Abschied von Menschen und Zeilen ^

Anmerkungen zu clem neuen Noman von lohannes N. DecherAbschied" / von Joachim Gerstenberg

Johann«, R. Becher:Abschied". Einer deutschen Tragödie erster Teil 1900 bis 1914. Roman, 430 Seiten. Aufbau-Ver- ( lag GmbH.. Berlin 1945.

' Der vielleicht in manchem einmal zum Wider­spruch herausfordernde und in sich auch wohl nicht ganz widerspruchlose Lyriker Johannes Robert Becher legt nebenAusgewnhltcn Gedichten aus der Zeit der Verbannung 19331945" soeben wie­der ein Buch, einen in der Esse seines und seines Volkes Leides schlackenlos gelauterten Roman vor, der uns ein mutiger, vielversprechender Austakt zur wiedererwachenden deutschen Literatur erscheint. Cs ist ein Mann der Generation des ersten Welt­krieges und Nachkricges, der zu uns spricht Be­cher ist 1891 als Sohn eines Oberlandesgerichts­rates in München geboren, ein Dichter, seiner damaligen künstlerischen Ausdruckgebung nach mit. teninne zwischen einem Naturalisten und Expressio­nisten stehend, ein damals, trat; aller deutlich ge­fühlten Sehnsucht nach ordnendem Kosmos, leiden­schaftlicher Verherrliche! des Chaosformal der bolschewistischen Vision entsprechend'' (wie es 1925 H. E. Jacob ausdriickte). der einmal selbst, halb stolz, halb klagend seine ungebärdig iiberstürmte Sprache alsSatzpolypen, Satzungetüme" bezeich­net hat. Richtung und Leidenschaft seines Erlebens und seiner Erlebensformung mögen kurz einige seiner Buchtitel andeuten: Vs piotunclis, vomins (1913), Verfall und Triumph (1914s, Um Gott (1921), Ewig im Aufruhr (1923), Maschinenrhyth­men (1924), Der Leichnam auf dem Thron (1925). Becher yat, stilistisch und inhaltlich, mit diesem nun bereits im ersten Jahre nach dem Zusammen­bruch erscheinenden epischen Werk eine entspre­chende Wende seines bisherigen Schaffens vollzo­gen und, was mehr wiegt, einen verheißungsvolle» Beginn für ein Neues. Aber über das erschütternd Großartige eines rücksichtslos mit sich selbst ins Gericht gehenden autobiographischen Bekenntnisses hinausgehend, rührt hier ein mit sich und der deut­schen Wirklichkeit Ringender an etwas, das die Allgemeinheit angeht: cm die Rechenschaft unserer politischen Vergangenheit.

Der engere Schauplatz dieses Wahrheit wie Dich­tung umfassenden Romans ist München, die'zärt- lich und heiß geliebte Heimatstadt, der Becher auch einen das Buch eröffnenden Hymnus widmet. Es ist die Welt der -Theatiner- und Frauenkirche, des Englischen Gartens, der Maximilian- und Brien- nerstraße, der Oktoberwiese und des Faschings, des Kaufhauses Oberpollinger, der.Cafös Luitpold und Stefanie, in der unter dem Feuerwerk des Silve­ster 1900 der erste Abschnitt des Lebens des zu dieser Zeit etwa mit fünf Jahren anzusetzenden Helden anhebt. Mit dem Beginn des neuen Jahr­hunderts, scheint es,müsse sich nun auch ein allgemei­nesAnderswerden" vollziehen. Dieser Gedanke desAnderswerdens" als eines notwendigen Znxanges durchzieht symbolhaft das ganze Bnckst- die ganze srsthe.Jugend dieses Hans-Peter Gastl, seine Irrungen und Wirrungen, inmitten derer er sich trotz seines dunklen Dranges und dunkler Be­drängnisse doch des rechten Weges wohl bewußt bleibt und durch alle Versuchungen durch ein cha. rakterloses, unwahrhastiges, ein bequemes strammsteherisches" Leben zu einem ehrlichen, sich selbst getreuenaufrechten"' findet.

