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4. 1«ui 1946
steht, daß manch einer sich wiederum und unwiderruflich schuldig macht durch sein Versagen in der Gegenwart.
Fünfhundert Meter vom Lustnauer Tor entfernt steht die Tübinger Universität, aber sie ist dem Volke so fern und unerreichbar wie das Schloß im Mittelalter. Hier fahren die Professoren fort, die „abendländische Kultur" zu monopolisieren für die Kinder der Vemittelten. Wann werden Studienplätze geschaffen für die begabten Kinder aller Volkskreise? Ist niemandem unter den Gelehrten einmal die Idee gekommen, daß sie dem Volke eine Volkshochschule schulden? Nicht die Studiengebühren der Studenten, sondern die Steuergelder des Württembergs! Volkes unterhalten die Universität. Wenn die Hochschule es jetzt nicht begreift, daß sic heute ein Luxus ist, wenn sie es nicht versteht, ein positiver Faktor im Wiederaufbau zu werden, so muß sie es lernen oder ihren Betrieb einstellen.
Worauf warten die Professoren, um in Abendkursen die Beamten zu erziehen, die an die Stelle der zu Entlassenden treten sollen? Was haben uns die Juristen zu den Fragen der neuen Verwaltung zu sagen? Wie denken sich die Volkswirtschaftler ein gerechtes Steuersystem? Welche Ratschläge können die Botaniker unseren Bauern erteilen? Wie denken sich unsere Aerzte den Schutz der Volksgesundheit? Haben unsere Gelehrten uns im Jahre 1946 nicht mehr zu sagen, als in ihrer Universitätszeitschrift „Universitas", die einen nach der dritten Seite lachen, und nach den weiteren die Achseln zucken macht?
Unsere Not ist die Not des Jahres 1946! Mit euren Worten, denen keine Taten folgen, löst ihr unsere Probleme nicht. Euer abstraktes und tatenloses Reden ist mehr als nutzlos: es ist schädlich. Denn es hindert das Volk daran, die Notwendigkeiten zu erkennen.
kleine /Vrkeitkilosixlreit!
Die Aufwärtsentwicklung des Arbeitsmarktes im französisch besetzten Gebiet Württembergs hat auch im April 1946 angehalten. Die Zahl der Arbeitslosen, die Ende März 1946 noch 5039 (4097 männliche, 942 weibliche) betrug, ist his Ende April aus 3568 (2969 männliche, 599 weibliche) gesunken. Eine registrierte Arbeitslosigkeit besteht damit so zut wie gar nicht. Der Bestand an offenen Stelen ist gegenüber dem Vormonat mit 24 858 auf 26 632 gestiegen. Davon entfallen allein auf die Landwirtschaft 11 562.
Der Flüchtlingseinsatz ist noch nicht in Gang gekommen. Die Zahl der bei den Arbeitsämtern arbeitslos gemeldeten kaufmännischen Angestellten hat sich im April verringert: die schlechte Beschäftigungslage der Angestelltenberufe hält jedoch unvermindert an.
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Zauekels Ollimalum an l^aval
Loxsr äie Vicst^-Kexierunz protestiert« zexen llie Ueutsetie Oevvsltpoiitilc
Nürnberg. Frankreich die deutsche Kriegswirtschaft arbeite! stellen mußten, sind besonders an der An klage gegen Fritz Sauckel interessiert, und es war deshalb selbstverständlich, daß der frühere Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz von dem russischen und französischen Anklagevertreter in ein scharfes Kreuzverhör genommen wurde, in dem Sauckel sehr schlecht abgeschnitten hat, nachdem er vorher ebenfalls den Harmlosen zu markieren versucht hatte. Aus einem Protokoll, das ihm vorgehalten wird, geht hervor, daß Sauckel selbst in einer Sitzung am 1. März 1944 der Ansicht gewesen ist, daß von den in Deutschland beschäftigten fünf Millionen Fremdarbeitern keine 20 000 freiwillig gekommen sind.
