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Kaiser auf der Oberinnthaler Strecke der Arlbergbahn nach Landeck ab, um von hier aus der feierlichen Eröffnung der Ärlbergbahn beizuwohnen. Dem kaiserlichen Zuge, auf welchem die den Monarchen begleitenden Minister, der Statthalter und der Landeshauptmann von Tirol und andere Würdenträger Platz nehmen, und welcher um 3 Uhr Nachmittags in Bregenz eintrifft, folgt ein zweiter mit den geladenen Festgästen, dieser geht heute, Freitag abends, von Innsbruck ab und trifft am Samstag vormittags in Landeck ein, um von dort aus dem Hofzuge auf der neuen Bahnstrecke nach Bregenz zu folgen. — In Bregenz findet abends eine Rundfahrt auf dem Bodense, eine Beleuchtung der Stadt und der umliegenden Höhen und abends um 8 Uhr eine große Festtafel zu 400 Gedecken in der Turnhalle statt. Der Kaiser, welcher im „Oesterreichischen Hof" sein Absteigequartier nimmt, tritt am Sonntag Abend um 8 V 2 Uhr die Rückreise nach Schönbrunu an, wo er am Montag nachmittags um 3 Uhr eintrifft. Ueber die Dispositionen für den Sonntag ist noch nichts offiziel bekannt gegeben.
Frankreich.
Paris, 18. Sept. Heute wiegt in der chinesisch-französischen Konfliktsfrage wieder einmal die friedliche Stimmung vor. Man will wissen, daß das Eintreten einer Vermittelung zwischen den beiden streitenden Mächten bevorsteht und die diplomatischen Verhandlungen wieder in den Vordergrund treten werden. Die französische Regierung wäre, so wird weiter berichtet, nicht abgeneigt, eine ernst gemeinte Vermittlung zuzulassen und annehmbare durch eine möglichst unbeteiligte Macht ihr unterbreitete Vorschläge zu prüfen. Solche Vorschläge sollen bereits auch — von wem ist nicht bekannt — dem hiesigen auswärtigen Amte vorliegen.
— Ein Redakteur des „Figaro", der aus der Schweiz und Deutschland Berichte schreibt, hatte kürzlich einiges Unglück mit einem phantasievollen Bericht über den Feldmarschall Graf Moltke, der ihm zufolge so heruntergekommen sein sollte, daß ihm ein Diener die Speisen mit einem Löffel in den Mund stecken müsse. Der „Figaro" sah sich in Folge verschiedener Berichtigungen veranlaßt, diese Meldung selbst für falsch zu erklären. Nun erzählt derselbe Verfasser neuerdings folgende Geschichte: Als im Jahre 1866 die Nachrichten von den letzten Siegen der Preußen über die Oesterreicher in Berlin eingetroffen waren, seien große Volksmengen zum Palais des Grafen Bismarck geeilt und hätten dort eine Freudenkundgebung veranstaltet. Als Bismarck nun auf den Balkon getreten wäre, sei plötzlich unter heftigem Donnerschlag ein Gewitter ausgebrochen. Wie Bismarck diesen Donner benutzt habe, wird in folgenden Worten erzählt: „Der Himmel selbst begrüßt unsere Siege", rief er mit gewaltiger, tragischer Handbewegung und die Menge brach in laute Begeisterung aus. — Bismarck war aber während der letzten preußischen Siege in Böhmen.
Tages-Neuigkeiten.
— (Verein für Arbeiterkolonien in Württemberg.) Der erste Jahresbericht dieses Vereins für 1883/84 ist erschienen. Er bezweckt vor Allem, den Freunden und Gönnern, deren Opferwilligkeit die Möglichkeit der Eröffnung der Arbeiterk 0 l 0 nie auf dem Dorna- Hofe bei Althausen zu verdanken ist, den Nachweis zu liefern, was geleistet worden ist, und allen Denjenigen, welche über die Bedürfnisfrage in Bezug auf Einrichtung einer Arbeiterkolonie unter süddeutschen Verhältnissen, und in Folge dessen auch über die Existenzfähigkeit der Anstalt Zweifel gehegt haben, zu zeigen, daß die Kolonie nicht allein existiert, sondern auch existenzfähig ist. Der Bericht bespricht die verschiedenen Bedenken, welche gegen die Einrichtungen von Arbeiterkolonien früher gehört worden sind und widerlegt dieselben auf Grund der gemachten Erfahrungen. Er schildert dann eingehend das Leben der Kolonisten auf dem Dornahofe und bringt Beispiele über die Wirkungen des Aufenthalts in der Kolonie auf einzelne derselben. Es sind dies Lichtblicke in den täglichen Erfahrungen, welche allein schon reichlich entschädigen für so manche Enttäuschungen, welche ja unmöglich ausbleiben können. Der Vorstand widerlegt in eingehender Weise die Besorgnis, es könnte auch der Kolonie, namentlich im Winter, an Arbeitsgelegenheit fehlen, und glaubt mit gutem Gewissen die Versicherung geben zu
„Sagt mir nur noch das Eine, Vetter. Glaubt ihr denn nit, daß jemals noch Licht über den Förster in dies nachtschwarze Dunkel kam'?" —
Der Alte hielt im Gehen inne, streckte die Rechte wie zum Schwure empor und erwiederte in fast feierlichem Tone: „Ich glaub' es! — Ebenso gewiß vermein' ich aber auch, daß unser Herrgott nit so unbarmherzig sein und auch der armen Dirne ihr heilig letzt' Gut zwischen die Mühlstein des Unglücks zum Zermalmen legen könnt'."
