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Ligen Anträge auf Entschädigung unschuldig Verurtheilter und auf Wiedereinführung der Berufung in Strafsachen. Namentlich für die letzte Forderung sind die Aussichten durchaus gute.
Oesterreich.
— Die Anarchisten in Wien fangen es ganz schlau an, um für ihre Ideen Propaganda zu machen. Da sie seit Verhängung des Ausnahmezustandes in ihrem gegenseitigen Verkehr und Meinungsaustausch wesentlich behindert sind, suchen sie mit ihren Gesinnungsgenoffen sich in sehr findiger Weise in Verbindung zu erhalten. In den letzten Versammlungen verschiedener Genossenschaften wurde die Ueberreichung von Petitionen an das Abgeordnetenhaus beschlossen. Diese Petitionen werden gedruckt, und finden in Arbeiterkreisen starke Verbreitung. In letzter Zeit wurde nun festgestellt, daß solche Petitionen in ungewohnter Zahl colportirt wurden, und der Umstand, daß die einzelnen Exemplare einen zu starken Umfang aufwiesen, gab zu einer genauen Untersuchung Anlaß. Das Resultat war ein überraschendes. Inmitten der harmlosen Petition fand sich, geschickt eingenäht, ein Exemplar der — „Zukunft" oder einer anderen verbotenen sozialistischen Flugschrift, sowie ein „Aufruf zur Hilfeleistung für die Familien der ausgewiesenen Sozialisten." Es ist außer Zweifel, daß die als Couvert benützten Petitionen, die ihrem Inhalte nach den obenerwähnten gleichen, eigens für diese Zwecke nachgedruckt wurden.
Tages - Neuigkeiten.
Calw. Auf die am 1. April an den Reichskanzler Fürsten v. Bismarck telegr. abgesandten Glückwünsche ging an die Absender nachstehende
Danksagung em: Berlin, 9. April 1884.
Für die freundlichen Glückwünsche zu meinem Geburtstage sage ich meinen verbindlichsten Dank. v. Bismarck.
Ulm, 13. April. Das Ulmer Tagblatt schreibt: Heute Vormittag kurz nach Abgang des Suttgarter Zuges wurde der auf dem Bahnhofe stationirte Polizeisoldat in Kenntniß gesetzt, daß zwei sechzehnjährige Burschen je ein bis Mannheim gelöstes Fahrbillet mit einer Hundertmark-Note bezahlt hätten. Der Eine derselben, ein Weißputzers-Lehrling war von dem Portier erkannt worden. Sofort bei den Eltern desselben angestellte Nachforschungen ergaben, daß solche von der Abreise ihres Sohnes nichts wußten und demselben auch kein Reisegeld gegeben hatten. Bei dem Andern, seiner Person nach ebenfalls Ermittelten, einem Schuhmacherlehrling, verhielt es sich ebenso. Die telegraphisch in Kenntniß gesetzte Stuttgarter Kriminal-Polizei faßte die beiden Auswanderungslustigen nach Ankunft des Zuges in Stuttgart ab und nahm sie in Haft. Inzwischen hatte sich herausgestellt, daß dem Vater des Weißputzer-Lehrlings von letzterem sein Sparkassenbuch gestohlen und der deponirte Betrag von 327 von demselben auf betrügerische Weise erhoben worden war. Mangels eines Strafantrags Seitens des Bestohlenen mußte der Dieb jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt werden, der Hehler blieb aber in Untersuchungshaft.
Wanne (Kr. Bochum), 11. April. In dem Walde des Grafen Droste-Nesselrode, worin Edelhirsche unterhalten werden, trafen in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag zwei Förster mit einem gefährlichen Wilderer Namens Kriegsmann aus Bochum zusammen. Die Aufforderung der Beamten, die Waffe zu strecken, beantwortete er damit, daß er auf einen der Förster feuerte. Dieselben gaben nun auch ihrerseits Schüsse ab, worauf der Wilddieb todt zu Boden sank. Diese Nachricht von dem Tode Kriegsmanns beruhigt viele Forstbeamten der Gegend, deren Leben durch diesen leidenschaftlichen Wildschützen oft in Gefahr gestanden hat. Sein Leib war mit Narben von Schrotkörnern aus früheren Kämpfen wie übersät.
