8ei1e2/jVr.42

86HVX8I86NL8 'r^68I-^H

28. IVlsi 1946

den an geistige Werte, in der Charakterstärke und Standhaftigkeit, in der Freiheitsliebe!

Unser Leben ist nicht ohne Hoffnung im Ge­genteil! >

Aber es würde hoffnungslos werden, wenn ein neuer Krieg zwischen dem Osten und Westen aus­bräche. Dann erst würden wir ganz zugrunde ge­hen.

Auch wir können dazu beitragen, daß es nicht zu einem solchen Kriege kommt.' Vor allem dür­fen wir ihn nicht wünschen. Das ist datz Törich­teste und Verbrecherischste, was es gibt. Wir dür­fen auch nicht frohlocken, wenn Schwierigkeiten zwischen den Verbürgten entstehen. Wir dürfen nie und nirgends Partei ergreifen.

Wir können nur hoffen, langsam wieder in die Höhe zu kommen, wenn Eintracht und Friede in der Welt erhalten bleiben; wenn die Wunden hei­len; wenn der Haß begraben wird; wenn nach und nach wieder ein freier Austausch geistiger und stofflicher Güter zwischen allen Ländern möglich wird. Das hängt davon ab, ob der Versuch gelingt, die Nationen der Welt in einem großen Verbände zu organisieren. Es ist sinnlos, wenn wir diesem Versuch kritisch und höhnisch Zusehen, wie wir es beim Genfer Völkerbund getan haben; unser ur­eigenstes Interesse gebietet uns vielmehr, ihm vol­len und raschen Erfolg zu wünschen. Aber wir können das nur, wenn wir die geistigen Grund­lagen, auf denen bisher unsere Anschauung der Welt ruhte, nämlich den Glauben an Krieg und Gewalt und den Kultus des Kriegerisch-Heldischen, ganz aufgeben und uns daran gewöhnen, die Dinge der Welt vom Standpunkt der christlichen Grundwahrheiten aus zu betrachten. Krieg, Ver­brechen, Lüge werden nie ganz ausgerottet wer­den, aber nichts ist törichter, als daraus abzulei­ten, daß sie eine Daseinsberechtigung hätten, und sein Handeln darauf aufzubauen, wie wir es ge­tan haben.

*

Lassen wir uns nicht erbittern durch die Lasten der französischen Besatzung. VergGssen wir keinen Augenblick, daß wir Frankreich zweimal vier Jahre, je von 1914 bis 1918 und von 1940 bis 1944 besetzt gehalten haben. Wie systematisch wir es ausgestohlen und ausgesogen haben, wie wir die Bevölkerung hungern ließen, Millionen seiner freiheitliebenden Bürger zur Zwangsarbeit weg- fchleppten. Tausende unschuldiger Geiseln erschaf­fen, das weiß jeder außer wer geflissentlich die Augen zumacht, und mit dem ist nicht zu rechnen. Tragen wir schweigend und mit Würde, was uns nun aks Strafe trifft! Und wiederholen wir uns Tag für Tag: Dies, culpa, mea inaxima culpa! Mein ist die Schuld, die Riesenschuld.

Wenn wir uns so verhalten, dann werden wir auch wieder aufgerichtet werden. Dann ist alle Hoffnung unser.

klsinrier Universität erökknet

Am 22. Mai ist die 1477 gegründete und 1798 ge­schlossene Universität Mainz alsJohann-Eutenberg- Unlversitär" mit 1500 Studenten wieder crösfnet wor­den. Der französische Oberkommandierende in Deutsch­land. General Koe«ig,hat dabei in einer An­sprache u. a. gesagt:

Ihr Land geht aus der fürchterlichsten Umwälzung hervor, der nur wenige Ihrer Provinzen entronnen sind. Ich glaube, daß gerade in der jetzigen Zeit im­mer zahlreichere rheinische und deutsche Geister, im Angesicht der auf ihrem Boden angehäuften Ruinen, begierig nach den Ursachen forschen werden, durch die sie zweimal in weniger als dreißig Jahren in die Niederlage gestürzt worden sind. Mitten in diesem großen Unglück leuchtet es ihnen ohne Zweifel ein, daß das nicht Wahrheit ist. was die hillerische Wis­senschaft und Philosophie auf Universitäten lehrte, von denen der belebend- Odem der weltumfassenden mstei verbannt war.

