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fertig gestellt sein. Die Ausführung hat Baumeister L. Seckler, Ingenieur. Die Bahn wird hart beim P. Kolb'schen Magazin links von der Weinsteige beginnen, wird die Trace der Straße verfolgen mit Ausbiegung bei der Frie­denslinde (wegen des scharfen Winkels), sie geht auf der alten Straße der neuen Weinsteige entgegen und überschreitet diese vermittelst einer Brücke von 110 m (3580 Länge und zwar in der Nähe des sog. Schlößchens. Wenn die Gemeinde Degerloch die fast gänzlich nutzlos gewordene Hülfe zu den be­reits festgestellten Bedingungen abgibt, so wird sich die obige Baufrist ein- halten lasten und wird der Bahnhof eine für Degerloch sehr bequeme Lage erhalten. Mit dem Ausschreiben der Akkorde kann vorgegangen werden.

Stuttgart, 10. April. (Strafkammer.) Gestern wurde gegen 5 Gruppen Militärpflicktiger, zus. 115 junge Leute aus den verschiedenen Oberämtern des L.G.Bezirks, welche durch Wegzug aus dem Reichsgebiet die Wehrpflicht verletzten, verhandelt. Es war Niemand erschienen, die Ver- urtheilung gegen Sämmtliche erfolgte auf Grund des § 140 Abs. 1 des St.G.B. zu durchschnittlich 400 Geldstrafe event. 3 Mon. Gefängniß.

Geislingen, 8. April. Heute feierte eines unserer ältsten hies. Ehepaare das Fest seiner goldenen Hochzeit. Der Uhrmacher Fr. Jun ginger rst am 21. Juni 1803 und dessen Ehegattin, geb. Wagner, am 27. Oktober 1809 geboren. Beide Jubilars erfreuen sich trotz ihres hohen Alters einer sehr rüstigen Gesundheit. Der Jubilar war etwa 25 Jahre lang Mitglied der bürgerlichen Kollegien und gehörte 30 Jahre lang dem Pfarrgemeinüerath an. Zur Feier des Tages fand im schön geschmückten Saale des Gasthauses zum weißen Roß ein von den Familienangehörigen besuchtes Festessen statt und Abends versammelte sich daselbst derAlte Lie­derkranz" , dessen Vorstand der Jubilar seit 25 Jahren ist. Reden und Gesänge gestalteten hier die Feier zu einer durchaus würdigen.

Wasseralfingen, 9. April. Heute früh hatten wir starken Reif und Eis. Die Kirschenbäums standen bereits in schönster Blüthe, diese und auch die Birnbäume haben Schaden gelitten. Unser Friedhoffrevler, der erst nach langem Besinnen eingestanden hat, befindet sich gegenwärtig zur Beobachtung seines geistigen Zustandes in Stuttgart, da bezweifelt zu werden scheint, ob seine geistigen Kräfte normal funktioniren.

O n st m e t t i n g e n, 9. April. Eine Kälte von 4 Grad hat heute dem auch hier schon ausgewachsenen jungen Gras einigen Schaden gethan und damit das hiesige Sprichwort bestätigt: Das Gras, das vor Georgii wächst, sollte inan mit Holzschlegeln hineinschlagen. Am Donnerstag voriger Woche hat sich hier ein dem Schnapstrunk ergebener Mann, ein Fa­milienvater von 9 Kindern, erhängt. Dabei ist bemerkenswertst, daß dies nun in etlichen Jahren der fünfte Selbstmord ist, der am Tag einer Hoch­zeitfeier ausgeführt wird; an keinem andern Tag ist ein solcher hier vor­gekommen seit langer Zeit.

Ueber die Frostnacht v. 7. auf 8. April sind glücklicherweise keine betrübende Nachrichten eingelaufen. Aus den Berichten ist zu entnehmen, daß nur ganz vereinzelt das Steinobst etwas, aber nur unbedeutend, noth- gelitten hat.

Mönsheim, 9. April. Freiherr von Phull-Rieppur dahier schenkte kürzlich der Mönsheimer Feuerwehr Zur Anschaffung einer Fahne eine sehr große Pappel, welche Herr Schuhfabrikant Schmalzriedt zur Herstellung von Packlisten alsdann kaufte. Nun entstand nach dem Enz. B. auf einmal am Sonntag Nachts 12 Uhr ein Heidenlärm, Fuhrwerke fahren, Leute laufen, alles ist in Eile und halber Verwirrung; 16 Pferde und ca. 60 Menschen laufen zu der großen Pappel und zwar Sonntag Nachts 12 Uhr. Es gilt nämlich eine Wette zwischen zwei Männern: Schenkel und Bauer. Ersterer behauptet, es sei Niemand im Stande, die Pappel ganz vom Platze zu bringen; Letzterer meinte, Montag früh 6 Uhr müsse sie in Mönsheim sein; die ÄZette galt 1000-/A Um 11 Uhr Sonntag Nachts kam ein Bauer vom Wirthshaus heim, weckte seinen Knecht mit den Worten: Es gibt 500 °^> zu verdienen. Bauer hatte nämlich den Fuhrleuten als Lohn 800 ^ ge­boten, falls sie den Baum fort brächten. Keine Hand war müßig, Pferde und Menschen arbeiteten riesig. Die Pappel war aufgeladen, aber jetzt war alle Mühe vergebens, auch 16 Pferde waren nicht im Stande, die Feuer­wehrpappel auf ebener Erde wegzuführen, und als es 6 Uhr und die Zeit der Wette abgelausen war, kam der ganze Zug demüthig nach Haus. Der