Wien, 15. April. Der Mädchenmörder Hugo Schenk gibt sich bezüglich seines Schicksals keinerlei Hoffnungen hin. Jene Selbstgefälligkeit, der er während der Verhandlung zuweilen Ausdruck gab, verläßt ihn indeß auch jetzt nicht. Er spielt sich gerne auf den starken Geist hinaus, und als ihm in den letzten Tagen nahegelegt wurde, gelegentlich von den Tröstungen der Religion Gebrauch zu machen, äußerte er, derlei bedürfe er nicht; was er brauche, das sei ein Philosoph und ein Arzt. Diese Beiden mögen ihn auf seinem letzten Wege begleiten.
Vermischtes.
— Von einem Mitarbeiter der Pariser France war unlängst die schwere Anklage gegen das Hilfskomite in Neapel erhoben worden, daß dasselbe bis heute mit seiner Vertheilung an die Nothleidenden von Ischia im Rückstände sei. Ein Mitarbeiter der N. Fr. Pr. nimmt das Komite gegen diese Anklage in Schutz; er theilt einen Auszug aus dem Rechenschaftsbericht mit, wonach das Komite für dringende Ausgaben (Barakenbau, Medizin, Geldunterstüzungen, Straßenbau u. s. w.) zusammen 1,870.000 Lire verbraucht hat. Es bleibt nun noch ein Hilfsbetrag von 3,690,000 Lire übrig, und da sich der Gesammtschaden auf ungefähr 16 Millionen beziffert, so werden die Beschädigten eine Entschädigung von 25—30 pCt. erhalten. „Man stelle sich (fährt der Mitarbeiter fort) die Arbeit vor, welche dem Generalkomite obliegen mußte. Von einheimischen und fremden Beschädigten überlaufen, mit Dienststücken aus Botschasts-, Gesandtschaftsund Konsulatskanzleien aller großen und kleinen Staaten der Erde förmlich bombardirt, mußte es vorerst über jedes einzelne Gesuch Untersuchungen anstellen, über jeden Schaden von Immobilien einen Lokalaugenschein vornehmen, die Parteien hören, das Billige vom Unbilligen scheiden, Mißbräuchen, welche sich beschädigte Gemeinden in der Verwaltung der ihnen anvertrauten Hilfsgelder wiederholt zu Schulden kommen ließen, Vorbeugen, Alles verrechnen, buchen, klarstellen, und diese Herkulesarbeit sollte in einem Jahre bereits beendet sein? Man bedenke nur, wie langsam in solchen Fällen der Apparat der besten Versicherungsgesellschaft arbeiten würde." Zum Beweise, welche Zumuthungen an die Kaffe des Hilfskomites gestellt werden, erzählt
der Verf. Folgendes: „Der Besitzer eines Gasthofs, in dem mir ein theurer Freund zu Grunde ging, mußte wegen Diebstahls und Betrugs verhafte werden; einer der reichsten Grund- und Thermalquellenbesitzer beziffert seinen Schaden fast auf eine halbe Million, während er nur 100,000 Lire verliert; die Meisten bringen das Drei- bis Vierfache von dem in Rechnung, was sie wirklich verloren, und die Fremden, mögen sie Engländer, Franzosen oder Deutsche sein, unterscheiden sich darin um gar nichts von den Einheimischen. Ein Bildhauer, der wahrscheinlich nur einen Bohrer und einen Glättmeisel mit sich gebracht, verlangt 800 Lire für sein verloren gegangenes Werkzeug. Ein reicher Deutscher bittet, ihm einen Brillantring zu ersetzen; eine emsig waltende Französin will für ein Paar Schuhe 45 Francs, für 6 Paar Höschen mit feinen Spitzen 200 Frcs.; ein anderer Deutscher entwirft ein langes Verzeichniß seiner verlorenen Habseligkeiten und vergißt dabei weder der Halsbinde noch der Zahnbürste. Ein Engländer erklärt, nur einen Operngucker verloren zu haben; allein dieser interessante Gegenstand sei aus eitel Elfenbein und ein Erbstück seiner Familie gewesen, er müsse also das Komite auffordern, ihm dafür wenigstens 20 Pfd. St. zu ersetzen; gerade als ob das Erdbeben durch das Komite verursacht worden wäre."
Schw. Merk.
— Einem Hochzeitspärchen, das, aus dem südlichen Frankreich kommend, Genf zum Ziele der Hochzeitsreise gemacht hatte, drohte hier ein furchtbares Geschick in Gestalt einer früheren Geliebten des Mannes. Sie war nach Genf gekommen und hatte in einer Apotheke eine Flasche Vitriol gekauft. Mit dieser ausgerüstet, trat sie am Sonntag dem Treulosen und seiner Erwählten, die sich auf dem Wege in's Theater befanden, gegenüber und leerte ihnen die Flasche mit Vitriol in's Gesicht. Die erwartete Wirkung blieb jedoch aus, da der mißtrauische Apotheker, dem das verstörte Wesen der Vitriol fordernden Person ausgefallen war, ihr statt dessen ein harmloses Haarfärbemittel überreicht hatte. _
Calw.