Welches sind nun die Schicksale, welches die Um­welt dieses jungen Hans-Peter Kaskh dem der Dich­ter diesen Namen immer da leiht, wo ihn die Scheu angehen mag, die Tore seines Ich vielleicht allzu schonungslos öffnen zu müssen? Es ist un­möglich, die Fülle der Gestalten, die diese 14 ersten Jahrs des neuen Jahrhunderts und damit die ersten bewußten des reifenden Jünglings ausfül­len, erschöpfend darzustellen. Das ist durch den Dichter selbst geschehen und will von jedem selbst nachgelesen und nacherlebt sein. In der Mitte, als ein Gegenstück des jugendlich Drängenden, steht eins Figur des typischen Repräsentanten der wil­helminisch-bürgerlichen Aera, die wir hier zu Ende gehen sehen: der korrekte,aus eigener Kraft" ge­wordenestandesbewußte" Vater, ehemaliger Korps­student und jetziger pensionsberechtiater Staats­anwalt mit Zylinder, Gehrock und Zwicker, der für die ersten Gedichte seines Sohnes kaum einen anderen Ausdruck alsSchweinereien" aufzubrin- gen vermag. Die rührende, stille Gestalt der Mut­ter, die, stets zur Sache des Sohnes siebend, meist dagegen" ist, was vom Vater kommt. Die Magd und das Fomilienfaktotum Christine. Der Majars- bursche Tarier. Der sozialdemokratische Schneider­meister Hartinger, an dessen Salm, seinem Schul­kameraden. der Held ebenst zum schmählichen Ver­räter wird wie an der Großmutter, die er um

10 Mark bestiehlt. Da ist Onkel Karl, den die Fol­gen seines leichtsinnigen Lebenswandels in das Irrenhaus bringen. Der sanfte Violinlehrer Ste­chest. Die Ferienreise nach Hohenschwangau. Die erste zarte Liebe zu Fräulein Klärchen, Die Pen­sion Sußner, hinter deren geheimnisvollen Fen­sterläden sich die ganze Tragikomödie des Lebens, Liebe, Tod, Mord und Betrug abspielt. Da ist als glänzend gesehener Gegenspieler zu seinen Schulkameraden, den charakterlosen Feck und Frey- fchlag, mit denen mehr als eine Gemeinheit aus- gcheckt wird, der kleine reiche Löwenstein, das Jlldlein", das ihm die Bekanntschaft mit der Internationale" vermittelt. Da ist das Erzie­hungsheim in Oettingen mit seinem Direktor Förtsch, seinen neuen Freundschaften, feiner Er­ziehung zum Lügen. Gerade diese Atmosphäre ist ähnlich wie die um denSchwimmvercin Mün-

tige Bekennerwerk zu einem wirklichkeitsnahen Do­kument ersten Ranges.

Daß dabei, manchen nicht ganz saftlosen Kraft­wortes ungeachtet, das Dichterische nicht nur nicht eine Einbuße erleidet, sondern erst eine eigentüm­liche und faszinierend überzeugende Kraft erhält, beweisen sowohl die ganze Konzeption des Buches wie Einzelstellen übergenug. Wir wählen als eine charakteristische Probe Becherschen Gestaltens einige Sätze aus der Schilderung der den Knaben so sehr erregenden Pension Sußner mit seinen ewig wech­selnden Menschen und Schicksalen:

Spurlos, spurlos, flüsterte ich, spurlos verschwin­det st einer nach dem anderen. Diese Spurlosigkeit beunruhigte mich, und ich fand es erstaunlich, wie jeder das spurlose Verschwinden des anderen gleich­mütig hinnahm, ohne dabei zu bedenken, daß er auch selbst einer Tages aus dieselbe spurlose Weise

lohanne» N. vecher:

Heimkehr

Ich trete mit der neuen Zeit Beginn vor dich, mein Volk, in deinem Namen hin.

O Deutschland, schwer geprüft wie nie zuvorl Ich seh dein Bild durch einen-Tränenflor.

In Schutt und Asche ist dein Bild gemalt, daraus ein Leuchten einst mich angestrahlt, i mit Kreuzen kreuzweis ist das Bild bestickt, daraus ein jedes fragend mich durchblickt Seht es ihr alle, die ihr Deutsche seid, und fragt: woher kam uns solch Herzeleid!

Ich Halle über meine Zeit Gericht,

wobei meinSchuldig!" auch mich schuldig spricht,

daß ich zu spät Hab, Deutschland, dich erkannt,

zu spät Hab ich mich ganz dir zugewandt,

spät hat sich dir meine, deine Art,

im Guten wie im Bösen offenbart.

Was,ich als gut erkannt zu schwach begehrt, zu spät bekämpft das, was verdammcnswert.