„Das wird er, das kann er nit thun!" rief Heiner freudig und fragte nach einer Pause: „Weiß dann die Dore, wie ihr Vater in's Unglück kommen ist?" —
Bis vor kurzem hat sie noch nichts gewußt, aber in der Todesstund' wird ihr die alte Frau wohl offen kund 'than Han, welchen Brast sie jahrelang wie eine Kugel am Bein mit sich 'rumgeschleppt hat!"
„Ist das eine seltene Menschenart! — Doch immer komm' ich zurück auf den Brandstifterjost, der vor mir steht wie ein gewaltig Heldenbild aus alter Zeit!"
„Das Exempel trifft zu!" meinte der Alte. „Und ich glaub', wenn der fürnehm' Poet Schiller, der fast wie unser Herrgott in's Menschenherz schaun' könnt', an unsrer Stell gewest wär', er hätt ein ähnlich kernhaft Büchlein über den Jost geschrieben, wie über den Karl Moor, der auch ein Räuber und dabei doch ein gar herrliches Mannsbild war." —
Immer mehr überzog sich der Himmel mit schwarzen Wolken, au einzelnen Stellen ballten sie sich schon zu einheimlich drohenden Massen zusammen. Aus der Ferne klang das Rauschen des Klosterbachs herüber, dessen hochan- geschwollene Fluten mit lautem Getöse gegen die Felsenwände des nahen Gebirgszugs prallten, und im Walde neben der Landstraße summte der Wind in den Kronen der alten Tannen ein unheimlich düsteres Lied.
können, daß die Kolonisten stets zu strenger Arbeit angehalten werden und damit der erste Zweck einer Arbeiterkolonie auch wirklich erfüllt wird. Nach den beigegebenen statistischen Notizen sind bis zum 31. August d. I. seit der Eröffnung aus allen Teilen Württembergs und Hohenzollerns 154 Mann (darunter 4 aus Calw gebürtig) ausgenommen worden, von welchen sich an diesem Zeitpunkte 28 noch dort befanden, während 34 durch Vermittlung der Verwaltung, 9 durch eigene Bemühungen anderweitig Unterkommen gefunden haben, 65 in geordneter Weise wieder auf Wanderschaft gegangen 12 wegen Verfehlungen, (Trunkenheit, Unbotmäßigkeit, Arbeitsscheu, u. s.w.) ausgeschlossen worden, und 5 davongelaufen sind; 1 Mann wurde wegen Diebstahls verhaftet. Von obigen 154 Mann gehörten 105 der evangelischen, 49 der katholischen Konfession an. Am Schluffe des Berichtes heißt es wörtlich: „Unter allen Umständen ist unserem auf Freiwilligkeit gegründeten Werke, neben der Hilfe des Staates und der Korporationen, die Privatwohlthätigkeit unentbehrlich. Deßhalb erlauben wir uns, alle Menschenfreunde um einmalige größere Gaben, oder um regelmäßige Jahresbeiträge zu bitten. Je reichlicher die Beiträge fließen, um so größer kann die Zahl derjenigen werden, welche durch die Aufnahme in unserer Kolonie dem Müßiggang und dem Bettel auf der Landstraße entzogen und zur Ordnung und Arbeit wieder erzogen werden."' Gaben und Beiträge werden von den Mitgliedern des Ausschusses, den Pflegern dk Vereins, und insbesondere von dem Vereinskassier, Herrn A. Pelargus, Prokurist bei der Allgemeinen Rentenanstalt in Stuttgart, angenommen.
6 . Stuttgart, 21 . September. Nachdem gestern in Wien Kämmerer und vor einigen Wochen Stellmacher gehenkt worden sind, hier aber Kumit sch auf Lebenszeit im Zuchthaus sitzt, ist nun noch der vierte der Frevler an dem Attentat Heilbronner unbekannt und unbestraft. Kumitsch, der denselben zu kennen bis jetzt geleugnet, soll seit kurzem sich zu Mitteilungen unter der Bedingung der Begnadigung bereit gezeigt haben.