Einem schon von Weitem an, wo ihn der Schuh drückt. Ich sag' Ihnen, nicht Jeder hat so einen scharfen Blick wie der alte Wilke; darum muß man sich offen aussprechen, wenn man will, daß Einem die Nebenmenschen helfen sollen. Was Ihnen fehlt, weiß ich auch. Haben aber deshalb nicht nöthig, den Kopf hängen zu lassen. Nun, davon später. Jetzt trinken Sie, und hier haben Sie die Speisenkarte; lassen Sie sich geben, was Sie gern mögen."

Darf ich fragen," nahm Werner etwas mißtrauisch das Wort,welche Ansicht Sie über mich haben?"

Sie sind Musiker, Violinspieler!" rief der Wirth.Hab's Ihnen sofort angesehen. Will Ihnen auch nicht verhehlen, daß ich eine gewisse Vorliebe für Leute Ihres Schlages habe. Weiter! Sie sind in Verlegenheit wegen eines Unterkommens! Alle Stellen besetzt, kenne das! Aber ich sage Ihnen, Sie thun Unrecht, sich das so zu Herzen zu nehmen. Sie können hier imstraffen Segel" mit Ihrem Geigenspiel mehr verdienen, als irgendwo sonst in der Stadt."

Werner warf den Kopf empor und starrte den Schänkwirt!) mit großen Augen an.

Dieser kniff die seinigen zusammen und lächelte verschmitzt.

Ja. ja, es ist so! Werden's bemerkt haben, daß die Theerjacken von allen Dampfern und Kauffahrteischiffen vor dem alten Wilke die Segel streichen. Sind kaum an's Land gestiegen, so kommen sie auch schon zu Grog und Nordhäuser, und der Krawall dauert oft bis an den lichten Morgen. Nun, wenn die Theerjacken den festen Boden unter sich fühlen, so kommt ihnen natürlich das Verlangen, ihn nach Herzenslust abzustampfen,

freudige Montag, den man erwartete, war ein Bußtag und nur eine Freude durchzog die Betheiligten, der Sieger hat ihnen die 100016 geschenkt. Aus der Pappel hat die Feuerwehr von Herrn Schmalzriedt 100 ^ gelöst.

Frankfurt. Frost. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist ein kleiner Frost eingetreten, der an einzelnen Stellen sogar eine dünne Eis­decke zur Folge hatte. Wie wir nun heute von sachverständiger Seite hören, so soll dieser Frost, wie man es befürchtete, keinen weiteren Schaden an­gerichtet haben. Nur hie und da kommt es vor, daß die Blüthen einzelner Kirschbäume, welche gegenwärtig im Abblühen begriffen sind, etwas gedrückt wurden; andere Obstbäume, die sich gegenwärtig so herrlich entfalten und eine sehr gute Obsternte in Aussicht stellen, sollen durch die Kälte in keiner Weise gelitten haben.

Am letzten Freitag Nachmittag wurde, den Fr. Nachr. zufolge, ein frecher Einbruch in der Wohnung eines auf dem Liebfrauenberg wohnenden Fräuleins während dessen Abwesenheit ausgeführt. Es wurde der Secretär erbrochen, aus einer Schublade desselben 6016 geraubt und aus einem Koffer eine Partie Pretiosen herausgenommen. Durch eine Dame, welche die Bestohlene besuchen wollte, wurden die Diebe verscheucht, denn in den verschiedenen Schubladen des Secretärs befanden sich unberührt die Schlüssel zu dem eigentlichen Geldschrank, in dem sich ein bedeutender Baarvorrath befunden hatte, vor. Gestern Abend (9.) 7 Uhr entstand in dem Hause Breitegasie 30 zwischen Mann und Frau ein so heftiger Eheskandal, daß die Besucher des Bleichgartens in Hellen Haufen vor das Haus gezogen kamen und hier mehr Unterhaltung fanden, als dort an Schlangen, Schieß­buden und Riesendamen. Schutzleute mußten einschreiten und Ruhe sUflen.

