12. k'ebrnsr 1916

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Am vergangenen Sonntag, den 10. Februar, ist in einer parteiversammlung in Reutlingen Staats- rak Pros. Dr. S a r l Schmid zum Dorsihenden der Sozialdemokratischen Partei in der französisch besetzten Zone Württembergs ge­wählt worden.

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lieber 500 Delegierte und Mitglieder der So­zialdemokratischen Partei aus allen Kreisen Süd- württembergs und Hohenzollerns versammelten sich am Sonntag, dem 10. Februar in der Bun­deshalle zu Reutlingen, die Gründung der Partei zu vollziehen, die Grundlegung der Partei­organisation und Parteiführung vorzunrhmen und die Richtlinien für die Partei in den entscheidenden Fragen der Gegenwart sestzulegen.

Kreisamtmann R e e b m a n n, Calw, begrüßte als Leiter der Versammlung die Teilnehmer, da­runter als Käste aus Stuttgart den Senior der Partei, Präsident Pflüger, und den Vorsitzenden der SPD. in Nordwüttemberg und -Baden, Innen- minister Ulrich. Dann legte Staatsrat Prof. Dr. Schmid in einem umfassenden Referat die Grund­sätze dar, unter denen die künftige politische Arbeit derPartei zu stehen habe. Die geschichtliche Entwick­lung seit der Gründung der Zweiten Internatio­nale verlange eine Reihe van entscheidenden Aen- derungen des Parteiprogramms, wenn auch der Geist der Gründer des Sozialismus wirksam blei­ben müsse, vor allem im Hinblick auf die Me­thode des Sozialismus und die Stellung zu Reli­gion und Kirche. Die Arbeiterklasse sei heute so ge­festigt und in ihrem Bewußtsein so geschlossen so­zialistisch, daß sie auf die Methode des Klassen­kampfes und der Diktatur des Prole­tariats verzichten und es wagen könne, das Schwergewicht ihrer Macht auf demokratischem Wege zur Geltung zu bringen. Auf diese Weise ge. wänne die Arbeiterschaft die Mitarbeit des Mittel­standes, der Bauernschaft und der geistigen Füh- rungsschicht im Kampf gegen den eigentlichen Feind: das ausbeuterische Großkapital.

Der Sozialismus stehe in keinem seiner Pro- grnmmpunkte im Gegensatz zum Christentum, sa, er empfange von dort wesentlich moralischen An­trieb. Ein Kampf gegen die K irchesei also nur in

I-snciorliolioil kiir die Li8enlmllnk-n

Stuttgart. Der Länderrat hat am 5. Fe­bruar getagt und sich vor allem mit Fragen des Verkehrswesens befaßt. Von der amerika­nischen Militärregierung wird vorgefchlagen, die Eisenbahnen in die Obhut der Länder zu nehmen, weil ja eine einheitliche Verwaltung der Eisenbah­nen vom Reich aus zurzeit nicht möglich ist. Der Länderrat besprach bei dieser Gelegenheit die Frage, ob nun jedes der drei Länder in Verwal­tung, Betrieb und Finanzen die eigene Hoheit gel­tend machen soll oder ob es nicht zweckmäßiger er­scheint, eine Betriebseinhcit für die ganze Zone zu schaffen. Für den letzten Plan setzten sich die Mi­nisterpräsidenten von Nord-Württemberg-Baden und Großhessen ein, während der bayerische Mini­sterpräsident für die eigene Verwaltung der Eisen­bahnen plädierte, im übrigen aber sich für die be­triebsmäßige Einheit aussprach.

Die Cisenbahnpolizci in der amerika­nisch besetzten Zone hat wieder ihren Tüenst aus­genommen. Sie wird mit Massen ausgerüstet wer­den. Cisenbahnpolizeischulcn sollen den Nachwuchs schulen.

Auf einer Pressekonferenz gab der württcmber- gische Ministerpräsident Maier bekannt, daß bei einer Zusammenkunft mit den Oberpräsidenten von Hannover und von Düsseldorf im Anschluß an die Länderratssitzung der Wille zu einer ge­samtdeutschen Einheit nachdrücklich betont wurde, was lebhafte Unterstützung seitens des groß­hessischen und des badischen Ministerpräsidenten fand. Ein Treffen zwischen den Ministerpräsiden­ten der USA.- und wirtschaftspalitischen Repräsen­tanten der britischen Zone sei vereinbart worden.

Als Ergebnis eines Aufrufs zu freiwilligen Spenden für den Wiederaufbau von Stuttgart, den zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen, politi­schen und kulturellen Lebens erlassen hatten, sind in der ersten Woche mehr als 100 000 NM. bei der Stadtkasse eingegangen.

solchen Einzelfällen beabsichtigt, wo sich Diener der Kirche zu Sachwaltern nationalistischer oder mili­taristischer Ideen machten.

Im Anschluß daran berichtete Oberbürgermeister Hartmeyer, Tübingen, über den organisatori­schen Aufbau der Partei in Südwürttemberg.

Der Landesvorstand der Partei soll aus zehn engeren Vorstandsmitgliedern und den Vorsitzen­den der 11 Parteibezirke Slldwürttembergs und Hohenzollerns bestehen. Bei der anschließenden Wahl des engeren Vorstandes wurden folgende Genossen gewählt: Staatsrat Prof. Dr. Schmid als 'Vorsitzender, Genosse Reebmann, Calw, als stcllv. Vorsitzender, die Genossen Fleck, Tuttlingen, Geist, Schwenningen: Hack, Ohmenhausen: Hart­meyer, Tübingen: Kalbfell, Reutlingen: Klett, Duß­lingen: Dr. Roser, Tübingen: Strobel, Reutlingen, als Beisitzer.

In der Aussprache stellte Bürgermeister Fleck fest, daß auch die Gewerkschaften heute be­reit seien, auf die Diktatur des Proletariats zu verzichten und in demokratischer Gemeinsamkeit niit den Arbeiterschichten des Bürgertums und der Bauernschaft zu kämpfen.

Oberregierungsrat Dr. R o s e r berichtete über die Vorarbeiten zur Schaffung einer von der Sozial­demokratie mitgetragcnen Jugendbewegung.

Oberbürgermeister Kalbfell wies in seinem Schlußwort auf die wichtigsten Punkte der geisti­gen Neuorientierung und des organisatorischen Wiederaufbaus hin.

IieKieruiiK8kri8e in He88on Wiesbaden. Die Sozialdemokratische Partei in Großhessen hat auf Grund des Ergebnisses der Wahlen, bei denen sie an der Spitze marschierte, die Umbildung des Kabinetts gefordert. Solle die- sem Wunsche nicht entsprochen werden, so müßte die Partei ihre Mitglieder im bisherigen Kabinett zurückziehen.

^SU68 SU8 und Lern

Vitamin 8" ostne Wirkung: Wiesbaden. In einer der letzten Pressekon­ferenzen bei der großhessischen Regierung hat sich nach derFrankfurter Rundschau" der amerikani­sche Colonel Ncwman über den Fall des Dr. Wurm geäußert. Der Sahn des evangelischen Landesbischofs in Württemberg befindet sich hier in Haft, weil er ein alter Nazi ist. Er war schon 1922 der Partei beigetreten und hatte im Jahre 1938 seine Mitgliedschaft erneuert. Landesbischof Dr. Wurm hatte in Begleitung des Landesbischofs von Wiesbaden und eines katholischen Geistlichen den großhcssischen Ministerpräsidenten Dr. Geiler ausgesucht und ihn gebeten, bei Colonel Newman wegen der Haftentlassung seines Sohnes vorstellig zu werden. Wie der amerikanische Oberst in der Pressekonferenz mitteilte, habe sich Ministerpräsi­dent Dr. Keiler durchaus korrekt verhalten. Es liege aber außerhalb jeder Diskussion, daß Nazis, die über gute Beziehungen verfügen, etwa anders behandelt würden.

Xrnonnungen

Hamburg. Das Mitglied der Christlich-demo­kratischen Partei Karl Arnold und der kommuni­stische Abgeordnete Peter Waterkortte sind zum Oberbürgermeister respektive Bürgermeister der Stadt Düsseldorf ernannt worden. Der ehemalige Zeitungsdirektor desFreien Deutsch­land" vor der Machtergreifung des Nazismus, Lud­wig Iuhen, ist an Stelle van Dr. Rombach, der einer Naziorganisatian angehört hatte, zum Ober­bürgermeister von Aachen ernannt morden.

k'reiüprucch kür okomaiigen XX.-Xapn Hamburg. Die Verhandlungen, die kürzlich vor dem Militärgericht in Hamburg gegen den ehemaligen Aufseher im Konzentrationslager Sach- senhaüsen, Fritz von Horen, geführt wurden, ende­ten mit einem Freispruch. Die Anklage stützte sich auf schriftliche Zeugenaussagen, aus denen hervor- ging, daß Horen drei Staatsangehörige alliierter Länder zu Tode mißhandelt haben sollte. Von der Verteidigung wurde beanstandet, daß die Zeugen nicht im Gerichtssaal anwesend waren, und daß die Anklagevertretung weder den Ort noch den Zeitpunkt der Tat genau festlegen kannte. Außer­dem bestätigte ein Entlastungszeuge, daß ihm nichts Nachteiliges über den Angeklagten aus dem Lager Sachsenhausen bekannt sei.

Verbindung der vier Xonen Berlin. Die Militärregierung gibt bekannt, daß am 8. Februar Telegrafenverbindungen zwi­schen allen vier Zonen Deutschlands für den zivilen Verkehr freigegeben werden. Telegrafische und telefonische Verbindungen zwischen der ameri­kanischen, britischen und französischen Besatzungs­zone sind z. T. schon im Januar freigegeben wor­den,

Kleider kür Vlüebtlinge Wie der Regensburger Flüchtlingslommissar mit­teilt, bat eine Zwangskleidersammlung, die bei Hö­heren Nazis zugunsten der Flüchtlinge durchgefiihrt wurde, ein Ergebnis von 1469 Schals, 4999 Wolldek- ken, 3389 Kissen, 13 249 Stück Unterwäsche, 4393 An­zügen und 3298 Kleidern gebracht.

Entdeckung eines neuen Idsssenßrnbes Moskau. Der Generalstab der sowjetrussischen Truppen in Polen gibt bekannt, daß ein Massen­grab von ungeheurem Umfang, das die Gebeine von über 130 000 französischen, sowjetrussischen, pol­nischen, jugoslawischen und holländischen Kriegs­gefangenen und politischen Gefangenen enthält, in Launsdorf in der Nähe von Oppeln ent­deckt worden ist. Die von den sawjetrufsischen und polnischen Behörden durchgesührte Untersuchung hat zu der Feststellung geführt, daß die Teilgräber, von denen manche 10 Meter tief sind, die Leichen von im Lager von Launsdorf Internierten enthal­ten, die erschossen worden waren oder den Erschöp­fungstod gefunden hatten.

^Vn Italien »ii8geliekert Mailand. Der frühere Direktor der Deutschen Reichsbank Dr. Bern Hub er ist von den Alli­ierten den italienischen Gerichtsbehörden aus­geliefert worden. Bernhuber wird von italienischer Seite beschuldigt, maßgebend an der Ausplün­derung Italiens beteiligt gewesen zu sein. Er soll das Gold der Bank von Italien weggeschasft und den Italienern Milliarden von Lire für Besatzungs- kostcn abgefordert haben. Ferner wird er für die Massenwegschaffung von Waren und Lebensmitteln verantwortlich gemacht.

Aer'cA

10. Usi 1940 riditc-te 4do15 Hitler einen Ausruf an die Lnlklsten 6 er Westfront, in dem e» liiell: ,.8oId»Ien! Die 8 tun 6 e lur endi ist xekom-

8 diidckat 6 er dentsdien Nation für 6 ie nadi?tev tausend Islire."

30. .sanuar^dem 4sx der..^ladllükernakme") 1941 proyke/eit er:Der IValinnAlsnxislisnius wird 6 ie kommenden Islirtsusenkle 6 er denlseken Oe- «ekidne bestimmen; er ist niilit melir wexxodenken."

-Vin 4. Usi 1941: ,.Der nstinnnlsnrislistiseli« Volksstaal wird nidit nur diesen Kriex ükerdsuern, sondern das kommende ^akrlausend."

9. ^ovemker 1941 erklärte Hitler Rußland

..werde sidr nie wieder erliefen", .letzt werde von IHAl ..639 Zdiickss! Europas kur die näch­sten tausend .lslire entsdiieden".

/4rn 11. Oexemker 1941 dankte er dem Herr­gott, 636 er ihm 6 ie Rührung eines llinge.ns üker- trsgen Kake, ,.635 für 6 ie nächsten fiinfkunderi 06 er tausend .Iskre nicht nur 6 ie deutsdie Oe- sdiidrte. sondern 6 ie (lesehichle Luropss. za 6 er xsnxen ^ eit entsdieidend gesellen wird".

26. g4pril 1942 kelisnptete 6 er grnkte ^Isul- keld »ller Zeiten. 6 er Krieg werde mit einer Kats- Strophe 6 es kritischen Weltreichs enden, 63 s ...lslrr- tsusend eines ne^en Zeitalrschnittes" Kake be­gonnen.

-4n 8 ilvesler 1944. in 6 er I^eujakrskotsc'ksft Hit­lers. war merkwürdigerweise vom tsusendzsürigen Heich nicht mehr die Rede. sondern N 3 ch ^rt der herühmten doppelsinnigen Orskelsprüche nur noch von, .fahr 1943 als dem ,..l 3 kr einer geschichtlichen Vi ende".

4 ^m 23. kekrusr 1943 wiederholte er. daß noch in diesem .lslrrdie geschichtliche 1 k ende" kevor- stehe.

8ie ist d3nn in der 13t 3uch kurr darauf ein­getreten.

Lin Listhok verurteilt

Danzig. Der Bischof von Ermlrmd, der in Danzig-Oliva residiert, Karl Marie Splett, ist zu acht Jahren Gefängnis und fünf Jahren Ehr­verlust verurteilt worden. Außerdem verfällt sein Vermögen der Beschlagnahme. Bischof Splett war vor dem polnischen Sondergericht angeklagt, als Bischof von Danzig und später als apostolischer Administrator des Bistums Kulm die deutschen Be­hörden zum Nachteil der Polen und des polnischen Klerus unterstützt zu haben.

Abseits der Politik

Xckcla Oöringü 8estli>lleken lieber ein Geschenk Aböls Hitlers an die Tochter Hermann Eörings, Edda, berichtet dieSchwäbische Donauzeitung": Zu ihrem dritten Geburtstag erhielt die kleine Edda ein im Rokokostil erbautes Schlöß­chen, das im Park von Karinball aufgestellt wurde. Es war 13 Meter lang, 19 Meter breit und etwa 3 Meter hoch. Die Einrichtung stammt von Kunst­handwerkern: die Möbel waren etwa halb so groß wie normal. Es enthielt alle Räume wie ein nor­males Schloß, einen Speisesaal, einen Wohnraum, ein Schlafzimmer, Küche, Bad, ein Theater und einen Lcrkaussladcn, selbst jenes gewisse Oertchen sehlte nicht. Die Räume waren wie im Märchen mit Per- scrteppichen, Marmor, Mosaiken, prunkvollen Leuch­tern und Gemälden ausgcschmückt. In dem Theater war Platz sür 30 Personen. Hier mußten gute Künst­ler auf einer richtigen Bühne vor den Gästen der kleinen Edda Theater spielen und tanzen. Das Schloß und das Schlößchen sind kurz vor Kriegsende aus Be­fehl Görings gesprengt worden.

Oer 81»uLenderK8<Iie 8<1iinutle Eichstädt. In einer hiesigen Bank war seit dem Jahr 1944 der Familienschmuck der Familie S t aus­sen b e r g aufbewahrt worden. Nicht etwa durch die Angehörigen des Obersten Graf von Stauffenberg selbst, der am 29. Juli 1944 die Bombe gegen Hitler gelegt, sondern durch die Gestapo, die das Vermögen der Familie beschlagnahmt hatte. Das Versteck wurde kürzlich von der Kriminalpolizei Nürnberg aussindig gemacht und der wertvolle Schmuck konnte der Fami­lie Stauffenberg zurllckgcgeben werden.

Oer Herr Oderrexierunxsrsl In Völklingen istOberregierungsrat. Dr. rer. pol. Hans Josef Münsch" verhaftet worden, ein Zuchthäus­

ler mit vierzehn schweren Vorstrasen, der in letzter Zeit im Saaraebietgearbeitet" hat. Ein jovialer Fünfziger, fünf JahreKonzentrationslager", beste Beziehungen zu hohen Dienststellen der Beiatzungsbe­hörde, 189 099 Franken in der Schweiz deponiert, elf Häuser leider durch Bombcnangrisfe verloren. Das alles verstand Münch, laut Arbeitsbuch Montage­hilfsarbeiter, zahlreichen Freunden und Verehrern vorzuschwindeln, und schließlich auch einem netten Mädchen von 23 Jahren, die ihn heiratete und ziem­lich perplep war, als ihn die Polizei mitten in den Flitterwochen eines Tages abholte.

Nsknakmen ziegen 8<Rv«rrIisinIel

München. An 81 Prozent aller Schwarzhandels» geschäste in Niederbayern-Oberschwaben waren nach amtlichen Mitteilungen Ausländer beteiligt, llm die­ses Hebel schärfer einzudämmen, ist jetzt beschlossen worden, die Lager der Ausländer strenger zu kontrol­lieren, vor allem die Lebensmittelbelieferungen auf das Notwendigste zu beschränken. Auf diese Weis« hosst man, den Schwarzhandel energischer bekämpfen zu können.

Ho«Av»88er des Rlieins

Infolge der Echypeschmelze und der in den letzten Tagen niedergegangenen starken Regengüsse sind der Rhein und seine Nebenflüsse ltark gestiegen. Dar Hochwasser hat in den letzten 24 Stunden einen Stand erreicht, der seit 133 Jahren nicht mehr zu verzeichnen war. Zwischen Mainz und Düsseldorf walzen sich die Fluten zu Tal und weite Userflöchen sind über­schwemmt. Bewohner der am Rhein gelegenen Häuser mußten sich vor den Fluten aus di« Dächer retten. Der Kölner Pegel zeigte am Sonntag einen Wasterstand von 8,2 Meter an, der zuletzt im Jahre 1920 erreicht wurde.

OerLrkfeind"

Nach einem Werk Johannes Hallers, das gegen 19,30 unter dem TitelTausend Jahre deutsch-französischer Beziehungen" erschien und als Propagandamittel dem aufkammcnden Natianal- sozialismus große Dienste leistete, soll keine Mög­lichkeit der' Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich bestehen. Die Tendenz des Buches ist tief pessimistisch und sein Ausklang sogar fatalistisch.

Von französischer Seite liegt aus derselben Zeit eine Art van Gegenschrift vor. Eingedenk der Worte des großen Pitt, die Behauptung, eine Na­tion könne ans ewig die Feindin einer anderen sein, beruhe auf Schwäche und sei Kinderei, stellt der Historiker Gaston Zeiller (I.ci?icinasst 1'KIIsmcigns clspuis dix sisalss') im Schlußwort fest, daß die beiden Länder in der Vergangenheit mehr Freunde und Verbündete als Feinde gewesen sind und daß die sogenannteErb- feindschäst" nicht alter als drei Jahrhunderte ist.

Was der französische Historiker vor 15 Jahren in Vorschlag brachte, nämlich eine wirtschaft­liche Einheit der beiden Länder Zu bilden, war angesichts der natianalsazmlistischcn Mentali. tat nicht zu diskutieren, geschweige denn zu ver­wirklichen. Heute stellt sich das Problem erneut, wenn auch in anderer Form. An die Schaffung einer deutsch-französischen Wirtschaftseinheit, im Großen gesehen, kann nach Lage der Dinge vor­läufig nicht gedacht werden. Ein Plan jedoch, der wohl' verdient, in Erwägung gezogen zu werden, ist der wirtschaftliche Anschluß eines Teils von West­deutschland an Frankreich, weil hier nie materielle Interessengegensätze bestanden haben.

Vor dem zweiten Weltkrieg bestand der deutsch- französische Gegensatz stärker als je. Er mar und darin lag seine Bedeutung für die geistige Si­tuation dieser Zeit ideeller Art. Das damalige Deutschland fand seinen Ausdruck im Nationalso­zialismus, der nicht nur Partei, sondern Weltan­schauung sein wollte. Geistige Verbindung--,aden zwischen d«n beiden Völkern gab es daher nicht. Und wenn Hitler hochtrabend von eurer eurnpai- scheu Kulturgemeinschaft sprach, so hätten ihn Fron.

zosen und Deutsche gleichzeitig fragen müssen, was er darunter verstand. Eine befriedigende Antwort wäre natürlich ausgeblieben. Für den Nazismus war Kulturgemeinschast etwasBlutbedingtes" ein Unsinn, da cs keine deutsche Rasse gibt während sie sür den Franzosen ein rein geistiger Begriff ist.

Das französische Volk ist aus den verschieden­sten Rassen hervorgegangen und trotzdem im Lause der Jahrhunderte eines der homogensten Völker der Erde geworden. Seine Zivilisation man sollte .atvilisotiou'' sagen glaubt es zugänglich für jedermann, auch für den Schwarzen. In dieser französischen Auffassung ist viel wahreKathgli- zität" enthalten. Wenn nun aber van Rassen­verwandtschaft gesprochen werden soll, so steht die Bevölkerung Westdeutschlands, an der Mosel und am Rhein, den benachbarten Bewohnern Ostfrank­reichsblutmäßig" jedenfalls erheblich näher als den halbslawischen Stämmen Preußens oder Hin- terpammerns.

Der Nationalsozialismus fühlte sich als Antipode der französischen Ideologie. Und in Deutschland mar in den Dreißigerjahren die Ansicht verbrei­tet, daß die Sterbestunde der romanischen, d. h französischen Kultur deren Größe und Einfluß auf die deutsche man übrigens gelegentlich aner­kannte lind bewunderte geschlagen habe, und daß es den Deutschen Vorbehalten sei, die Hege­monie einer germanischen Kultur in Europa zu schaffen. Mit welchen Mitteln diese kulturelle Hege­monie verwirklicht werden sollte, hat der zweite Weltkrieg gezeigt.

Seit den Tagen Lessings kommt der deutsche Durchschnittsiutellektuelle nicht van der fixen Idee los, daß der Typ des französischen Menschen ein kiaaaut ds Ici lAarliuitzrs sei, ein eleganter Phra­sendrescher, ein geschickter Heuchler, ein moralisch unsauberer Mensch. Oft sieht der Deutsche teils verächtlich, teils mit verstohlener Bewunderung nur das Raffinierte, das Spielerischformalistische der französischen Wesensart. Wie wäre es. wenn er einmal in Erwägung zöge, was Andrö Gide in den ,?ciux-me>nnciy»uir". einem der lesenswerte­sten Bücher unserer Zeit, zum Ausdruck bringt Gide läßt seinen Lieblipgshelden Bernard gegen

denGeist der Sorglosigkeit, der spöttischen Auf­schneiderei und Iroyic", kurz gegen das, was man im Auslandfranzösischen Geist" nennt, zu Feld ziehen. Gide erblickt darin nicht'das Lächeln, son­dern die Grimasse Frankreichs. Der wahre Geist Frankreichs ist vielmehrein Geist der Prüfung, der Logik, der Liebe und des geduldigen Ergrün- dens".

Wenn die Deutschen, vor allem die Rheinländer, nach dem Vorbild ihrer Großväter oder Urgroß­väter versuchen wollten, nicht das Gegensätzliche, sondern das Gemeinsame bei den Franzosen zu entdecken, dann wäre ein Anfang gemacht, die Lösung für eines der wichtigsten Probleme, wenn nicht gar für d a s wichtigste Problem des europäi­schen Wiederaufbaus zu finden.

