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18. Inn! 1916

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Nürnberg. Nach Abschluß der Vernehmung Seyß-Jnquarts und seiner Zeugen betrat Franz von Papen den Zeugenstand. Papen ist der eigentliche Steigbügelhalter Hitlers gewesen, und über seine Rolle in den Wochen und Monaten vor der Machtergreifung des Nationalsozialismus wird sicher manche unerwartete Aufklärung gewonnen werden. Als damals Papen Reichskanzler wurde, war sein Name vielen Deutschen noch unbekannt. Nur wenige Eingeweihte wußten, daß er, wie da­mals eine schwedische Zeitung schrieb,das beste deutsche Unterseeboot" war. Sein Einfluß als Füh­rer des rechten Flügels des Zentrums, als Präsi­dent des feudalenHerrenklubs" und als Verbin­dungsmann zwischen Industrie, Politik und Groß- grundbesiß war ungeheuer. Trotzdem hatte er es immer verstanden, hinter den Kulissen zu bleiben und von dort aus als kluger Regisseur die Fäden zu ziehen. Als er von Hindenburg im Juni 1932 zum Reichskanzler ernannt worden war und mit dem überparteilichenKabinett aus Fachleuten" vor die Oeffentlichkeit trat, konnten sich nur politische Leicht­gläubige darüber täuschen, daß ein von ihm ge­steuerter konsequenter Rechtskurs zwangsläufig im Nationalsozialismus enden würde.

Zu Beginn seiner Aussage erklärte »on Pa­pen:Das Gericht hat die Angeklagten aufgefor- derl, sich kurz zu fassen, da Göring in seiner Aus­sage die Geschichte des Nationalsozialismus ein­gehend geschildert hat. Ich bitte mir mehr Zeit zu geben, da ich hier nicht für den Nationalsozialis­mus spreche. Meine Verteidigung wird für die des anderen Deutschland sein." Man wird gespannt darauf sein können, was Papen unter deman­deren Deutschland" versteht, ob er etwa nur den mit ihm in Verbindung gestandenen Kreis umDie Tat", dieTägliche Rundschau" und dasDeutsche Volkstum", oder ob er auch jene Kreise meint, die für ein besseres und freieres'Deutschland gekämpft und gelitten haben.

König Gustav von Schweden hat dem amerika­nischen Gesandten in Stockholm mitgeteilt, daß er sich erinnere, mit dem vor dem Nürnberger Ge­richt stehenden Angeklagten von Papen bei zwei Gelegenheiten gesprochen zu haben. Da die beiden Unterredungen schon sehr lange zurückliegen Frühjahr 1912 und im Jahre 1939 erinnere er sich nicht mehr an Einzelheiten der Gesvräche. Cr betonte, daß er von dem damaligen Botschafter von Papen am 22. Januar 1911 ein «schreiben erhielt, auf das er antwortete, daß er bei der Schließung eines Friedens nicht Helsen könne, weil die notwendigen Voraussetzungen für den Frieden nicht vorhanden seien.

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Aus der jetzt beendeten Vernehmung Seyß-Jn­quarts tragen wir noch die Aussage des ehemaligen Gauleiters von Kärnten, Rainer, nach. Im Kreuz­verhör des amerikanischen Anklägers Dodd mußte Rainer die Richtigkeit seiner in einer Rede gegebe­nen Schilderung der Ereignisse vor dem Anschluß zugeben. Er hatte damals von Seyß-Jnguart ge­sagt:Es ist gelungen, die Berufung von Seyß- Jnguart zum Staatsrat durchsetzen (Juni 1937). Seyß-Jnguart hat sich immer als Beauftragter (des illegalen Gauleiters) Klaußner gefühlt und dessen politische Aufträge getreulich durchgeführt. Wir haben mit Ernennung Seyß-Jnquarts zum Staatsrat neuerlich eine Möglichkeit bekommen, in weitere Verhandlungen einzütreten."

