Montag, den 15. Januar 1940
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Wohl dem, der einen Pettcr oder ein Bäsle oder eine liebe Tante besitzt. Wohl ihm. der in den Stunden trostlosen Meinseins ein verwandtschaftlich mitfühlendes Herz in erreichbarer Nähe weiß! Wie schön ist es doch, dann und wann den lieben Verwandten oder das nette Bäsle auszusuchcu, einander „guten Tag" zu sagen und sich gegenseitig nach dem „Wia goht dr's denn" zu erkundigen! Es gibt ja genug Gesprächsstoff, und wenn selbst dieser ausnahmsweise erschöpft sein sollte, dann liegt die Frage nach dem beiderseitigen Mürkchenvorrat sehr nahe, woraus dieses mit der Zeit sehr beliebt gewordene Thema den übrigen Teil des Gespräches ausznfüllen pflegt. Wenn sich dann hinterher die Zungen etwas müde geredet haben, schiebt das Bäsle dem Besuch eine Schale herrlich duftenden schwarzen TeeS (so man hat) an den Platz, womit die Eintracht vollends geschmiedet sein dürfte.
Wie gesagt, das läßt sich leicht tun, wenn die Verwandtschaft im selben Orte wohnt. Aber es gibt erfahrungsgemäß Verwandte, die nur mittels Eisenbahn oder Kraftwagen zu erreichen sind. Nichts einfacher als das, Pflegt man in solchen Fällen gemeinhin zu sagen: fahren wir eben mit dem Zügle. Damit wären wir nun aber bei dem springenden Punkt angelangt, um den es sich dreht. Denn die Reichsbahn ist zwar ein Instrument. vermittelst dessen es sich herrlich in der Welt herumkutschieren läßt; sie gleicht aber zur Zeit einem Bienenstock, in dessen Inneres sich ein fremder Bienenschwarm hinein verirrt hat. Das bedeutet zwar nicht, daß der Bienenstock aus dem Wachs geht, aber immerhin, daß — sich jemand darin befindet, der lieber nicht hätte hineingehen sollen. Und, seht ihr, liebe Vettern- und Bäslesbesucher, die ihr es gewohnt seid, euch von Zeit zu Zeit dem Dampfroß und seinen Wägelchen anzuvertrauen das ist es, was euch, blumig ansgedrückt, gesagt werden sollte. Hoffentlich sitzt ihr aber nicht gerade schon im Zug und lest dort erst diese Zeilen. Möglich ist es schon.
Mb.
Austauschstelle für Kinderschuhe
Wie anderorts ist jetzt auch in Calw eine Austauschstelle für Kinderschuhe eingerichtet worden. Sic befindet sich in der Geschäftsstelle der NS.-Bolkswohlfahrt in der „Kanne" (Salzgasse) und kann während der jeweiligen Sprechstunden am Dienstag und Freitag von 15 bis 18 Uhr von jedermann in Anspruch genommen werden.
Viehversicheruug
schützt den Tierhalter vor Sorgen
Der Ortsviehversichcrungsverein Alt- burg hielt in den letzten Tagen seine ordentliche Jahresmitgliederversammlung im Rathaussaal ab- Der Verein hatte im abgelaufc- ncn Jahr 12 Schadensfälle mit 5073,75 RM (gleich Vs des Wertanschlags) zu vergüten. Der Verein zählt 109 Mitglieder mit 342 versicherten Tieren. Nachdem sich der seitherige Rechner Matth. Fenchel nicht mehr zur Beibehaltung der Kassicrgcschäftc entschließen konnte, wurde Friedrich Bolz, Schreiuer, als neuer Rechner gewählt. In die Vorstandschaft wurden berufen Benjamin Schaible, Matthäus Keck, Ulrich Kugele, Holzhauer, Ulrich Roller, Michael Pfrommer,
Koman eines iktümpkees von k/keiek, §antkee
Covorigtzt 1SS9 bet Gerhard Stallina Verlag, Oldenburg t. O.
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Jetzt, da sei der Oberstleutnant noch von seiner Verwunderung und dem Verlust zweier Söhne benommen. Aber die Jungen wollten es nicht gaubcn.
Hörte der Oberstleutnant dem Unterricht zu und fragte er aus. so geschah es mehr als einmal, daß junge Kriegsfreiwillige in der Unterhaltung darauf zu sprechen kamen, daß nach ihrer Ansicht das Stilliegcn hier ganz falsch sei, daß auch die Ausbildungsart des Regiments anders sei, als sie selber sie für richtig hielten. Sie hatten noch das junge Feuer ihrer Sturm- und Drangzeit in sich lind wollten jeden Abend auf freiwillige Patrouillen gehen.
