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DIENSTAG, 11. MÄRZ 1947 VERLAG UND SCHRIFTLEITUNG: TÜBINGEN, UHLANDSTRASSE 2
Um das Schicksal Deutschlands
Wenig Aussicht auf eine endgültige Lösung in Moskau Ein bemerkenswerter Plan von Lord Beveridge
MOSKAU. Während in Moskau zum Emp- fang der Gäste Narzissen und Tulpen in den Hallen der großen Gasthöfe aufgestellt wer- den, nimmt die Weltpresse begierig jedes Wort auf, das von den Männern ausgesprochen wird, die nach Moskau reisen, oder das die Politiker sagen, die den Delegierten ihrer Länder For- derungen oder Wünsche mit auf den Weg ge- ben. In allen Aeußerungen steht das Deutsch- landproblem im Mittelpunkt.
entspricht. 4. Die Alliierten müssen Deutsch- land fühlen lassen, daß es wirklich ein Teil der Völkerfamilie ist. 5. Man darf die Deut- schen in den Grenzfragen, besonders bei den Ostgrenzen, nicht das nagende Gefühl des Un- rechts spüren lassen. Lord Beveridge fügte hinzu, daß jetzt die Gelegenheit gekommen sei, die Deutschen zu der Meinung zu erzie- hen, daß es nie wieder einen Krieg geben soll. Das Grauen des totalitären Staates hätte ihnen eine gründliche Lektion gegeben.
Ein anderer Deutschlandplan wurde auf der stellt, zu der 50 amerikanische Persönlichkei- ten( u. a. Frau Roosevelt, Sumner Welles, Albert Einstein und Henry Morgenthau) zusammengetreten sind. Dort wurde eine Resolution gefaßt, als deren Kern die Forderung betrachtet werden darf, Deutsch- land darf niemals wieder eine ,, gefährliche Mi- litärmacht" werden. Die ,, Deutschlandkonfe- renz" gab den amerikanischen Delegierten eine Reihe von Empfehlungen mit, die u. a. die Anerkennung der französischen Forderung auf Eingliederung des Saargebiets, die Inter- nationalisierung der Ruhr und die Anerken- nung der derzeitigen Grenzen Polens ent- halten.
Die Moskauer Konferenz ist eine der in re- gelmäßigem Abstand wiederkehrenden Außen- ministerbesprechungen der vier ,, Großen". Dar- ,, Deutschlandkonferenz" in New York aufge- über, ob auch die kleinen Mächte, wie das vor allem Frankreich wünscht, zugelassen werden und in welcher Form eine Zulassung erfolgen soll, hat die Konferenz erst zu entscheiden. Die ,, Kleinen" beziehen sich bei ihrer Forderung, in Moskau dabei sein zu können, auf die außer ordentlich wichtige Tagesordnung: Aenderung der gegenwärtigen Organisation des besetzten und von den Alliierten verwalteten Deutsch- land, Festlegung seines zukünftigen Schicksals in einem Vertrag oder in Gestalt einer mehr oder weniger endgültigen Friedensregelung, Ausarbeitung eines Vertrags für die Wieder- herstellung eines unabhängigen Oesterreich. Der letzte Tagesordnungspunkt wird die ge- ringsten Schwierigkeiten bereiten. Es handelt sich im wesentlichen darum, die Unabhängig- keit Oesterreichs so wirksam zu machen, daß eine Wiederholung des ,, Anschlusses" von 1937 nicht mehr möglich ist. Frankreich und die Vereinigten Staaten vertreten gemeinsam die- sen Standpunkt, während England aus Ab- neigung gegen verpflichtende kontinentale Ab- machungen zurückhaltend ist. Rußland hat sich klar gegen eine solche Garantie ausgesprochen. Es hat geltend gemacht, daß die in der Charta der Vereinten Nationen enthaltenen Sicherun- gen genügen müßten.
Die Aufgabe, mit dem deutschen Problem jetzt schon ins reine zu kommen, ist wohl kaum zu lösen.
Die unmittelbaren Probleme der Verwaltung Deutschlands durch die vier Besatzungsmächte, die Probleme der Entmilitarisierung, der Ent- nazifizierung, der wirtschaftlichen und finanz- technischen Organisation, der Schaffung von Zentralverwaltungen unter der Kontrolle einer Viererregierung werden voraussichtlich zu er- heblichen Unstimmigkeiten führen. Die Frage der Reparationen befindet sich zurzeit auf dem toten Punkt. Zwei schwer miteinander zu ver- einbarende Auffassungen stehen sich gegen- über: die der Russen, die die Reparationen bezahlt sehen möchten, und die der Amerika- ner und Engländer, die Deutschland wirt- schaftlich stärken und die Besatzung weniger kostspielig gestalten wollen, bevor die Abfüh- rung von Reparationsleistungen aus der deut- schen Wirtschaft fortgesetzt wird.
