^uni 1946

L/k/L/7/VL OL'/? L-4LLL/L/V

I^r. 44 / 8e!te ?

Verpüic^itunK 6er knion

Üvksoblossone eoriols »oltiing / Von llatzodHaissr (6OI7.)

Wer zweifelt noch daran, daß das gesell schaftliche Gesicht unseres Jahrhunderts vom Arbeiter bestimmt wird in demselben Mähe, wie der Unternehmer dem letzten seine Züge gab? Der Stimme des Arbeiters gebührt daher auch in unfern stilleren schwäbischen Gewässern enticheidende Achtung, So glücklich wir darüber sind, dah in Württemberg die Extreme fehlen, so sehr wissen wir, dah auch wir im Strom der Zeit schwimmen, Ueber die Fragen der Zeit hat uns Jakob Kaiser viel zu sagen. Er ist nicht von ungefähr in Berlin Vorsitzender der CDU, geworden, dieser staatstraaenden und staatsgestaltenden Partei. Er hat sich im Kampf gegen überholte Wirtschaftsformen wie in der Standhaftigkeit dem Nationalsozialismus ge­genüber gleich vortrefflich bewährt. Aus i spricht also der Arbeiter, der Christ und > Deutsche zu uns.

Die Union erhielt bei den letzten Wahlen in der amerikanischen Zone über 55 Prozent der ab­gegebenen Stimmen, Es ist das nicht so erstaunlich, denn wer mit dem Volke verbunden ist, weiß, wie stark der Zug zur Rück- und Neubesinnung auf die disziplinierenden Kräfte der christlichen Gesetze ist. Nur dogmatisches Festgelegtsein auf eine mechani­stische Gesetzmäßigkeit des Lebens oder das Fest­halten an der rein intellektuellen Haltung eines aufgeklärten Zeitalters könnten versuchen, diesen Zug unseres Volkes zu übersehen oder zu mißdeu­ten. Jahrelange lügnerische Propaganda, Krieg und Zusammenbruch und damit die'restlose Ent­larvung verlogener sittenloser Jührergestalten ver- wirrten so sehr alle Begriffe politischen Glaubens und Vertrauens, daß die Erneuerung des Ver­trauens auf die unanfechtbare Bewährung christ­licher Gesetze auch im öffentlichen Leben eine Selbst­verständlichkeit ist. Für uns, die wir uns zur Union, d. h, zur politischen Sammlung aller christlichen Kräfte im Volke bekennen, stand die Erkenntnis dieses Verlangens weiter Volkskreise im Mittel­punkt unseres Willens zur Sammlung im Rahmen unserer Partei.

Wir freuen uns der Bestätigung der Richtigkeit unserer Erkenntnisse. Wir freuen uns vor allem der Bestätigung eines entschiedenen Willens zur politischen Sammlung der christlichen Kräfte beider Konfessionen, Nach den Erfahrungen dieser Wah­len wird es wohl kaum jemandem mehr einfallen können, von der Union als von einer verkappten Zentrumspartei zu reden. Eine Gepflogenheit, die um so grotesker erscheint, als kaum ein Gedanke in unserem Volke so sehr Wurzel gefaßt hat als der Wille zur politischen Sammlunq über alle Grenzen der Konfessionen hinweg. Ich habe bei meiner kllrzlichen Fahrt durch den Süden und den Westen des Reiches immer den stärksten Beifall gefunden, wenn ich zu dieser Sammlung aufrief. Vor allem dann, wenn ich vor großen Massen des werktätigen Volkes sprach, wie das auf dem Burg- Platz in Essen der Fall war. Essen ist bekanntlich die Stadt, in der die früheren christlichen Gewerk­schaften 1920 zum erstenmal zur überkonfessionellen Sammlung in einer großen Partei aufriefen. Es war für mich ein bewegender Augenblick, Zustim­mung und Beifall zu erleben, als ich an die histo­rische Bedeutung von Essen erinnerte und zum endgültigen deutschen Religionsfrieden ausrief, dem die Union politisch den Weg bereiten helfen will. Die Männer und Frauen Massen des werk­tätigen Volkes zum großen Teil, die zu Tausen­den vor mir standen, bekannten sich mit stürmischer Bereitschaft zu diesem Ziel, Essen war Symbol und Beispiel für den Willen des christlichen Volksteiles.