Zu spät erst schied sich Sinn von Widersinn, und ich erkannte, wessen Sinns ich bin.

So beug ich mich und nehme Schuld aus ckich.

Zu spät Hab ich, Deutschland, gebangt um dich. ^Jn der Verbannung erst, im Fcrnesein, ' ward ich der Deine ganz für immer dein ...

Dir aufgetan Hab ich mein Werk getan.

In deinem Namen sing jed' Tagwerk an.

Dir, Deutschland, galt mein einziges Bemühen, vom Morgcndämmern bis zum Abendglühen, du gabst mir dein Geleit von früh bis spät, warst Mittagslicht und warst mein Nachtgebet, dein Giockenklang hat mich im Schlaf betreut, umhüll! lag ich von deinem Traumgeläut.

Wenn ich auch noch so schwer darniederlag, warst, Deutschland, du mein Auferstehungstag. Warst mein Begräbnis und du warst mein Tanz, und du warst Sonnenschein und Sternenglanz, du blühtest mir in jedem Rosenstrauch.

Ein Lied für mich war jeder Atemhauch.

Auch wenn lch schwieg, tat dich mein Schweigen kund, du heiliger, mein tiefster Wesensgrund.

Sah fern die Berge, wie noch nie so klar, ihr deutschen Berge wart mein Hochaltar.

Und heimatlich klang es und mütterlich und feierlich nannt' ich beim Namen dich!

Du warst mein Hochamt und mein Hochgesang, Zwölf Jahre lang warst du inein Opfergang. Warst bittrer Trank und warst mein hartes Brot ich sah voraus in deine Sterbensnot ..

Was Hab ich nicht gelitten um dein Eraun.

Ich schaute aus, um nach dir auszuschauen, nach dir, nach dir nur Hab ich ausgcschaut,

all deine Stillen wurden in mir laut.

Hab mir die Augen müd und wund gesehen nach eines freien Deutschlands Auferstchen.

Mich drückte nieder deine Stcrbenslast. und dir zuliebe habe ich gehaßt.

Ich Hatzte deinen Fluch und deine Schmach, und als mein Volk das Schandmal nicht zerbrach aus eigner. Kraft o Schmach, da überkam mich deinetwegen. Deutschland, Gram und Scham Co blieb ich ein Jahrzwölst, trotz Spott und Hohn, der deutschen Heimat unverlorner Sohn ...

Erlöst war ich von der Verbannung Bahn, als ich in dir mein Leben neu gewann...

Die Stunde kam, ich wurde reich beschert, ein Sommertag, und ich bin Hcimgekehrt.

Denn Tag und Nacht und mehr als ein Jahrzehnt Hab ich d e n Tag, d i e Stunde nur ersehnt...

Es war ein Wind, der flüsternd mich umschwebt: Die Mutter wartet, deine Mutter lebt.

Mir war es, datz das Leben ich verlier, eil' ich nicht, wenn ich kann, sogleich zu dir.

Wenn ich ein Trümmerland auch Wiedersand, bist du es doch, mein Deutschland, Vaterland.

Fand ich dich auch verarmt und skerbensbleich, bist du es doch: Deutschland, mein Märchenreich. Fand ich dich auch verhärmt und ohne Ruh, bist du es doch: Heimat und Mutter du!

O Deutschland! Schlag von Deutschlands Fluch dich frei, datz ich dich segnen kann: Gesegnet sei!

chsn" mit einer Eindringlichkeit geschildert, die an dieVerwirrungen des Zöglings Törleß" von Ro­bert Musil erinnert. Das erste sexuelle: vom Ver­hängnis eines Raubmordes umdüsterte Verhält­nis zu derPerson", der pusllcr publloci Fanny. Da ist vor allem später schließlich die ganze Welk der vorrveltkriegsmäßigcn Münchener BohGne mit ihrem kokainschnupfenden Dr. Hoch, den Ge­nies Kreibich und Sack, der Tänzerin derWespe" Marga, die, je nach Konjunktur, einmal als Ma- terialisaiionsphänomen Schrenck-Notzingsgeht", das andere Mal sofort bei Ausbruch de? von allen dumpf geahnten, doch fast wie eine Erlösung empfundenen Krieges (Na-endlich!") sich aus pa­triotische Chansons umstellt. Wie vorher Boxcr- aufstand und russische Revolution 1905 geistert durch diese Tage der Götterdämmerung der Pa­genkopf Asta Nielsens, die Schatten der Dichter Frank Wedekind und Richard Debmel. Mit einer großartigen Schilderung einer wilden Kriegsbe- geisterung und einer tapferen Kriegsdienstvermei. gerung, mit dem Fall von Lüttich schließt dieser erste Teil der Becherschen Vision ab.