IVilstelin stlsvdndi

Am 9. Februar 1846 ist in Hcilbronn als Cobn ei­nes Handwerkers Wilhelm Maybach zur Welt gekommen, der Konstrukteur des ersten schnellaufen­den Benzinmotors.

Als Waise kam Maybach schon mit 19 Jahren ins Brudcrhaus nach Reutlingen, wo Göttlich Daimler, von 18971899 technischer Direktor der Maschinen­fabrik zum Bruderbaus, aus ihn aufmerksam wurde. Daimler nahm ihn mit, als er die Leitung der Ma- sckstnenbaugcscllschaft Karlsruhe übernahm, und 1872 Irat Maybach dann als Icchnischcr Direktor in die Gasmolorensabrik Deutz ein. 1882 siedelte er zu Daim­ler nach Cannstatt über, wo in den folgenden Jahren die ersten Benzinmotoren gebaut wurden. 1893 wurde Maybach technischer Direktor der Daimler-Motorcn- gesellschast. 1999 brachte er dort den Mercedeswagen heraus, mit dem das Auto sich von der Form der Pferdckutsche abwandte.

Im Jahre 1999 wurde die Maybach-Motorcubau- G. m. b. H. in Friedrichshafen gegründet, die einen Sechszylindcr-Luftschtfsmotor für Zeppelin baute. Am 29. Dezember 1929 ist Wilhelm Maybach, 83jährig, gestorben.

An der Chemnitzer T e x t i l - I n g e n i c u r- schule laufen gegenwärtig Lehrgänge sür Textil- Jngenieure. Direktricen. Ehematechnikerinnen und Jndustrielehrling«. Für B»rui«tLtiae sind Abendlehr- gäng« geplanh.

Stalins gesammelte Schriften werden laut Mos­kauer Rundfunk im Laufe der nächsten zwei Jahre in 16 Bänden herauskommen.

Frau KoIlontay, die russische Botschasterin in Schweden, ist für den Friedensnobelpreis 1946 vorge­schlagen.

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Im Juni 1946 wird der internationale Penclub in Stockholm Zusammenkommen. Thomas Mann ist als deutscher Dichter eingeladen worden.

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In Paris haben die Vorarbeiten für eine Theater- ausstellung begonnen, die im Mai 1947 stattftnden soll.

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Das Nürnberger Dürerhaus ist durch Luftan­griffe, stark beschädigt, wird aber restauriert werden. Zurzeit werden aus Veranlassung des Leiters der fran­zösischen Museen, Henry Pelletier, Stützungsarbeiten vorgenommen.

Die Stuttgarter Musikhochschule wird in Kürze wieder eröffnet werden. Ihre Leitung bat Prof. Dr. Keller. Sein Stellvertreter, der im Orgel­spiel unterrichtet, ist Prof. Georg von Albrecht. Die Lehrfächer umfassen: Klavier, Violine, Bratsche und Kontrabaß: Gesang, Komposition und Musiktheorie. »

In Göttingcn entstand kürzlich eine lebhafte Diskussion über die Zahl der zum Studium an der Universität zugelaffcncn ehemaligen Offiziere. Der Prorektor der Universität teilte dazu mit. daß von insgesamt 4329 Studenten 823 Reserve- und 292 aktive Offiziere gewesen sind. Dieses Zahlenverhältnis wurde als nicht überraschend bezeichnet, weil nach Meinung des Prorektors viele Abiturienten während des Krieges bereits Offizier geworden sind.

DieFreibergerBergakademie.die auf ein hundertjähriges Bestehen zurückblickcn kann, hat ihren Lehrbetrieb wieder ausgenommen.

Der ehemalige Professor an der Universität Köln Franz Petri ist auf einem Hof bei Gummersbach verdaftet worden. Er Hot bei der ..Ausrichtung" der Studentenschaft auf den Nazzgeist eine Hauptrolle ge­spielt.