LoäriftleilunAunä VerlsK 1'übiLFev,I5tilLn68trsLv2 k'ernrnk: 2141/42/43 k'ür UQverlsQKlv ^lsau- »Icriple Iceine Oeväär. » Xreis3U8As1>eo kiir lutt- linxen, k'reuäen8ls6t, 6s- linxen, üec)iinKen, jVIün- slnAen, 6eut!inxen,ll0rlr, Lsl^v unä liibinAeo s.
8kII>VLK
Linrelprei» 20 6kerrnig moosttictrer 6e2UA8prer> äurcli l'rsZer 1.50 clurcti äis 6v8t 1.74 6^1. ^oreixeopreige: Oe8üwt- su8As^e 1.20 6^1., I^reL8- su8Ks!re 0.40 6iVl. ran» LtiiLkrbtzekükr I.— 6N.
6rsekeLnun88tsße:
Oieubtsg uir6 IHeitsz
c 6 88 LL 6I"Idl 8o
2. ^iilii xrttNft
Diell^lsx, den 4 .suni 1946
Kummer 44
Die s>an^Ö8i8eIi6n ^Va^Ien
kleine AroKen VerseliiekunKen / DIK?. >vird stärkste Partei
Bei den Wahlen zur neuen verfassunggebenden französischen Nationalversammlung am Sonntag, den 2, Juni, die bei starker Beteiligung glatt verlaufen sind, haben fünf große Parteien konkurriert: Die Kommunisten (PC.), mit 152 Kam- mersißen bisher die stärkste aller Parteien: die sozialistische Partei (SFJO.), die Partei Gouins und Leon Blums: die katholische Republikanische Volksbewegung (MRP.), die etwa unserer CDU. entspricht; die Vereinigung der Linksrepublikaner (RDG.), in der die bisherigen Radikalsozialisten mit Edouard Herriot die Hauptrolle spielen, eine bürgerliche Mittelpartei ähnlich wie unsere Demokraten: und die konservativen Gruppen unter dem Namen Republikanische Freiheitspartei (PRL.) mit ausgesprochen antimarxistischem Charakter.
In der ersten verfassunggebenden Versammlung waren die drei Linksparteien mit je etwa 150 Sitzen so ziemlich aleich stark: erst kam die PC. nstt 152, dann die MRP. mit 149, dann die SFJO. mit 148 Sitzen. Am Sonntag hat nun die MRP den Sieg erfochten und steht heute an der Spitze aller Parteien; ihr folgt die kommunistische und die sozialistische Partei, welch letztere ungefähr so viel Sitze eingebüßt als die MRP. gewonnen hat.
Am Montaavormittag war folgende Verteilung von 521 Kammersitzen bekannt: MRP 161, Kommunisten 144, Sozialisten 114, Radikalsozia- liston 41, Republikanische Freiheitspartei 61.
Ministerpräsident Gauin hat schon vor den Wahlen vorausgesagt, daß sie keine allzu große Veränderungen bringen werden. Es ist also möglich, daß die Dreierkoalition wie bisher beieinander bleiben wird. MRP. und Sozialisten sind wahrscheinlich dazu geneigt: es fragt sich lediglich, ob die Kommunistische Partei weiter mitmachen wird, gegen die der Wahlkampf in erster Linie geführt worden ist und die bei einem Sieg, nach einer Äußerung ihres Führers Thorez, bereit gewesen wäre, die Führung zu übernehmen.
Die Kandidatenlisten der einzelnen Parteien enthielten im allgemeinen die alten Namen, mit Ausnahme der sozialistischen, auf der mit Rücksicht auf die Provinzorganisationen der Partei gewisse Änderungen vorgenommen worden waren. Urüer den jetzt wieder Gewählten befinden sich Ministerprä-
Dio neue ?i»Ker ReKieminA
Prag. Klement Gottwald, Vorsitzender der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei, ist vom Präsidenten der Tschechoslowakei Dr. Eduard Benesch mit der Bildung einer Regierung der Nationalen Front, der alle Parteien angehören sollen, beauftragt worden.
pür die Demokratie
Ankara. Aus den Ergebnissen der letzten Gc- meindewahlen vom 26. Mai läßt sich erkennen, daß zum erstenmal seit über 20 Jahren die in der Türkei bisher allein bestehende republikanische Volks- Partei an Volkstümlichkeit einqebüßt hat. Diese erste Volksbefragung nach 20 Jahren scheint politische Umwälzungen anzukündigen, die auch in der Türkei vor sich gehen werden. Es ist bezeichnend, daß in Ankara, der Hochburg der republikanischen Volkspartei, die Wahlbeteiligung am allerschlechte- sten gewesen ist.