Wir sind uns aber klar darüber, daß das Be­kenntnis zum Wesen der Union, das jetzt von einem großen Volkstell bei den Wahlen abgelegt worden ist, erst das Aufzeigen der politischen' Auf­gabe bedeutet, die der Union obliegt. Es wird nun an der Union liegen, dieses Wesen den Erwartun­gen des Volkes gemäß wirksam werden zu lassen. Die große politische Einigung des christlichen Volks­teiles würde ein Strohfeuer bedeuten, wenn die Union nicht den politischen Weg zu gehen wüßte, der dem innersten Sehnen des Volkes entspricht. Es ist unverkennbar, daß sein Verlangen nach zwei Richtungen besonders stark ist: in sozialer Richtung und in der Richtung der höchstmöglichen Einheit des Volkes,

Es kann wohl für niemanden mehr eine Frage sein, daß die Notwendigkeit der Lösung des so­zialen Problems an erster Stelle steht. War diese Einsicht schon aus der Erkenntnis des Arbeiter­schicksals in den letzten Jahrzehnten eine Notwen­digkeit, so ist die soziale Frage nach dem Zusam­menbruch des sozialen und nationalen Lügenge­bäudes des Nationalsozialismus noch mehr in den Vordergrund getreten. Eine einzige Fahrt durch das Reich, der Eindruck der Trümmer lassen-das drängende Bedürfnis unseres Volkes nach Neubau seiner sozialen Ordnung in schmerzlichster Deut­lichkeit erleben. Nur politisch und sozial Blinde können annehmen, daß wir mit kleineren oder größeren Reformen materielle und seelische Mas­sennot beseitigen können. Man muß auch nicht in der Ostzone des Reiches leben, um zu begreifen, daß nur eine von Grund auf neugeschaffene So- zialordnung der Masse des werktätigen Volkes sinnvolle Gliederung, geordnetes wenn auch bescheidenes Dasein und neue Lebenshofsnung geben kann. Die Gesamtheit des werktätigen Vol­kes in der Ost-, West- und Südzone verlangt nach einem sozialen Umbau von Grund auf. Wen das Wort nicht schreckt und es wäre gut, wenn der Schrecken überwunden würde der nennt diesen Willen s o z i a l i s t i s ch, d e n n er istsozia- listisch. Wer sich davor fürchtet, suche eine an­dere Bezeichnung, Wesentlich aber ist, daß wir, daß die Union die Notwendigkeit einer entschlossenen sozialen Haltung erkennt. Wesentlich ist, daß ob in Ost oder West oder Süd die schicksalhafte Frage, die Frage nach der gesunden Gliederung der zum Teil erbarmungslos enteigneten Massen nach ihrem Lebensrecht und ihrer Lebensaufgabe im Mittelpunkt aller Politik zu stehen hat. Für diese Neugliederung und dieses Lebensrecht müs­sen Opfer gebracht werden, vor allem von denen, die noch etwas zu opfern ha- b e n. Die Lasten des Ausgleichs werden bis an die Grenzen des möglichen Herangehen,

Neue soziale Basis und neue Gliederung sind Grundlage für die nationale Erneuerung unseres Volkes, Es kommt nicht von ungefähr, daß das Wortnational" kaum mehr in dem Wortschatz der Parteien vorkommt, die heute um die politische Neugestaltung ringen. Mit keinem Wort ist wohl je so viel Schindluder getrieben worden wie mit

dem Wort national. Im Namen des deutschen Nationalgefühls sind die Verbrechen des Krieges begangen, ist der Krieg selbst geführt worden. Aber auch in der Vor-Hitlerzeit hatte das Wort eine Bedeutung, die in den breiten Massen des Volkes mehr oder weniger auf Ablehnung stoßen mußte, Nationalgefllhl, Nationalbewußtsein erschie­nen stark an Besitz gebunden. Im Gegensatz dazu betonten weite Kreise der Arbeiterschaft die inter­nationale Verbundenheit der Besitzlosen,