Daß hier kein Menfch alsausgeklügelt Buch", sondern ein Ich, nicht weniger inmitten der ihm begegnenden schwankenden Erscheinungen Flächt als in seiner eigenen sittlichen Labilität alsMensch in seinem Widerspruch" erfcheint, macht dieses ipu-

verschwinden müsse. Alle diese Leute hinterließen keinerlei Spuren, und die Welt geriet unbegreif- licherweise dabei in keinerlei Aufruhr, sie kehrten zwar eine Zeitlang in Gesprächen wieder, wurden nebensächlich erwähnt, dann gaben sie eines Tages kein Zeichen mehr . . . Auf der Suche nach den verlorenen Spuren machte ich aber alsbald die Entdeckung, daß auch das Unscheinbarste, ein Au­genzwinkern oder eine Handbewegung, auf eirst feltsame und unberechenbare Weise in uns erhalten bleibt. Alles ritzt sich in uns ein und zieht seine Spuren. Nichts, überlegte ich, ist ohne Folgen. Das eine ergibt das andere. Alles-wächst, um miteinan­der zu verwachsen. Auch die Gegenstände zeichnen sich in uns ein und wir geben diese Zeichen weiter und weiter. Wenn auch namenlos verflüchtigt, rei­chen wir in die Unendlichkeit."

Daß hier zur Psychologie unserer Zeit und des ewigdeutschen, ewigtragifchen Schicksals ein we­sentlicher Beitrag geliefert wurde, wird dein Buche über seine momentane Bedeutung hinaus einen blei­benden Platz sichern. Das Heilsame des Buches scheint uns in der Analyse und Darstellung der politischen Gegebenheiten im deutschen Menschen oder vielmehr seiner politischen Unsicherheit zu lie­gen. In unseren Tagen, in denen das Problem einer Kollektivschuld des deutschen Volkes fast zu einem breiinenden geworden ist, mögen die Worte

Platz finden, die einer der Bewohner des Taf6 Stefanie, der sich von den Fünfpfennigstücken sei­ner Bekannten ernährende und dach inmitten aller Kriegsbegeisterung als einziger Repräsentant des aufrechten Lebens" sich treu bleibende Dichter und Bohemien Sack an den jungen Helden richtet:

Und es kann eine gute Sdche einen Menschen verschlechtern und sogar zum Lumpen machen unv eine schlechte Sache kann einen Menschen bessern und als Helden erscheinen lassen, wobei in diesem Fall der gebesserte Mensch, der durch seine Besse­rung besser der schlechten Sache dient, ein ganz be­sonders gefährlicher wird, ein ganz schlimmer Scha- denstiftcr ... Da ist zunächst eine ganz harmlose Sache, die man unternimmt, ein Beruf, irgendein ganz gleichgültiger scheinbar, den man sein Leben lang ausübt . . . Aber die Sache verschachtelt sich, diese eine Sache ergibt sich aus einer anderen, schon nicht mehr ganz so harmlosen Sache, und zuletzt in der Reihe erscheint und herrscht die ganz große schlechte Sache, der man durch all die anderen Sa­chen hindurch sein Leben verdingt hat . . . Gvund- ehr,liehe Menschen werden so hineingespielt in ihr Gegenteil, in eine abgründige Unehrlichkeit, han­deln sich entgegen, verwandeln sich in ihren eigenen Todfeind, ohnmächtig, selbstmörderisch durch ihre Bewußtlosigkeit..."

Eine wahrhafte Sturmflut, eine Katastrophe nie gesehenen Ausmaßes ist über Europa hereingebro­chen. Sie hat vernichtet, zugeschwemmt und viele Werte alter geistiger Tradition in ihrer Fragwür­digkeit aufgedeckt. In das Meer der vor unseren fragenden Blicken liegenden fast undurchdringbaren Zukunft spähen unsere Augen. Es ist nötig und an der Zeit, daß, wenn schon vorerst keine neuen Schiffe in den Ozean der Literatur hinaus ihren Weg finden können, einige kommen, die wieder die ersten Steinquadern werfen, auf denen zunächst einmal eine hohe starke Landungsbrllcke erbaut werden kann.

