532

hat kürzlich 7 Bauern wegen Aufstandes zum Tode verurteilt und das Urteil unverzüglich vollstrecken lasten. Vor einigen Wochen ist in Tscherepowetz, In­der Provinz Nowgorod, eine ähnliche Revolte ausgebrochen, in deren Verlauf die Bauern einen Gutsbesitzer erwürgten.

Tages-9teuigkeiten.

Vermöge Höchster Entschließung vom 20. Oktober haben Seine Königliche Majestät die erledigte evangelische Pfarrei Neuhengstett, Dekanats Calw, dem Pfarrvertveser Friedrich Brudi in Wüstenroth, De­kanats Weinsberg, gnädigst übertragen.

Stuttgart, 8. Nov. Der Verein der Vogelfreunde hatte gestern seine Monatsversammlung. In derselben wurde u. A. die Preis­verteilung vom Brieftaubenklub für den Wettflug Coblenz-Stuttgart vorge­nommen, es erhielten Preise 1. Auwärter einen silbernen Pokal, gestiftet vom Verein der Vogelfreunde, 2. Luickert ein Flobert-Gewehr neuesten , 3. Wörnle ein Wein-Service, 4. Mahle ein Deckelglas. Die Preistauben waren zur Besichtigung ausgestellt, eine gesellige Unterhaltung befriedigte die zahlreich erschienen Mitglieder allgemein und es herrschte bis spät eine fröhliche Gemütlichkeit. Die für Sonntag und Montag projektierte Ausstellung verspricht eine recht gelungene zu werden, die Anmeldungen liefen reichlich ein und steht zu erwarten, daß auf allen Gebieten wirklich schöne tadellose Tiere zur Ansicht kommen. Es ist im Verein der Hühnerzüchter von solcher Bedeutung, daß man gespannt sein muß auf das, was sie im letzten Sommer gezüchtet haben; ebenso werden die Taubenliebhaber nicht versäumen, ihr Schönstes zu bringen; auch an Zimmecvögeln wird es nicht fehlen, wenigstens sind Papageie, Cardinale, Sonnenvögel, Pabstfinken, Grau­edelfinken, Canarien- und Prachtfinken verschiedenster Art angemeldet.

Pforzheim, 6. Nov. Am Dienstag Abend hielt Hr. Friedrich v. Hellwald aus Stuttgart den zweiten der diesjährigen Vorträge im hiesigen kaufmännischen Verein, und zwar überDie Magiker des Morgenlande s". In fesselnder Weise schilderte der Redner die Hin­neigung der Völker, zumal der morgenländischen, zum Wunderbaren und die Pflege bezw. Ausübung desselben durch die Künste der Magie, wie von den alten Egyptern und den Chaldäern berichtet wird und wie dies die'indischen Fakire heute noch ausführen. Bezüglich der sog. Zauberstücke rc. der Letzteren führte der'Vortragende eine Menge von Beispielen an, welche derart sind, sie daß unsere moderne Wissenschaft meistens nicht zu erklären vermag und die den Beweis liefern, daß auf dem naturwissenschaftlichen und insbesondere dem physikalischen Gebiete jene Magiker Kenntnisse besitzen, die wir uns erst noch erwerben müssen.

Dornstetten, 6. Nov. Wie nötig es ist, daß immer wieder zum vorsichtigen Umgang mit Maschinen aufgefordert wird, zeigen folgende zwei Unglücksfälle. In Böffingen wollte der dortige Kronenwirt Rothfuß die in raschem Lauf befindliche Dreschmaschine dadurch zum sofortigen Stillstand bringen, daß er einen Bund Stroh einschaltete. Dabei wurde er aber von einem Haken derart erfaßt, daß ihm an einer Hand zwei Finger vollständig ausgerissen und die drei andern mehr oder weniger verstümmelt wurden. In Unteriflingen wollte ein Knecht die Futterschneidmaschine weiter stellen, während dieselbe im Gange war. Hiebei wurde aber feine rechte Hand von einem Rade erfaßt und ebenfalls stark zerquetscht.

Nürnberg, 6. Nov. Unsere Pferdebahn, welche im vergangenen Jahre eine unbedeutende Rente abwarf, möchte zur Ersparung der Konduk­teure eine Einrichtung einführen, wonach wie in Stuttgart bei den Kur z'schen Omnibusverbindungen und schon längst in amerikanischen und anderen Städten des Auslands, jeder Fahrgast in einer für den Kutscher sichtbaren Weise das Fahrgeld in eine Büchse wirft. Es ist der Pferdebayn vorerst gestattet worden, probeweise an einem Wagen diese Einrichtung, einzuführen; es verkehrt nun ein solcher Wagen auf der Strecke zwischen hier und Fürth und es sind bisher keine Klagen bekannt geworden.