Anschließend kam Rainer auf die Besprechung zwischen Hitler und Schuschnigg auf dem Ober- salzberg zu sprechen.Schuschnigg wurde da­mals scrtiggemacht, wie man es sich gar nicht vor­stellen kann. Ribbentrop sagte mir, Schuschnigg habe ihm schon leid getan. Schuschnigg versuchte, noch etwas einzuwenden, wurde aber vom Führer so angeschrien, daß er still war."

Im Juli 1936 war der Zeuge zum Befehlsemp­fang nach Berchtesgaden gefahren. Dort habe Hit­ler damals die Politik der österreichischen Nazis alsheroisch, aber dumm" bezeichnet und verlangt, daß sie sich aller vorhandenen politischen Möglich­keiten bedienen sollten. Rainer erklärte, daß Hitler seiner Meinung nach die Politik Seyß-Jnouarts gebilligt habe. Eine Zusammenkunft zwischen Seyß- Jnguart und Hitler seigut und voller Loyalität" gegen Schuschnigg verlaufen. Durch diesen Besuch bei Hitler habe Seyß-Jnguart in den Augen der österreichischen Nazis erstdie richtige Legitima­tion" erhalten. Durch die Rede Schuschniggs am 8. März 1938 in Innsbruck sei aber die Möglich­

keit einer Verständigung der Nazis mit der Re­gierung Schuschnigg zerstört worden. Sofort sei di« Parole zur Stimmenthaltung bei der Volks­befragung ausgegeben worden.

Rainer gab zu, daß Seyß-Jnguart die österrei­chischen Naziführer über sein Gespräch mit Schusch­nigg informiert habe, in dem Schuschnigg die Ein­willigung zur Verschiebung der Wahl gegeben, sich aber geweigert habe, di« Volksabstimmung abzu­fetzen und den Sicherheitsminister Seyß-Jn- quart mit scharfen Maßnahmen zur Aufrecht­erhaltung der Ordnung zu beauftragen.

Rainer bezeichnet» die Tätigkeit Seyß-Jnquarts ausdrücklich als Zusammenarbeit mit Partei und Reich.

Zu Beginn der Donnerstagsitzung schlug Lord­richter Lawrence der Verteidigung vor, die Plädoyers auf einen Zeitraum von 14 Tagen zu beschränken. Die Anklagebehörde habe freiwillig erklärt, ihre Schlußfolgerungen in drei Tagen auszuführen. Die Rechte der Verteidigung würden dadurch nicht geschmälert. Einige Verteidiger er­hoben gegen diese Maßnahme Einspruch, doch be­steht das Gericht auf seinem Standpunkt. Lord­richter Lawrence erklärte, daß er hoffe, daß sich die Verteidigung darauf vorbereiten würde, ihre Plädoyers in der abgekürzten Frist in befrie­digender Weise vorzubringen.

Am Sonnabend war in Nürnberg keine Ver­handlung, weil der Vorsitzende des Internationalen Gerichts in Nürnberg, Lordrichter Lawrence, vom

tschechischen Präsidenten Eduard Benesch nach Prag einqeladen worden war.

Nach Ansicht von Präsident Lawrence und ande­ren hohen internationalen Juristen wird der Ab­schluß der Vernehmungen noch vor Ende August erwartet, da die erste Anklagerede bereits gegen Ende Juli wird stattfinden können. Die Beratungen der Richter der vier Nationen werden dann vor­aussichtlich mehrere Wochen in Anspruch nehmen, so daß die Urteilsverkündung erst gegen Ende des Jahres erfolgen wird.