Bietigheim, 18. Sept. Das anhaltende sommerlich warme Wetter kommt der Ausreifung der Trauben sehr zu statten, zumal dieselben im Juli und August wegen sehr großer Trockenheit keine großen Fortschritte in der Entwicklung machten. Da nun aber im Anfang dieses Monats reichlich Regen fiel und dann wieder Sommertage folgten, die jetzt noch bemerkbar sind, so darf man wohl hoffen, daß das Gewächs des Weiustocks in diesem Jahr ein gutes werden wird. In Folge der schönen warmen Witterung haben wir auch eine kleine Plage, es sind die Schnaken, welche in den letzten Tagen zahlreicher erschienen als im Frühsommer und den Schlaf durch unheimliches Summen und Stechen stören. Diese Blutsauger sind jetzt noch ziemlich lebhaft in ihren Bewegungen. — Vom Wilhelmshof wird schönes M 0 st 0 b st hierher geliefert zu 5 per Zentner.
Eßlingen, 18. Sept. Auf unserem Marktplatz stehen seit 8 Tagen zwei junge, zugleich Frucht tragende Kastanienbäume in üppiger Blüte, ein weiterer Beweis der Fruchtbarkeit des heurigen Jahrgangs. — Die vortreffliche spätsommerliche Witterung ermöglicht jetzt auch das Oehmd, kn zweiten Grasschnitt, gut unter Dach zu bringen, und unsere Weingärtner machen täglich freundlichere und zufriedenere Gesichter. Es ist Ihnen aber auch nach so manchen Fehljahren wohl zu gönnen, daß ihr Fleiß wieder einmal belohnt wird. — Ueber unsere Reichstagswahl ist es noch ziemlich stille und rüsten sich die Parteien zunächst unter sich zum Kampfe. So hatte letzten Freitag die Volkspartei eine vertrauliche Besprechung, ohne daß über die Person des aufzustellenden Kandidaten bis jetzt Näheres verlautbart wäre.
Winnenden, 19. Sept. Dem heutigen Manöver, das sich zwischen hier und Affalterbach abspielte, und wobei die beiden württembergischen Divisionen gegen einander standen, wohnte S. K. Hoheit Prinz Wilhelm von Württemberg und S. Exzellenz der. kommandierende General v. Schachtmeyer mit seinem Stab an. Die 26. Division marschierte von Erdmannshausen, die 27. gieng von Winnenden aus. Zahlreiches Publikum war herbeigeströmt , um sich das vom schönsten Wetter begünstigte kriegerische Bild anzusehen. Ein brillanter Kavallerieangriff, an dem vier Regimenter beteiligt waren, ein Waldgefecht, eine konzentrierte Aufstellung von Artillerie u. s. n>
War es die dumpfe Schwüle, die wie ein Bleigewicht auf allen Wesen lastete, oder war es das Nachgrübeln über die seltsame Geschichte des Brandstifterjost, welches die beiden einsam auf der Landstraße gehenden Wandrer plötzlich so still machte?
Schweigend und gedankenvoll schritten sie beinah eine halbe Stunde rüstig nebeneinander her. Erst als sie von der Landstraße ab in eine schmale Dorfgaffe einbogen, als der Blitz plötzlich grell leuchtend die Wolken durchzuckte , sagte der Heiner aufatmend: „Gott sei Dank, Vetter, daß Euch der unvergeßlich Verzähl' nit noch ein lästig' Beschwernis bringt, daß wir noch rechtzeitig unter der Wase ihr Dach und Fach kommen!" —
X.
Dore saß noch immer auf der Steinbank am Fuße des Hügels, als der Mappenkasper seinem Gefährten die ergreifende Geschichte erzählte. Sie war in ihren Erinnerungen auch auf den Vater gekommen. Wie hatte er sie doch so sehr geliebt und so manchmal gebeten, sie möge ihn nie verdammen und wenn er auch ein Verbrecher und von aller Welt verachtet und verstoßen wäre. Weiter hatte er ihr kein Wort gesagt, auch dann nicht, als sie nach längerem Zusammensein mit ihm oft den Ausspruch that: „Vater, ich kann's nit glauben, daß Du ein Mordbrenner bist, sprich, daß es nit wahr ist, und ich will keine Spann' lang d'ran zweifeln!" —
Es war, als gleite ein verklärender Schimmer über die Züge der armen Dirne, als sie daran dachte, daß ihr fester Glaube an den Vater kein trügerischer Wahn gewesen war. Die sterbende Großmutter hatte ihr ja Alles vertraut, und sie konnte es begreifen, daß er, um die Ehre eines geliebten Wesens fleckenlos zu erhalten, freudig sein Lebensglück, seine Freiheit und seinen guten Namen dahin gab.
(Fortsetzung folgt.)