Möglicherweise umstreitbar, aber mit kühner Hand, in dichterischer Schau hat Johannes R. Becher einen solchen Stein geworfen.

Literarisches Leben

Weimar. Das Goethe- und Schillerarchiv in Wei­mar, 1889 mit dem von Goethes letztem Enkel ver­machten Nachlaß des Dichters und mit Handschrif­ten Schillers begründet und später noch erweitert, ist nach einer Mitteilung seines Betreuers, Prof. Wahl, unbeschädigt aus dem Krieg hervorgegan­gen, wie denn überhaupt von dem gesamten Kul- turinoentar des Goethe-Erbes nichts verlorenging. Das Goethehaus am Frauenplan ist bekanntlich von Bomben getroffen, aber nicht arg beschädigt worden.

Berlin. Bisher war es für Schauspieler, Musiker und Varieteekünstler aus den verschiedenen Be- satzungszonen unmöglich, Berlin zu betreten, selbst wenn sie einen festen Vertrag angeboten erhielten. Jetzt wurde van der Kommandantur ein Beschluß gefaßt, wonach diese Künstler von nun ab nach Berlin kommen können, um ihre Verträge zu er­füllen.

Berlin. Der bekannte Dichter und Schriftsteller Erich Weinert ist aus Moskau kommend wie­der in Berlin eingetryffcn. Weinert gehörte vor der Nazizeit zu den beliebtesten antifaschistischen Dichtern. Er hatte vor 1933 in zahllosen politischen Versammlungen seine bald satirischen, bald leiden­schaftlich anklagenden Gedichte ins Volk getragen. Dann mußte er in die Emigration gehen, wo er eine Refhe von Gedichten schuf, die heute zu den bedeutendsten Aeußerungen der deutschen anti­faschistischen Dichtung gezählt werden.

Besonderen Widerhall fanden, teilweise auch in illegalen Schriften in Deutschland selber, seine Verse Eine deutsche Mutter" undDer Gerichtstag".

Albrecht Schaeffer, der feine deutsche Dichter, be­rühmter Nachdichter der Odyssee, Autor des drei­bändigenHeliand"-Romans, der naturalistischen Entwicklungsgeschichte,Elly oder Sieben Trep­pen", desJosef Montfort" und einer Reihe klas­sizistisch oargetragener Novellen,, die Schönheit der Sprache, edle Maße der Komposition mit erregen­den, ja dramatischen Motiven vereinen, präzisie­render Lyriker auch, der sich mit zwei Gedicht­büchern über seine Herkunft von der reinen Dicht­kunst ausgcwiescn hat, feierte in Neuyork seinen 00. Geburtstag. Nach Anbruch des dritten Reiches ist Schaeffer, dessen Werke im Jnselverlag erschie­nen sind, nach den Vereinigten Staaten ausgewan­dert, wo er in der Abgeschiedenheit der Provinz bis vor kurzem als Bienenzüchter lebte.

^118 dt'i' ttkiritjlliclEN Weit

Mannhafte Worte des Landesbischofs D. Wurm Vor Ll- Jahren, z» einer Zeit, als der National; sozial'smus noch wülete, hat der württembergische Landesbijchos 0. W u r cn. der weit über unser Schwa­benland hinaus als mutiger Kampfer für die Rechte Gottes bekannt ist. einen Brief an die Reichsrcgie- rung geichrieben, dem wir u. a. jolgcndcs entnehmen:

Im Namen Gottes und um des deutschen Volkes willen sprechen wir die dringende Bitte pus. die ver­antwortliche Führung des Reiches walle der Verfol­gung und Nermchiung wehren, der viele Männer und Frauen im deutschen Machtbereich ohne gerichtliches Urteil unterworsen weiden. Nachdem die dem deut­schen Zugriss unterliegenden Nichiarier in grötztcm Umfang beseitigt worden sind, muß auf Grund von Einzelvorgängen beiürchtel werden, daß nunmehr auch die bisher noch verschont gebliebenen, sogenannten pri­vilegierten Ntchlarier erneut in Gefahr sind, in glei­cher Weste behandelt zu werden. Insbesondere er­heben wir eindringlichen Widerspruch gegen solche Maßnahmen, die die eheliche Gemeinschaft in recht­lich unantastbaren Familien und die aus diesen Ehen hervorgegangenen Kinder bedrohen. Diese Absichten stehen, ebenio w:e die gegen die anderen Nichtarier ergriifenen Vcriuchiungsmntznahmeii, im schärfsten Widerspruch zu dem Gebot Gottes und verletzen das Fundament alles abcndlöndiichcn. Denkens und Le­bens: das gottgegebenc Urreck,' menschlichen Daseins und meiiickilicher Würde übe-hanpt,"