Zur Beurteilung der deutschen Chancen ist man also in diesem Stadium mehr oder we- niger auf Meinungsäußerungen führender Po- litiker angewiesen.
Einen bemerkenswerten Plan für Deutschland hat Lord Beveridge anläßlich einer in London gehaltenen Rede aufgestellt:
1. Das deutsche industrielle Leben und sein Lebensstandard dürfen nicht künstlich gehemmt werden. 2. Die Alliierten müssen alles tun, was in ihrer Macht steht, um sicher zu gehen, daß den Deutschen wirklich die wahre Demokra- tie gegeben wird. 3. Deutschland soll nur dann in verschiedene Länder aufgespalten werden, wenn es dem Wunsche des deutschen Volkes
Kleine Weltchronik
Mit den Stimmen der CDU. und der LDP, wurde im Rheinisch- westfälischen Landtag ein Antrag der SPD. und der KPD. über die Sozialisierung der Bergwerke des Ruhrgebiets abgelehnt.
Der Präsident des Rates der französischen Repu- blik, Champetier de Ribes, ist gestorben.
Der belgische Verteidigungsminister, Oberst De- fraiteur, ist auf Einladung des britischen Verteidi- gungsrats in London eingetroffen.
Sir Donald Clair Gainer ist zum britischen Bot- schafter in Warschau ernannt worden.
Norwegen hat die für militärische Zwecke vor- gesehenen Ausgaben um ein Drittel gesenkt.
Die österreichische Regierung will die tschechische Regierung auffordern, direkte Verhandlungen hin- sichtlich ihrer territorialen Forderungen an Oester- reich einzuleiten.
Von französischer Seite liegen Erklärungen des ehemaligen französischen Botschafters in Berlin, Francois- Poncet, vor, der in Strasbourg vor der Universität über seine Er- gebnisse während seiner Berliner Zeit gespro- chen hat. Man würde eine Torheit begehen, wenn man wiederum ein zentralisiertes Deutschland zuließe. Die deutschen Staaten, die teilweise durch die Weimarer Verfassung
ihr Eigenleben verloren hatten, müßten wieder erstehen. Es sei kein geschichtlicher Rückschritt, wenn Deutschland wieder föderalistisch würde. Wenn ein solches Deutschland geschaffen werde, so sei der Weltfriede gesichert.
Ein besonderes Gewicht kommt noch den Aeußerungen des Präsidenten der Vereinten Nationen, Belgiens Außenminister Spa ak, zu. Er hoffe, so sagte er, daß in Moskau noch kein Vertrag zustande komme, da es noch zu früh sei, mit Deutschland Frieden zu schließen, ehe man nicht wisse, was man von den künftigen
Führern Deutschlands hoffen könne. Belgien mache sich, was die wirtschaftlichen Probleme angehe, keine Illusionen. Deutschland habe nach 1918 nichts bezahlt und werde diesmal noch weniger bezahlen.
Es wird also eine harte Sprache sein, in der man bei den Verhandlungen, die nun gestern begonnen haben, über Deutschland sprechen wird. Kein Deutscher ist zwar Ohrenzeuge, selbst Pressevertreter sind nicht zugelassen, aber trotzdem werden wir aufmerksam jedem Satz folgen müssen. In Moskau wird nicht nur Deutschlands Schicksal entschieden. Ueber den Rahmen einer Konferenz hinaus wird man Gespräche führen, die das Schicksal der Welt entscheiden. Bevin und Marshall werden ohne Zweifel Verhandlungen über die allgemeine Politik mit den Russen beginnen: Schaffung eines Ausgleichs zwischen den großen Mäch- ten in den verschiedenen Einflußzonen Euro- pas, Asiens und des Pazifik, in denen sich ihre Interessen begegnen, Schaffung eines Systems von Sicherheitsabkommen und vielleicht die Vorbereitung eines neuen Viererabkommens für die Sicherheit Europas.
Die Leipziger Mustermesse
denzen, unter denen der Neubau auf dem deutschen Versuchsfeld vorgenommen wird.
