Der Tag der Mutter

Dsr ehrliche Name

Ocker: eine Ickutter kämpkt uw Idreo 8obu Von LIIs Briedaiggpirkdsrt

Diesmal war dem langen Doktor Fellrr nicht ganz wohl zumute, als er den Hofgrund seines Elternhauses betrat. Er hatte^ es sich aber auf der Herfahrt ganz gründlich überlegt, heute mutzte er nnt der Mutter reden. Hetzt stand er am Anfang seiner Laufbahn, letzt mutzte er handeln. Er schnaufte, wie er es als kleiner Junge getan hatte, wenn ihn etwas drückte. Dann ging er rasch zur Türe, drückte die Klinke nieder und stand auch schon in der klei­nen Winterküche, wo die Mutter vor dem Herd herumwirtschaftete.Grüß Gott, Mutter!" Grüß Gott, Hannes!"

Die Mutter nahm sich nur gerade soviel Zeit, sich ihm etwas zuzuwenden. Zärtlichkeit hatte sie ihren Kindern nie geschenkt. Dem er­wachsenen Manne klang der Kindername Hannes" doch wie eine Liebkosung. Das war er nur für die Mutter, für die anderen war er der Johann. Und draußen in der Stavt hatten sie ihn schon in der Schule Janos und Jancsi gerufen. Dort sagt man so, und man gewöhnt sich daran. Sie würden dort über Hannes" lachen. Sonst sind sie aber freund- lick und gut.

Die Mutter geht vom Herd in die Stube, deckt den Tisch, stellt dies> das hin, denn sie wirtschaftet allein zu Hause. Die Nantschi, ihre einzige Tochter, hat die Grippe vor zwei Jah­ren mitgenommen, und ihr ältester Sohn, der Simon, wird erst im Fasching heiraten. Dann kann die Söhnerin mithelfen. Bis nun hat die Fellerin immer alles allein gemacht.

Der junge Doktor blickt gerührt auf das sichere, flinke Hantieren der Mutter, die als lunge Wittib mit drei Buben und einem Mädel zurückgeblieben war und mit fester Hand alles zu führen wußte. Und er zerbricht sick den Kopf darüber, wie er das anfangen sollte, was er zu sagen hatte. Denn die Mutter

Mutter /

Rosenkrönleln, wundergewlrkt vom achten Schöpfungskage, von Gottes Augen eingezirkt, Goldzüngleln -er Meltenwaage.

Alle Sonntage hat er herzugetan,

-ich sel-ig zu versüßen, o Mutter -u. auf -elner Bahn tanzt -ir das Llcht vor den Lüßen. Ummer lst's, als ob -eine Hand mst goldenen Lettern schriebe an -ie große blaue Himmelswand -as sonnende lvlpfelwort:Liebe!'

war streng. Sie hatte eine rasche Hand, wenn sie in Zorn geriet, und die Kinder fürchteten ihre Worte bis heute. Böse werden sollte sie nicht.

Vorsichtig begann er von der Stadt zu er- zählen, vom Leben dort. Die Mutter unter- brach ihn mit keiner Frage, verrichtete ihre Arbeit, hörte schweigend zu. So redete er wei­ter. wurde wärmer, eifriger. Es ist nicht leicht, heute fortzukommen, es geht aber, wenn man es fest anpackt. Da ist der Franz Pabst von hier, dem ging es anfangs nicht recht zusam- men. Jetzt hat er sich schon hinaufgebracht. Er heißt letzt Papay Ferencz, Papay . . .

Die Mutter lebte gerade die fertig gebacke­nen Küchel auf die Schüssel, der junge Doktor fuhr rasch fort in seiner Erzählung. Wenn man sich einzurichten versteht, geht es schon. Er nannte noch einige aus den Nachbar­gemeinden. die jetzt in Aemtern sitzen. In den Aemtern wollen sie halt ungarische Namen, das ist alles. Nicht daß sie unfreundlich wären oder einen verachteten. Aber das Land ist ungarisch. Die Amtssprache kann nur die Lan­dessprache sein und die Namen sollen es auch sein.