Ich bin der Ansicht, daß. gerade im Augenblick des Beginns dieser Kewissensarbeit. ihr- Universität nicht nur eröffnet wird, um den Geist der Jugend in An­betracht ihrer zukünftigen Ausgaben zu formen, son­dern auch um ihr eine Gelegenheit zu geben, sich selbst zu Lbertresfen. sich etwas Höherem als dem eigenen Ich zu opfern und ein neues Ideal auszu­arbeiten. dessen der moderne Mensch bedarf, um zu leben ganz besonders, wenn er Zeuge des Zusam­menbruchs dessen war. das sein Leben umrahmt hat.

Lange war dieses Land einer der Kreuzwege un­serer zwei im Krieg verflochtenen Völker, und künf­tig wissen wir ganz genau, die einen so gut wie die anderen, was das kostet. Ein solcher Anblick kann in uns nur den Willen erwecken, diesen Ort endlich in einen Ort friedlicher Zusammenkünfte und des Aus­tausches fruchtbarer und bildender Ideen umzuwan­deln."

kaval-^iten täten Oolette als

27 PuZe xekesselt in lXene-ki eniine 7^n 8<4ilnk konnte man nickt denken

Rastatt. Das Lager Neue-Bremme, dessen Wachmannschaften sich seit Tagen vor dem Hohen Gericht wegen fortgesetzter grausamer Mißhand­lungen der Häftlinge zu verantworten haben, war ursprünglich für französische und russische Kriegs­gefangene bestimmt. Es liegt einen Kilometer von der französisch-deutschen Grenze, an der Hauptver­kehrsstraße MetzSaarbrücken. Obwohl diefes La­ger nicht lange bestanden hat es wurde im Juni 1943 für Zivilpersonen eingerichtet und im Dezem­ber 1944 durch das Vorrücken der Alliierten zwangs­läufig aufgelöst. wird sein Name so leicht nicht vergessen werden, denn die dort vorgekommenen Verbrechen stehen in nichts denjenigen von Dachau und Buchenwald nach. Das angeklagte Lagerper­sonal versucht dreist, trotz der vielen belastenden Zeugenaussagen, die vorgekommenen sadistischen Grausamkeiten zu beschönigen, doch kann die Wucht der Tatsachen dadurch nicht gemildert werden.

Aus den weiteren Zeugenvernehmungen rundet sich das grauenhafte Bild scheußlicher Unmensch­lichkeiten ab. Besonders beliebt waren nach den Darstellungen ehemaliger Häftlinge unmenschlich lange Appelle und kollektive Strafen, von denen der Dauerlauf um das Wasserbassin die Hauptrolle spielte. Er erstreckte sich oft vom frühen Nachmit­tag bis in die späte Nacht und während des Dauer- laüfes wurden die Häftlinge von den Wächtern bei jeder Runde geschlagen. Unter ihnen waren auch polnische und bessarabische Wächter. Der An­geklagte Regulski, ein Pole, erscheint neben den anderen Hauptangeklagten besonders belastet. Cr habe, so sagte ein Zeuge, das ganze Lager in Angst und Schrecken versetzt.

Prominente französische Persönlichkeiten, die einst als Häftlinge in Neue-Bremme der Brutali­tät ihrer Peiniger ausgesetzt waren, stehen jetzt als Zeugen im Gerichtssaal ihnen gegenüber. Der Ge­neralinspekteur des öffentlichen Unterrichtswesens in Paris, Louis Francois, war 1943/44 im La­gerlazarett beschäftigt. Er gibt jetzt einen genauen Bericht über die Zustände im Krankenrevier. Da­nach erfolgte die Auswahl der aufzunehmenden Kranken ohne jede Sachkunde und die Sanitäter waren ihrer Aufgabe in keiner Weise gewachsen. Sie hatten, so bemerkt Francois, von Medizin keine Ahnung. Sie seien zwar nicht unmenschlich gewesen, aber sie hätten sich auch in keiner Weise für die Kranken eingesetzt. Von Anfang Dezember 1943 bis Anfang Januar 1944 seien von 150 Kranken 40 gestorben und deren Leichen auf den Abfallhaufen des Lagers geworfen worden. Erst im letzten Augenblick seien Kranke ins Revier aus­genommen worden, zum Beispiel ein französischer Oberst, der nur noch einen Puls von 40 Schlägen in der Minute hatte und infolgedessen starb.