Der russische Ankläger, General Alexan- drow, hält dem Angeklagten besonders die barbarischen Himmler-Befehle über die Anwerbung der Ostarbeiter vor und Sauckel bekennt heuchlerisch, er habe immer im Innersten seines Herzens diese Methoden verabscheut, die Menschen wie Tiere zu behandeln. Außerdem will er bei Himmler gegen die Kennzeichnung der Ostarbeiter durch besondere Abzeichen protestiert haben.
Der stellvertretende Generalstaatsanwalt für Frankreich, Herzog, legt dem Angeklagten eine Anzahl schwerwiegender Dokumente vor, vor allem die eigenen Erklärungen Sauckels nach seiner Festnahme durch russische Truppen im April 1945. Aus diesen Erklärungen geht hervor, daß Sauckel stets das Programm der territorialen Expansion und der Unterdrückung der Völker unterstützt hat. Sauckel kann diese Erklärung nicht ableugnen und seine Antwort erfolgt in so erregtem Ton, daß Präsident Lawrence den Angeklagten ersucht, sich zu mäßigen
Schließlich verliest der französische Staatsanwalt den amtlichen Bericht über eine Konferenz, die am 12. Januar 1943 in der deutschen Botschaft in Paris stattgefunden hat Es handelte sich damals um die Anforderung von 250 000 französischen Arbeitern durch Deutschland. Sogar der ehemalige Regierungschef von Vichy, Laval. rief im Verlauf dieser Sitzung aus: „Es handelt sich zurzeit nicht nur um eine Politik der Zusammenarbeit, sondern seitens Frankreichs um eine Opferpolitik und auf deutscher Seite um eine Politik der Gewalt und des Zwanges."
Interessant ist, daß in der weiteren Vernehmung Sauckel nicht abstreiten kann, daß gewisse Kategorien von Arbeitern den Konzentrationslagern übergeben worden sind. Sauckel erklärt hierzu zum
und Rußland, die für I Bestaunen aller Anwesenden: „Das ist völlig die meisten Zwangs-' korrekt".
Herzog: „Der Gerichtshof wird die Tragweite eines solchen Geständnisfes zu würdigen wis- fen."
Das Nürnberger Gericht hat beschlossen, nach Beendigung der Beweisaufnahme und der Plädoyers der Verteidiger zunächst das Verfahren gegen die angeklagten Organisationen durchzuführen. Am Schluß des gesamten Verfahrens tritt das Gericht dann zur Urteilsfindung zusammen.
linsen beim Verhör
koriselrunK äer VernestmunZ <1er ^uzelcluxten von ?iene-8reinine
Rastatt. Im Lauf der weiteren Vernehmung her Angeklagten sind zunächst die Sanitäter, Köche und Wächter gehört worden, die mehr oder weniger die ihnen vorgeworfenen Missetaten zugeben. Aus der Vernehmung der angeklagten Frauen ist hervorzuheben, daß verschiedene von ihnen, die im Büro befchäftigt gewesen find, die eingegangenen Rote-Kreuz-Pakete geöffnet und die Nahrungsmittel lachenden Gesichts vor den hungernden Gefangenen verzehrt haßen.
Eine besondere Type ist die Angeklagte Olga Braun. Sie war erst 16 Jahre alt, als sie durch das Arbeitsamt nach dem Besuch der Handelsschule dem Lager zugewiesen worden war. Der Aufenthalt in Neue-Bremme hat ihre Moral nicht gerade gestärkt, denn auch sie konnte lachenden Antlitzes die Häftlinge hungern sehen und genierte sich nicht mehr, wenn man Häftlinge in ihrer Gegenwart im Büro nackend ausziehen ließ. Ihr 17. Geburtstag im KZ. ist lebhaft gefeiert worden, mit 19 Jahren hatte sie ein Kind von einem der SS - Leute und mit 20 Jahren steht sie jetzt vor Gericht. Während die Angeklagte Frau Müller bei ihrer Vernehmung weint, ist Olga Braun anscheinend dummstolz und zeigt keinerlei Erschütterung.
