichen Mitteln die Bemühungen um Erhöhung der deutschen Lebensmittelsätze zu unterstützen. Die Durchführung der Boden- reform in den westlichen Zonen sei ein beson- ders wirksames Mittel zur Hebung der land- wirtschaftlichen Produktion. Dagegen lehnte er es ab, in die deutsche Wirtschaftseinheit die von den Polen verwalteten Gebiete einzu- beziehen. Er sprach sich für eine rasche Be- schlußfassung über das Industrieniveau aus und stellte fest, daß die britische und sow- jetische Auffassung über die Höhe der Stahl- produktion einander sehr nahe kämen.

Inzwischen haben weitere Sitzungen des Viererrats stattgefunden. In einem der Presse übergebenen kurzen Communique hieß es je- doch lediglich, daß sich die Diskussion auf das Problem des deutschen Industrienievaus und die Reparationsfrage beschränkt habe und daß kein Beschluß gefaßt worden sei.

Obwohl man in englischen und amerikani- schen Konferenzkreisen darüber klagt, daß Iswestija und Prawda mit ihren Angriffen fort- fahren, indem die Iswestija sich wieder gegen den deutschen Föderalismus ausspricht und die Prawda behauptet, die Potsdamer Beschlüsse seien nicht durchgeführt worden, ist man im allgemeinen der Ansicht, daß es möglich sein wird, eine Kompromiẞlösung für die schwe- benden Hauptfragen zu finden. In Kreisen amerikanischer Journalisten wurde auf die Be- deutung einer Aussprache zwischen Marshall und Bidault hingewiesen. Größere Bedeutung noch miẞt man einer Besprechung bei, die zwi- schen Stalin und Marshall stattfinden soll, de- ren Datum aber noch nicht bekannt ist.

Ramadier verteidigt die Republik

de Gaulle kritisiert den Parlamentarismus PARIS. Am vergangenen Sonntag sprach General de Gaulle in Bruneval. Er wür- digte in anerkennenden Worten die Leistungen der Widerstandsbewegung und die Rolle, die diese Bewegung bei der Befreiung Frank- reichs gespielt hat. Die Widerstandbewegung und Frankreich stellten ein unteilbares Gan- zes dar.

de Gaulle sagte: Es stimmt, daß nach so vielen Prüfungen die Stimmen der Spaltung, das heißt der Dekadenz, für eine kurze Zeit die Stimme des nationalen Interesses über- lagern konnte. Vielleicht war dies unvermeid- lich. Das Meer hat Ebbe und Flut. Vielleicht liegt es in der Natur der Dinge, daß nach einer gewaltigen Anstrengung dunkle Stun- den unsicherer Tastversuche folgen. Aber die Zeiten sind zu schwierig, das Leben ist zu un- gewiß, und die Welt ist zu hart, als daß man lange im Schatten vegetieren könnte, ohne sich der Todesgefahr auszusetzen."

Frankreich sei trotz schwerer Wunden von einem zähen Lebenstrieb erfüllt und werde zu neuer Größe emporsteigen. de Gaulle schloß mit den Worten: Der Tag wird kommen, an dem die großen französischen Volksmassen sich gegen das nutzlose Spiel erheben werden,

um den schlecht konstruierten Rahmen, den Frankreich seinem politischen Leben gegeben hat, neu zu formen, weil durch sein Verschul- den die Nation in die Irre geführt und die Staatsautorität herabgemindert wird."

Der französische Ministerpräsident Rama- dier sprach zur selben Zeit vor dem Ge- meinderat der Stadt Dapdenac. Seine Aus- führungen können als eine Antwort auf die Rede de Gaulles betrachtet werden. Rama-

Georg von Griechenland gestorben

ATHEN. König Georg von Griechenland

ist am Dienstag an einem Herzleiden gestor- ben. Als Nachfolger wurde Kronprinz Paul proklamiert.

In Paris hat die Mitteilung große Ueber- raschung ausgelöst. Man glaubt aber nicht, daß das Ereignis tiefgreifende Auswirkungen internationale Art auf die griechischen Fragen

haben könnte.

Auch die diplomatischen Kreise Washingtons waren von dem Tode des Königs überrascht. Sie unterstrichen jedoch, daß das Ableben das Programm der Wirtschaftshilfe der USA. für Griechenland nicht verzögern wird. Man hebt hervor, daß Prinz Paul, der Bruder des- nigs, noch volkstümlicher sei als der Ver- storbene und sich gewissen Grundsätzen ge- genüber weniger unzugänglich verhalten habe. Der griechische Premierminister Maximos reichte dem neuen König seinen und seines Kabinettes Rücktritt ein. Er wurde erneut mit der Regierungsbildung beauftragt.