Es hat den Anschein, als vollzögen sich auch da Wandlungen. Wohin ich auf meiner Fahrt durch das Reich kam, überall stieß ich bei den Massen des werktätigen Volkes auf eine tiesinnere Ver­bundenheit mit dem zerrissenen und gefährdeten Boden Deutschlands, Wenn die Sorge um Rhein, Ruhr und Saar aufklang, dann brach ein stürmi­sches Bekenntnis zur deutschen Erde durch. Ebenso stürmisch war stets das Bekenntnis zur Einheit des Reiches über Zonen und Ländergrenzen hinweg. Es ist ja keine Frage, daß die Zoneneinteilung in Deutschland, das Fehlen jeder Zentralgewalt, der alten deutschen Veranlagung zur Eigenbrötelei und Absonderung Vorschub leistet. Wer aber diese Not­lage des Volkes benutzt, um alten Liebhabereien einer eigenbrötlerischen Landesherrlichkeit nachzu­gehen. muß wissen, daß er die große Masse des Volkes nicht hinter sich findet.

Die Notwendigkeit, den Ausgleich zwischen Ost- und Westeuropa zu finden, entspricht nur der Not­wendigkeit, den Ausgleich im Innern zwischen den verschiedenen sozialen und politischen Willensströ­mungen zu finden. Je stärker Deutschland den Aus­gleich im Innern zu schaffen sucht, mit anderen Worten, je entschlossener es seinen sozialen Neu­aufbau in Angriff nimmt und damit seinen eige­nen Weg geht, um so größer kann der Dienst sein, den das zerschlagene Deutschland Europa leistet. Es wird diese Aufgabe nur erfüllen, wenn es nicht in kleinliche Kirchturmspolitik verfällt, sondern wenn es über alle Eigenbröteleien hinweg die Einheit sieht. Da diese Einheit einem demokrati­schen Grundgefühl entspringt, kann sie nichts mit übersteigertem Zentralismus zu tun haben. Den Ländern und Provinzen wird ein gesundes Maß von Selbstverwaltung ihres Schicksals Zuwachsen, die sie im Geiste eines durch Leid und bittere Er­fahrung geläuterten nationalen Bewußtseins aus­üben werden. Wir verstehen unter diesem Bewußt­sein verantwortungsbereite Schicksalsverbunden­heit vor allem mit den Teilen des Reiches, die das härteste Los zu tragen haben.

Nur in dieser geläuterten nationalen Ver­bundenheit seiner Stände und Landschaften kann Deutschland seine ausgleichende Aufgabe im Kreis der europäischen Völker erfüllen. Es ist eine Auf­gabe, die Selbstverleugnung. Mut und politischen Weitblick verlangt. Es ist eine nationale und eine übernationale Aufgabe zugleich. Es ist Dienst am eigenen Volke, an Europa und an der Welt.

/Xu«-; 6er 6er 8KO.

Lesoblosssn auk dem Lsrkeitag in Hannover am 11, Hai 164b

In der Periode zwischen zwei Weltkriegen haben die Kräfte des Hochkapitalismus und der Reaktion versucht, den sozialistischen Konsequenzen der De mokratie zu entgehen.

Mit dem Dritten Reich war durch die Zerschla­gung der politischen Kraft der arbeitenden Klasse, durch das Fehlen demokratischer Willensbildung und Kontrolle die entscheidende Voraussetzung für die europäische Katastrophe gegeben. Das Versa­gen des deutschen Bürgertums und jenes Teils der Arbeiterbewegung, der den klassenpolitischen Wert der Demokratie nicht erkannt hatte, bildet den hi­storischen Schuldanteil des deutschen Volkes,

Die unvermeidliche Folge der Diktatur war der Krieg, der Zusammenbruch, die Zerstörung der bisherigen Grundlagen des wirtschaftlichen, staat­lichen und kulturellen Lebens, Sie sind damit un brauchbar für den Aufbau eines neuen Deutsch lands geworden.

Die Sozialdemokratische Partei sieht ihre Auf gäbe darin, alle demokratischen Kräfte Deutschlands im Zeichen des Sozialismus zu sammeln. Nicht nur die politischen Machtverhältnisse, sondern auch ihre ökonomischen Grundlagen müssen geändert werden,

I.

Das heutige Deutschland ist nicht mehr in der Lage, eine privatkapitalistische Profitwirtschaft zu ertragen und Ausbeutungsgewinne, Kapitaldivi­dende und Grundrenten zu zahlen. Die jetzt noch herrschenden Eigentumsverhältnisse entsprechen nicht mehr den sonstigen gesellschaftlichen Zustän den und Bedürfnissen,

Die Sozialdemokratie erstrebt eine sozial! stische Wirtschaft durch planmäßige Lenkung und gemeinwirtschaftliche Gestaltung, Entscheidung für Ümfang, Richtung und Verteilung der Produktion darf nur das Interesse der Allgemeinheit sein. Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel erfolgt auf verschiedene Weise und in verschiedenen Formen, Es gibt für den Sozialismus keine Einförmigkeit und keine Unfreiheit, keinen kommandierten Kaser­nensozialismus, keine Uniformität. Es gibt keine sozialistische Gesellschaft ohne die mannigfaltigsten Betriebsarten und Formen der Produktion, Der Sozialismus will wirtschaftliche Selbstverwaltung möglichst unter stärkster Beteiligung der Arbeiter und Verbraucher.

II.

Die Sozialisierung hat zu beginnen bei den Bodenschätzen und den Grundstoffindustrien, Alle Betriebe des Bergbaus, der Eisen- und Stahl­erzeugung und -bearbeitung bis zum Halbzeug, der größte Teil der chemischen Industrie und die synthe­tischen Industrien, die Großbetriebe überhaupt sind in das Eigentum der Allgemeinheit zu überführen. Die Forderung des Genossenschaftsgedankens ist nötig.

Eine grundlegende Agrar- und Boden­reform ist unter Enteignung des Großgrund­besitzes sofort einzuleiten Die Neuübereignung des Großgrundbesitzes, seine Bewirtschaftung im bäuer­lichen, gärtnerischen und siedlerischen Einzelbesitz, oder teilweise in genossenschaftlichen, bäuerlichen Gemeinbesitz ohne eine die Wirtschaftlichkeit gefähr­dende Verstückelung sind notwendig. Das ist die soziale Gerechtigkeit auf dem Lande, der endgülti- gen Unterbringung von mehr Menschen, eine erste Lösung der Flüchtlingsnot, der Förderung der Er­nährungslage des deutschen Volkes.

Der Klein- und Mittelbetrieb in Landwirtschaft, Handwerk, Gewerbe und Handel hat wichtige Auf­gaben zu erfüllen. Die deutsche Wohnungs­wirtschaft bedarf Kraft zu öffentlicher Len­kung. Sie ist mit den Mitteln der Gesamtheit und nicht nur von der von der Zerstörung getroffenen Gemeinde zu betreiben. Der Lastenausgleich for­dert eine grundlegende, alles umfassende Finang- und Währungsreform. Ein soziales Cxistenzmini- mum muß gesichert werden. Die deutsche Sozial- demokratie erstrebt mit ihrer Wirtschaftspolitik die ökonomische Befreiung der menschlichen Persönlich­keit.

IH,

Die deutsche Sozialdemokratie sieht ihre politische Aufgabe darin, die umstürzenden Veränderungen des gesellschaftlichen Seins, die unvermeidlich sind, in das politische Bewußtsein der Massen zu übertra­gen und die Mehrheit des Volkes für den Sozia­lismus zu gewinnen. Cs gibt keinen S o z i a - lismus ohne Demokratie, ohne die Frei- heit des Erkennens und die Freiheit der Kritik. Es gibt aber auch keinen Sozialismus ohne Mensch­lichkeit und ohne Achtung der menschlichen Persön­lichkeit. Die deutsche Sozialdemokratie lehnt jeden Rückfall in totalitäres Denken und Handeln entschlossen ab,

IV.

Auf dem Gebiet der Staats- und Verwaltungs­politik erstrebt die Sozialdemokratie die Demokra­tie, die getragen ist von der Mitbestimmung und

Mitverantwortung aller Bürger. Sie will eine Re­publik mit weitgehender Dezentralisierung und Selbstverwaltung, Die Verwaltung muß von unten her reformiert werden. Das Volk, repräsentiert durch seine Parteien, bestimmt die Aufgaben und Ziele der Verwaltung,

Keines der heutigen Länder und keine der heu­tigen Provinzen darf sich in ihrer Existenz und in ihrem Umfang als garantiert ansehen. Es gibt keine ausreichende geschichtliche Legitimation gc- gegenüber den Notwendigkeiten der Gegenwart,

Alle Staatsbürger sind ohne Ansehen des Her­kommens, des Glaubens, der Rasse oder des Ge­schlechts nach Maßgabe der Gesetze und entspre­chend ihrer Befähigung und ihrer Leistung zu den öffentlichen Äemtern zuzulassen. Alle Bürger müs­sen vor dem Gesetz gleich sein. Mit der Glaubens­und Gewissensfreiheit für alle, Trennung von Kirche und Staat, wird den Kirchen und allen Weltan­schauungsgemeinschaften die Möglichkeit gegeben, die ihnen eigenen Aufgaben zu erfüllen. Niemand soll verpflichtet sein, seine religiöse Ueberzeugung zu offenbaren.

Das allgemeine Schulwesen ist öffentlich, die Schulen sollen die Jugend frei von totalitären und untoleranten Anschauungen erziehen im Geist der Humanität, der Demokratie, der sozialen Ver­antwortung und der Völkerverständigung. Allen Deutschen stehen die Bildungsmöglichkeiten allein

DieTVibün« ckev Daueren" skeär LU Kleroäeu Derleu cken tu ckev /vanLv.nsoä beseAken ^ou« Dsukscälanck-k LU^k/a-iskuen /'aLttueu LU/- VeL/ÜFllUß,' /u>^»öu/te/r«> su/t ckubet aber- uurkl-b/erbl-u.

Ute ^u.iuuAuux ckvs i/iueu ttuum?»

xtlckrr bet cken l^a^keteu. lue ckte tite/- er-.-kebetueuckeu .1 u/-"V' ti-aZen ckte.^e, ntctik ckte Recka/cktou, <tte Vev-

entsprechend ihrer Befähigung offen. Sie sind un­abhängig von Bekenntnis, Staat und Besitz.

Es ist ein einheitliches Arbeitsrecht zu schassen. Jedem Bürger soll die Möglichkeit ge­geben werden, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt zu erwerben. Soweit ihm angemessene Arbeits­gelegenheit nicht nachgewiesen werden kann, hat er Anspruch auf Lebensunterhalt. Jedem wird die gleiche Möglichkeit für seine Berufswahl und Be­rufsmöglichkeit gegeben. Jeder hat das Recht und die Pflicht, seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu erwerben.

Die Vereinigungsfreiheit ist zu gewährleisten. Zur Vertretung der Jnteresfen der Arbeitenden in den Betrieben sind Betriebsräte mit weitgehenden Rechten zu bilden.

Das Fürsorge- und Gesundheitswesen ist eine öffentliche Angelegenheit, Es soll eine einheitliche Sozialversicherung geschaffen werden. Die Opfer des Kriegs und der Diktatur haben Anspruch auf ausreichende Hilfe,

V.

Die deutsche Sozialdemokratie anerkennt die Pflicht zur Wiedergutmachung im Rahmen der wirtschaft­lichen Möglichkeit des deutschen Volkes, Sie ist für die Bestrafung der Schuldigen und der Kriegsver­brecher, Sie erstrebt die Eingliederung des neuen Deutschlands in die neue internationale Organisa­tion der Völker.

Die Sozialdemokratie erhebt den Anspruch auf die Erhaltung Deutschlands als eines nationalen, staatlichen und wirtschaftlichen Ganzen, Nur dann wird sie den Kampf gegen neu erwachenden Nationalismus mit Erfolg führen können. Die So­zialdemokratie weiß, daß die Periode der unein­geschränkten Souveränität der Einzelstaaten vor­über ist. Die deutsche Sozialdemokratie erstrebt die Vereinigten Staaten von Europa, eine demokratische und sozialistische Förderatftn europäischer Staaten. Sie will ein sozialisti. sch es Deutschland in einem sozialistischen Europa.

Sozialismus ist nicht mehr ein fernes Ziel Er ist die Aufgabe des Tages. Die deutsche Sozial­demokratie will nichts sein als eine Partei unter anderen Parteien, sie will sich aber auszeichnen durch die Richtigkeit ihrer Erkenntnisse, durch die Klarheit ihrer Politik und durch die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen.

Ein solches allgemeines EedankenfieLer bat es noch nie gleichzeitig auf der Erde gegeben. Wir müssen die Furchtbarkeit der Entscheidungen tragen. Die neue Freiheit, die neue Welt zieht nach ihren Gesetzen, nicht nach dem Ausschrei quälender Ungeduld herauf.

Luxev Öiesel (1934)

Okkener Kries

an alle 80 -üaIäemoIcrateil unä Kommunisten in voutsehlanil

Die kommunistische Partei Süd­württembergs veröffentlicht hier den nach­stehenden offenen Brief, mit dem sie sich iden­tifiziert:

GenossinnenundGenossen!

Seit dem Zusammenbruch des Naziregimes ist ein knappes Jahr vergangen. Aber schon sind die Maulwürfe der Reaktion und des Militarismus wieder dabei, die kaum begonnene Aufbauarbeit zu stören und zu unterwllhlen. In vielen Teilen Deutsch­lands versuchen sie unter demokratischer Tarnung und selbst durch das Einschleichen in demokratische Parteien ihre alten Machtpositionen nach und nach wieder zu beziehen. Monarchistische, völkische und separatistische Parteien sind bereits wieder offen auf dem Plan,

Die Nazisten sind immer noch geheim am Werk und bedrohen Träger und Einrichtungen des demo­kratischen Neuausbauwerks, Die Hintermänner der Nazis, Kriegsinteressenten und Schwerindustrielle, sitzen vielerorts in den Leitungen der Wirtschaft und suchen ihre alten Vormachtstellungen wieder herzustellen.

Der nazistische Ungeist ist keineswegs tot. Seine Träger aus der Vergangenheit benutzen die wirt­schaftliche Not, um für das Ergebnis des Hitler­regimes die aufbauenden Kräfte Deutschlands ver­antwortlich zu machen.

Die aufkommende Reaktion beginnt dasselbe ver­brecherische Spiel wie nach 19l8, Sie will die demo­kratischen Freiheiten erneut mißbrauchen, um die Demokratie zu erdrosseln.

Kaum ist der Schlachtenlärm verhallt, kaum ist die Freiheit neu geboren, und schon müssen wir unsere warnende Stimme gegen die Gefahr der heraufziehenden militaristischen und großkapitali­stischen Reaktion erheben!

Diese tödliche Gefahr für Deutsch­lands Zukunft kann nur durch eine starke und geschlossene Arbeiterbe­wegung abgewendet werden.

Die Fortsetzung des Konkurrenzkampfes in der deutschen Arbeiterbewegung würde die zukünftige Entwicklung Deutschlands zwangsläufig in die glei- chen verhängnisvollen Bahnen lenken wie in den Jahren nach 1918.

Sozialdemokraten und Kommunisten!