Bei der Vernehmung des Angeklagten Arnold stellt sich heraus, daß dieser nicht wegen Unehrlichkeit ins Lager gekommen, sondern weil er zum jüdischen Glauben übergetreten war. Der Verteidiger verliest einen Ärief der in London im
Exil lebenden jüdischen Frau Arnolds, der diesen Sachverhalt bestätigt. Der neben Arnold sitzende Hauptangeklagte Hornetz schlägt dabei lachend beide Hände vor sein Gesicht und sagt: „Auch das noch."
Die dann folgenden Vernehmungen der Hauptangeklagten Hornetz, Woertz und Drokur beschließen die Verhöre.
Oie TraKöclie von lAsimeilv
Dachau. In dem Prozeß, der gegen Angehörige der SS. wegen der Erschießung amerikanischer Gefangener in der Ardennen-Offensive bei dem Ort Malmedy in der Eifel vor dem amerikanischen Gericht in Dachau durchgesührt wird, sind die Angeklagten durch ein Protokoll des amerikanischen Oberst Hunter und durch verschiedene Aussagen von SS.-Leuten schwer belastet worden.
Endverantwortlicher für alle diese Uebergrisfe ist der frühere Kommandeur der 6. SS.-Panzerarmee, Generaloberst und SS.-Obergruppenführer Sepp Dietrich, der hier vor Gericht steht mit Generalleutnant Krämer, General Pries, Oberst Peiper, drei weiteren Majoren, acht SS.» Hauptsturmführern und 62 SS.-Männern.
Celle. Im Celler Kriegsverbrecherprozeß gegen Angehörige des Personals verschiedener Konzentrationslager sind drei Angeklagte zum Tode und fünf Angeklagte zu Gefängnisstrafen von 2 bis 20 Jahren verurteilt worden.
Dachau. Die 28 Angeklagten aus dem ersten Dachauer Krieasoerbrecherprozetz find in Landsberg am Lech gehenkt worden.
OiniZullA iilier clie kTüclitlinZe London. Der britische Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten hat bei einer Konferenz des Flüchtlingsausschusses der Vereinten Nationen bekanntgegeben, daß über wesentliche Fragen eine Einigung erzielt worden sei. Eine internationale Körperschaft solle die Verantwortung für solche verschleppte Personen übernehmen, die nicht in ihre Heimat zurückkehren können. Sie sollen einen Paß nach Art des Nansenpasses erhalten.
Kerr/cke» verhöre»
kau Alaun namens Hanns Braun Irst nsck 6er „8ü66eutscken 2ejrunz" dort, wo es der rkm in 6en WsI6 irineinxekr, lolgende ^srnunx gelesen: „Raucken und keuernrscken iin XVsI6e ist in 6er 2eil vorn 1. Alärr kis 31. Oktober verboten! Zuwiderhandlungen werden geinäü § 9 6er VO. auin 8ckutze 6er Wälder usw. vom 25. luni 1938 mit Hakt o6er Oeldslrafe bis ru 150 RAI., in stilleren killen mit OeksnFnis bestraft. Rorstamt Alüncken-
8üd."
Darunter stan6, weil man in 6er arneriksniscken 2one war, gleick «uck 6ie DeborsetzunZ: „Von 6ont wsnt tbis besntilul forest to be sei on Irre — 6o you? Iben stop Smoking wbile in tbe forests during tbe dry sesson. Vbank you. Bavarian 8tste korests Alunick 8outb."
Das beiüt auf 6entscb: „8ie mocbten dock nicbt, 6aL 6ieser scköne ^sld in klammen sukgekt, wie? Dann stellen 8ie 6ss Raucken, solang 8iel im Walde sind, wahrend 6er trockenen labresreit ein. Danke scköu. Bayerisches korstamt Alüncken-8üd."
8ckau, sckau: so übersetzt man also eine smtlicks Bekanntmachung vom Dentscken ins Amerikanische.
Hanns Braun wirkt 6ie krage suk, ob man ru 6en Dentscken nickt am knde suck in diesem Kone re6en könne. Wenn 6ss nickt möglich sei, meint er, könne man alle Dokknung snk Demokratie statt Dämokratie in unserem ksnd sukgehen.