Leipzig, 2. Nov. Von einem furchtbaren Unglück ist gestern Abend 6 Uhr die Fabrik ätherischer Oele von Schimmel u. Co. auf der Berliner Straße heimgesucht worden. Man vernahm plötzlich einen heftigen Knall und eine riesig« Feuersäule schoß in demselben Augenblicke in die Luft empor. Es hatte eine Ballonexplosion in dem Laboratorium, wahrscheinlich durch un­vorsichtiges Gebühren eines dort beschäftigten Arbeiters, veranlaßt, stattg»- funden. Die unteren Räume des Laboratoriums find zerstört. Die Zwischen­decke des Vorderhauses der Fabrik wurde durch den Luftdruck zerstört und sämtliche Fensterscheiben eingedrückt. Der Druck war so stark, daß ein die Straße im Augenblick des Unglücks passierender Mann mit seinem Kinde zu Boden geworfen und nicht ungefährlich verletzt wurde. Man zählt 8 Ver- mundete. Der Arbeiter, welcher das Unglück aller Wahrscheinlichkeit nach herbeiführte, ist tot.

Bremerhafen, 7. November. Gestern Abend um 10 Uhr brach Feuer auf dem Lloyddock aus, welchen in kürzester Frist die Tischlerei, Zimmerei und Segelmacherei zerstörte. Die weitere Gefahr war um 2 Uhr beseitigt, nachdem das Gebäude eingestürzt war.

Newyork, 15. Oktober. (Die Millionärstochter auf der Polizeiwache.) Miss Hoyt, eine Dame von etwas mehr als 30 Jahren, gehört der eigentümlichen SpecieS sitzengebliebener Millionärstöchter an, die hier ziemlich zahlreich vertreten ist. Zum Trost für ihr Mißgeschick auf Amor's und Hymen's Gebiet läßt sie sich, wie es scheint, gern starke Medicin von ihrem Hausarzt verschreiben und gerät dadurch in Zustände, welche zu Konflikten nicht nur mit ihrer Zofe, sondern auch mit der Polizei führen. In Amerika nämlich, wo es mehr als in irgend einem europäischen Lande jene heuchlerischen Tugendhelden gibt, von denen es heißt,sie predigen öffentlich Wasser und trinken heimlich Wein" (oder auch Schnaps), hat sich das Verordnen berauschender Decocte durch den Arzt zu einem ebenso aus­gedehnten wie schimpflichen Zweig der Heilwissenschaft entwickelt, die sich zur Magd der ordinärsten Untugenden erniedrigt. Zn dieser ärztlichenSchule" scheint auch der Dr. Tanski, Miss Hsyt's Hausarzt, zu gehören, welcher nach Verhaftung seiner Patientin wegen Trunkenheit und Wachebeleidigung vor dem Polizeigerichte aussagte, er habe der Miss Hoyt, die sehr ange­griffen gewesen, einen Trank verordnet, bestehend ausSpirits" , Lavendel und Alkohol; davon möge sie zu viel genommen und so in den aufgeregten, Zustand geraten sein, in dem sie die Polizei beleidigte und verhaftet wurde. Miss Hoyt selbst sagt vor Gericht ans, der Gang ans Grab ihres Vaters habe sie so angegriffen» daß sie einer Stärkung bedürftig gewesen; der Kon-, flikt mit der Polizei jedoch sei lediglich durch Verschulden der Polizeimänner herbeigeführt worden, die nichts Besseres abs den Galgen verdienten. Sie,, die Miss, habe eine Affe nach wenigen Tagen Dienstleistung als unbrauchbar fortschicken müssen und ihr eine Woche Loyn angebsten, die Zofe aber habe stürmisch einen Monatslohn verlangt. Miss Hoyt hätte nun einen Polizei­mann aufgefordert, das Mädchen zu verhaften, statt dessen habe er die Partei der Zofe genommen und dadurch Miss Hoyt so altsriert, daß sie wieder ihre Zuflucht zu derstärkenden" Arznei des wackern Doktors mit dem polnischen Namen zu nehmen genötigt war. Weit, entfernt aber, durchSpirits", Lavendel und Alkohol ihre Nerven beruhigt zu sehen, wurde die Tochter des toten Millionärs bei dem fortwährenden Nachdenken über das Verhalten des Polizsimannes so wütend, daß sie sich nach, einer Polizeiwache begab, den vor derselben stehenden Beamten beschimpfte und mit dem Schirm be­drohte und auch an dem Protokollführer in dem Polizei-Bureau ihre Wut srusließ. Als mildernden Umstand dafür, daß der Beamte sie arretieren und - in den Polizei-Gewahrsam stecken ließ, gab Miss Hoyt einem sie intervie­wenden Reporter selbst zu, daß sie vo« der Arznei einen so stark nach Alkohol duftenden Athem bekommen habe und daher wahrscheinlich für berauscht ge­halten worden sei. Die Polizeimännsr jedoch sagten aus, daß ihre exaltierten Bewegungen auf drr Straße schon die Ansammlung von Neugierigen bewirkt haben, so daß sie mit einem ganM Volkshaufen hinter sich an die Polizei- Station kam. Die Pslizeistrafe» welche die Miss für das Vergehen der

Er bildete sich nicht wenig auf diese Leistung ein, erntete aber kein Lob, denn der Hofbauer sagte unwirrisch:

Laß doch Deine Possen!"

Hat es Euch verdrossen?" lautete des Großknechts Echo.

Unsinn!" knurrte der Holderhofer.Ich muß der Sache aus den Grund."

Das ist gesund zu jeder Stund", meinte der Unermüdliche.Sonst kommt er vollends auf den Hund, und das ist ein schlechter Fund. Vielleicht wird bald die Wahrheit kund, so spricht ein weiser Mund, die Welt ist rund und "

Und Du bist ein Narr!" sagte jetzt zornig der Bauer und ließ ihn

stehen.

Ich bin ganz starr", meinte grinsend das sonderbare alte Möbel, begab sich aber trotzdem zu Bertha, um über musikalische Dinge seine Knüttel­verse zu schwingen.

Kurz darauf knarrten Räder im Hofe, eine Peitsche knallte und wenige Augenblicke nachher traten drei junge Männer in die Stube.

Sonderlich jung waren sie übrigens nicht; alle drei standen jedenfalls in der Dreißigern. Ulrich, der Hoferbe, war sofort kenntlich an seiner Bauerntracht, die aber eine gewisse Eleganz aufwies, denn die Juppe zierten silberne Knöpfe; auch der Griff desKnickers in der Hosentasche war von Silber, und an der Pfeife, die er rauchte, rasselten schwere silberne Ketten.

Sein Gesicht glich dem der Mutter, nur war es noch verschärft im Ausdruck, fast finster, aber durchaus nicht unschön. Der gewaltige Schnurr­bart über dem verächtlich abwärts gezogenen Munde verstärkte noch den Ausdruck des ganzen Antlitzes.

Er grüßte kaum und warf sich auf die Ofenbank, um dort mit seines Bruders Heribert Hund, der aus den RufHaltauf" ging, zu tändeln. Er war ein herrlicher Hühnerhund mit langen braunen Haaren und einemGe- häng" von seltener Größe.

Der Holderhofer hatte die Ankömmlinge in seiner herzlichen Geradheit begrüßt und ließ sich mit dem Hoferben in ein Gespräch «m über einen Scheunenanbau, zu dem dieser die Stämme herbeigeführt hatte, und die Bäuerin, die ihre» Erstgeborenen mit einem heißen Blick der Mutterliebe gleichsam bedeckt hatte, warf ab und zu ein Wort dazwischen.

Wir haben indessen Zeit, auch auf die beiden andern jungen Männern einen Blick zu werfen.

Heribert, der jüngere Sohn vom Holderhofe, war eme männliche schöne Erscheinung mit einem frischen, wettergebräunten Gesichte, über dem ein sinnen­der Ausdruck lag, mit weichem blonden Haarwuchs und einem eben solchen Schnurrbart, in den sich ein voller Backenbart, künstlich zugeschnitten, ver­lor. Er glich einem eleganten Schützen aus der Blütezeit der altenHerr­schaften", wie wir sie auf alten Kupferstichen sehen. Er trug hohe Stulpen­stiefel, und ein zeisiggrauer Jägerrock, der bis oben zugeknöpft war, umschloß seinen gewaltigen Oberleib. An der Linken blitzte ver Hirschfänger, dessen Griff vergoldet war, und die Hände stacken in langen hirschledernen Hand­schuhen.

Er war Förster des Baron von Windhag, dessen Schloß in Mühlen­thal stand, und der noch inmitten seiner Forsten eine Art Jagdschloß besaß.

Heribert glich, wie Bertha und dasNesthäckchen", dem Vater, so weit man dies bei dem großen Altersunterschiede noch erkennen konnte, während der Hoferbe seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten war.

Die hohe, schlanke Person, im einfachen grauen Anzuge, die eben mit Bertha in einem Notenhefte blättert, ist die des Lehrers von Mühlenthal, der durch den Patronatsherr», den Baron von Windhag, vor einigen Jahren dort angestellt worden war. Der Lehrer Born besaß ein fein geschnittenes Gesicht mit energischen und doch wieder weichen Linien, eine hohe breite Stirne, üppiges, leicht gerolltes Braunhaar und lichtgraue, seltsam glänzende Augen. Das Gesicht war glatt rasiert, denn die Lehrer dursten in jener > Zeit noch keine Bärte tragen. (Forts, folgt )