Ebenio verwahrte sich der Landesbijchos im Namen der deutschen evangelischen Christenheit gegen die zahl­reichen Matzndhmcn in damals beictzteu Gebieten Ec stellte die Forderung,datz den der Macht des Rei­ches unterworfenen Nationen und Konscssionen die volle Freiheit der Religionsausübung und eine den Grundsätzen des Rechts und der Gerechtigkeit entspre­chende Behandlung ohne Ansehen der Nation oder der Konfession gewährleistet werde Die evangelische Chri­stenheit Deutschlands weist sich dabei in christlicher Solidarität mit all denen, die durch unverständliche Anordnungen selbst im tiefsten Elend noch daran ge­hindert weiden, in der Gemeinschaft ihres Glaubet,? Trost zu suchen. Bisher Lobe dis deutsche Christenheit

den Angriffen aus dön christlichen Glauben und die Freiheit seiner Betätigung widerstanden. Sie beklage aber auf das tiefste die vielfache Unterdrückung-der Glaubens- und Gewissensfreiheit, die fortgehende Zu- rllckdrängung des elterlichen und christlichen Einflus­ses in der Jugenderziehung, Re Festhaltung von durchaus ehrenhaften Persönlichkeiten in Konzentra­tionslagern, die Erschütterung der Rechtspflege und die sich daraus entwickelnde allgemeine Rechtsunsicher- heii überhaupt".

Dloses Schreiben beweist eindeutig, datz auch die evangelische Kirche Männer hatte, die sich tatkräftig zur Wehr setzten.

Der Ehchirlenbrief des Bischofs vr. Sproll

Der jüngste Hirtenbrief des Bischofs Dr. Joannes Baptist« Sproll von Rottenburg nimmt zu der Frage der rechtmäßigen katholischen Ehe Stellung. Er legt eindeutig klar, daß das Wort Christi:Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen!" (Math, 19, 0) für die katholische Kirche unverrückbare Norm bleibe gegenüber allen Versuchen, die in diesem Punkt zu einer angeblich milderen Praxis kommen wollen.

Der Hirtenbrief nimmt dann Stellung zu den schon bestehenden Ehen, insbesondere zu denen, in die »as jahrelange Sichscrnsein der Ehegatten infolge des Krieges Riffe in die eheliche Gemeinschaft gebracht hat, etwa wegen ehelicher Untreue eines Gatten. Der Bischof betont, daß auch in diesen Fällen die Rück­sicht auf das Wohl der Kinder bewirken müßte, daß die Kotten sich wiederfänden.

Biel Liebe müßten, fuhr der Bischof fort, Frau und Kinder insbesondere dort aufbringen, wo der Gatte und Vater verwundet und verstümmelt aus dem Feld heimlchrte. Es sei zu hoffen, daß außer der Caritas auch das ganze Vaterland, für das der Verwundete Gesundheit und Glieder geopfert habe, ihm beistehen werde.

z Die besondere Sorge des Bischofs gilt endlich den jungen Menschen, die in Zukunft eine Ehe schließen wollen. Er erinnert daran, daß Wohnungsnot. Le­bensstellung. Nerdienstlosigkeit. Nnhrungssorgen. Man­gel an Aussteuer oder Hause'niichiung eine Ehegrün­dung heute besonder» erschweren. Aber selbst wo alle»

dies gesichert scheine, sei in Anbetracht der Sitten- verwildcrung der lctzetcn Jahre besonders sorgsam nach dem Partner Ausschau zu halten. Wer heiraten und durch die Heirat sein Glück begründen will, hat Recht und Pflicht, sich zu vergewissern, ob der andere Brautteil körperlich gesund und vor allem von Ec- schlcchiskranlheitcn frei sei, Lin ärztliches Zeuegnis könnte Gewißheit schassen und müßte im Zwcifelsfall verlangt werden. Den Schaden unüberlegter Eheschlie­ßung und Fnmiliengründung trägt die Gemeinschaft des Volkes. Deshalb können nur auf guten und ge­sunden Familien Staat und Kirche aufbaucn.

Zurück zur christlichen Wahrheit

In ihrem Kampf gegen den Nationalsozialismus hatte die Kirche den besseren Teil des deutschen Vol­kes auf ihrer Seite", heißt cs in einen: am 17. Ja­nuar im Batikansendcr verkündeten Hirtenbrief des Papstes Pius Xll. an die bäuerischen katholischen Bischöfe, Zum Wiederaufbau führt der Papst aus: Das Problem ist nicht nur das des Wiederaufbaues eines materiell zerstörten Deutschlands, sondern mehr noch gilt es, ein Volk, das viele Jahre, lang falschen Lehren ausgcsctzt war, für die christliche Wahrheit zu- rückzugewinnett," Der Papst fordert dann die Bischöfe auf, sich des deutschen Gcwerkfchaftslcbens sorgsam an- zunchmen und die Arbeiter so zu führen,daß die Katholiken nicht von den sozialen Lehren abweichen, wie sie in der Bibel und dem Nalurrecht "wurzeln, und wie sie uns von früheren Generationen zu ge­treuen Händen überliefert sind".

Dabei soll nach Kräften dahin gestrebt worden, datz der leidenschaftliche Kamps der bürgerlichen Stände und der Widerstreit der politischen Parteien wenig­stens in diesem Verband von verbündeten Menschen nicht anskommen soll.

Wenn aber auf die Siaatsregierung der vergange­nen Jahre, die ans Gewalt und Unterdrückung sich stützte, eine andere Regierung in der Zukunft folgt, die in der gleichen Weise die Grundsätze des geistigen Lebens mißach-ct nnd nicht duldet, die Grundsätze, die nach den Nonnen der gebührenden Freiheit und der menschlichen Würde Fundament und Halt der zivilen Gemeinschaft bleiben, dann wird ohne Zweifel euer Vaterland eine« aeuen Schade« erleide«, der »icht

mehr gutgemacht werden kann. Der Hl, Vater drückt dann sein Mitgefühl für die deutschen Ostslüchtlinge aus und gedenkt besonders der Berliner, unter denen er viele Jahre in friedvoller Arbeit zusammen zuge­bracht hat.

Nachrichten aus dem Vatikan

DerOsservatore Romano" veröffentlicht ein De­menti, in welchem der Inhalt eines in Deutschland 1932 veröffentlichten Schiststiickes widerlegt wird. In diesem war behauptet worden, daß Msgr, Kaas im Aufträge des apostolischen Nuntius Msgr. Pacelli eins-Unterredung mit Hitler gehabt habe, die den Sturz des Kanzlers Brüning zum Ergebnis Ge­habt habe. Die Zeitung erklärt, unter genauer Na­mens- und Datenansiihrung. daß diese angebliche Un­terhaltung aus reiner Einbildungskraft beruhe.,

Die Ncdc. welche der Papst anläßlich der Verlei­hung der Kardinalshüte an die neuen Kardinale am 29. Februar hält, wird durch Rundfunk übertragen werden.

Kürzlich ging durch dis Weltpresse die Nachricht, der Papst habe einem Korrespondenten gegenüber ge­äußert. er sei Uber die unmenschlichen Quälereien in den Konzentrationslagern nicht unterrichtet gewe­sen und habe deshalb nichts dagegen unternehmen können. Von seiten des Vatikans wird nun erklärt, daß der Papst eine derartige Acußerung nicht getan habe, vielmehr habe er mehrere Mal« diplomatische Proteste in Berlin eingelegt, in denen er die Grau­samkeiten der Konzentrationslager verurteilte,

Bischof von Berdun gestorben

Mgr, Ginisty, der Bischof von Verdun, ist im Alter von 82 Jahren gestorben. Sein Name ist eng mit dem Beinhaus von Douaninont verbunden, dem ge- wnlligen Werk, dem der hervorragende Prälat einen großen Teil seiner Tätigkeit widmete. Sein fs-iriger Patriotismus verschaffte den ruhmreichen Ueberresten Tausender Soldaten von 1914 bis 1918, die nicht identifiziert und in 999 Gräbern der weiten Totcn- stadt nicht Platz finde» konnten, eine imposante Ruhe­stätte. Mgr. Giuistp ist selbst auf diesem historischen Plateau inmitten derer, di« er ehren wollte, betgejitzt ward»».