Oer kroreK zeZen äie OrAanisaiiouen

Die seit dem 20. Mai tagende Oberste Unter­suchungskommission für verbrecherisch« Organisatio­nen hat bereits wichtige Vorarbeiten geleistet. Der unter dem Vorsitz des Engländers Neavs stehende Gerichtshof hat die Anträge der deutschen Vertei­digung geprüft und die aus der Unzahl von An­trägen ausgesuchten Zeugen vernommen. Wie der Oberkommandierende des SD. und der Sicher­heitspolizei in Frankreich, Knocken, dabei ausge­sagt hat, haben Gestapo, Wehrmacht und die deut­sche Botschaft in Paris die blutige Unterdrückung der französischen Widerstandsbewegung in vollem Einverständnis miteinander durchgeführt. Bis zum 5. Juli will die Kommission ihre Arbeiten abge­schlossen haben und dann ihre Schlußfolgerungen dem Hohen Gerichtshof oortragen.

Der französische Generalstaatsanwalt beim In­ternationalen Gerichtshof, Charles Dubost, er­hielt von dem amerikanischen Staatsanwalt Jack­son den Orden derI-sgion <ln Merits". Vier an­dere Mitglieder der französischen Delegation wur­den ebenfalls ausgezeichnet.

Dmlrevlo Kal Italien V6i*Ia88en

Oie repudlilcsiliselie kiezieruuz tiriliert siclr ru seinein kiotest

Unerwartet hat König Umberto am Donnerstag­nachmittag Italien mit dem Flugzeug verlassen und ist abends bei Lissabon gelandet. Vor sei­ner Abreise hat der König eine Proklamation er­lassen, in der er ausführt, daß die Regierung eine revolutionäre Maßnahme vollzogen habe, in­dem sie durch einen einseitigen und eigenmächtigen Akt die Macht übernommen habe. Der König er­hebt Protest, entbindet aber zugleich alle seine Untertanen ihrer Verpflichtungen ihm gegenüber.

Die Regierung wendet sich in einem ausführli­chen Kommunique gegen die Darlegung des Kö­nigs, die als Fälschung und Lüge bezeichnet wird. Die Uebernahme der Macht sei ordnungsgemäß erfolgt, da der Volksentscheid eine Mehrheit sür der Republik ergeben habe. Die Behauptung des Königs, daß erst die offizielle Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Obersten Gerichtshof abge­wartet werden müsse, sei irreführend. Die Hand­lungsweise der Regierung sei, so betont de Kasperi, keine revolutionäre Geste oder eine einseitige oder willkürliche Handlung gewesen

Sämtliche republikanischen Parteien wenden sich mit scharfen Worten gegen die Haltung des Königs und fordern energische Maßnahmen gegen alle Unruhestifter. Dagegen erklärte das monarchistische Zentralkomitee, das die monarchistischen Verein!-, gungen von Mittel- und Süditalien umfaßt, daß'

die Monarchisten die Gesetzlichkeit der von der Re­gierung und den Linksparteien getroffenen Ent­scheidungen nicht anerkennen würden. Es wird ver­langt, daß sich alle seine Anhänger zur Wider- holung des Volksentscheides verpflichten, falls der erste für ungültig erklärt werden sollte.

In einer Rundfunkrede hat der italienische Mi­nisterpräsident de Gasperi die vom König erhobenen Beschuldigungen mit Nachdruck zurückgewiesen.

Exkönig Umberto wird voraussichtlich den Titel eines Grasen von Sarrs nnnehmsn. Snrre ist ein Dorf bei Aosta, wo Umberto ein Schloß besitzt.

IXouer ^Vrrkkpnskillstsnci mit Ilnlivn

Der neue Wasfenstillstandsvertrag mit Italien besteht aus einer Einleitung und 12 Artikeln. In der Einleitung werden als Gründe für den neuen Wasfenstillstandsvertrag die Einstelluyg der Feind­seligkeiten, der italienische Kriegsbeitrag gegen Deutschland, und der italienische Antrag auf Revi­sion des ersten Waffenstillstandsvertrags genannt. Die wichtigsten Bestimmungen sind die Aufhebung der alliierten Kommission in Italien und die Ver­pflichtung der Alliierten zur schnellstmöglichen Ent­lassung der italienischen Kriegsgefangenen. In Ita­lien bleibt eine Sonderkommission zur Kontrolle der italienischen Streitkräste und Rüstung. Die ita­lienische Marine bleibt unter alliiertem Oberbefehl.