Oer Handball von 8ü6-Württemberg
54 Dsilli'oueu kür OstsiiikchiliuAe / Live Anleihe von 50 Mlliollen üeiclismkilc
Der „Finanzminister" für Süd-Württemberg, Landesdirektor Dr. Binder, hat am 1. Juni auf einer Landrätetagung in Schramberg über den Stand der Finanzen, den Rechnungsabschluß für das Winterhalbjahr und den Voranschlag für das Etatsjahr 1946/1947 berichtet.
Das Rumpfhaushaltsjahr Oktober 1945 bis April 1946 wird, was vielleicht viele nicht erwarten werden, im ordentlichen Haushalt mit rund 14 Millionen Mark Überschuß abschließen, und zwar hauptsächlich deshalb, weil „der Staat infolge Mangels an Personal seine Hoheitsfunktionen und sonstigen Ausgaben noch nicht voll ausüben konnte oder die Schwierigkeiten der Materialbeschaffung bei den Sachausgaben ebenfalls zu Zwangseinsparungen führten". An Lohnsteuer sind im Winterhalbjahr rund 13 Millionen Mark eingegangen, an Umsatzsteuer 14 Millionen: an Steuern und Zöllen insgesamt 80 Millionen Mark.
Der außerordentliche Haushalt wird mit einem Aufwand von 28 bis 30 Millionen ausgeglichen sein, dank dem Uberschuß des ordentlichen Haushalts und dem großen Betriebsmittelfonds der sind im Winterhalbjahr rund 13 Millionen Mark Finanzverwaltung, der bei der Geschäftsübernahme vorhanden war.
Nach Angabe von Dr. Binder haben wir „im Augenblick vielleicht die besten Finanzen" von allen westlichen Zonengebieten. Auch der ordentliche Haushalt für das laufende Etatsjahr (1. April 1946 bis 31. März 1947) wird voraussichtlich mit rund 200 Millionen Mark im Gleichgewicht sein. Auf der Einnahmenseite stehen 143 Millionen RM. Steuer- und Zolleinnahmen. Von den Ausgaben entfallen rund 12 Millionen auf die Forstverwaltung und 60 auf soziale Leistungen (Sozialversicherung, Kriegsversehrten- und Hinterbliebenenrenten, Wohlfahrtsunterstützungen). Im außerordentlichen Etat stehen 54 Millionen für Ostflüchtlinge (so daß der gesamte Sozialaufwand 114 Millionen Reichsmark betragen wird. Zu seiner Deckung wird jetzt eine Anleihe von 50 Millionen RM. zu 2,5 Prozent mit fünfjähriger Laufzeit und einem Auszahlungskurs von 99 Prozent aufgelegt werden.
Die Gemeinden werden wie bisher Zuschüsse zu den ihnen übertragenen Staatsaufgaben erhalten (sog. Finanzausgleich). Vom 1. Oktober an wird zum Ausgleich der Gemeindehaushalte in Gemeinden mit über 5000 Einwohnern eine Wohn- steuer eingeführt werden.
Die Zahl der Arbeitslosen in Süd-Württemberg betrug am 26. Januar 1946 bei 1,1 Millionen Einwohnern 20 700, von denen zurzeit nur 9200 bei den Arbeitsämtern als Arbeitsuchende gemeldet sind. Berufstätige Frauen gibt es 65 000 gegen 110 000 vor dem Kriege. Dabei hat die
Zahl der Frauen über 18 Jahren gegenüber der Vorkriegszeit um rund 60 000 zugenommen.
Beamte gibt es rund 10 000; davon sind 2800 Volksschullehrer. Das Staatssekretariat in Tübingen kommt mit einem Drittel des planmäßigen Personalbestandes der Stuttgarter Zentralverwal- tungen aus; und von den planmäßigen Stellen sind in der Finanzverwaltung nur 52 Prozent, in der Kulturverwaltung nur 70 Prozent, in der Justizverwaltung nur 75 Prozent besetzt.
Denn „ein so schwer geschlagenes Volk wie das unsere mutz jede Möglichkeit zur Verbilligung der Verwaltung ergreifen, wo immer sie sich auch bietet", hat Landesdirektor Binder gesagt, und wer wollte ihm dabei nicht beipflichten?