5000 Aussteller/ Devisenschaffender Export hat den Vorrang ( Von unserem zur Frühjahrsmesse entsandten Herausgeber und Schriftleiter Will Hanns Hebsacker) LEIPZIG. Schon beim Verlassen des Leip- ziger Hauptbahnhofs weiß man, ohne daß man dies mit Zahlen belegen kann, daß sich die Menschenmassen gegenüber der Frühjahrs- messe vor einem Jahr vervielfacht haben. Der sächsische Wirtschaftsminister Selbmann be- stätigte bei der Eröffnung durch präzise Zah- lenangaben diese Beobachtung: Vor einem Jahr waren es 2746 Firmen, die 27 000 qm Ausstellungsfläche belegt hatten, heute sind es 4890 Firmen mit 57 000 qm belegter Fläche.
Das ist eine erstaunliche Entwicklung. Die Messe des Jahres 1946 wurde damals mit viel Zweifel und Mißtrauen betrachtet. Unser da- maliger Bericht hatte zahlreiche Zuschriften zur Folge, worin sich kritische Leser teilweise sehr negativ über diesen ersten Messeversuch äußerten und für die Zukunft der Messe eine sehr ungünstige Prognose stellten.
Sie sind alle zunächst einmal widerlegt durch die zahlenmäßige Fortentwicklung.
Daß der Warenhunger der deutschen Ver- braucher durch die Messe auch nur annähernd befriedigt werden könnte, ist nicht zu erwar- ten. Der devisenschaffende Export hat hier den Vorrang. Im Interzonenverkehr hat der Besteller die besten Chancen, der kompensie- ren kann. Im übrigen werden die Lieferquo- ten gerecht aufgeteilt.
Was bei der Eröffnung von amtlicher Seite ausgeführt wurde, das klang auch in den Re- den bei den zahlreichen Fachkongressen wie- der, daß nämlich die Schaffung der wirt- schaftlichen Einheit Deutschlands die unerläßliche Voraussetzung für die Entwick- lung von Handel und Wandel sei, und daß dem von allen Seiten angestrebten Wiederauf- bau der Wirtschaft die Aufhebung der Zo- nengrenzen vorausgehen müsse.
Auch die Hintergründe politischer Natur wa- ren nicht zu übersehen, und die Messe selbst war ein Spiegelbild der so verschiedenen Ten-
Bestrafung von John Lewis bestätigt
WASHINGTON. Das Urteil, das vor einiger Zeit gegen John Lewis und die Bergarbeiter- gewerkschaft gefällt worden ist, wurde vom Obersten Bundesgericht bestätigt. Unter der Bedingung, daß John Lewis die Kündigung des Arbeitsvertrages der Bergarbeiter zurück- zieht, wurde die der Gewerkschaft aufer-
Im Rahmen einer in ganz Spanien durchgeführten legte Strafe von drei Millionen Dollar auf
Aktion wurden 500 Gewerkschaftler festgenommen. Der bisherige amerikanische Botschafter in Polen, Arthur P. Lane, erklärte bei seiner Ankunft in New York, daß er keinen Abbruch der diploma- tischen Beziehungen zwischen den USA. und Polen erwarte.
Die USA. haben gegen von den Niederlanden er- lassene Verfügungen protestiert, die den Handels- verkehr in Niederländisch- Ostindien einschränken.
Der Kostenvoranschlag der kanadischen Regierung für das Finanzjahr 1947/48 beläuft sich auf fast zwei Milliarden kanadische Dollar.
Ecuador hat gegen den Friedensvertrag mit Italien Protest erhoben, weil er ein Hindernis für die Demo- kratisierung Italiens darstelle.
In Paraguay sind politische Unruhen ausgebro- chen. Die Regierung behauptet, Herr der Lage zu sein.
Zum Studium der Lage der Arbeiterschaft im Iran ist eine Delegation des Weltgewerkschaftsbundes in Teheran eingetroffen.
700 000 Dollar herabgesetzt. Die Geldstrafe gegen Lewis selbst blieb unverändert, er muß 10 000 Dollar an die Staatskasse abführen.
Die Entscheidung wurde im Repräsentanten- haus mit Beifall aufgenommen. Auch die Se- natoren billigten den Beschluß. Senator Clel lan erklärte:„ ,, Es ist ein Glück, daß das Ge- richt auf diese Weise die Souveränität der
Regierung gegen die Angriffe von John Le- wis und seiner Gewerkschaft verteidigt hat."
Weitere Bündnisabsichten WASHINGTON. Nach Abschluß des franzö- sisch- englischen Paktes fordert der demokra- tische Senator Pepper, daß die USA. einem Bündnispakt gegen eine erneute deutsche Ag- gression beitreten sollten. Auch in Europa sind augenblicklich, offenbar im Zusammen- hang mit der Moskauer Konferenz, eine Reihe
Wer zum Beispiel im Messekatalog nach dem Namen einer ihm seit Jahrzehnten bekannten Firma sucht, wird ihn trotz eifrigen Bemü- hens nirgends finden. Bis er dann zufällig oder von guten Freunden darauf aufmerksam gemacht, die„ Industrieverwaltung Nr. 35" oder die ,, Industrieverwaltung Nr. 63" ent- deckt, identisch mit den unter ihren alten Markennamen vergeblich gesuchten Fabriken die inzwischen ,, landeseigene Betriebe" von Sachsen geworden sind.
