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Politische Nachrichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 9. April. Der Reichsanzeiger meldet: Das Allgemeinbefinden des Kaisers ist in Anbetracht des noch nicht ganz gewichenen Erkältungszustandes ein zufriedenstellendes. Derselbe nahm heute Vorträge des Fürsten Bismarck und Geheimen Raths Wilmowski entgegen.
— In dem Artikel der „Nordd. Allgem. Zeitg." über den Rücktritt des Fürsten Bismarck von seinen preußischen Aemtern heißt es : Die Blätter der verschiedensten Farben, in- und ausländische, knüpfen an die Absicht des Reichskanzlers, sich aus den rein preußischen Geschäften zurückzuziehen, die wunderlichsten Kombinationen und Erfindungen von Ministerkrisen, uuo politischen Berechnungen; nur auf das Einfachste, auf die Wahrheit und die Wirklichkeit verfallen sie nicht. Die Leser sowohl wie die Redaktionen verlangen sensationelle Motive und politische Begründungen für Alles, was in der Welt geschieht; die einfachsten Fragen von Leben und Sterben, Krankheit und Gesundheit würden, wenn man sie als Ursache von Vorgängen zuließe, das Interesse an diesen abschwächen. Man muß den Ereignissen, wenn sie den Leser interessiren sollen, zur Hilfe kommen und seine Erfindungsgabe auf dem Gebiete der politischen Konjekturen in Thätigkeit setzen. Es kann für Niemand zweifelhaft sein, daß eine mehr als zwanzigjährige Thätigkeit als Minister in bewegten und mit Kämpfen jeder Art erfüllten Zeiten die festeste Gesundheit und die stärkste Arbeitsfähigkeit schließlich angreifen und abnutzen mußte. Den Reichskanzler hat das Gefühl, der Ruhe zu bedürfen, schon vor sieben Jahren dazu gebracht, seinen gänzlichen Abschied nachzusuchen. Es ist bekannt, daß und warum er ihn nicht erhielt, und er hat sich wiederholt öffentlich über die Auffassung ausgesprochen, die ihm nicht erlaubte, gegen des Kaisers Willen aus dem Dienste zu scheiden. Bei anderen Staatsdienern nun würde man es natürlich finden, daß sie, wenn sie ihr 70stes Jahr erreicht haben, und sich der ihnen obliegenden Geschäftslast nicht mehr gewachsen fühlen, mit Pension in das otium cum äiKnitsts sich zurückziehen. Wenn Fürst Bismarck in öffentlichen Reden im Reichstag erklärt hat, daß nur seine Anhänglichkeit an die Person des Kaisers ihn abhalte, von diesem Recht Gebrauch zu machen, so liegt kein Grund vor, daran zu zweifeln, daß er hiemit die volle und einfache Wahrheit gesagt habe, und daß sein Entschluß, den bisherigen Wirkungskreis und die bisherige Geschäftslast einzuschränken, in keiner Weise das Ergebniß einer politischen Verstimmung, oder einer Ministerkrisis, oder irgend welcher politischen Berechnung sei, sondern lediglich das Ergebniß der Nothwendigkeit oder — wenn man will — der Befürchtung, sonst in kurzer Zeit auf jede Thätigkeit verzichten zu müssen. Wenn der Fürst, so lange es dem Kaiser gefällt, und so lang er seinem Vaterlande noch durch Erhaltung dessen, was Lord Beaconsfield peacc witb kvnour nennt, nützlich sein kann, bereit ist, diese Arbeit auf sich zu nehmen, und nicht vollständig in den Ruhestand zu treten, so wird dies bei ihm schwerlich auf irgend eine politische Berechnung zurückzuführen, sondern lediglich die Wirkung seines Pflichtgefühls sein.
— Feingehaltsgesetz. Die nächste Sitzung der Commission des Reichstages zur Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend den Feingehalt der Gold- und Silberwaren, wird am 23. April Vormittags stattfinden. Da der Berichterstatter Dr. Karsten die zahlreichen Petitionen für und wider bis dorthin eingehend geprüft haben wird und die Mitglieder der Commission bisher volle Gelegenheit hatten, die Wünsche der Interessenten zu vernehmen, so dürfte die Berathung des Gesetzentwurfs von der Commission in zwei bis drei Sitzungen beendigt werden und der Entwurf wird einer der ersten sein, der im Reichstage erledigt werden wird. Für den 22. April sind Deputationen aus Pforzheim, Gmünd, Hanau angemeldet, welche den Reichstagsund insbesondere den Commissionsmitgliedern ihre Wünsche, die bis jetzt weit auseinandergehen, mündlich vorzutragen die Absicht haben.
— Der deutsche Einfluß in Konstantinopel ist nichts weniger als im Sinken begriffen. Aus der türkischen Hauptstadt wird nämlich mitgetheilt, daß demnächst zwei Lehrbücher bei den dortigen Militärschulen eingeführt werden, welche der General v. d. Goltz Pascha verfaßt hat und die bereits ins Türkische übersetzt und gedruckt sind. Herr Gill et, der deutsche Commissar für die Unterhandlung über den neuen deutsch-türkischen Handels- Vertrag, setzt eifrig und entschieden erfolgreich seine Arbeiten mit den Com- missaren der Pforte fort. Man hofft auf beiden Seiten auf einen baldigen Abschluß. Der zwischen Deutschland und der Türkei vereinbarte Tarif wird als Modell für die türkischen Tarife überhaupt dienen, so daß auch die Türkei nach einigen Jahren einen einheitlichen gemeinsamen Tarif haben dürfte.