8in allxeiiieiiies LäuderunKSKeselr Berlin. Ein für ganz Deutschland gül
tiges Gesetz zur politischen Säuberung wird nach Mitteilungen aus britischer Quelle gegenwärtig vom Alliierten Kontrollrat ausgearbeitet. Als Muster dient das in der amerikanischen Zone bereits gültige Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialis- mus und Militarismus. Das neue Gesetz soll voraussichtlich Mitte Juli herauskommen. Es sollen in den örtlichen Kreisen und bei den Landesregierungen aus Deutschen bestehende Gerichte gebildet werden, deren Unterausschüsse die Fragebogen prüfen und die Ergebnisse dem zuständigen Offizier für örtliche Sicherheit Mitteilen. Deutsche Berufungskammern sollen die Berufungen prüfen. Die endgültige Entscheidung hätte der Zioilkommissar zu treffen. Bei der Säuberung sollen die Leiter der politischen Parteien und der Gewerkschaften Mitwirken.
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Brüssel. Zwischen den 18 Mitgliedstaaten der Interalliierten Reparationsagentur ist ein Abkommen über die Verteilung der deutschen Handelsflotte zustande gekommen. Der Gesamtwert der 249 Schiffe mit insgesamt rund 680 000 Tonnen beträgt nach dem Stand von 1938 berechnet rund 12 Millionen Pfund. Die Anrechte der Nationen sind nach ihren Tonnageverlusten festgesetzt worden. Dabei hat Amerika auf einen beträchtlichen Teil des ihm zustehenden Schiffsraumes verzichtet. Sieben Schiffe mit einer Gesamttonnage von 60 142 Tonnen sind Frankreich zugesprochen worden. Unter ihnen befindet sich der frühere deutsche Passagierdampfer „Europa".
Unter den Menschen und Vorsdorfer Aepfeln sind nicht die glatten die besten, sondern die rauhen mit einigen Warzen. lesn?-»-!
Uersusxeder and Zckristleiter: Will ttsnnZ Uebsadcer. dlitxlieder dei-tion: Or. Lrast Klistier. kosdr-
„ksksie und kieke"
ürstaukkührunA im Tübinger Schauspielhaus
Es mag das Hohelied auf das im Glanz der sittlichen Unschuld gezeichnete Bürgertum sein, es mag die Rührung sein, die Luisens himmelblaues Mädchentum erzeugt, es mag der stürmende demokratische Angriffsgeist sein, der dem höfischen Despotismus lärmend zu Leibe geht, warum Kabale und Liebe in Tübingens Klima von jeher besonders gut gediehen und ausgenommen worden ist. Wir haben einen Bericht von der Uraufführung des bürgerlichen Trauerspieles aus dem Jahre 1802. Damals brachten es einige begeisterte Stiftler — ein Magister Köstlin inachte die Luise — aus die Bretter und unter den Zuhörern saß Schillers Laura,, die verwitwete Hauptmännin Bischer und zerfloß in Tränen: „Solche Ehre ist meinem Schiller in seinem Leben nicht widerfahren", und eine Tübingerin meinte: „So wahr Gott lebt, den letzten Bisten Brot (hoffentlich kommt das Beispiel auch unserem tapferen Ensemble von heute zustatten) würd ich den Herrn aus dem Munde geben, so was Schönes und Natürliches Hab ich in meinem Leben nicht gesehen."
Tränen und Schluchzer vermag uns zwar Schiller heute nicht mehr zu erpressen, über seinen Gestalten liegt der Goldflitter von 150 Jahren und seine mit stärksten Explosivstoffen geladenen Reden wird zwar der Kenner des Zeitstils ungemein schätzen, aber der Bürger von heute doch allzu geschraubt und unnatürlich finden. Indessen, was scka- dets? Das Zeitstück von 1784 kann trotz mancher Mängel, mehr der Motivierung als der Gestalten, zum Erlebnisstiick von heute werden einzia und allein durch die Güte und die Leidenschaft der schauspielerischen Leistung, die Schillers untrüglichen Instinkt für szenische Wirkungen und seinen theatralischen Applomb nur aufzugreifen und m sichtbare Geste und hörbares Pathos verwandeln darf, um das Publikum mitzureißen, die Pulse des Zuschauers schneller schlagen zu lasten und sich aller Dankbarkeit zu versichern.