Wie Dr. Arbeitist, der im Lager als Arzt beschäftigt worden ist, aussagte, mußte infolge der mangelhaften Ernährung bei jedem Insassen der Tod nach drei Monaten eintreten.

Paul Colette, der das Attentat auf Laval und Deal" im August 1941 verübt hat, zum Tode verurteilt, von Petain begnadigt und dann nach Deutschland geschafft worden war, hatte in Neue- Bremme besonders schwere Mißhandlungen zu er­dulden. Seine Fesseln waren so scharf ungezogen, daß keine Bewegung möglich war. Sie verursach­ten Wunden und tiefe Narben. 27 Tage lang blieb er, so erklärte Colette als Zeuge, gefesselt und zum Schlafen sei er während dieser ganzen Zeit seines Lageraufenthaltes nicht gekommen. Die Fesseln seien nicht ein einziges Mal abgenommen worden, auch nicht bei den einfachsten menschlichen Ver­richtungen. Der Zeuge bezeichnet« Hornez, Regu'lski und Drokur als die schlimmsten Folterknechte des Lagers.

Ein französischer Zeuge Chalier berichtet noch, daß die halbverhungerten Häftlinge durch die Auf­stellung eines großen Suppenkessels im Hof gelockt wurden und die sich anschließende Balgerei um die Suppe von den Wächtern alsVergnügen" betrach­tet wurde.

Mehrere Zeugen schildern übereinstimmend das System der Mißhandlungen. Außerdem kommt noch zur Sprache, daß in dem Lager Neue-Bremme auch ein schwunghafter Schwarzhandel mit gestoh­lenen Rote-Kreuz-Paketen betrieben wurde und

daß verschiedene Angeklagte in die eigene Tasche arbeiteten, indem sie das sür die Küche bestimmte Fleisch zum großen Teil verschoben. Nur der Rest und die Knochen kamen in die Lagerküche.

Die zehn mit der Verteidigung beauftragten An­wälte haben 33 Entlastungszeugen ins Feld ge­führt, um für ihre Klienten jede Möglichkeit zu erschöpfen, sie in einem besseren Licht vor dem Hohen Gericht erscheinen zu lasstn. Auch diese Zeu­gen treten an, sie sagen aus und... klagen an. Den einen oder anderen schildern sie alsMen­schen". dafür aber wird die.Mehrzahl der anderen betastet und dies mit einer schlagenden Beweis­führung. Nur winzig kleine Ausschnitte werden be­leuchtet, sie aber vermögen nicht den Gesamtein- druck zu beeinträchtigen, sie können nicht in ihrer Gesamtheit entlasten.

sinn Oenunriant

Das Schwurgericht in Nordhausen hat den früheren Finanzangestellten Josef Puttfarken wegen Beihilfe zum Mord zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt.

Puttfarken hatte im Jahr 1942 den Handelsmann Karl Eöttig denunziert, weil er im Abort des Finanz­amts Nordhausen an die Wand geschrieben hatte: Hitler ist ein Massenmörder und schuld am Kriege". Die Folge war die Verurteilung Eöttigs zur Todes­strafe durch den Volksgerichtshof in Kassel und die Hinrichtung.

Als Mörder hat das Gericht die Richter des Volks­gerichtshofs in Kassel betrachtet, deren Urteil auf einer Rechtsbeugung beruhe.

OssIVürstcsien"

In Nürnberg hat der frühere Großadmiral Raeder Adolf Hitler als einenMeister der Dialektik" und des Bluffs bezeichnet, um sich damit zu entschuldigen, daß er trotz angeblicher schwerer Bedenken immer wiedermitgemacht" habe. Auch sein Nachfolger Dönitz gestand, daß er sich immer wieder von diesem Pseudo-Staatsmann habe einwickeln lassen. In einer Ansprache an seine Offiziere hat Dönitz einmal ge-

tun einen

Nach einer Mitteilung des Landesgeschnftsführers der CDU. für Hessen-Pfalz planen die führenden Vertreter der Christlich-demokratischen Union und der Christlich-sozialen Volkspartei der französischen Zone eine enge Zusammenarbeit der christlich-poli­tischen Gruppen im gesamten französisch besetzten Gebiet. Eine erste Fühlungnahme der führenden Personen brachte eine vollständige Uebereinstim- mung in folgenden vier Punkten:

1. Die Union tritt ein für den Zusammenschluß des deutschen Volkes zu einem Föderativ­staat. Sie lehnt sowohl ein zentralistisches, auto-' ritär und totalitär regiertes Deutschland als auch die Vorherrschaft eines einzelnen Landes entschie­den ab, in gleicher Weise die Zersplitterung in jeder Form.

2. Bei der Gliederung der deutschen Länder, denen eine weitgehende Selbstregierung zu gewährleisten ist, muß auf die historisch gewordenen Zusammen­hänge, auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten und auf den Willen der Bevölkerung Rücksicht ge­nommen werden.

3. Die Union bekennt sich aus tiefster Ueberzeu- gung zum Völkerfrieden und zum Recht. Sie be­grüßt daher alle Bestrebungen, welche der Zusam­menarbeit der Völker Europas dienlich sind? Die Union der westlichen Zone wünscht insbesondere ein freundnachbarliches Verhältnis mit unseren Nachbarstaaten im Westen, mit denen wir uns als Glieder des christlich-abendländischen Kulturkreises verbunden fithlen.

4. Im Interesse der wirtschaftlichen Zusammen­arbeit und dös gesamten Wiederaufbaus, besonders aber im Hinblick auf eine ausgleichende Nahrunqs- mittelversorgung, sieht die Union die alsbaldige Be­seitigung der wirtschaftlichen Zonengrenzen als un­erläßlich an.

Die Uebereinstimmuna in diesen vier Punkten wurde erzielt mit den Vertretern der Union von Koblenz-Trier, Hessen-Pfalz, Südbaden und Süd­württemberg.

unck -4rkeiterscsiakt

In einer Versammlung der CDU. in Tettnang hat der Landesgeschäftsführer der CDU. Südwür'ttxm- bergs, Stehle, gesagt, die CDU. erkenne die Kraft, die vom Arbeiteistand in das Volksganze ströme; sie fordere daher Wert-,- z der Arbeit als sittliche Lei­stung. Der Zusamm- schluß der Arbeiterschaft zur

Doutscklaud ließt »uck Keule nock, als okninack- tiges Oekilde nac^r einem verlorenen Hrieß, in der Alitte Europas, uüd «5 sckeint, daß das alle Europa in all seiner Verväsiunß denuodk <lie Glitte der Veit sei. Diese tröstliche, au uralte ßesctiictnlicke l^rinnerunßen snklinßeude Delrerreußunß täklt man in sich erneuert, venn man clie Vorte liest, clie cler französische Außenminister vor kurrem an Ver­treter cler Presse ßerichtet Hst:Deutschland", so heißt es dort,ist der 8chlussel 2 U Europa und aur ßannen Veit. Vir sind uns iilrer die virtsckatt- lirhen Lchvierißlceiten durchaus im klaren. Vir er­klären aher, daß eine LiniZunK üker Deutschland ßleichhedeutend mit einer Dinißunß üher sämtliche Veltxirolrleme ist. Venn eine DinißunZ ükSr Deutschland nicht erhielt werden kann, vird sie

Das kliußt vie eine erste ^hnunß des Briedens, die irlrer die Vasserlluten der Aerstörunß ?u uns herülierdrinßt. Die Drtatsache unseres politischen und kulturellen Deliens, der vir Lvölk .fahre lang sellrstsiichtiß ruviderßehandelt haken, daß Deutsch­land die Glitte Duropss und Europa die kultur- spendepde Alitte der Veit ist, tritt aus dem Dickicht der ?fschkrieß8proh1eme vieder »ns Dicht. Dine KIolknunA neiäinet sich sk: daß die schmerrlidie deutsche Oeßenvart rrum ^usßanßspunkt einer neuen europäischen Zukunft verden kann, venn alle Beteiligten sich ihrer europäischen Verant­wortung lievußt sind. V. H.

sagt, er fühle sich immer klein und winzig, wenn er von einer Besprechung bei Hitler zurückkomme, er komme sich wie ein armesWürstchen" vor.

Seitdem hatte Dönitz in der früheren Marine den Spitznamen ..Das Würstchen". Ein Glück für uns. das; diesesWürstchen" als Nachfolger Hitlers nicht allzulange am Ruder gewesen ist.

Das Menschengeschlecht ist ein Ganzes; wir arbeiten und dulden, säen und erntey füreinander.

Döcl 6 rativ 8 taat

Wahrung ihrer Berufsinteressen sei zu bejahen. Für die Arbeiter- und Angestelltenschaft sei zu fordern:

1. Lohn- und Lebensunterhalt, von dem auch die Familie würdig leben kann.

2. Entfaltung?- und Aufstiegsmöglichkeit tüchtiger Fachkräfte in den Betrieben durch Arbeit und Leistung.

3. Beteiligung an der Führung der Betriebe.

4. Teilnahme am Gesamtgewinn des Unternehmens und damit am Ertrag der/Arbeit.

Die Tätigkeit von Unternehmer- und Arbeiterschaft, fordert Stehle, sei klar aus das Allgemeinwohl aus­zurichten. Dis materiellen Faktoren seien dem Mensch­lichen unterzuordnen. Die Schwierigkeiten, die sich der Durchführung dieser Forderungen entgegenstell­ten. seien zu überwinden. Mit der sozialen Besser­stellung der Arbeiterschaft werde auch ihr Mitverant- wortungsgefühl im Betrieb wachsen. Aus der Arbeit der Arbeiter entstehe mit die Wohlhabenheit im Staate. Es sei eine Forderung der Billigkeit, dem Arbeiter seine Existenz sichern zu helfen. Dies könne niemand zum Nachteil, wohl aber der Gesamtheit von Nutzen sein. _

Der 2. Vorsitzende des Reichsverbands der CDU., Ernst Le innrer. berichtet nach derBerliner Zei­tung" von einer dreiwöchigen Fahrt durch die West­zonen, die Zahl der ..unbelehrten" Deutschen sei dort weit größer als im Osten; auch die Parteien seien orgamsatorisch und ideologisch gegenüber dem Osten zurück und drohen in der Kirchturmperspektive stehen­zubleiben. lieber die Ostzone existierten im Westen zum Teil groteske Vorstellungen". Diesewerden durch Leute genährt, die aus leicht ersichtlichen Gründen die Zonen gewechselt haben und sich nun ein politisches Alibi verschaffen müssen".

.kkeiniscke Volkspnitel rnZelnssen Lübeck. Die britischen Behörden werden jetzt die separatistischeRheinische Volkspartei" zunächst im Gemeindemaßstab zulassen. Sie erstrebt die Ab­trennung der Ruhr von Deutschland und die Bil­dung emes unabhängigen Staates, derenge Ver­bindung mit den Ländern Westeuropas hat". Ihr Gründer und Führer, Dr. Paul Opitz, erklärt, kei­nenpreußischen Einfluß" in der Lösung des .Ruhrproblems dulden zu wollen.

Erinnerung sn Iteinrieti WöIKIin

üec xcoüe XunLl/ii<Uori1cer isk 1945 in r

Heinrich Wölfflin der stärkste Eindruck von Persönlichkeit, den der Berichterstatter auf deut­schen Hochschulen empfangen hat. Unvergleichlich sogleich die Erscheinung des Mannes: groß, schlank, schmal in den Hüften, ein schnittiges Gesicht mit kurzem Spitzbart, raschen federnden Ganges, elegant, seigneurhaft. Und sehr suggestiv.

Zunächst lernte man den Gelehrten als Lehrer kennen, als Redner. Und er war ein Redner! Viel­leicht eine Stunde zu Beginn des Semesters Vor­trag, dann aber immer vor den Bildern, d. h. Auge in Auge mit der Sache. Das Bild erscheint auf der Wand. Es dauert eine Weile, bis Wölfflin einsetzt. Der Schüler hat Muße, tzie Sache einiger­maßen auf sich wirken zu lassen. Dann hebt der . Lehrer an. Man hat andere gehört: eifrige, er­regte Sprecher, die mit geschickten Formeln ihren Gegenstand gleichsam umtanzen. Wölfflins Art war anders. Er suchte die schlechtweg richtige Be­zeichnung: dasjenige Wort, das dann sitzt. Und er sucht erst dieses Wort; wir sind dabei, wie er es schassen muß: wie es in ihm gärt und wirkt, würgt und korkst, bis es plötzlich herausspringt. Man hat manchmal erleichtert aufgeatmet, als es heraus war. Wölfflin hat einenDürer" geschrieben: er hatte selbst etwas von seinem Meister. Auch bei ihm erschien alles prallnoch einmal mit einem besonderen Saft getränkt". Was vorgebracht wurde, hatte bei aller Gelenkigkeit etwas Erarbeitetes und bei aller Mühe Frische und Behaglichkeit. Glätte eignete dieser Rede nicht, dagegeiz war sie ein Geprägtes, Gewichtiges, fast Schroffes. Dekre- tiertes nicht zimperlich, sondern drastisch, derb. Ein Schüler Burckhardts sprach, ein Schweizer, dessen Muttersprache die Sprache Kellers, Gott- helfs war. Nichts Gleichgültiges, Füllendes gab es, Beobachtung aus Beobachtung wurde vorgebracht, . Erfahrung auf Erfahrung.: alles klar und deutlich. Verworrenes, etwas das nicht konzis war, Verbla- senes war hier außer Betracht.