Auch andere für ihn fremde Dinge findet der Besucher aus dem Westen hier in Hülle und Fülle, so z. B. die ,, Sowjet- Aktiengesell- schaften", sowjetische Betriebe, die unter rus- sischer Leitung stehen, und deren deutsche Arbeiter und Angestellte fast ausschließlich für den Bedarf der UdSSR. arbeiten.
Dem Trubel der Messehäuser entronnen, studiert der Messegast die Ankündigungen des SIK., des ,, Sächsischen Industrie- Kontors", das auf Schildern und riesigen Aufbauten, an den Straßen und überall auf den Plätzen Reklame macht. Man entnimmt daraus, daß es sich da- bei um eine Zusammenfassung landeseigener Betriebe nach Sachgebieten handelt.
Auf der Rückreise hat man dann zwanzig bis fünfundzwanzig Stunden Zeit, die verwir- rende Fülle der Gesichte noch einmal an sei- nem geistigen Auge vorüberziehen zu lassen. Und da findet der Messegast, daß die zweite Leipziger Frühjahrsmesse imposant und ge- waltig war, aber wie alles Gewaltige- sehr ungemütlich. Und er sagt sich, daß er neulich einem Herrn vom Gallup- Institut zur Erfor- schung der öffentlichen Meinung in Württem- berg doch die richtige Antwort gegeben hat: Ja, gewiß, er ist für den Fortschritt und für die Einheit, aber alles mit Maß und Ziel...
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von Gesprächen im Gange, die den Abschluß neuer Bündnisse zum Ziele haben. Ein tsche- choslowakisch- polnischer Bündnisvertrag wurde in Warschau unterzeichnet. In einem Inter- view erklärte Außenminister Masaryk. ,, Was Deutschland betrifft, so sind die In- teressen beider Länder die gleichen." Der bel- gische Außenminister Spaak ist nach Prag abgereist. In Londoner Kreisen ist man der. Ansicht, er werde von dort aus nach Abschluß eines Vertrages mit der Tschechoslowakei mit Rußland Fühlung nehmen, um ein Abkommen Belgien- Rußland zu erreichen. Nach seiner Rückkehr aus Prag wolle er dann dieses Bündnissystem durch einen Vertrag mit Eng- land ergänzen.
Hohe französische Auszeichnungen TÜBINGEN. Bei der Parade, die am 6. März in Tübingen stattfand, überreichte General Koenig verdienten Offizieren hohe Auszeich- nungen.
Zum Großoffizier der Ehrenlegion wur- den ernannt: General Lelong und General Schwartz. Zu Kommandeuren der Ehrenlegion Colonel Fribourg, Colonel Martin und Com- mandant Simon. Zu Offizieren der Ehrenlegion wurden General Troadeo und General Chre- tien ernannt.
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3. JAHRGANG NUMMER 20
Frieden für Deutschland
Immanuel Kant, einer der großen deutschen Denker, bringt in seiner Schrift ,, Zum ewigen Frieden" unmiẞverständlich zum Ausdruck, was wir vor aller Welt uns sagen lassen müssen:
,, Es soll sich kein Staat im Kriege mit ei- nem anderen solche Feindseligkeiten erlau- ben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müs- sen... Das sind ehrlose Stratagemen. Denn irgendein Vertrauen auf die Denkungsart des Feindes muß mitten im Kriege noch übrig bleiben, weil sonst kein Friede abgeschlossen werden könnte und die Feindseligkeit in einen Ausrottungskrieg ausschlagen würde..." Kants Worte müssen auf das ganze„ tau- sendjährige Reich" ausgedehnt und als mo- ralische Verurteilung des NS.- Regimes voll anerkannt werden. Des NS.- Regimes, nicht Deutschlands. Wer wollte mit gutem Gewissen aufstehen und ein 70- Millionenvolk, dem die Welt einiges ihrer Kultur immerhin zu ver- danken hat, das Recht absprechen, in seinem Staate zu leben, zu wirken, zu hoffen?