Der englisch- sowjetische Vertrag LONDON. In gutunterrichteten Londoner Kreisen erfährt man, daß die britischen Vor- schläge bezüglich der Revision des englisch- sowjetischen Allianzvertrages Molotow vom britischen Botschafter in Moskau übergeben worden sind. Im Verlauf der Begegnung, die Bevin vergangene Woche mit Marschall Sta-

dier führte aus: Die Republik ist das einzige Regime, das Frankreich zum Wiederaufstieg und zu Wohlstand verhelfen kann. Manchmal entsteht der Eindruck, daß die. Republik und das parlamentarische Regime ein System der Gegensätze und der Zwietracht darstellen. Die so sprechen und fühlen, sind jene, die kein Vertrauen zum französischen Volk haben. In Wirklichkeit sind diese Gegensätze notwendig, wenn das Land bei der Ausarbeitung lebens- wichtiger Entscheidungen mitwirken soll. Im Parlament sagt jeder zunächst, was er denkt und was er will. Nur auf dieser Grundlage kann es zu einer Synthese kommen. Wenn man dagegen im Halbdunkel lebt, wenn die Auffassung eines einzelnen oder einer Grup- pe der Allgemeinheit aufgezwungen wird, kann diese Synthese nicht verwirklicht wer- den. Die stetige Entwicklung vollzieht sich ohne brutale Machenschaften. Es gibt im par- lamentarischen System zögernde Unsicherheit, wenn es aber darauf ankommt, werden alle fruchtlosen Versuche ausgeschaltet und die Kräfte Frankreichs werden sich zusammen-

finden, zusammengeschweißt durch eine ge-. meinsame Idee und nicht etwa durch die ver-

gängliche Größe einer einzelnen Persönlich-

keit."

Die französiche Presse befaßte sich in den

letzten Tagen eingehend mit den beiden Re- den, ja, das Rededuell de Gaulle- Ramadier wird als Höhepunkt der innerpolitischen Dis- kussion bezeichnet. Man zweifelt nicht daran, daß de Gaulles Gegnerschaft gegen die gegenwär- tige Verfassung und die daraus resultierenden Regierungsmethoden alle Parteien Frankreichs und sämtliche Verteidiger des Parlamentaris- mus herausfordere.

lin hatte, hatte dieser den britischen Außen- minister ersucht, ihm Vorschläge bezüglich einer Revision des Vertrages zu unterbreiten.

Mit größter Spannung werden die ersten sow- jetischen Reaktionen erwartet.

Verzweiflung oder Auferstehung?

Von Prof. Dr. Franz Arnold, Tübingen

Da ist er wieder, Faust, der Verzweifelnde in der Osternacht, wie ihn Goethe in seiner tragischen Menschheitsdichtung so unsterblich gezeichnet hat, entschlossen, des Todes Pforten aufzureißen, an denen jeder gern vorüber- schleicht. Alle Versuche dieses großen Men- schen, Gott zu erfassen, die Welt zu verstehen und in ihr ein gotterfülltes, Dasein zu führen, schienen gescheitert. Das ,, zum Schöpfer sich aufsehnende Gemüt des Kindes", das ,, unbe- greifliche Sehnsuchtsdrängen" des die Natur durchstreifenden Knaben; der Drang des Jüng- lings, vom Glauben zur Erkenntnis, von der Erkenntnis zum Glück vorzustoßen; die Ein- sicht des Doktors, daß Gott Natur durch Hebel und durch Schrauben sich ihr Geheim- nis nicht abzwingen läßt und daß der Weg zur Wahrheit nicht durch die Wissenschaft, sondern durch das Leben führt; der Drang des Mannes,, sich in die Welt zu wagen, all Erden- weh und all ihr Glück zu tragen"; die Ver- zweiflung des durch alles Forschen und Wissen unbefriedigten Professors, der sich dem Teufel verschreibt, um durch ihn alles zu können, alles zu haben und zu genießen; der Besitz der vier Fakultätswissenschaften und der magischen

Künste, der Drang des von der Unnatur seines einseitigen Gelehrtendaseins so bitter Enttäusch- ten nach dem Lebensganzen; die Macht des andern" Triebs in seiner zwiespältigen Brust, der den Menschen wachruft im Gelehrten und ihn hernach zu Gretchen führt, diesem ,, herr- lich- schönen, arm unwissenden" Kind, das er in eine entsetzliche Tragödie reißen sollte, all das stürmt in dieser Osternacht auf den einsam Ringenden ein. Voll Bitterkeit und In- grimm, freudlos, öd und leer-, so sieht es im Innern dieses gelehrten Mannes aus. Was er weiß, befriedigt ihn nicht; das Forschen und Wissen selbst befriedigt ihn nicht. Dies alles erscheint ihm wie Rauch und Moder. ,, Zu wis- sen, daß wir nichts wissen können", das will ihm schier das Herz verbrennen. ,, Es möchte kein Hund so weiterleben!" Drum entschließt er sich, zum letzten kühnen Mittel zu greifen und so mit einem Schlag zu gewinnen, was ihm bisher versagt geblieben: alles oder nichts! Der Tod soll dem Himmelsstürmer die Pforte öffnen zu dem einen oder zu dem andern. Durch Gift will er dieses qualvolle Dasein beenden und so nach jenem Ausgang streben, um des-

sen Mund die Hölle flammt. Schon setzt er die Giftschale an den Mund, den braunen Saft zu schlürfen. Da ertönt von der nahen Kloster-