Die Mutter brachte das Backwerk zum Tisch, ihre Miene war unbewegt. Jetzt faßte er seinen ganzen Mut zusammen:

Ich habe vorläufig meinen Anfangsposten in der Kanzlei deS Rechtsanwalts Babik. Ich werde aber doch nicht immer dort bleiben, es gibt bessere Stellungen, und ich weiß es. man hat eS mir schon oft angedeutet, wenn ich einen anderen, einen ungarischen Namen hätte, kann ich gleich in eine bessere Stellung kommen und habe die besten Aussichten für die Zukunft. Denn gerne haben sie mich, sind mir wohl- gesinnt, werden mich fördern. Es ist gerade nur wegen dem Namen. Und darum habe ich heute mit der Mutter reden wollen, bevor ich . . . Ich meine, ich möchte wissen, was die Mutter dazu meint?"

So, nnn war eS Heraußen. Und nun blickte die Mutter auch auf und sah ihrem Sohn voll ins Gesicht. Ganz ruhig ukck wortlos. Dieser Blick brachte ihn etwas auS der Fassung. Er wurde rot, stotterte, ob sie ihn verstanden hätte?

Ist ganz in Ordnung", sagte die Fellerin. Gott sei Dank! fiel dem jungen Doktor ein Stein vom Herzen. So leicht hätte er sich das nicht vorgestellt.

Die Fellerin sagte:Einen anderen Namen wirst wohl schon ausgesucht haben, einen ung'rischen?"

Nein, schüttelte ihr Sohn den Kopf. Aber das ist dann bald gemacht, man hat ihm ver­schiedene vorgeschlagen.

Ist ganz in Ordnung", nickte die Fellerin nochmals. Dann strich sie über eine Falte des sauberen Tischtuches.Muß: halt dann nur noch schauen, wohin du dann gehörst."

Die Zugvögel sind fort. Nebelwolken ver­hüllen die Laiische und den obersten Gebirgs- zipfel. Keinem Menschen begegnen wir, nur Spatzen und Krähen glupen nach dem bleich, schimmernden Tageslicht. Dämmerung des Besinnens liegt über jedem Haus, und das große Schweigen erzählt von Katasternum- mer 284. In diesen einstöckigen Holzum­gebindestuben mit blanken Fenstern und schmucken Vorgärtchen wohnt Leineweber Kämmel. ein Glied des weitverzweigten lebenstüchtigen Bauerngeschlechts. Vor hun­dertzweiundzwanzig Jahren lebte hier eine Kämmel-Ah.ie, eine Mutter, die wir niemals vergessen dürfen.

Vor hundertzweiundzwanzig Jahren war seit zehn Jahren Krieg in Deutschland. Die Trikolore des korsischen Welteroberers wehte wie ein Schreckgesicht des Tode? durch alle Gaue, vom Rhein bis zur Memel, von der Etsch bis an den "--li. rauir'"' non Spanien bis Rußland, von Aegypten bis Dänemark, aber Deutschland, das Herz Europas wurde zum Schlachtfeld der Entscheidung um Sieg oder Untergang. Verblutet und verarmt seufzte die Welt, auch unser Gebirgsdorf.

Der Sohn der Kämmel-Ahne war Soldat, schon seit Jahren fort. Kämpfte er in den Schneefeldern Rußlands oder unter der Glut» sonne Svaniens im kkelsaewirr Tirols oder

Wohin rcy gehöre/" Er starrte ne ver­blüfft an.

Ja. Denn hier in dem Hause waren immer nur Feiler ... Ein Feiler hat es gebaut, Feiler haben's erhalten. In dieses Haus gehören nur Feiler."

Eiskalt rieselte es dem jungen Doktor über den Rücken. Er kannte die Mutter, mehr brauchte sie nicht zu sagen.

Aufrecht stand sie da. die noch ungebeugte Frau, und begann mit ruhiger Stimme das Tischgebet zu jprechen. Ihr Sohn aber hörte imiw.r nur die Worte:. , hier in dem Haus waren immer nur Feiler ... In dieses Haus gehö . nur Fester/" Dann sagte er sich plötz­lich:Ich bin ein Fester!"

Und nun vernahm er, hellhörig geworden:

. . und führe uns nicht in Versuchung . . . sondern erlöse uns von allem Uebel. Amen", schloß er zugleich mit der Mutter.

Und alles war ganz in Ordnung für immer.

in der Ebene bei Leipzig? Keine Nachricht kam in das ferne Gebirgsdorf. War er tot? Kein? Post gab es. Nur der Wind, nur Träume erzählten von ihm. Bis eine ver- irrte Stimme durchs Tors raunte, in das stille Weberhaus schrie: Tein Sohn lebt, er kämpft in der Schlacht bei Torgau. Ta er- wachte das Mutterherz der Kämmel-Ahne aus allem Schmerz. Ein Entschluß flammte in ihren grauen Augen. Zickzackfurchen zuckten aus ihrer weißumhaarten Stirn lang waren ihre Schritte, hart ihre Hände. Sie durch- suchte die Armut ihres einsamen Häuschens, fand nichts als ein hartes Stück Brot, zwei Dutzend Quarkkäse, drei Kohlrüben. Wo mag Torgau sein? Weit. weit, aber irgendwo. Dorthin ja. ja. dorthin in die Schlacht!

Im Korb auf dem Rücken ein hartes Stück Brot, zwei Dutzend Ouärkel, drei Kohlrüben. Heiße Mutterliebe durchfieberte ihr Herz, ge­peitscht und barfuß lief sie. Gebete aus den stummen Lippen, lief sie. das Letzte ihrer Ar- mut dem Sohn zu bringen in ferner Schlacht. Lief durch hungernde und brandstinkende Dörfer und Städte, durch zerstampfte Länder, blickte nicht rückwärts rechnete nicht die Ferne: irgendwo kämpft ihr Sohn in der Schlacht! Nur wenn sie ermüden wollte, zählte sie wieder das Letzte ihrer Armut im Korbe: ein hartes Stück Brot, zwei Dutzend Ouär-

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Dis Mutter von Hausnummer 284

Von Kruno Bsurmsao

kllbert Leo Schlageter

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Liebe Eltern und Geschwister!

Höret das letzte, aber wahre Wort Eures ungehorsamen und undankbaren SohneS und Bruders.

Seit I9l4 bis heute habe ich aus Liebe und reiner Treue meine ganze Kraft und Arbeit meiner deutschen Heimat geopfert. Wo sie in Not war. zog es mich hin. um zu helfen. Das letztem«! hat mir gestern mein Todesurteil gebracht.

Mit Ruhe habe ich es vernommen, ruhig wird mich auch die Kugel treffen. Hab ich doch alles, was ich tat. nur in der besten Ab- sicht ausgeführt.

Kein wildes Abenteurerleben war mein Verlangen, nicht Bandenführer war ich. son­dern in stiller Arbeit suchte ich meinem Va­terlands zu helfen. Ein gemeines Verbrechen oder gar einen Mord habe ich nicht begangen.

Wie alle anderen Leute auch über mich ur­teilen mögen, denkt Ihr doch wenigstens nicht schlecht vor mir. Verurteilt Ihr mich nicht auch noch, sondern verzeiht! Versucht wenigstens Ihr das Gute zu sehen, was ich gewollt habe. Denkt auch in Zukunft nur mit Liebe an mich und haltet nur ein ehrenvol­les Andenken. Das ist alles, waS ich von die­sem Leben noch verlange.

Liebe Mutter, lieber Vater! DaS Herz droht mir zu brechen bei dem Gedanken, welch gewaltigen Schmerz und welch große Trauer Euch dieser Brief bringt. Werdet Ihr sie ertragen können? Meine größte Bitte wird bis zu meiner letzten Sekunde die sein, daß unser lieber Gott Euch Kraft und Trost senden möge, daß er Euch stark erhalte in diesen schweren Stunden. Wenn es Euch irgend möglich ist. bitte ich Euch, mir noch einige Zeilen zu schreiben. Sie werden mich stärken auf meinem letzten Gang. Ich lege heute gegen das Urteil Revision ein. Nun lebt wohl, seid in Gedanken noch einmal ge­grüßt von Eurem Albert.

Die Adresse: Schlageter, Düsseldorf. Ge­fängnis. Zelle 6 lV.

Der Brief ist entnommen dem Büchlein Deutschland muß leben. Gesammelte Briefe von Albert Leo Schlageter". Verlag Paul Steegemann, Berlin. Im Nachwort dieses Büchleins heißt es zum Schluß: Wer war Albert Leo Schlageter?

Wer diese schmucklosen Briefe liest und sie besinnlich aus der Hand legt, weiß es. Ein­facher konnte wohl keiner schreiben! War er ein Blender? Ein geistreicher Plauderer? Ein Freiheitssänger? Ein Herold des Wortes, ein Mächtiger der Sprache? Ein Dichter?

Dieses schmale Bändchen Briefe sagt Nein!

War er aber, dieser Albert Leo Schlageter. und ist er nicht viel, viel mehr? Er war nichts anderes, wollte nichts anderes sein, konnte als ein echter Sohn seines Volkes und seiner Heimat nichts anderes sein als: lebendige Tat!

kel. drei Kohlrüben, und lief wieder durch arabstinkende Tage, durch feuerlohende Nacht. ia. endlich lief sie mitten hinein in das Don­nern der Schlacht bei Torgau. Lief durch sausende Kugeln, rief über Leichenfelder, lies über Verwundete und rief von Regiment zu Regiment den Namen ihrer Mutterliebe. Bis sie ihn fand, nach vielen Jahren ihn fand. Wie ein strahlender Erzengel vom Himmel gefahren, stand sie vor ihrem einzigen Sohne und reichte ihm mit Äugen voll Tränen des Glücks alles, was sie hatte aus dem kernen Gebirgsdorfe. aus dem lieben, armen Hei- mathäus: ein harte? Stück Brot, rwei Dut­zend Ouärkel. drei Kohlrüben. Dazu ihre beiden Hände voll von ihrer grenzenlosen Mutterliebe, dazu mit ihrer zickzackgefurchten Stirn ein heiliges Schwert des Glaubens des Beispiels des Heldentums.

Endlich rauschte wieder der Adler der Freiheit über ganz Dentschland. Auch über dem stillen Grenzdors. Endlich von N '^rlik. Moskau. Leipzig. Belle-Alliance und Paris kehrte heim der Soldat, nach vielen Jahren der Sohn zur Mutter, ins kleine Weberhaus Nummer 284.

Ein tapferes Geschlecht wuchs heran, hart, wie jenes Stück Brot, genügsam wie zwei Dutzend Ouärkel. fruchttragend wie drei Kohlrüben. Einhundertzweiundzwanzig Jahre sang von Geschlecht zu Geschlecht die Tat der Kämmel-Mntter von dem harten Brot, den zwei Dutzend Ouärkeln. den drei Kohlrüben. Sie singt fort und fort.

Alle Winde verwehten den Staub der Ahne, klein blieb das Holzumgebindehaus Nummer 284, aber groß bis hinauf zu den Sternen reichte die Liebe der Mutter.

(Der Verfasser unserer Erzählung ist eine ein­malige Erscheinung im deutschen Geistesleben. Es trieb ihn von Scholle und Pflug und Hos in den völkischen Kampf. Schon 1913 rief er zur Grün­dung einer deutschen Volkshochschule aus rassischer Grundlage auf. 1919 gründete er den Hakenkreuz­verlag 1921 die Bauernhochschule in Sachsen, aus der die Artamannenbewegnng herauswuchs, der erste freiwillige Arbeitsdienst. 1933 gründete er die ..Weltmacht der Deutschen", eine Zeitung für die Ausländsdeutschen. Aus seiner dichterischen Leistung nun gibt unsere Erzählung eine Probe, entnommen dem Buch ..Michael Lobesams Heimat­dorf". Zu seinem 60. Geburtstage gab Kurt Ar­nold Findeisen ein Ehrenbüchlein heraus: ..Hand­schrift des Pfluges', im Verlag Wilhelm Limpert. Berlin, darin viele Vertreter des Schrifttums ver- ekirunasvoll für Bruno Tanzmann zeugen.)