Von zetrt skr DjV
New P o r k. Die Presseabteilung der ONU bittet darum, die Vereinten Nationen künftig mit der Abkürzung UN zu bezeichnen. In der angelsächsischen Welt schrieb man bisher UNO (United Na- tions Organisation), im französischen Sprachgebiet ONU (Organisation des Nations unies).
Das Ergebnis der italienischen Wahlen liegt noch nicht vor.
Oesterreich hat in einer Note die Moskauer Regierung ersucht, alle österreichischen Kriegsgefangenen mit einwandfreier politischer Vergangenheit hald zurückzuschicken.
Der österreichische Außenminister Krnber ist auf Einladung Englands in London eingetroffen.
Die ungarischen Linksparteien. Sozialisten, Kommunisten und Bauernoartei. haben üch zu einer parlamentarischen Front rnsammenaeschfossen.
Der rumänische Ministerpräsident kündigt die Durchführung allgemeiner Wahlen in Rumänien für August oder September dieses Jahres an.
Das griechische Parlament hat in einer Entschließung dis territorialen Ansprüche Bulgariens zurückgewiesen.
Das bulgarische Parlament hat ein Gesetz zur Verstaatlichung der Versicherungsgesellschaften angenommen.
Die alliierten Stützpunkte auf den Azoren sind an Portugal zurückgegeben worden.
Irak und Transjordanien wollen sich zu einer föderativen Union zusammenschlietzen.
Ein zionistischer Weltkongreß wird im Dezember stattfinden.
Das iranische Kabinett Ehawam es Sultaneh ist zurückgetreten. Ehawam wird ein neues Kabinett bllden
General Marshall, der amerikanisch- Sondergesandte in China, hat die chinesischen Nationalisten und Kommunisten aufgefordert, den Bürgerkrieg zu beendigen.
In Po-t Arthur verbleiben nach dem chinesischrussischen Vertrag vom 16. August 1945 die einzigen sowjetischen Truppen in der Mandschurei.
Der neue argentinische Präsident Peron hat die Nmtsgeschäste übernommen.
Der amerikanische Kongreß hat ein Gesetz verabschiedet, das der Regierung von USA. die Kontrolle über die Atomenergie einräumt.
sident Gouin, Vizepräsident Thorez, Außenminister Bidault, Justizminister Philip; ferner die früheren Ministerpräsidenten Daladier und Reynaud.
Paris. Das französische Innenministerium gibt folgendes Wahlergebnis bekannt: MRP. 160, PC. 145, Sozialisten 115, Republikanische Linke 43, Republikanische Freiheitspartei 58 Sitze.
Frankreichs ^Viederaukdau
Ministerpräsident Gouin hat in einer Pressekonferenz zum Abschluß der französisch-amerikanischen Finanzverhandlungen Stellung genommen und dabei heroorgehoben, daß dieses Abkommen ohne jegliche politische Bedingungen zustandegekommen sei. Frankreich sei es nunmehr möglich, aus einer Isolierung, die Hunger und wirtschaftlichen Selbstmord bedeute, herauszutreten.
Das Abkommen umfaßt zwei Teile, die endgültige Regelung der Verrechnung der Lieferungen aus dem amerikanischen Leih- und Pachtgesetz und die Abmachungen über den Wiederaufbau Frankreichs, für den ein F ü n f j a h re s p l a n, der sogenannte Monnetplan, ausgestellt worden !ei. D's amerikanischen Lieferungen aus dem Leih- und Pachtgesetz haben 2,25 Milliarden Dollar betragen, und als Gegenwerte hatte Frankreich Lieferungen in Höhe von 870 Millionen Dollar zur Verfügung
gestellt. Amerika hat die restlichen Forderungen gestrichen. Ein Schuldenrest Frankreichs in Hohe von 720 Millionen Dollar soll mit 2 Prozent verzinst und am 1. Januar 1950 zurückgezahlt werden.