Aanäwirtk^aMcker Oezir^8verein.
In der landwirthschaftlichen Haushaltungsschule in Herrenberg beginnt mit dem 1. Mai ein neuer 5 Monate dauernder Kurs. Der hohe praktische Werth dieser Schule für die tüchtige Ausbildung der Töchter aus dem Bauernstände zu ihrem künftigen Berufe bedarf kaum einer besonderen Empfehlung und ist auch im hiesigen Bezirke bereits durch mehrfache Beschickung derselben anerkannt worden. Es wird in dieser Schule nicht nur in den Haushaltungsgeschäften, als Kochen, Backen, Waschen, Bügeln, Putzen, Hausgärtnerei, Geflügelzucht, sondern auch in den sog. weiblichen Arbeiten, einschließlich des Nähens mit der Maschine, im Briefschreiben und der Hausbuch- führung, sowie endlich auch in der Gesundheitslehre und Krankenpflege Unterricht ertheilt. Das Kostgeld pro Monat beträgt 24 , während das Lehrgeld aus der Bereittskasse bezahlt
wird.
Die Schülerinnen sollen in der Regel in dem Jahre ihres Eintritts wenigstens das 17. Lebensjahr zurücklegen. Den Anmeldungen, welche s o- fort zu erfolgen haben, ist der Geburts- und Impfschein und das Schul- zeugniß beizulegen. Statuten sind bei dem Vereinssekretär zu haben.
Indem wir dies zur allgemeinen Kenntniß bringen, laden wir zur Beschickung der Schule freundlich ein und sind nöthigenfalls zur Vermittlung der Anmeldung gerne bereit.
Calw, 14. April 1884. Der Vereinsvorstand:
F l a x l a n d.
E. Horlacher, S ecr.
^ Calw.
AanäwirlUckaMtAer Oezir^oeeein.
Die Gartenbauschule,
welche seit 2 Jahren von Gärtner Mayer mit Unterstützung des landw. Vereins gehalten wurde, soll auch in diesem Jahr wieder eröffnet werden. Der Unterricht wird in 2 Kursen in den Monaten Mai und Juni ertheilt und können an jedem Kurse 6 Mädchen im Alter von wenigstens 15 Jahren und zwar 2 von der Stadt und 4 vom Lande Theil nehmen. Das Lehrgeld wird auf die Vereinskasse übernommen und außerdem den auswärtigen Schülerinnen ein Beitrag von je 10 zu ihren Auslagen für Kost und Wohnung gewährt, und von 5 wenn sie solche Auslagen nicht haben. Nach Beendigung beider Kurse wird eine Prüfung vorgenommen bei welcher Prämien zur Vertheilung kommen.
Bei der Wichtigkeit, welche die Verbreitung nützlicher Kenntnisse über die Arbeiten im Gemüsegarten insbesondere für die Töchter vom Lande hat und bei der Unentbehrlichkeit dieser Kenntnisse für jede künftige Hausfrau glaubt der Verein eine vollzählige Betheiligung an diesem nützlichen Unterrichte erwarten zu dürfen und sind Meldungen direkt bei Hrn. Mayer
anzubringen. . ^
Die Herren Ortsvorsteher werden freundlich um Bekanntmachung dieses gebeten. . ^ ,
Calw. 11. April 1884. Der Veremsvorstand:
Flaxland.
E. Horlacher, Secr.
Kal. Stauvesamt Calw.
Vom 9. bis 17. April 1884.
Geborene.
10. April. Friedrich Immanuel, Sohn des Friedrich Linkenheil, Spinners.
12. . Anna Katharine, Tochter des Johann Georg Köhler, Schneiders.
Gestorbene.
S. , Rosine Margarethe, geb. Fatznacht, Wittwe des 7 Jonathan Acker, gew. Tuchmachers, 78 Jahre alt.
10. , Ehristian Heinrich Bauer, Kaufmann, 45 Jahre alt.
13. , Georg Jakob Stroh, Wollwaarenfabrikant, 76 Jahre alt.
17. , Karl Julius Rcuthlinger, Bäcker, 40 Jahre alt.