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der Häuptling Preeso, am rechten Ufer des Kamerun ansässig, den Vertrag mit uns nicht unterschrieben und dadurch seine völlige Freiheit und Unab­hängigkeit behalten habe. Die Thatsache, daß er nichts unterschrieben hat, da er derzeit von Kamerun abwesend war, ist an sich zwar richtig, hat aber weiter durchaus keine praktische Bedeutung, da Preeso von jeher unter der Botmäßigkeit von König Bell gestanden hat, was gewiß I-de*-. der nur einigermaßen mit den Kamerun-Verhältnissen vertraut ist, oq,-e Zögern wird zugeben müssen.

Wenn heutigen Tags auch König Bell als der bei weitem mächtigste und am meisten gefürchtete König gilt, so war dies doch in noch größerem Maße der Fall mit dem Großvater des jetzigen Königs Aqua. Derselbe soll ein herkulisch gebauter Neger gewesen sein, einen großen Sklavenhandel betrieben und aus bloßem Blutdurst seine Kriegskanoes ausgeschickt haben, um nur Leute für eine Hinrichtung, ein Lieblingsschauspiel für seine Weiber und seine Unterthanen, zu bekommen. Wenn diese grausamen Schauspiele auch bis jetzt noch nicht ganz aufgehört haben, so gebührt namentlich der Thätigkeit der koptist Missionar^ 8ooiet^, vor allem dem verstorbenen Rev. Saker, das Verdienst, die Leute zu humaneren Ansichten bekehrt zu haben.

Durch den Einfluß der Mission und dadurch, daß die Sclaven sich direkt am Handel mit den Europäern beteiligten, konnte es nicht ausbleiben, daß die ursprüngliche Heiligkeit des Egbo und Mungo stark erschüttert wurde und die Sclaven durch den Verkehr mit den Europäern immer mehr nach Unabhängigkeit und Freiheit strebten. Auf der anderen Seite trachteten die Bewohner des Hinterlandes darnach, direkt mit den Europäern in Handels- Verbindung zu treten, und so gerieten die Dualla zwischen zwei Feuer. D i e Autorität der Häuptlinge begann zu wanken und dies führte zu der von den Kamerunhäuptlingen im eigenen Interesse nachgesuchten und auch stattgefundenen Ab­tretung ihrer Hoheitsrechte an das Deutsche Reich.

Für die Ausbeutung des noch unerschlossenen großen und volkreichen Hinterlandes ist es von der allergrößten Wichtigkeit, in unmittelbaren Verkehr mit den Bewohnern desselben zu treten, um den für beide Teile hindernden und kostspieligen Zwischenhandel zu beseitigen, wobei durchaus nicht ausge­schlossen ist, daß die Kamerun-Leute in irgend einer Weise Verwendung finden können; sie werden vielmehr bei den nach dem Innern vorgeschobenen Factoreien nützliche und notwenvige Dienste leisten können.

Bisher war die Errichtung von Faktoreien in Bomanoh, Mungo, Abo Wourie und Budiman seitens der Kamerun-Leute nicht gestattet, und wenn in kommerzieller Beziehung überhaupt jetzt vorgegangen werden soll, so bleibt nach meinem Dafürhalten den am Handel beteiligten Firmen nichts anderes übrig, als ihre Zweigniederlassungen baldmöglichst dorthin vorzuschieben, um nm mit diesen so volkreichen Gegenden in unmittelbaren Verkehr zu kommen. Ohne Zweifel muß derselbe eine ganz andere ungeahnte Ausdehnung gewinnen,^ da die Bewohner des Hinterlandes nicht minder darnach streben, den Zwischen­handel zu beseitigen. Daß dies zugleich ein neues und sehr großes Absatz­gebiet für die Erzeugnisse deutscher Gewerbthätigkeit schaffen und die schon -vorhandenen bedeutend vergrößern wird, liegt auf der Hand. Daß die Europäer an der Küste verharren und aus ihre Kosten den Bewohnern derselben den einträglichen und bequemen Zwischenhandel mit den Hintervölkern auch ferner überlassen sollen, wäre einfach ein Stillstand und damit ein Rückschritt. Mit diesem Vorsatz kommen wir in Kamerun ganz gewiß nicht viel weiter, sondern hier muß es heißen: .Vorwärts nach dem Innern!" F. I.

Politische Nachrichten.

Deutsches Reich.

Daß die deutsch-freisinnige Partei am 28. Oktober eineschwere Niederlage" erlitten habe, gibt sehr unbefangen die deutschfreisinnige Wes.-Ztg. zu.Eine erhebliche Anzahl ihrer Wahlkreise", sagt sie,ist den Konservativen, Nationalliberalen und Sozialdemokraten zu­gefallen; nur sehr wenige hat sie ün ersten Wahlgang durchgebracht; sehr viele sind den Gefahren einer Stichwahl ausgesetzt; die Gewinne, wenn solche zu verzeichnen sind, beschränken sich auf das Kleinste." Die Wes.-Ztg. unter­sucht die Gründe dieses Ergebnisses und findet, daß die Partei den Arbeitern

nichts geboten habe; freilich habe man nicht wissen können, daß die Nation so viel Geschmack für die Sozialreform entwickeln würde! Auch dieFusion" sei ein Fehler gewesen, denn die Fortschrittspartei habe zu viel aus alten Tagen auf dem Kerbholz, als daß Jedermann die Gesellschaft derselben ge­wünscht hätte. Der Ton der Freisinnigen gegenüber der Dampfervorlage hätte würdevoller sein können! Welche Fülle richtiger Einsicht. Aber wehe, wenn die Nationalliberalen so urteilen. Jetzt, da es zu spät ist, treppab vom Rathaus, kommen auch den Freisinnigen die besseren Gedanken.

Schw. Merk.

Im Allgemeinen wurde in Berlin nicht sehr zahlreich zur Reichs­tag s w a h l abgestimmt; durchschnittlich 60 bis 70 Proz. Das Dtsch. Tgbl. schreibt über das Straßenleben in Berlin nach der Wahl: In der Friedrich- und Leipzigerstraße, Unter den Linden rc. wogte die Menschenmasse auf und nieder. Die Fortschrittler waren in sehr gedrückter Stimmung, während die Konservativen ihrer Freude über die endliche Vernichtung des Berliner Fortschrittsringes mannigfachen Ausdruck gaben. Kurz nach 11 Uhr zog eine Menge von Antisemiten, 5600 Männer, unter Absingunz patriotischer Lieder die Leipzigerstraße in guter Ordnung nach der Wilhelm­straße zu. Vor dem Palais des Reichskanzlers wurde Halt gemacht, die Wacht am Rhein" undDeutschland, Deutschland über Alles" gesungen und der Kanzler stürmisch durch mannigfache Hochs gefeiert. Ein Teil der Mitwirkenden entfernte sich, aber die Mehrheit folgte einer ausgegebenen Parole, auch dem Hofprediger Stöcker eine Ovation darzubieten. Vor der Wohnung Stöckers wiederholten sich die Ovationen, welcher von anderer Seite ihm schon früher dargebracht waren. Der Gefeierte trat an das Fenster und antwortete mit einem Hoch aus Deutschland.

Frankreich.

Die französischen Blätter sind voll Jubel über die Reichstagswahlen in. Elsaß-Lothringen. DieRepublique franyaise" bringt das Rundschreiben des Abbö Jaques und dankt den elsässischen Priestern, welche ihn zurückge­wiesen haben, welche fortfahren, treu für die Vergangenheit zu kämpfen und 'auf die Zukunft zu banen.Rappel" schreibt: Nach 15 Jahren Occupation, Drohungen und Verheißungen ist Elsaß-Lothringen geblieben wie es war, man hat es nicht von unserem Gebiete abzureißen vermocht und man wird es nie aus unserm Herzen reißen. DieLanterne" sagt: Während Jules Ferry die bittende Hand dem Fürsten Bismarck reichte, reichen die Metzer und Straßburger Frankreich ihre Hand, das wiegt alles auf. Wir drücken 'die Hand und rufen, habet Dank für eure Siege, es sind auch die unsrigen. Clemenceau'sJustice" sagt: ein Abbö Jaques übernahm die schmachvolle Rolle, dem preußischen Hasse zu dienen, seine Niederlage ist für Frankreich ein Trost, eine Hoffnung, eine Lehre. DerJtransigeant" bezeichnet die - Wahl Antoine's als die Antwort Elsaß-Lothringens auf das Bündnis ihres Unterdrückers mit den Chinesen vom Ministerium und hofft, daß Jules Ferry 'bei den nächsten Wahlen in Frankreich das Loos des Abbös Jaques /eilen werde.

Tages-Neuigkeiten.

Calw. Bei der Veröffentlichung des Wahlresultats in Nr. 128 d. Bl. standen noch nachstehende Wahlbezirke aus, wovon wir die Resultate heute angeben: inAgenbach wählten Herrn Kommerzienrat Staelin 35, Herrn E. Georgii 1; Aichhalden St. 36, G., Bergorte St. 21.. G. 14, Breitenberg St. 36 . G. 25 , D achtel St. 49. G. 18, H o r n b e r g St. 26, G. 1, N e u w e i l e r St. 51, G. 13, Ober- kollwangen St. 30, G. 5, Ottenbronn St. 11, G. 39. Es er- giebt sich im Oberamtsbezirk Calw ein Mehr für Herrn Kommerzienrat Staelin von 602 Stimmen. Das Gesamtergebnis von Nagold, Neuen­bürg und Herrenberg findet sich in der Bekanntmachung vom K. Oberamt Eingangs dieser Nummer, wonach Hr. St. in Nagold ein Plus von 1279, in Neuenbürg von 1254 und in Herrenberg von 1501 St. erhalten hat.