Die von Amerika gewährte Anleihe soll dazu dienen, den Monnetplan zu verwirklichen. Er sieht bis zum Jahre 1950 eine Erhöhung der Produktion um 59 Prozent gegenüber dem Niveau von 1938 vor. Frankreich benötige vor allem mehr Kohle und auch moderne Maschinen weil sein Maschinenpark schon seit 1938 veraltet sei. Es fehle auch an Lokomotiven und Wagen, an Benzin und anderen Rohstoffen. Die Stahlproduktion soll bis zum Jahre 1951 die Höhe von 15 Millionen Tonnen erreichen.
In einer Rede in Lyon hat Finanzminister P h i l i p bei der Besprechung des Abkommens hervorgehoben, daß Frankreich keine Handelsrivalitäten zwischen den Völkern mehr wünsche, weil diese unvermeidlich immer zum Krieg führten. Frankreich will keine Zollschranken mehr, sondern seine Erzeugnisse aus einen freien Weltmarkt bringen.
Außenminister Bidault hat in einer Unterredung zur politischen Lage Stellung genommen und betont, daß alle Maßnahmen, welche die Festigung und die Schaffung eines Provisoriums in Europa herbeiführen können, die Unterstützung Frankreichs finden werden. Jedoch könne nichts Entscheidendes erwartet werden, solange sich die Alliierten über d'e Frage Deutsch-and. die nun einmal das Hauptproblem büde, nicht verständigt haben.
Der Lerickt des ßlnteranssckusses des VVeltsiesterkeitsrates
Die Verhandlungen des Unterausschusses des Weltsicherheitsrates, der sich mit dem spanischen Problem zu beschäftigen hatte, sind jetzt zum Abschluß gekommen. In den letzten Tagen kannten dem Ausschuß noch eine Anzahl »euer Dokumente zur Nachprüfung übergeben werden. Außerdem hatte die französische Regierung ein ausführliches Memorandum über Spanien vorgelegt, in dem vor allem ausgeführt wird, daß die von Franco nach Kriegsende vörgenommenen Aenderuvgen nur die Fassade, nicht aber die Grundlagen seiner Regierung betreffen.
In dem Bericht des Ausschusses über das Ergebnis der Untersuchung des spanischen Problems wird das Franco-Negime als „mögliche Bedrohung des Weltfriedens" bezeichnet. Der Ausschuß empfiehlt den Mitgliederstaaten der Vereinten Nationen, die diplomatischen Beziehungen zu Spanien abzu- brechen, falls die Franco-Regierung nicht bis
1. September dieses Jahres beseitigt ist.
Die Franco-Regierung, so heißt es weiter, habe zwar keinen offiziellen Friedsnsbruch begangen, aber Franco habe sich an der Verschwörung Hitlers und Mussolinis gegen die Welt beteiligt und sich auch noch nach Kriegsende in gewissen Fällen geweigert, mit den Alliierten bei der Bekämpfung des Faschismus zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus sei die Friedensstärke der spanischen Armee weit höher, als man dies von einem friedliebenden Volk erwarten könne. Ferner schließe die Tatsache, daß es in Spanien zwei Regierungen gebe, die Möglichkeit eines Bürgerkrieges ein. Der Unterausschuß macht im einzelnen folgende Vorschläge:
1. Der Weltsicherheitsrat soll die gemeinsame Erklärung der Vereinigten Staaten. Großbritanniens und Frankreichs vom 3. März gutheißen. In dieser Erklärung wird das spanische Volk aufgefordert, sich mit eigener Kraft von dem Franco- Rcgime zu befreien und eine vorläufige Regierung
zu errichten, bis die Möglichkeit freier Wahlen in Spanien gegeben ist.
2. Der Welrsicherheitsrat soll bei der nächsten Vollversammlung den Vereinten Nationen empfehlen, beim nächsten Zusammentreffen am 3. September alle UN -Mitglieder aufzusordern. die diplomatischen Beziehungen zu Franco-Spanien abzu- brechen, falls das Franco-Regime bis dahin nicht beseitigt ist.