Man konnte mit dem Oberstleutnant durchaus so reden, genau so. wie damals der Reservist ihn mit Sie angeredet und dann auf Anforderung auch gleich du zum Oberstleutnant gesagt hatte. Das kam aus dem Väterlichen bei ihm. aus einer fast zarten und vertrauenerweckende,, Männlichkeit die hoch über allen Formen stand und zu Vertraulichkeiten geradezu verführte.
Er ließ sich das alles ruhig sagen und ging gern darauf ein. Der unverbrauchte Geist der Jungen und die Offenheit, die sie chm bezeigten, freuten ihn. Er wollte ja durchaus kein Schleifstein sein, sondern ein Führer, der nur zufällig als ordnungsgemäß
Rus §NdL und Z<reis Calw
rchwarzwald Wacht Seite 5
Weltenfchwann, Johannes Kepplcr, Wel- tenschwauu und Jakob Kugele in Tpeßhardt.
Heiteres aus Bayern
Julius Pohl: Der Ehestreit
Durch Vermittlung der NS.-Gemeiuschast „Kraft durch Freude" gab gestern das „Bayerische V o l ks th ca te r" in Calw zwei Gastspiele mit dem urchwüchsigcn Schwank „Der Ehestreik" von Julius Pohl. Beide Vorstellungen waren überfüllt und brachten den gewandten Spielern aus Bayern einen Beifallserfolg, auf den sie stolz sein dürfen. Lustspiele im bayerischeil Dialekt sind eine Sache für sich! Volkstümlich und original bahuvarisch dargcstellt, kommt ihnen im Reich der heiteren, zuweilen auch hintergründigen Dialcktdichtung so leicht nichts gleich. Was Julius Pohl in seinem „Ehestreik" schildert ist kcrnhaft und von echtem Volkshumor verklärt. Die Aufführungen iil der Hatte der Truppführerschule entfesselten immer wieder Stürme der Heiterkeit.
Der Kreisdienststelle Calw der NSG. „Kraft durch Freude" gebührt herzlicher Dank für diese beiden Veranstaltungen, die dank äußerst nieoer gehaltener Eintrittspreise wirklich von jedermann besucht werden konnten und Freude in das Alltagsleben vieler Arbeitskameraden gebracht haben. Erwünscht und in aller Interesse gelegen wäre es, wenn die Karten rechtzeitig
Mehr erzeugen und das Erzeugte sparsam verwenden! Das ist der Grundgedanke der vor fünf Jahren begonnenen Erzeugungsschlacht, welche uns gewiß im Vergleich zn früheren Zeiten große Leistungssteigerungen erreichen ließ, so daß diese gesteigerte Leistung heute eine gute Waffe in dem uns aufgezwungen c n K a m p f ist. Diese Waffe kann nicht stark genug seiu! Sie ist ebenso unentbehrlich wie sie Kanonen der Wehrmacht, sagte Staatssekretär Herbert Backe, und die Schärfe und Schlagkraft dieser Waffe ist nicht nur entscheidend im Krieg, sondern wird auch im Frieden das Fundament für Deutschlands wirtschaftliche Unabhängigkeit iein und bleiben. ^
Dieser Grundgedanke: Mehr erzeugen und das Erzeugte sparsam verwenden! gilt in'hohem Maß für die F nt terb es ch a f fu n g, nicht nur als Ganzes gesehen, sondern in erster Linie für jeden
einzelnen Hof. Wir wissen, daß rund 60 v. H. der gesamten Bodenerzeugnisse zur Fütterung unserer Ticrbcstände beansprucht werden und daß die Leistung unserer Tierbcständc weitgehend von der Menge und Güte des Futters abhängt. In vieh- starken Betrieben ist der Anteil ves Futters oft noch mehr als 60 v. H. der Bodenerzeugnisse des Einzclhofes, und eine solche Tatsache hat nur dann eine wirtschaftliche Berechtigung, wenn diesem starken Fntterverbranch auch entsprechende Leistungen im Ticrstall gegenüberstehen. Wo dies aber nicht überzeugend der Fall ist, fehlt es an der richtigen Organisation des Betriebes, vor allem anc Können des Betriebsleiters bczw. des betreffenden Wirtschafters. Grundlegend für jede Tierhaltung muß sein, daß die wirtschaftseigene Fattcrcrzcugung in einem richtigen Verhältnis zur Tierhaltung sich befindet und daß mit wirtschaftseigenen Futterstoffen gute Durchschnittsleistungen hervorgebracht werden. Wer gute Leistungen nur durch Zukauf fremder Futterstoffe erreichen kann, hat Sinn und Zweck der hofeigencn Futtcrbeschaffung noch nicht erkannt! Imponierend sind nur Leistungen aus eigener Scholle — aus eigener Kraft — aus eigenem Können!
DaS Streben eines jeden Hofes muß eindeutig
im Vorverkauf gelöst würden. Als nächste KTF.-Vcranstaltung ist am 24. Februar eine Aufführung der Operette „Der Graf von Luxemburg" durch die Stuttgarter Kammer- opcr geplant.
Soldatendank
Wildbrrger schreiben in dir Heimat 1>4p. Mit viel Liebe und Sorgfalt wurden auch iu Wildbcrg wie überall vor Weihnachten Feldpostpäckchcn gerichtet. Die NS.-Frauenschaft war in den Wochen vorher mit Eifer beim Backen und Stricken und die Kinder der Kin- dergrnppe bastelten mit vor Eifer glühenden Gesichtern und mit farbbeschmierten Fingcrchen Kerzcnhalter und Weihnachtskärtchcn und uni die Pakete so vielseitig als möglich werden zu lassen, brachten auch die Kameraden der Partei nnd die Stadtgemcinde ihren Beitrag in Form von Zigarren und Zigaretten. Auch der Rundbrief ans der Heimat, der schon viel Freude gemacht hat und der die Soldaten über die Neuigkeiten in Wildberg unterrichtet und eine stete Verbindung zwischen Heimat und Front darstellt, wurde fertiggemacht und dann kam endlich der Tag, an dem die Päckchen gepackt und zur Post gebracht wurden. Nur wer selbst das Glück hatte, dabei zu sein, weiß, wie unendlich viel Liebe und wieviel herzliche Wünsche mit in die Pakete hineingcpackt wurden. Und dann fuhren sie hinaus, unseren Soldaten zu
auf eine Leistungssteigerung in der hofeigenen Futtererzeugung ausgerichtet sein, eine Forderung, die fast für alle Höfe Deutschlands gilt, da auch heute noch die Grundfuttererzeugung in nahezu drei Vierteln aller Betriebe unzureichend ist. Wo sollen dann aber Leistungen Herkommen, wenn schon die Grundfutterbeschaffung nicht genügend ist, wenn das grundsätzlich notwendige Erhaltungsfutter für die Tiere nicht in gleichmäßiger Menge und Güte für das ganze Jahr sicher vorhanden ist? Ohne gesicherte Grundfutterversorgung, die das Erhaltungsfutter darstellt, nützen alle Bestrebungen zur Steigerung des Kraftfutterbaues, der Erzeugung von Futter- Eiweiß nur recht wenig, da nährstoffreiches Leistungsfutter erst dann eine Leistungssteigerung auslösen kann, wenn genügend Erhaltungsfutter den Tieren verabreicht werden kann. Das Erhaltungsfutter muß in genügender Menge und Güte auf jedem Hof als Grundlage jeglicher Fütterung erst erzeugt werden, bzw. vorhanden sein, ehe man an einen Kraftfutterbau zur Leistungssteigerung gehen kann. Leistungen ohne genügendes Erhaltungsfutter können auch mit noch soviel zusätzlichen Kraftfuttermitteln aus die Dauer nicht erreicht werden, und wehe dem Hof, dessen Tierbestände auf wirtschaftsfremdes Futter angewiesen sind! Genau so gefährlich ist es, wenn, wohl mengenmäßig gesehen, genügend Erhaltungsfutter erzeugt wird, wenn aber die Güte dieses Erhaltungsfutters — der Eiweißgehalt — nicht aus- rcicht, um den Eiweißbedarf im Erhaltungsfutter zu decken. Und das ist leider bei vielen Höfen der Fall, weil die Güte des Grundfutters nicht in Ordnung ist.
Höfe, bei denen im Laufe des Jahres Futterlücken entstehen, sind betriebstechnisch und betriebsorganisatorisch nicht in Ordnung. Entweder ist die gehaltene Vichzahl für die vor- handenc Futterfläche zu groß oder die Leistungen auf den Futterflächen zu gering, gemessen an der Viehzahl und der Größe der Futterflächen. Für viele Betriebe trifft beides zu! Am häufigsten aber finden wir bei Betriebsuntersuchungen, daß die Leistungen auf den Futterflächen noch viel zu gering sind, so daß also hier der Hebel angesetzt werden muß.