Norwegen.
— Den Bewohnern Norwegens wird in Kürze ein recht seltsames Schauspiel vorgeführt werden, sie werden Zeugen einiger Preßprocesse sein. Der König hat angeordnet, daß gegen vier Blätter Norwegens Klage erhoben würde, weil sie Artikel veröffentlicht haben, durch welche sich der König beleidigt gefühlt hat. Seit undenklichen Zeiten ist vor einem norwegischen Gericht kein Preßproceß verhandelt worden, jetzt auf einmal kommen gleich vier an die Reihe.
Tages-> Neuigkeiten.
Stuttgart, 9. April. Die Blumenausstellung erfreut sich eines sehr lebhaften Besuches, daß durch zahlend eintretende Personen bereits 2300 an den etwa 7000 ^ betragenden Unkosten in den ersten 3 Tagen gedeckt wurden. Die Mitglieder, die freien Eintritt haben, werden nicht berechnet. Die Spuren der Thätigkeit der Lotterieeinkaufskommission sind bereits auf Schritt und Tritt zu erkennen. Die Pflanzen erhalten sich in dem Raume ganz auffallend gut; der Teppich von Ehmann, für den man am meisten Sorge haben mußte, ist noch so frisch wie in den Stunden, da er fertig geworden.
— Wie wir hören, wird mit dem Bau der Zahnradbahn nach Degerloch in Bälde begonnen werden können. Sie soll bis Ende Juni
U. (Nachdruck «erboten.»
Leidenschaftliche Kerzen.
Roman von Carl Zastrow.
(Fortsetzung.)
n bekümmert und einen verzehrenden Groll gegen das ganze Menschengeschlecht im Herzen, kehrte Werner nach der Schänke zurück und trat rn das Gastzimmer, das um diese Zeit von Besuchern noch gänzlich leer zu sem pflegte. Am Buffet stand ein kleiner, untersetzter Mann mit einem lebhaften, klugen Gesicht, der den Eintretenden scharf in's Auge faßte, ohne daß Werner ,n seinem Unmuthe es bemerkt hätte.
Schweigend setzte er sich an einen in der Ecke des Zimmers stehenden Tisch, wo er sich sicher glaubte, von Niemand bemerkt zu werden, stützte den Kopf m die Hand und hing seinen trüben Gedanken nach.
„Ein Gläschen Warmbier gefällig?" tönte plötzlich eine kernige Baßstimme unmittelbar neben ihm, und als er überrascht den Kopf erhob, sah er in das fette, von einem gutmüthigen Lächeln verklärte Antlitz des Wirthes, der seinen Platz am Buffet verlassen hatte und mit der dampfenden Flüssigkeit näher getreten war.
Obwohl in seinen Zügen etwas Vertrauenerweckendes lag, fertigte der unmuthige Gast ihn doch kurz und barsch mit den Worten ab: „Ich danke Ihnen! Warten Sie gefälligst, bis ich etwas bestelle!"
„Nun, ich mein', Sie hätten's nöthig, junger Mann!" gab der Wirth
kaltblütig zur Antwort und schob ohne Umstände das Glas dem Mißmuthigen hin. „Wären der Erste, dem's nicht mundete, wenn man stundenlang in der Irre herumgewandert ist, ohne seinen Zweck erreicht zu haben!"
Ein zorniger Blick aus den Augen seines Gastes traf den Redseligen.
„Was gehen Sie meine Angelegenheiten an?" brauste er auf. „Scher ich mich etwa um die Ihrigen? Oder haben Sie Sorge, daß ich meine Zeche nicht werde berichtigen können?"
„Nun!" grunzte der Wirth, „nehmen Sie mir's nicht übel, junger Mann I Glaubte, daß Sie sich die Hörner schon abgelaufen hätten. Sind aber noch ein wenig geradezu, wie unser Einer das sonst nur an Leuten zu finden gewohnt ist, bei denen der Reisesack noch schwerer wiegt als der Kopf. Sollt' mich freuen, wenn das bei Ihnen der Fall war'. Glaub's aber nicht! Sehen zu unglücklich aus. Mein' es aber gut mit Ihnen, und wenn ich Ihnen, ohne nach der Zeche zu fragen, etwas Herzstärkendes bringe, so geschieht es einfach darum, weil Ihr offenes, biederes Gesicht mir gefällt und ich Sie dieserhalb gern habe. Sonst hat es keinen Zweck."
Ueberrascht sah Werner den wohlwollenden Wirth an, vergeblich darüber nachsinnend, aus welchem Grunde Jener ein so lebhaftes Interesse an ihm nahm, denn daß er dieses ausschließlich seinem offenen, biederen Antlitz verdanken sollte, wollte ihm nicht glaubhaft erscheinen.
„Ich will nicht in Abrede stellen," sagte er nach einer Pause, „daß Sie es gut mit mir meinen, aber ich habe es nicht gern, wenn man sich allzu sehr um meine Angelegenheiten kümmert."
„Hm, lassen Sie das gut sein!" erwiderte der Wirth. „Man kommt heutzutage nicht eben weit mit Stolz und Eigensinn, — der alte Wilke sieht's
SE" Wege» der Osterseiertage erscheint am Dienstag kein Blatt. "MV