3. Nach der Beseitigung des Franco-Reqimes soll Spanien zur M i t g i i e d s ch a f t der Vereinten Nationen unter gewissen Bedingungen eingeladen werden. Diese Bedingungen sind: Entlassung der politischen Gefangenen, Rückkehr der polirisch Verbannten, Recht auf Gründung politischer Organisationen sowie freie und öffent- l i ch e Wahlen.
Dieser Bericht wird am Donnerstag der UN. zur Beschlußfassung vorliegen und es ist nicht zweifelhaft, daß er Annahme finden wird.
Die Lage in Spanien selbst wird durch wachsende Unruhe und Spannung gekennzeichnet. Nach englischen Berichten bict?t Seinen beute das Bild eines Landes verwirrender Gegensätze. Während Franca sich auf die rund eine Million starke Arinee und die in Svanien seit jeber sehr mächtige und einflußreiche Kirche stützt, steht die c^oße Masse des arbeitenden Volkes völlig abseits. Aber die große Zersplitterung aller demokratischen Kräfte lähmt ihren Widerstandswillen und ihre innerpoli'- tische Durchschlagskraft. Es bestehen in Spanien mindestens 13 verschiedene und untereinander uneinige Widerstandsgruppen gegen Franco. Außerdem bestehen noch starke monarchistische Strömungen inner- und außerhalb Spaniens.
Der Bericht des Spanienausschusses ist von den fünf Mitgliedstaaten Australien, Frankreich. Polen, China und Brasilien gutgeheißen worden.
Oä8 europäische kotilendetiLit
Auf der kürzlich beendeten Pariser Kohlenkonfs- renz für das am 1. Juli beginnende Wirtschaftsjahr ist ein Defizit von 46 Millionen Tonnen Kohle sestgestellt worden. Man müsse daher mit ausgedehnter Arbeitslosigkeit und empfindlichen Verzögerungen des Wiederaufbaus rechnen. Ausreichende Versorgung der Bergleute mit Lebensmitteln und Bekleidung, sowie eine gründliche Lösung der Transportfrage sei notwendig, den bedenklichen Rückgang in der Kohlenproduktion aufzuhalten.
Weiter wurde gefordert, daß dem europäischen Kohlenausschuß die sofortige Prüfung über eins mögliche Erhöhung der Kohlenförderung anzuver- trauen sei. Bei der Kohlenzuteilung müßten bestimmte Vsrbrauchergruppen, wie z. B. die Stahlindustrie, besonders berücksichtigt werden.
Was die deutsche Kohlenerzeuqunq im Ruhrgebiet betrifft, so hat diese (ebenso wie die belgische) den Vorkriegsdurchschnitt noch lange nicht erreicht und ist im April, wie es heißt infolge der Ernährungsschwierigkeiten, statt vorwärts zu- rückgegangen; Anfang Mai hat sie 165 000 Tonnen täglich betragen; das Produktionsziel sind 300 000 Tonnen täglich. Im übrigen decken die Koblen- preise van 15 bis 16 Mark pro Tonne die Crzsu- gungskosten nur zur Hälfte, was in der heutigen Wirtschaftsordnung auch nicht gerade als Anreiz
zur Mehrförderung wirken wird. Man wird wabl mit einer Erhöhung der Kohlenvreise zu rechnen haben. Aber wird dann nicht unser ganzes Prcis- gebäude, das sowiesa nicht mehr ganz intakt ist, ins Wanken geraten?
Im S a a rg e b i e t sind im Avril 430 000 Tonnen gefördert worden. Davon hat die französisch besetzte Zone Deutschlands 230 000 Tonnen erhalten, Frankreich 80 000, dis amerikanische Zone 100 000. Man schätzt die erreichbare Tagesförderung auf 50 000 Tonnen.
Die polnische Förderung (Oberschlesien) wird dieses Jahr insgesamt etwa 50 Millionen Tonnen e:-reichen. Zurzeit sind es 3 bis vier Millionen pro Monat. Frankreich erhält davon 100 000 Tonnen.