Ru klaust korstert ^i-bruck mit Lpsuisa

Am der Tagung des Untersuchungsunterausschusses des Weltsicherhcitsrates für Spanien setzte sich der australische Vertreter Evatt in einer Entschließung für die Empfehlung des sofortigen Abbruchs der diplomatischen Beziehungen aller Milgliedstaaten der UN. mit Spanien ein. In längeren Ausführungen wandte sich der russische Vertreter Eromyko gegen Francs-Spanien und verwies vor allem auf die Teil­nahme der spanischen Blauen Division am Krieg ge­gen Rußland. Wenn man nur den Abbruch der' dip­lomatischen Beziehungen verlange, so sei der Sicher­heitsrat nur ein Debattierklub und keine mit der Erhaltung dos Weltfriedens betraute Organisation. Die von Evatt geforderte Ueberweisung der Ange­legenheit an die Vollversammlung der UN. bedeute die Rückkehr zu den Methoden der Vorkriegszeit, de­ren Versagen sich erwiesen habe.

Oie Rslrislinskrs^e

Der Rat der arabischen Liga wird ein Memoran­dum über die Paläftinafrage an England und Ame­rika schicken. Auf der Tagung in Bludan ist u. a. die Schaffung eines Palästinakomitces beschlossen wor­den, das aus Vertretern aller arabischen Länder zu­sammengesetzt ist. Die Entlassung aller zionistischen Streitkräste und Entwaffnung der Terroristen wird gefordert und alle arabischen Länder sollen durch Ge­

setz den Verkauf arabischen Bodens an Juden als Verbrechen erklären. Auf der Konferenz wurde die Vereinigung des arabischen Hohen Komitees mit der Arabischen Front zu einem neuen Vollzugsausschuß verfügt, der in Zukunft die Vertretung der Araber in Palästina übernehmen wird.

Feldmarschall Montgomery hatte in Kairo Besprechungen mit dem ägyptischen Ministerpräsiden­ten Sidly Pascha. Anschließend wird Montgomery in Jerusalem Besprechungen mit dem arabischen hohen Komitee und dem britischen Oberbefehlshaber führen und sich dann nach Indien begeben.

Die Ausführungen des britischen Außenministers Benin auf der Tagung der Labour-Partei in Bour- ncmouth haben in jüdischen politischen Kreisen starke Enttäuschung und wachsende Spannung erzeugt.

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Wie der Hamburger Rundfunk meldet, hat der Präsident der Deutschen Fricdensgcsellschaft, General a. D. von Schönaich, auf einer Kundgebung der Frie- dcnsaesellschast in der Aula der Kieler Universität dis Schaffung einer vom Finanzkapitalismus unab­hängigen Presse als Grundlage für die Verbreitung des Friedensgcdankcns gefordert. Das deutsche Volk, das durch Jahrbunderte zum Strammstehen erzogen worden sei, müsse so führte Schönaich aus von seiner Knechtseligkeit befreit und für den Friedens­gedanken bereit gemacht werden.

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,.ä/an c»,/ebke c/o§ k^oril'rKe §ckou5/i/e/. c/o6 6e- oevcr/c', c/re ein Xooro?anc/o nrec/e/'Kk'/t'ßt kokten, ocrck krc/'Lc'^ Fort rv/ec/ev rn ökii/rcken Koben §ke/- /anxen ott/toackken, rco» neue c/eukscke /lemeen r/r§ Ve/c/evben 2 » /ükven. §ektt/ber.8/rre/ c/cr/ün i§r TH/c/nrcre.'rcko// //unc/.'tkec/k." Fu c/ie§c>n Kest- .'>te//ttNFen koorork H/a/krn Dekecs, ela Xonrnren- kokov c/c>§ /Veiv Voekev 7?anc//rcnk§, </ee «rek unrev Le 2 ttKna/r/rr 6 cr»/ c/on /Vkenbeeger DeoreA nr/k </ev 7?o//e c/ev c/eut.8c?ken //eev/ükvee be.ickä'/tr'Kk. KV kann es nickt beßeei/en, c/crA c/ie k/ekercrk/ c/ev c/enkscken 6enevcr/e k/oeionetten rvaven nne/ aus einen» /a/sek verstandenen D//icktKe/ük/ xe/ror- sanr r'/rren Dienst weiter markten, obivok/ vie/s sckon im /a/rre 794Z c/en 6/arcben an c/en §ieA verloren /rakten. /nr §ommer vor ilrei /a/rren Kat //rt/er in §ontko/en vor 759 koken OAHren ^§ta/in§?crc/ rvar kann» vorüber) c/ie Sesankens §timmunK crrc/ 2 U/)nkscken versackt, aber c/ie a'7/e- ren 6eneraie Kaken ilama/s, nie Meters mittei/t, c/iese //ec/e sekr ske/itisek an/xenommen, rveii sie iiker c/ie mi/itäriscke k-a^e an/Frnn^ rkrer ianK- /'akri^en K'r/akrnnxen anderer /Ileinnnß ivaren. Dennoek Kaken c/ie a/keren ^ekrmackks/ükrer ikre ernsten öec/enken 2 nriic/cKeske/it unc/ nock rivei )akre lang an/ /kosten cles ßanren cientsrken Volkes t/en nationalso-ia/isriscken H/aektkakern Dii/sste//nnL Keier'sket. Das /rnclet c/er amsrika- niseke Knncl/nnkkommenkator unbexrei/liek unii er rveist noek an/ clas §rknikeis/nei cles k'elt/mar- seka/ls von Knackstest kin, cler sekon 7942 rvegen D/Ferenren mit //it/er kaikxeste/lt ivnri/e, ciann /)§lirk rvierier vor </er /nvasion im §ommer 7944 a/s Okerke/ek/skaker c/er^inxrei/sc/ivisionen" im besten an/tanckke, rviec/erum rvexen e/es k'ek/- sck/aFs rier ^lkrvekr «7er /nvasion xeken mnAts nnt7 c/ann erneut kec/enken/os c/ie c/enkseke I^er- 2 rvei//nnLsoFensive in </en /Irc/ennen Ke/ek/ixte, Ln einer Feit, a/s <7er XrieF /nr Dentsck/anr/ eins verlorene §acke rvar. §e/ten Kat siek, so /o/xert Deters, ,/ieses ivic/ersinniKe Dnni/nis <7er il/ekr- Lak/ c/er Generale mit c/em /Vationa/soria/ismns so Lerackt. n ie 794Z c/urck c/ie katastropka/e /Vie- t/er/age. H/it 7/eekt bemerkt c/er 7?nnc//nnkkom- mentator. c/aF c/iese c/entseken (Generale ein /eickt- /ertixes §/ne/ mit </en iknen anvertrauten ^r» meen getrieben nnr/ siek ikr §ekicksa/ selbst LN-

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In einem Aufsatz über Hitler in derSüddeutschen Zeitung" hat Franz Josef Schöningh geschrieben:

Der Volkerbundskommissar Karl Vurckhardt suchte in letzter Stunde vor dem Ausbruch des zweiten Welt­krieges Hitler auf dem Obersalzberg auf. um ihn zu beschwören, der Welt den Frieden zu erhalten. Nach­dem Hitler ihm mit starrem Blick stumm zugehört hatte, ging er ans Fenster und starrte hinaus, als wenn er allein wäre.Ich wußte nicht", berichtet Burckhardt.was ich tun sollte. Dann wandte ich mich an ihn und fragte: .Exzellenz, wollen Sie nicht ein Wort sprechen, um den Frieden Europas zu retten?' Da drehte er sich plötzlich um. ganz fahl im Gesicht, faßte mit beiden Händen den schweren Fensterbehang, riß ihn mit heftigem Ruck zu Boden und brüllte: .Nein!!' Hierauf drehte er mir den Rücken und ver­ließ den Raum."

Diese Szene ist die schauerliche Umkehrung einer anderen weltbekannten des Evangeliums. Noch ein­mal trat der barmherzigeVersucher" vor Hitler hin und zeigte ihm die Welt, in der die Menschen im Schweiße ihres Angesichts, aber in Frieden ihr be­scheidenes Brot essen wollen. Hitlers langes Schwei­gen beweist, daß er die göttliche Stimme vernahm, aber dann warf er sich zornig seinem Meister, dem Mörder von Anbeginn, in die Arme und schrie sein schreckliches, sein nicht in Aeonen verstummendes Nein"!

Wer sich auch heute noch nicht schaudernd von ihm abwendet, ist den Mächten des Bösen und der Zer­störungverschworen", und sein ironisches Lächeln, mit dem er vielleicht dieses Bildnis des Verruchten fortzuwischen versucht, ist nur das Grinsen eines Totenschädels. Jenes Totenschädels, der allein ein gültiges Gleichnis für den Mythos Hitler ist.

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Schon in zwei Fällen mußte das amerikanische Mi­litärgericht in Bayern die Angeklagten dazu verur­teilen, das Hitlerbärtchen, mit dem sie zur Verhandlung erschienen waren, abzurasiersn. In einem Falle wurde sogar die Bewährungsfrist davon abhängig gemacht, daß der Bart nicht wieder wächst.

Es war an sich bezeichnend, daß nur wenige An­hänger Hitlers das komische Bärtchen ihres vergötter­ten Führers nachgeahmt haben, während es dach das Kennzeichen der kaiserlichen Epoche war. daß jeder brave Untertan möglichst denEs-ist-erreicht"-Schnurr- bart Wilhelms trug.

Soll dieBürste" jetzt zum Abzeichen werden?

OirnoiÜS:Horkiee"

bsstvorsbsllun-; im Tiistingsr Lellsuspieillans

Das klassische Drama der Franzosen ist bei uns zu Lande ziemlich unbekannt. Wir haben von Haus aus kaum eine Ader, weder sür Racine und Voltaire noch für Corneille. Unsere eigene klassische Zeit wird durch eins Kritik der französischen Klassik einaeleitet. Man wird finden, daß die Aus­stellungen,die damals und späterhin gemacht wur­den, der Sache nicht durchaus entsprechend waren. Sei ihm. wie ihm wolle: eine Trupps, die aus Frankreich kommt mit einem französischen klas­sischen Drama Hot es jedenfalls nicht leicht vor dem deutschen Teil ihres Publikums. Es ist eine Welt für sich, die sich da vor uns auftut: wir müssen uns an die Luft, die hier herrscht, erst gewöhnen.

Am vergangenen Donnerstag gab es im Mu­seum zu Tübingen denHorace" von Corneille: eine Angelegenheit, die auch für die Franzosen immerhin 300 Jahre zurückliegt, für uns in einer fremden Sprache, und so durchaus auf diese Spra­che gestellt. Sprache und nichts als Sprache, in einem ungewohnten Stil, indes picht ohne Ein­druck dargestellt. Einen ersten Begriff mag der deutsche Zuschauer gewonnen haben von franzö­sischem Drama, französischer Klassik, von Corneille. Dies, wie dem Berichterstatter scheint, insbesondere infolge des Spiels, in dem dis Hauptrollen ge­geben wurden. Sie wenigstens seien in der Kürze erwähnt.

Camille, die den Geliebten verloren hat, reagiert darauf mit den Versen:

.11 visnt. pröparon8-nc>N8 L montier constsm-

ment

Ee gue üoit nne omnnte si In wart «l'un amant." Es ist vornehme Art, in jedem Falle Haltung zu bewahren. Das zacke, cdle Mädchen weiß, daß sie auch jetzt eine Rolle zu spielen hat. und schickt sich an, sie zu spielen. Ihre Darstellerin (France. Noelle), schon als Erscheinung eindrucksvoll, tut

es rein, still, innerlich, aber ebenso bestimmt, fest, unbedingt. Und ebenso fungiert der alte Horace (R a o u l - H e n r y) in den Szenen des Stückes: Ehrfurcht gebietend, nicht ohne einen Zug von Milde, im Gegensatz aber herb, hart, heftig, ei­fernd. Der junge Horace (Antony Carretier) ist ganz Sohn dieses Vaters: unbeugsam, starr, kalt, folgerichtig. France-Noelles Spiel hat etwas Lyrisch-Persönliches, Carretier steht auf der an­deren Seite der Möglichkeiten Corneille?, wo der Dichter seine Sache mit Beredsamkeit vertritt, wie man wohl gesagt hat: mehr erörtert, als rührt, mit der Verve des Advokaten darlegt und ver­teidigt.

Deuklich wird, was Corneille dramatisch eigent­lich ist. Corneille, eigentlich das sind die großen Szenen, die großen Stellen. Was wir meinen, wenn wir von dramatischer Handlung sprechen, davon weiß dieser Dichter nichts. Davon will er nichts wissen. Sein Drama ist nur Haut und Kno­chen. Die Begebenheiten, sie sind nur die Maschine zur Herbeiführung der Auseinandersetzungen, auf die es ihm ankommt: auf das Hochdramatische der großen Paraden idealischer Figuranten, in denen den Forderungen des Ideals entsprochen wird und vorbildlich gehandelt, um dies bis ins Ungeheuer­liche; auf die großen Arien, in denen große macht­volle Worte fallen, die zünden und brennen. In ihnen lebt die edle, ernste, männliche, entschiedene Gesinnung ihres Dichters, sein ganzes, einziges In­teresse, sein Pathos, seine Poesie. Haute trogöckis!

Man hat vielleicht erwartet, großes Theater vorgesetzt zu bekommen, streng und feierlich zele- briert, oder wild wütig hingefegt. Es geht kndes eine Art Kammerspiel vor sich, das Heroische wird intim vorgestellt in der Mitte zwischen Repräsen­tation und Konversation. Ueberall ist Wohlanstän­digkeit zu bemerken, in den Haltungen. Stellungen, Bewegungen, den Gesten und Mienen, in der Ge­wandung: die Rezitation ist gehalten, maßvoll pa. thetisch. Auch die gesteigerte Szene, das Krasse- Gräßliche, wo sich im Zuschauer Bewunderung und

Entsetzen mischen sollen, wird nicht fürchterlich gebracht. Gebühren der älteren Konvention er­scheint mit Gebärden von heute etwas unentschieden gemischt. Man scheint einen Uebergang zu ver­suchen, des heutigen Publikums mit Traditionellem auch in Frankreich nicht durchaus sicher zu sein.

AufHorace" folgte zur Entspannung Jules RenardsPoil de Carotte" harmloses, heiteres Stück Genre, wo das Französische in einem Cha­rakter sich zeigt, der sogleich eingeht sinnlich, mimisch, leicht, locker, liebenswürdig. Hier ge­fielen noch einmal France-Noelle, dieses Mal als Junge, und Raoul-Henry: natürlich, unabsichtlich, sehr fein. Lrich Ilsrlen.

In der Obcrbadischcn Druckerei Singen erschien eine Schrift über die letzten Stunden des Leutnants Porck von Wartenburg, der, Mjährig, als Jüngster der am 29. Juli 1911 Beteiligten hingerichtet wurde. Der Verfasser Stephan Hcrmlin schrieb eine phan­tastische Erzählung aus der nüchternen Tatsache, daß sämtliche unmittelbar beteiligten Attentäter neben­einander aufgehängt worden sind. Hermlins Erzäh­lung dagegen liest sich wie eine Geschichte aus dem Siebenjährigen Krieg etwa, die einen völlig kalt läßt, und bei der wir uns immer wieder ins Ge­dächtnis zurückrufen müssen, daß der Titelheld noch vor zwei Jahren ein ungeschorener und ahnungsloser deutscher Leutnant war.

Zwei neue, christlich ausgerichtete Zeitschriften sind noch anzukündigen: im Neubau-Verlag Mün­chen erscheint derNeubau". Sie will alle Christen zu einem Neubau ihres geistigen Lebens aufrusen. Ihr erstes Heft bringt u. a. Aufsätze von LaNdes- bstchos Wurm, Prof. Heim und Freiherr von Hüne. Manches an ihr ist noch unausgeglichen, so hätte man etwa nach solchen Blättern gerne auf die offenbar unvermeidliche Rätselecke verzichtet. Diese Nnsangs- schwierigkeiten hat die Koblenzer ZeitschriftBe­gegnung" (Herausgeber Rektor Wilhelm Peulcr), von der schon mehrere Nummern erschienen sind, überwunden. Trotz mancher Auflockerung durch Streif­lichter, Glossen und Kurznotizen steht sie auf einem hohen Niveau und bringt auch mehr allgemeine Kul- turaufsätz« etwa über Dürer, Dante, oder die deutsche

Sprache und das Christentum und hat eine nicht auf­dringliche katholische Tendenz. Der Verlag Eötz Schwippert in Bonn, der sich auch besonders religiösem Schrifttum widmet, legt als erstes eine Broschüre von Johannes HessenGott im Zeitgesche­hen" vor. Sie enthält drei 1915 gehaltene Vorträge mit dem Ziel,Sinn und Forderung der Zeit zu deuten. Gottes Stimme im Zeitgeschehen hörbar zu machen" und uns über dasSinnlose" unseres jetzi­gen Lebens hinüberzuhelsen.

Erstmals tritt auch der Erlanger Dipax-Verlag mit Novellen von Edgar Allan Poe in einer noch sehr kriegsmäßigen Aufmachung vor die Oeffentlich­keit. Die meisten Novellen stammen ursprünglich aus dem BandPhantastische Geschichten", deren Ileber- schrift den Inhalt besser charakterisiert. Sie enthält u. a. die in ihrer Art unerreichten ErzählungenDer Goldkäfer",Der Brunnen und das Pendel" und ..Die Maske des Roten Todes" Titel also, die damals noch ganz neu waren, bis heute aber von jedem Kriminalroman nachgcahmt werden. Aber Poe schuf keine Kriminalromane, sondern Meisterwerke der Erzählkunst, die ihn zum größten Dichter und größten Erzähler Amerikas stempelten. Gewiß gäbe es aber jetzt doch wichtigere, uns bisher gänzlich ver­schlossene Dichter genug, als mit Novellen eines schon hundert Jahrs toten, heute längstklassischen" Ameri­kaners einen Verlag zu eröffnen. O. V.

Zum Tode Eerhart Hauptmanns erließ der Kul­turbund für demokratische Erneuerung Deutschlands eine Botschaft, in der es unter anderem heißt:Der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutsch­lands hat besonderen Anlaß, um Eerhart Hauprmann zu trauern, er war Ehrenpräsident unseres Bundes."

Die Akademie der Wissenschaften tritt zum ersten Mal nach dem Zusammenbruch am 4. Juli mit einer

eier zum 390. Geburtstag ihres ersten Präsidenten

eibniz an die Oeffentlichkeit. Der Rektor der Uni­versität, Professor Dr. Stroux wird als Präsident der Akademie sprechen und Professor Theodor Litt, Leip­zig. hält den FcstvortragLcibniz und die deutsche Gegenwart."

Der deutschen Schillerstistung in Weimar wurde dis Genehmigung erteilt, ihre Tätigkeit wieder auszu­nehmen.