Weihnachten cincn Gruß aus der Heimat zn, bringen.
' Wie viel Freude diese Päckchen zu unseren Soldaten brachten, geht ans den zahlreichen Briefen und Karten hervor, die seit Weihnachten täglich eintreffen. Ans allen diesen Briefen spricht die gleiche Freude über das Päckchen aus der Heimat nnd zwar ist cs mehr die Freude über das Päckchen selbst, als nur über dessen Inhalt. Der Witte zum Sieg und der Glaube an den Tieg kommt in all diesen Briefen zum Ausdruck. Alle unsere Soldaten bedauern, daß sic bis jetzt noch keine Gelegenheit hatten, ihren Mut und ihr Können zu beweisen.
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Wie einer, der seine Mutter in den Reihen der NS.-Frauenschaft weiß, „all den lieben Frauen, besonders aber seiner Mutter" recht frohe Weihnachten wünscht, so schließen alle diese Briefe mit den besten Wünschen für das kommende Jahr. Einer schreibt, daß ihm die Pulswärmer bei der z. Zt. herrschenden Kälte schon gute Dienste getan haben und ein anderer freut sich besonders über das Kerzlein und den Tannenzweig, der ihm seine Schwarzwaldheimat besonders. nahe bringt. Er träumt sich beim Schein dieser Kerze in die Kinderzeit zurück, cho er im Kreise seiner Familie Weihnachten feierte, während ein anderer sehr anschaulich und mit Stolz seine erste „Kricgs- Soldatenweihnachtsfeier" schildert, die mit dem Lied schloß: „Tenn wir fliegen gegen Engelland!"
Da berichtet einer von seinem ersten Einmarsch und ein anderer schreibt von der Küste der Ostsee, daß er die Grüße und Nachrichten aus der Heimat als besonders festen Ausdruck der Verbundenheit zwischen der Soldatcnfront nnd der Heimatfront empfunden habe. In einem Brief heißt es: „Wenn wir auch nicht mit der Waffe in der Hand dem Feinde gegenüberstehen, sondern nur mit Pickel nnd Schaufel unseren feldgrauen Kameraden ihre Stellungen ausbauen, Gräben ziehen ooer Draht- Hindernisse bauen, so glaube ich doch, daß auch wir einen kleinen Teil dazu beitragen, dem deutschen Volk zum Sieg zu verhelfen", denn, schreibt ein anderer „Unser Führer hat ja alls- drücklich erwähnt, daß jeder dort seine Pflicht zu erfüllen hat, wo er hingestellt Wird".
Ein Fliegerunteroffizier schildert seine Erlebnisse im Polenfeldzug und berichtet mit Stolz, daß die Staffel, der er angehört, von der Obersten Heeresleitung als die beste und erfolgreichste des Polenkricgcs ausgezeichnet wurde und daß ihm mit 38 Kameraden das LK II verliehen wurde
Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus den vielen in Wildberg eingcgangenen Briefen, sie alle aber legen Zeugnis ab von der Tapferkeit und Einsatzbereitschaft unserer Soldaten und verpflichten uns in der Heimat, hinter dieser Tapferkeit nicht zurückzustehen und unsere Pflicht an dem Platz ganz zu erfüllen, an den wir gestellt sind.
Wirtschaftseigene Futtererzeugung steigern!
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eingesetzter Kommandeur eines Regiments die Abzeichen eines Oberstleutnants tragen mußte. Er bedurfte ihrer nicht und wollte nicht auf sie angewiesen sein. Aber die Herzen sollten ihm gehören. Damit konnte er alles erreichen.
Und sie gehörten ihm. Wenn auch nicht ohne Vorbehalte. Es schadet aber nichts, wenn in einem gesunden Trnppenkörper eine gesunde Spannung und Reibung ist; aus ihr kommt, wie überall im Leben, erst der schöpferische Funke, der gemeinsame Höchstleistung anslöst und zu ihr entzündet.
Das Wirtshaus Ondank war nicht groß. Der eigentliche Schankraum wurde Regi- mentsgeschäftszimmcr. In dem sich daran anschließenden, eine Stuse höher liegenden Zimmer wohnte der Oberstleutnant. In einer Kammer nebenan stand sein Bett.
Kam es min durch das Wesen des Wirtshauses als einer gastlichen Stätte, oder lag es an einem gewissen Gcselligkeitsbedürsnis des Oberstleutnants, an das sich die Alten nicht erinnern konnten: Jedenfalls fand sich abends itn Zimmer des Oberstleutnants stets ein größerer Kreis von Offizieren ein, die etwa noch aus dem Geschäftszimmer zu tun gehabt hatten, oder horangcbetcn, oder zn- sällia vorbeigckommen waren.