Im Taunus herrschte gestern (9.) Nachmittag ein starker Schneefall mit Sturm.

Hausen i. d. W., 10. April. (Ein Couflict.) In unserem ober­hessischen Dörfchen ist die sparsame Gemeinde darauf verfallen, anstatt eines besoldeten Nachtwächters alle männlichen Einwohner der Reihe nach je ein­mal über die Ruhe des Dorfes bei Nacht wachen zu lassen. Auf diese Weise kam jeder Einwohner vom Bürgermeister bis zum Taglöhner an das Nacht- wächteramt. Als aber, wie üblich, ausgeschellt wurde:Heute hat der Herr Lehrer Nachtwächterdienst", strikte dieser und erhob Beschwerde denn Kreis­amt in Friedberg, welches jedenfalls zu feinen Gunsten entscheiden dürfte.

Wien, 9. April. Die Hinrichtung Schenk's soll in der Woche nach Ostern erfolgen.

London, 9. April. Heute collidirte bei Blackrock in der Nähe von Dublin eine einzelne Lokomotive mit einem Arbeiterzug. 35 Personen wur­den verletzt, davon mehrere schwer.

Nempork, 25. März. Ein Berichterstatter des N. A. Herold ist der Thatsache auf die Spur gekommen, daß ein Theil der dem Wiener Bankier Eifert geraubten Werthpapiere hier in Newport verkauft worden ist. Einige Wochen nach der Ermordung Eiserts gelangte ein Post­packet, anscheinend einige östreichische Zeitungen enthaltend, in die Wohnung eines hervorragenden österreichischen Anarchisten hiesiger Stadt. In Wirk­lichkeit enthielt das Packet die erwähnten Bonds in 2 Nummern des Wiener Tagblattes eingewickelt. Die Bonds waren östreichische Staatsobligationen, Eisenbahnaktien, eine türkische Obligation, sowie einige anoere Wertpapiere. Einige derselben zeigten Blutspuren und Notizen mit Bleistift, welche aus­gewischt werden mußten. Es wurde beschlossen, zuerst die östreich. Staats­obligationen, als die werthvollsten unter den Papieren, ;u verkaufen. Sie wurden Hagen u. Billing, Ecke Wallstr. und Broadwap, zum Verkauf ange- boten. Dieselben kauften sie auch für Doll. 100. Als Legitimation wurde den Bankiers ein gefälschter Brief gezeigt, in welchem ein angeblicher Freund von Louisville den Verkäufer instruirt, diese Bonds, welche ihm als Erbschaft zugefallen sind, in Newyork einzukassiren, mit der weiteren Bemerkung, das er weder Zeit noch Gelegenheit habe, die Papiere in Louisville einzukassiren. Mehr Schwierigkeiten hatte der Anarchist mit dem Verkaufe der anoern Werthpapiere. Verschiedene Firmen erklärten, daß sie keine europäischen in­dustriellen Papiere kaufen. Was aus den Papieren geworden, ist nicht be­kannt.

und wer ihnen da ein lustig Stück vorfiedeln könnte! Na! was sagen Sie zu meinem Vorschlag?"

Werner's Augen leuchteten hell auf. In seiner jetzigen bedrängte» Lage mußten die Worte des Wirthes ihn wie ein Hoffnungsstrahl treffen.

War die Beschäftigung, zu welcher Meister Wilke ihn heranzuziehen gedachte, auch wenig nach seinem Geschmack, so bot sie ihm doch für den Augenblick die Mittel zu seinem Unterhalt dar. Später mußten sie ihm ja dann auch die Wege öffnen, auf denen er zu seiner kaufmännischen Thätig- keit zurückkehren konnte. Er stand daher keinen Augenblick an, auf den Vor­schlag seines Gönners einzugehen.

Ich bin bereit, Ihren Gästen zum Tanz aufzuspielen." gab er dem seiner Erwiderung mit Spannung entgegensetzendem Segelwirth zur Antwort. Zwar ist das Tanzspielen gegen meine Grundsätze, aber ich will Ihnen offen gestehen, daß ich für den Augenblick keinen anderen Ausweg habe und mitnehmen muß, was sich mir gerade darbietet. Wenn's Ihnen' recht ist, fangen wir noch heute an."

Dacht' es mir, daß Sie vernünftig sein würden," nahm Wilke das Wort.Es ist gleichgiltig, welcher Art die Beschäftigung ist, die man hat, wenn man sich nur ehrlich durch die Welt schlägt, und nun essen und trinken Sie und lasten Sie es sich gut schmecken. Ihre Sachen habe ich bereits auf eines der besseren Fremdenzimmer schaffen lasten. Da können Sie so lange wohnen, als Sie wollen. Wenn Sie nicht freiwillig gehen, fortschicken werde ich Sie in keinem Falle."

(Fortsetzung folgt.)