دو

kirche her Glockenklang und Chorgesang: , Christ ist erstanden! Freude dem Sterblichen,/ den die verderb- lichen schleichenden, erblichen/ Mängel umwanden." Er hört die Glocken der verlorenen Kirche läuten. Wie weit zu- rück liegt das alles! Der Glaube erlosch und die Seele verdarb, die Sehnsucht erlahmte, die Hoffnung starb. ,, Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Zu jenen Sphären wag ich nicht zu streben, woher die holde Nach- richt tönt." Aber die Erinnerung an seinen seligen Kinderglauben kommt weich und mah- das Wissen keinen Halt mehr gibt, vom letz- nend über ihn; und sie vermag den Mann, dem

ten ernsten Schritt zurückzureißen in das Leben. Ostern erweist sich stärker an ihm als die Ver- zweiflung, der Glaube und war es auch nur mächtiger als der

die Erinnerung an ihn Unglaube.

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In unzähligen Gestalten schreitet heute Faust der Verzweifelnde wieder hinein in die Osternacht. Er marschiert stumm in dem Elendszug, der vor zwei Jahren im deut- schen Osten aufgebrochen ist und seitdem westwärts wandert auf endlosen Straßen: Men- schen ohne Heimat und ohne Hoffnung inmit- Lin einer erbarmungslosen Welt. Er weint aus Millionen Augen an den Gräbern der Lieben, die sein Leben lebenswert gemacht. Er schleu- dert als Krüppel der Welt seine Vorwürfe ins Gesicht und sieht fassungslos mit an, wie un- geschminkt sich die Charaktere und Charakter-

losigkeiten offenbaren und wie nicht selten die Verfolgten von gestern die Opfer von heute werden. Erschüttert steht er vor Ruinen und Tito zur Außenpolitik Leichenfeldern, vor den Trümmern des Vater- BELGRAD. Marschall Tito gab am vergan- landes und der Völkergemeinschaft, vor den genen Montag der Nationalversammlung einen Verirrungen des eigenen Volkes und vor umfassenden Bericht über die jugoslawische diesem sich unablässig selbstzerfleischenden Außenpolitik. Jugoslawien habe den Friedens- ,, christlichen" Europa. Er hält schonungs- vertrag mit Italien unterzeichnet, um neue lose Bilanz über die Rezepte alter und neuer Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden und Menschheitsbeglücker, die das Vertrauen für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Bezie- hungen der beiden Länder herbeizuführen. Auf Oesterreich bezogen sagte Tito: ,, Die Kärntener Frage wird erst dann von der Tagesordnung gestrichen werden, wenn sie den jugoslawi- schen Ansprüchen entsprechend gelöst ist." Zur Frage der Reparationen führte er aus, daß die 125 Millionen Dollar, die Italien als Repara- tionen an Jugoslawien zu zahlen habe, nur eine ,, symbolische Summe" darstellten. Von Deutschland habe Jugoslawien bis jetzt nur 12 Prozent dessen, was ihm zustehe, erhalten. Tito wehrte sich gegen die Behauptung, Jugo- slawien sei ebenso wie andere Länder Ost- europas ein Satellit der UdSSR., und er- klärte, die Freundschaft mit der UdSSR. sei aus der Tatsache zu erklären, daß dieses Land niemandens Unabhängigkeit bedrohe und für die Leiden der Völker während des Befrei- ungskrieges Verständnis gezeigt habe.

die Einigung der Völker auf die weltwirtschaft- liche Verflechtung der Handelsinteressen, des Kapitals und der Arbeit, der Verkehrstechnik und des Güteraustauschs, oder auf die über- nationalen Ideen der Humanität, der Demo- kratie, des Sozialismus, der Wissenschaft, der Kultur und der Zivilisation gesetzt. Er führt Klage über den Bankerott einer scheinbar christlichen, in Wahrheit aber entchristlichten Welt im Bereich des Sozialen und Politischen; er hadert mit dem Gott der Geschichte, der stets das Unbegreifliche tut, und meint: ,, Wenn ich der Gott wäre, der die Welt erschaffen hat, ihr Jammer würde mich zerreißen." Das ist Faust der Verzweifelnde in der Osternacht 1947. Und während sein Geist sich zermartert an den Problemen einer unerlösten Zeit, trifft ihn die Erlösungsbotschaft aus einer anderen Welt, das freudige, gläubige Allelujah der Oster- glocken, das Lied der Erlösten, der Dank der