Da der Oberstleutnant gern recht genau über alle Einzelheiten der Vorgänge unterrichtet war und darum häufig selber die Stufen ans seinem Zimmer in das Büro herunterkam. so traf es sich oft, daß er einen der jungen Offiziere oder auch einen Kriegsfreiwilligen oder Unteroffizier und Mann zu sich in sein Zimmer nahm und sich mit ihnen unterhielt.
Man durfte ganz unverblümt 'mit ihm sprechen, bekam seine Zigarre und sein Glas Wein, wurde freundlich wieder entlasten und
war immer gern gesehen, wenn man nur offen war. Wäre man es nicht gewesen, dann hätte man ein paar sehr scharfe und durchbohrende Augen auf sich gehabt und wäre, in Verlegenheit ertappt, in die Erde gesunken.
Zum Abend bat der Oberstleutnant gern die Bataillonskommandcure zu sich und saß mit ihnen unter einer Petroleumhängelampc ohne Kartenspiel und doch höchst angeregt zusammen. Wer das Glück hatte, durch Zufall oder Aufforderung an einem solchen Abend teilnehmen zu dürfen, tat es nicht ohne Gewinn.
Meist wurde cs tiefe Nacht darüber. Der Oberstleutnant liebte die Freuden der Tafel und hielt auf gute Beköstigung. Natürlich auch seines Reginients. Er wußte, wie sehr Leib und Seele und Geist eine Einheit und wie schwer es war, sie unter den derzeitigen Umstünden zusammmzuhalten.
Man sprach auch freier als bei anderen Regimentern über Politische und religiöse Dinge, übrigens stets in einem Ton höchster Verantwortung, wie es sich ja gehörte. Man sprach auch von Frauen, den Pferden und Hunden. Doch nie ohne Geist und Witz. Und man konnte die Gespräche über dienstliche Angelegenheiten von einem Freimut nnd einer allseitig belebten Anteilnahme zu hören bekommen wie wohl selten in einer Truppe.
Es ist vorgckommen, daß auch einmal der Brigadegeneral hier zufällig vorbeikam, ein- sah und versehentlich bis tief in die Nacht fitzcnblieb, so gemütlich und offen und menschlich ging es zu. Er mußte es sich gefallen lassen — und ließ es sich gefallen, weil er der Mann dazu war —, daß auch ihm vieles gesagt wurde, was er sonst nie zu hören bekommen hätte. Ja. er mußte sich sogar ein
wenig verteidigen und zur Wehr fetzen, denn man ging sehr frisch mit ihm um.
Und als bei einer Besichtigung des Regi- ments der Divisionskommandeur zu einer kleinen Erfrischung in das Zimmer des Oberst, leutnants trat, gefiel es auch ihm dort so, daß er zum Abendbrot nnd ebenfalls bis tief in die Nacht blieb.
Selbst Seine Exzellenz konnten sich nicht über Mangel an Freimut beklagen. Als ihm dabei einer der jungen Kompanieführer manches gesagt hatte, was ihm durchaus neuartig war, meinten Seine Exzellenz zu dem jungen Mann: „Aber das hat mir noch nicht einmal einer meiner Adjutanten gesagt! Hören Sie nur!"
Darauf erlaubte sich der junge Kompanre- führcr das kühne Wort: „Wir sind ja auch keine Adjutanten, Euer Exzellenz! Ich bitte gehorsamst um Verzeihung!"
Das verstand der General durchaus richtig, und er trank dem jungen Mann freundlich zu. Zum Oberstleutnant gewandt, sagte er lachend: „Sie haben hier aber verdammte Heuhüppers in der Kolonne, mein lieber Lindeblatt! Alle Wetter noch eins!"
Aber der Oberstleutnant Lindeblatt erhob mit seinen Herren das Glas auf Seine Exzellenz und sagte: „Solange noch nicht ins Gras gebissen ist, wird hier gehüpft und gesprungen! Dazu sind Euer Exzellenz hier unter den Füsilieren!"
Da nahm der General einen gehörigen Schluck, wischte sich «den Schnurrbart nnd sagte noch einmal: „Alle Wetter noch eins. Lindeblatt! Bei euch muß man sich ja verdammt in acht nehmen, daß die jungen Leute nicht mit uns alten Krüppeln Schlitten fahren!"
(Fortkekuna kolaU