Olear Xolilen kür die Industrie:
Berlin. Auf Anregung der amerikanischen Ve- satzungsbehörde sollen aus der amerikanischen Be- satzuugszone Deniichlands 20 000 Arbeitskräfte für die Kohlengruben im Ruhraebict geworben werden. Der Zoncnbeircü der britilchen Zone ist der Meinung. daß die Wirtschaft der britischen Zone dem Zusammenbruch entaegengehe. wenn die Kohlenlieferungen für die Industrie nicht gesteigert werden können, auch auf Kosten des Exports und des sonstigen einheimischen Verbrauchs.
Freie ßVakIen nach 2? fahren
Rom. Die Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung sind die ersten freien Wahlen seit 25 Jahren gewesen. Auch die Frauen konnten zum erstenmal von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Die Wahlen sind bei starker Beteiligung im allgemeinen ruhig verlaufen, nur in Mailand wurden Handgranaten gegen die Büroräume des „Avanti" geworfen und Revolverschüsse abgefeuert, wodurch drei Personen Verletzungen erlitten. Bei den Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung haben sich elf Parteien beworben.
Der italienische König Umberto Hot vor der Volksabstimmung über die Frage, ab Monarchie oder Repvblik, erklärt, er erwarte von den Anhängern der Monarchie, daß sie sich bedingungslos dem Spruch des Volkswillens unterwerfen.
Fan-Fniop»
Eine paneuropäische Konferenz in New Hark unter dem Vorsitz von Graf Richard Coudenhooe- Kalergi und Fernando De Los Rias, dem früheren spanischen Botschafter in USA., hat dem Generalsekretär der Vereinten Nationen. Trygve Lie, vorgeschlagen:
1 Die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrates soll auf die große Gefahr gerichtet werden, die in der Aufteilung Europas liegt.
2. Eine Konferenz europäischer Staaten zur Schaffung einer paneurnpäiichen Einbeit soll ein- bcrufen werden.
3. Ein permanenter Ausschuß der Vereinten Nationen solle errichtet werden, der die Wirtschafts-, Sicherheits- und sozialen Probleme Europas einheitlich behandeln soll.
Der^Valcl urrcl clie käume
Von Ferdinand 2 eeb
Nach Lektüre des neunundneunziqsten wohlgc- schriebenen Zeitungsartikels, nach Kenntnis der sechsundsechzigsten, nun aber wirklich klaren Reso- lution, nach Anhören der dreiunddreißigstcn stilistisch einwandfreien Rede werde ich nun den Eindruck nickst mehr los, daß ein großer Teil unserer Politiker es sich zum Prinzip gemacht hat, über Begriffe zu reden oder zu schreiben, statt sich um Tatsachen zu kümmern und entsprechend zu handeln.
Sie sprechen so viel über die Demokratie, daß einen jeden das Gähnen ankommt, sobald er davon hört, und sie vergessen dabei das Wesentliche: die Demokratie. Sie jammern über die Krise der abendländischen Kultur und erweisen sich als unfähig, uns die abendländische Kultur lebenswert zu machen. Sie sprechen über die „christliche Vereint- Wartung" in den Fragen der sozialen Gerechtigkeit, aber die ehrlichen Mahnungen eines Niemöller gehen ihnen in das eine Ohr hinein und aus dem anderen wieder heraus. Und ein jeder ist Sozialist. Man spricht so viel von Sozialismus, daß wahrhaftig kein Mensch mehr weiß, worum es sich dabei eigentlich handelt.
Viele Männer, die gegenwärtig mit der Führung der Politik — der Summe der öffentlichen Angelegenheiten — betraut sind, sehen nur den Wald und vergessen dabei die Bäume. Von den Fenstern ihrer Luftschlösser herab betrachten sie die Baumschule unseres unfertigen Staates und merken nicht, daß sie im Begriffe sind, eben diesen Staat selber wieder in Frage zu stellen.
Derweil nehmen die Dinge ihren Lauf, und es steht nicht gerade zum Besten in der besten aller möglichen Welten. Die Gefahr der Kürzung der Lebensmittelrationen besteht nach wie vor; denken wir nur an die Zuteilungen in einigen anderen Ländern Europas, denken mir an Indien, China und an die Streiks in USA. Wir gelangen jetzt an einen Punkt, wo die Frage der nackten "Existenz mit aller Schwere vor uns steht. Machen wir einmal einen Anfang und beweisen wir, daß wir Demokraten, Christen, Sozialisten usw. sind!