>V. 6. Stuttgart, 2. Novbr. Die Abreise S ein er M aj e- st ät des Königs zum Winteraufenthalt, (Nizza) wird, wie man hört, um die Mitte dieses Monats stattfinden. Auch Ihre Majestät die Königin werde dießmal gleichzeitig mit dem Könige dahin abreisen:

altes, trauliche? Daheim, wie es so schlicht und doch so behäbig kaum mehr irgendwo anzutreffen ist!

Freilich empfängt uns kein blendender Schimmer, denn auf dem runden Gesindelisch in der ersten Ecke rechts hat die Bäuerin eben erst ein Oellämpchen angesteckt, das kaum noch auf das zinnerne Weihwasserkeffelchen neben der Thüre sein blödes Auge wirst. In dem Kesselchen steckt ein Buchsbaumzweig, mit dem sich jeder Morgens und Abends besprengt. Die mächtige Stube war durchwärmt von einem riesigen meergrünem Kachelofen und durchaus getäfelt. Das Holzwerk war schwarz vor Alter; einzelne Teile aber, die das Licht traf, erschimmerten gleich blinkendem Metall.

So eine alte Bauernstube ist ungemein ehrwürdig und was bei Vielen mehr wiegt überaus behaglich, so heimelig wie das Nest für den Vogel oder der warme Bau für den Fuchs.

Das fühlte im gegenwärtigen Augenblick auch gewiß der alte Holder­bauer, der an einem Ecktischchen in dem ungeheuren, altersschwarzen Sorgen- seffel wie begraben lag. Er hatte eine Unschlittkerze angezündet, die in einem silbernen Leuchter stack. Im Holverhof herrschte Wohlstand, und man liebte es, ihn zu zeigen. Der Bauer war ein hoher Sechziger, das bewiesen seine dünnen grauen Haare, oie einen etwas zu kleinen Kopf überkrochen, der auf einem hünenhaften Körper saß, den das Alter nur langsam meisterte.

Das glattrasierte Gesicht zeigte den Ausdruck großer Gutmütigkeit, gemischt mit einer gewrss-n luhm-lichen Würde, die ihm ungemein gut stand. Er war in Hemdärmetn. Ein schwarzes Halstuch schlang sich lose um den braunen Hals, und die starken Glieder stacken in einer schwarzen Lederhose, an die sich schneeweiße Strümpfe schloffen, über welche sich die Wadenstiefel halb heraufzogen.

Auf der Nase balancierte eine große Hornbrille, durch welche er eine Zeitung studierte. Sie wurde freilich oft verhüllt durch Tabakswolksn, die er aus einer großen Ulmerpfeife sog uud dann nachdenklich um die sich duckende Flamme blies.

Ganz in seiner Nähe saß die Bäuerin, eine Frau mit sehr energischen Zügen, die das Selbstbewußtsein einer Fürstin trugen. Sie hatte einen Spinnrocken vor sich und ließ die Spindel mit ungemeiner Fertigkeit auf der Diele kreisen. Ein kleines Mädchen, mit lieblichem Antlitz saß am Boden und verfolgte mit den glänzenden blauen Augen den Lauf der Spindel, die es wohl gerne gehascht hätte. Das war dasNesthäckchen", die kleine Pauline, der Liebling Aller.

In der rechten hintern Stubenecke stand etwas merkwürdiges auf einem Einövhofe eine riesige Harfe, mit Silber und Perlmutter eingelegt, ein selten schönes Instrument, und bei ihr lehnte in einem gepolsterten Sessel die erwachsene Tochter vom Holderhof, der Glanz und die Zierde des Hauses.

Wenn der Lichtschein zuweilen auf sie fiel, entschleierte er einen mit goldroten Ringellöckchen besäten feinen Kopf, in dem unter der blühendweißen Stirne zwei große fremdartige Augen standen von der Farbe der Flachsblüte. Die Wangen waren angehaucht von einem zarten Rot, das bei lebhaftem Sprechen des Mädchens immer dunkler wurde. Die schneeweißen Hände lagen jetzt verschlungen auf dem dunkeln Kattunkleide, und an einem der schlanken Finger schimmerke ein Goldreif, auf dem ein blutrotes Rubinherz funkelte.

Stille war es da drinnen.

(Fortsetzung folgt.)