Das Gute der Vergangenheit wird nicht verleug­nst, wenn Ihr Euch freimacht von den Nachwir­kungen eines dreißigjährigen erbitterten Bruder­kampfes, Wer die Verpflichtung für die Zukunft fühlt, muß den Mut haben, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Aus der Vergangenheit kommen die Hemmungen, die Euch hindern, die Einheit zu schaffen. In Ser Zukunft liegen die Auf­gaben, die unsere Einheit erfordern. Darum reicht Euch die Hände zu ehrlicher Zusammenarbeit im Dienste des demokratischen Neuaufbaues!

Was Euch eint, ist stärker als alles, was Euch trennt! Ihr alle wollt den Geist des Krieges in Deutschland vernichten und Deutschland wieder zu­rückführen in die Familie der friedlichen Völker!

Ihr alle wallt die Einheit Deutschlands und einen schnellen Wiederaufbau unseres zerstörten und zer­rissenen Vaterlandes!

Ihr alle wallt die antifaschistisch-demokratische parlamentarische Republik!

Ihr alle wollt das Große nud Gute der deutschen Kultur bewahren und es in demokratischer Freiheit und zu neuer Blüte entwickeln!

Ihr alle wollt den sozialen Aufstieg aller Werk­tätigen, ihr wirtschaftliches Mitbestimmungsrecht und den Sozialismus!

Für diese gemeinsamen Ziele laßt uns gemein­sam kämpfen!

Zu dieser Zusammenarbeit streckt die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ihre Hand aus, Schloat ein! MachtdemVruderkampfein Ende!

Die vor uns liegenden Aufgaben ertragen keine unfruchtbaren Auseinandersetzungen mehr. Wir müssen vorwärts zu einer gemeinsamen Politik und Arbeit, den Blick auf die Schicksalsfragen unseres Volkes gerichtet.

Das ganze schaffende Volk, alle Kräfte des Frie­dens und der Freiheit müssen sich zusammenfinden!

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ist zur vorbehaltslosen Zusammenarbeit mit allen Kommunisten und Sozialdemokraten bereit und tritt für die Schaffung der antifaschistisch-demokra­tischen Einheitsfront überall in Deutschland ein.

Ergreift die Initiative zur Bildung von Ein­heitsfront-Ausschüssen! Eure Einheit wird die antifaschistisch-demokratische Einheit stärken!

Schafft gemeinsame Arbeitsausschüsse der beiden Arbeiterparteien zur engsten Zusammen­arbeit bei der Lösung aller praktischen Tagesauf­gaben!

Bildet darüber hinaus überall dort, wo die er­forderliche Uebereinstimmung erzielt ist, gemein­same Organisationsausschüsse zur Vereinigung bei­der Arbeiterparteien in der Sozialistischen Einheits­partei Deutschlands!

Weder sektiererische Tendenzen bei einzelnen Kommunisten noch parteiegoistische Empfindungen bei einigen Sozialdemokraten dürfen das Tempo der Einigung hindern.

Die Zwietracht muß sterben, damit Deutschland lebe!

Wir haben Euch das Beispiel gegeben. Der Ver­einigungsparteitag der Sozialdemokratischen Partei und der Kommunistischen Partei zu Ostern 1946 in Berlin hat den Auftrag erfüllt, den die Geschichte der politisch zerrissenen deutschen Arbeiterbewegung stellte.

Ein Jahr nach Kriegsende und nur wenige Tage nach der Vereinigung sah Berlin am 1, Mai eine Manifestation der schaffenden Bevölkerung von bis­her nicht erlebtem Ausmaß, Rund 500 000 Män­ner, Frauen und Jugendliche demonstrierten unter dem roten Banner für die alten Maiforderungen, für Völkerfrieden und für den Achtstundentag, aber auch für die Einbeit der deutschen Arbeiterbewegung. Cs war nach Beendigung des Hitlerregimes die erste große elementare Willensäußerung der Ar­beiterschaft, die, zum Aufbau bereit und eines 30- jährigen Vruderkampfes müde, begeistert das Werk der politischen Einigung der deutschen Arbeiter­bewegung begrüßte. Wie ein Mahnruf erscholl über ganz Deutschland das Lied:

Brüder, in eins nun die Hände!"

Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Oer parteivorskand

Berlin, den 7, Mai 1946