Und so wie er gesprochen, hat Wölfflin auch ge­schrieben. dabei die Rede zur Schreibe entwickelt.

Unter Gelehrten kann man bei Wölfflin noch gu­tes Deutsch lesen.

Der zweite Vorzug er war durchaus Mann der Anschaung. Vermögen der Anschauung, unter Deutschen ist das nicht selbstverständlich. Wie oft muß man,sich selbst in Dingen der Kunst fragen: wo haben sie nur ihre Augen! Für Wölfflin war das Kunstwerk zunächst Sinnengebilde, eben Kunst, nicht bloße Illustration zur Kultur- oder Geistes­geschichte, sondern etwas für sich, etwas Eigen­artiges, Eigenständiges. Er hörte nicht, wie so viele, auf, wo Kunst eigentlich beginnt. Kunstge­schichte, das war für ihn eine Angelegenheit des Sehens. '

Und er hatte das Talent, den Hörer dazu zu bringen, daß er sehe. Im Seminar ging das Trai­ning mitunter auf drastische Weise vor sich. Ein höherer Grad von Aufmerksamkeit, von Empfind­lichkeit für Ton und Linie, von Unterscheidung, von Fühlfähigkeit war das Ziel und oft der Er­folg dieses Erziehers. Wer musische Anlage hatte, dem machte Wölfflin erst recht Appetit.

Daß einermit der Stange im Nebel herum­stochere", das war einer der roten Striche, den er öfter anzubringen hatte. Doch war Wölfflin selbst nicht eigentlich Denker. Formen und Farben, ihre sonderliche Funktion in jedem Falle zu spüren, da­zu hatte er von Haus aus das Zeug, darin hatte er sich unermüdlich geübt: darin war er unge­wöhnlich. Und er vermochte, das Gemerkte, in ihm Wirksame auseinanderzusetzen, umsichtig, elastisch, beredt. Indes, seine Begriffe waren mehr bezeich­nend, charakterisierend als bohrend, durchdrin­gend. Seine Angelegenheit war es, zunächst ein­mal ein zutreffendes Bild der Sache, nicht so sehr Erklärungen über sie zu geben. Folgerungen zu ziehen. Sein systematisches Werk sind dieGrund­begriffe". Was ist da seine unbestreitbare Lei­stung? Antwort daß er unserem Auge neue Facetten ungeschliffen hat: daß er uns gewiesen hat, wie Klassisches anders zu lesen ist als Ba­rockes anders gelesen werden will; daß von der Renaissance zum Barock eine Selbstentwicklung der Form vor sich gehe, und daß diese elementare Veränderung in der eigensinnigen Art, überhaupt vorzustellen, als Posten des Stilwandels in Rech­

nung zu stellen sei. Musischen Gemütern hat er da­mit genug getan, nicht den Theoretikern. Er selbst meinte nicht, das letzte Wort in der Sache gespro­chen zu haben. Das erste Wort diesbezüglich aber ist sein Buch:ein stachliges Kränzleim (wie er HildebrandsProblem der Form" genannt hat).