Es ist zweifelsohne das Verdienst von Günther Stark, daß die Ausführung Stil hatte, indem der Spielleiter das Fehlen überragender RollsntrSger in
die Tugend eines überzeugenden Ensemblespieles umzuschmelzen verstanden hatte. Das kostete Arbeit, und die Mühe wurde belohnt. Ein neutrales Bühnenbild mit puritanischen Möbelstücken (verantwortlich Friedhelm Strenger), in dem die farbig-historisch aufgeputzten Schauspieler agierten, war in hohem Grade stimmungsfördernd, denn Schiller braucht ebensowenig wie Shakespeare den opernhaft ausgestatteten Raum, braucht nicht das geschlossene Bild, sondern die Offenheit nach allen Seiten, weil das Spiel selbst eine einzige Anklage gegen überlebtes Rokoko ist und der Mode im Namen der kommenden Menschheit den Kampf ansagt.
Gewichtlose Nebenfiguren gibt es in dem Stück eigentlich nicht. Die Schauspieler haben sich allesamt im Zusammenspiel zu bewähren und es macht die besondere Note der Aufführung aus, daß wir nur solche Szenen sahen, die ein vom Wort her inspiriertes einheitliches Spiel darboten. Gleichwohl ist zu sagen: die höfische Sphäre war um Nünancen bester vertreten als die bürgerliche. Der Präsident von Heinrich Pinkatzky hatte in Gestalt und Wortgebung etwas von der schurkischen Skrupellosigkeit eines klugen Parvenü, er hatte die notwendige überlegende Beherrschung, er verschoß seine durchbohrende Dialektik nicht im Affekt, sondern placierte sie richtig an rhetorischen Höhepunkten. Daß er seine Entlarvung und seinen seelischen Zusammenbruch etwas zu gelassen gab, wird man noch bemerken müssen. Katharina Dobbs war mehr Johanna Norfolk als Lady Milford. Die große Mätresse trat ein wenig hinter die fühlende, stolze Britin zurück. Warum hat der Spielleiter in der ersten großen Begegnungsszene mit Ferdinand die politisch bedeutsame Charakteristik ihres Bri- tentums gestrichen? Wir danken Katharina Dobbs aber eine Figur, deren historische Echtheit an die Milde der Franziska von Hohenheim erinnert, sie hat es fert,«gebracht, alles Aggressive und Jähe in Leuchtenomenschliches zu verwandeln. Bravo! Ihren etwas opernhaften Abschied von den Getreuen hätte man ohne Gefahr auslasten können. Der Hofmorschall von Hans Wolfgang Zeiger würde besser gewirkt haben, wenn er weniger chargiert hätte, so verstand man
schrill herausgestoßene Sätze oft nicht. Doch als Ganzes ein Höfling von unsterblicher Lächerlichkeit. Karl Worzel ist Ferdinand. Bewundernswert die rein physische Leistung, die Szenen im kortissimo und kurioso durchzuspielen, den Schwung des deutschen Jünglings zu übersteigern, klopstok- kische Oden und aufgeklärte Theologie in seinem Liebesenthuflasmus großartig zu deklamieren. Sein Ferdinand glaubt an den Sieg des Guten und Menschlichen im Diesseits und im Jenseits, er fordert sein verderbtes Jahrhundert in die Schranken und ist in der Unbedingtheit und Unabdingbarkeit seines reinen Gefühles hinreißend, aber seine Heftigkeit entbehrt des letzten Glanzes, des tenoralen Metalls und so schreit er manchmal, wo er empfinden sollte. Er wird in seine Gestalt noch ein wenig hineinwachsen müssen, um ihre richtige Anlage noch intensiver darzustellen, hörbar zu machen. Dies im Gegensatz zu Ruth Kommerell, die im vornherein ihre Luise in der tragischen Beschattung gab. Uno doch hat die Schillerfche Luise auch Momente entzückter Lebenshoffnung und gefährlichen Verschwörertums als Spiegelbild ihres geliebten männlichen Jchs. Davon aber bemerkte man in Ruth Kommerells Spiel nicht genügend, doch hat sie vortrefflich das sentimentalische Backsischmodell umspielt, sie ist von Szene zu Szene überzeugender geworden als Opfer gemeinster Intrigen, und sie trat zuletzt wie eine verklärte Heilige den Todesweg an, still, rein, von idealischem Zauber umstrahlt. Die Schillersprache hat sie mit anerkennenswerter Deutlichkeit auch im Affekt gesprochen. Eine fast spröde Zurückhaltung und Sparsamkeit der Geste konnte man nicht gegen die Offenheit des Schillerschen Pathos gerichtet empfinden, es war eher die Auffassung, der Luise in der Mathematik des Figurenfpiels mehr Mädchentum und Jungfräuliches zu geben, als das Schiller getan hat. Egon Schäfers Sekretarius war nickt ganz nach dem Willen Schillers. Wo blieb dre fuchsrote Perücke, wo das Franz Moorsche Schlei- cherlum, wo das Dämonische der grenzenlosen Verderbtheit? Schäfer spielte mehr den verbindlichen Konfident der französischen Tragödie, nicht den mit Teufelslisten gebeizten Schurken. So war die Brtefszen« etwa» matt, während di« von der Hölle
eingeflüsterten Verzweiflungsschreie am Schluß dann doch noch einen Höhepunkt brachten, der die Figur rechtfertigte. Musikus Miller ist Georg-Eber- hardt Krug. Für ein schwäbisches Ohr und Auge hatte er zuviel Komödiantisches, wo man polternden Humor und große, leidende Ergriffenheit erwartete. Man hätte müssen heulen bei der großen Gewissensrede, mit der er seine Tochter vom Selbstmord zurückhält, wir erinnern an das Geheimnis der Pausen und an die Tremoli in der Stimme! Doch im ganzen freuen wir uns über eine Leistung, die in den gegebenen Möglichkeiten etwas Rundes auf die Bühne stellte. Die Millerin von Ellen Krug gefiel in ihrem unbekümmerten Kupp- lertum, der Kammerdiener von Hans From- mann arbeitete geschickt mit stimmlichen Gegensätzen und profilierte seine erschütternde Anklage ausgezeichnet.
Wie könnte es anders sein: herzlicher Beifall bewies dem Spielleiter und den Schauspielern, daß sie das Ihrige getan und den Dank der Zuschauer wohl verdient hatten. L4.
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1095. ^Vockensusstellung 6er Neuerwerkuvgen 5. dis 8. luui 1946
Die Lädier sind vom 11. lurn an verieikkar Lerendsoklr, IV. 2ur Voreesckiekte des ..Leowalk". 19ZS. DK VII 5Z 1
Srenlsno. v. v.. ?keodor Okivdler. 1956. DK XI 4976 L., Deder die Oewall. 1942. Ke 110 e L^oudenkove-Xalerxi. k., 1/domme ei l'Llat totalitairv. 1959. ko 1025
62/encu, O., Vorspiel rum Xriee im Osten. 1944. km 1152 a
SMsrr,. k.. Der lelrte keind. 1945. Ko VII 1162 L/urer. dl. Del o>e l'yskland. 1955. ko XII a 5588 wp Oerr. ^.Ite krönt. 2. 1955. Ke 948
§pielksFen. k., Lpivne und Verschwörer in Lpsnien. 1956. ko I 510
I lekt Oerwsnf. Ly » Oerman lewisk Loientist. 1954. Ko XII a 5588 wm IKindecke. Okr.. Zpioosxe. 1944. Km 1158 (Die) önrxen und Schlösser der Ldiweir. 1 — 15,1 1929 kis 1940. DK 598. 4»
I'k. v.. ?I,iIo>inpkie der klie. 1955 821
11^ X06 »nd ksbea. 1946. 6k 4086