Nun ist es soweit. Die„ großen" und die kleinen" Nationen sitzen in Moskau am Ver- handlungstisch. Dieses Mal geht es um uns. Die Optimisten unter den ausländischen Staatsmännern rechnen mit einer Konferenz- dauer von zwei Monaten. Träfe dies zu, dann fiele die Fertigstellung des Friedensvertrages mit der deutschen Kapitulation vor zwei Jah- ren zusammen. Es wurden aber auch schon Stimmen laut, die vorsichtigerweise den Mos- kauer Verhandlungen einige" Monate ein- räumen. Die Pessimisten befürchten, daß über- haupt kein Vertrag, sondern nur ein allge- meines Gerüst für einen Vertrag zustande käme. Dies bleibt abzuwarten.
Zwei Jahre sind eine lange Zeit. Zwei Jahre banger Sorge. Was wird man über uns be- schließen? Wer wird vor der Konferenz uns vertreten? Noch wurden keine Deutschen auf- gerufen, ihren Standpunkt klarzulegen. Es darf hier allerdings heute gefragt werden: Gibt es einen deutschen Standpunkt, zur Frie- denskonferenz? Ein Plenum von gewählten Vertreter unseres Volkes existiert noch nicht. An Einzelstimmen ist allerdings kein Mangel. Die Parteien haben sich geäußert. Man wies eindringlich darauf hin, daß ein 70- Millionen- volk nur zur Ruhe kommen kann, wenn es seine Existenz gesichert weiß. Soll unser un- glückliches Deutschland davor bewahrt wer- den, in Not und Verzweiflung neue Eiter- herde verschiedenster Bedrohlichkeit zu bil- den, dann darf es der Konferenz nicht an dem Mut fehlen, dem vom Nationalsozialis- mus befreiten Deutschland eine neue Chance zu geben.
Noch geht die Diskussion um Gebietsab- tretungen, die unsere Nachbarn im Osten, im Westen, im Norden und im Süden fordern, soweit sie nicht bereits vollzogen sind. Ent- scheidende Grundstoff- und Schlüsselindu- strien sollen abgetrennt werden. Daß unsere Landwirtschaft nicht in der Lage ist, 70 Mil- lionen Menschen zu ernähren, wissen wir. Daß das deutsche Volk nur fortbestehen kann, wenn seine Industrie genug exportieren kann, um mit den erzielten Erlösen Nahrungsmittel-" und Rohstoffimporte zu finanzieren, wissen wir auch. Und nicht nur wir. Soll Deutschland nicht zum Fürsorgeempfänger der Welt für alle Zeiten werden, dann muß es arbeiten können und wenigstens einen Teil seiner Pro- dukte für sich zur Verfügung haben.
Ein Vertrag wird nach üblichen Vorstellun- gen zwischen zwei oder mehreren Vertrags- partnern geschlossen. Insofern müßten eigent- lich die Pessimisten unter den Staatsmännern recht haben, die noch keinen endgültigen Frie- densvertrag erwarten. Ja, es will beinahe scheinen, daß der Vorschlag des amerikani- schen Botschafters Murphy er liegt schon einige Zeit zurück die Sachlage am ehe- sten trifft: Ein Friedensstatut zu schaffen, um eine künftige deutsche Zentralregierung nicht bei ihrem Amtsantritt bereits mit der Unter- zeichnung eines Dokumentes zu belasten, das, mag es ausfallen wie es will, uns hart treffen wird.
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Haben wir in unserer Situation zu hoffen, die Moskauer Konferenz werde nicht dabei stehen bleiben, unser Schuldkonto aufzurollen und die notwendigen Vorkehrungen zu tref- fen, die einzelnen Posten einzutreiben? Ge- messen an dem, was man uns zu Recht vor- wirft, nein. Wir glauben und hoffen aber andererseits, daß dort, wo wir noch vergeb- lich auf Vergebung hoffen vergessen soll zu die unserem eigenen Nutzen nichts werden nüchterne Vernunft spricht und anerkennt: Dieses 70- Millionenvolk hat, mag gewesen sein, was da mag, ein Recht darauf, ein menschen- würdiges Dasein zu führen. Nur dort, wo der Hunger täglich ein und aus geht, sind die Menschen bereit, sich auf Abenteuer einzu- lassen. Eine allgemeine Arbeitslosigkeit in Deutschland würde den Unruhestiftern und Gegnern eines demokratischen Staates in welchem Lande gibt es diese nicht aufs neue Einflußmöglichkeiten auf große Teile des Volkes einräumen, denen es am notwendi- gen politischen Instinkt mangelt.
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Die zurzeit in Deutschland durchgeführten Kriegsverbrecherprozesse hätten ihren Sinn verloren, wenn die Moskauer Konferenz einen Vertrag schüfe. der, so er erfüllt würde. uns zugrunde richtete. Dr. Helmut Kiecza