In der Tat hat dies Buch viel Staub aufgewir­belt, der sich heute ziemlich gelegt hat. Wölfflin ist anerkannt worden, und .verkannt worden. Es gab heftige Debatten um ihn. -Es gab Leute, die ihm am Zeug flicken zu müssen meinten, und die noch nicht einmal gemerkt hatten, wovon überhaupt die Rede war. Man hat behauptet, er habe behauptet

.Und tatsächlich hat Wölfflin nur eine Frage

aufgeworfen. Ihm genügte es, seine Frage so ge­nau gestellt zu haben als möglich, im übrigen war er nicht zu beirren. Mag es sich mit den von ihm aufgestellten Begriffspaaren systematisch verhal­ten wie es will: man sieht seit Wölfflin die Sache unter dem Gesichtspunkt, unter dem er sie sah. Ein Zettel besonders wurde ihm angehängt:Forma­list". Besonders, natürlicherweise, von solchen, die ihm nicht das Wasser reichen konnten in der Aus­legung von Gefühl und Gehalt eines Werkes der Kunst. Allerdings war er meisterlich darin, aus- emanderzulegen, wie in verschiedenen Zeiten die Rolle der Liyje eine verschiedene ist; auf welche. Weise Eindruck des Raumes im 16. und. wie im 17. Jahrhundert zuwege kommt; wie Form in klassischer Zeit als etwas Festes, Gefügtes, Ge­schlossenes erscheinen muß, im Barock aber als et­was Offenes, Lockeres, Spielendes verstanden wird; wie in der Klassik jeder Teil auch einiger, maßen etwas für sich ist, dagegen im folgenden Jahrhundert alles ohne viel Rücksicht in einen ein­zigen Zusammenhang genommen erscheint; wie man dort alles Ding auf dem Bilde einzeln, faß­lich, greifbar haben will, später aber nicht mehr diese ausbreitende, klarlegende, dinglich deutliche Manier hat. Wölfflin war in der Art unerschöpf­lich. Es war dann zum Abschluß sein Spruch et­wa:Es ist dilettantisch, zu glauben, alles wäre zu allen Zeiten möglich." Er konnte aber eine solche Stunde glänzender Darlegung der Farm auch schließen mit einem Satze wie diesem:Wenn Sie

all das einem Künstler erzählen, wird er Sie wohl anhören, und nach einer Weile wird er sa­gen: Das gleicht dem Geist, den Du begreifst, nicht mir."

Er selbst aber war ein Dolmetsch ersten Ranges für das, was in der Form sich umsetzt, für das Innere, das Lebensgefühl, das Verhältnis zur Welt, das in ihr sich ausspricht. Wie begabt war er, die Gestimmtheit eines Werkes zu geworten, Verfassungen des Gckinüts aus der Form zu. lesen und etwa Charaktere Grünewalds von Dürerschen abzusetzen. Werke der frühen von Werken der ho­hen Renaissance, Venezianisches von Florentinisch- Römischem. Wie griff er in die Werkstatt der Kunst, wenn er Werke nach ihren Ausgaben erörterte, nach den Möglichkeiten der Durchführung, den Graden der Lösung: etwa die Aufgabe des Grab­mals, des Reiterstandbilds in der italienischen Re­naissance, des Gruppenbildes bei den Niederlän­dern von Thomas de Keyser bis zu denStaal- meesters". Wie verstand er es, Motive nach ihren Abwandlungen zu verfolgen, etwa die Darstellun­gen des barmherzigen Samariters oder der-Opfe- rung Isaaks bei Rembrandt. Wie drang er ins Persönliche bei der langen Reihe der Selbstpor­träts des großen Niederländers. Und dabei in je­dem Augenblick wieviel Takt für Nerv und Quasi- tät!

Gefühliger Deutung war Wölfflin abhold. Wo er aber das Wort nahm, kam etwas durchaus Eige­nes, Persönliches zur Sprache. Es stayd bei diesem Gelehrten etwas dahinter. Aus einer ganzen Menschlichkeit stammte eine jede seiner Verlaut­barungen. Eine noble Menschlichkeit schlug überall durch bei diesem selbstbewußten, aber lltuch be­scheidenen Manne. Streng, aber mit Gelassenheit, seiner Sache sicher, passioniert und ein wenig ironisch sein Handwerk betreibend, hat man ihn in der Erinnerung. Bei aller Bestimmtheit, Ueber- legenheit. bei aller grsvitas war eine gewisse Sprödigkeit zu merken. Cr war ein Fels, an den man dreimal schlagen mußte! Und wer das Organ hatte, mochte eine edle Verletzlichkeit spüren, die in dieser recht männlichen Männlichkeit als zarter Ton mitschwang. Lricb Närlen