Wenn Not am Mann ist, so denke man zunächst an die Schwächsten, die Bedürftigsten, an das Wichtigste. Wenn die Nahrungsmittel knapp sind, so müssen zunächst diejenigen'essen, die bei ihrer barten körperlichen Arbeit mehr Energie verbrauchen als dis Männer hinter den Schreibtisch?» oder solche, die überhaupt nicht arbeiten. Man sagt, die Mensch--» wollten nicht arbeiten, weil zu viel Geld da sei. Man erörtert Geldabschöpfungspläne, ohne das Geld abzuschöpfen. Wenn dis Arbeitenden mehr essen werden, als die Nichtarbeitenden, dann wer- den sich viele zur Arbeit entschließen! In erster Linie sollen d i e satt werden, die durch ihre Arbeit unsere Existenz garantieren.
Wenn man heute nicht gleich mit einem Pfund Butter schmiert, so bekommt man nichts gemacht. Wer hat das Geld, um Butter auf dem Schwarzen Markt zu kaufen? Die Arbeiter, die Friseurlehrlinge. die Briefträger? Wenn für 30 000 Menschen nur tausend Paar Schuhe verbanden sind, so müssen zunächst diejenigen bedacht werden, die bei ihrer Arbeit am meisten Schuhe verschleißen, z. B. die Bahnarbeiter, die heute ihre Strecken auf den Schwellen abschreiten müssen, mit elenden Holz- und Lederfetzen an den Füßen. Was nützt es den Bahnarbeiter, wenn man ihm versichert, daß man in ibm „den Einzelmenschen als Persönlichkeit achte", wenn seine Schuhe dabei zerrissen bleiben?
Man kann nichts machen? Es gibt keinen Weg, um unsere Ernährungslage von heute auf morgen entscheidend zu bessern? Dann tue man das, was man kann! Die Gemeinden können sichSchweine halten, an Kartoffelschalen fehlt es heute noch nicht. Kinder können Eicheln und Kastanien sammeln. Die Gemeinden können sich Tausende von Hühner beranziehen: ihre Bürger werden dafür sorgen, daß das Federvieh nicht verhungert. Cs ist ein Anfang gemacht worden mit der Kinderspec- sung in den Schulen. Dos ist gut so. Aber wer denkt an unsere 14—18jährigen Lehrlinge in den Betrieben? Für die Jungarbeiter ist nichts vorgesehen. Wir müssen Werkskantinen für sie einrichten.
Tausende von Hausfrauen vergeuden ihre Zeit mit stundenlangem Schlangestehen, verbrennen ihr weniges Holz, um schließlich am Abend ihrem Manne, der hungrig von der Arbeit kommt, ein paar kärgliche Kartoffeln vorzusetzen. Also: Werkskantinen auch für die erwachsenen Arbeiter. Wenn wenig da ist. so muß man mit dem Wenigen sparsam umgehen. In einem großen Topf kocht man sparsamer, als in vielen kleinen. Da die Ernährungslage sich derart verschlechtert hat und sich noch weiter verschlechtern kann, muß die Einrichtung von öffentlichen Volksküchen organisiert werden. Wir werden dort mehr und besser essen, wenn sie einwandfrei geführt werden.
Kriegermitwen und -waisen, Angehörige von Kriegsgefangenen und Vermißten sind dazu verpflichtet, in entwürdigender Form um staatliche Almosen zu betteln. Um den kleinen Rest ihrer „abendländischen Kultur" ist es dabei schlecht bestellt, er geht zum Teufel. Die Opfer der national- sozialistischen Kriegspolitik haben Anspruch auf würdige Behandlung und reguläre Unterstützung! Es ist kein Geld da? Man nehme es dort, wo es ist!
Worauf wartet man? Darauf, daß noch mehr Elend und Unzufriedenheit entstehen? Anstatt zu handeln, sucht man neue Schuldige, nachdem die alten Sündenböcke scheinbar verschwunden sind. In trautem Kreise wagt man, die angeblichen neuen Unbeilstiftcr zu nennen, die „Anderen". Und die Kommunisten!
Wem wird es nützen, wenn die Unzufriedenheit des Volkes aufs neue zu einem Werkzeug in den Händen der Volksfeinde wird? Man redet vies von unserer Schuld in der Vergangenheit und über-: