158
Es ist nur zu bedauern, wenn das hiesige und auswärtige Publikum die Gelegenheit erhebende Musik zu hören oft nicht in dein Maße benützt, wie man erwarten sollte. Wir wünschen daher dem Verein für den nächsten Sonntag nicht bloß eine gelungene Aufführung, sondern auch die Anerkenn- ung zahlreicher Zuhörer.
" ^ ff A lt h en g st e t t, 31. März. Gestern fand in der Kirche zum besten ^ der Kleinkinderpflege ein sehr zahlreich, namentlich von auswärts besuchtes Concert, unter Leitung des Organisten Gillo von Stuttgart statt. Das Programm war außerordentlich reichhaltig, es bot in Abwechslung von Gesang und Instrumentalmusik des Guten fast zu viel, da 14 Stück vorgesehen waren. Mit einem melodiösen Präludium von Vach wurde das Programm eröffnet. Den Hauptantheil an den Leistungen des Tages trug der Concertgeber selbst; er spielte eine Fuge von Bach, eine von Mendelssohn und die Begleitung zu sämmtlichen andern Nummern, wobei wir ihn als äußerst gewandten, eleganten Orgelspieler kennen lernten. Ihm eben- bürdig zur Seite stand Hr. Vinyon von Calw, der mit großer Fertigkeit und feinem Verständniß eine sehr ansprechende Fuge von Bach spielte und ein Tenorsolo „So ihr mich von ganzem Herzen suchet" sang. Besonders gefallen hat uns eine vierhändige Fantasie für Orgel, gespielt von den Hrn. Appenzeller und Vinyon, welche eine gewaltige Wirkung trotz der schlechten Akustik der Kirche hervorbrachte. Die Violine hatte Hr. Leyen- fetter von Cannstatt übernommen, der uns 3 Nummern vorführte, wovon das mit Gefühl vorgetragene ^«lgofio reli^ioso für Violine und Orgel, allgemein gefiel. Frl. Walther von Stuttgart sang 3 Arien, darunter das liebliche Händel'sche Lied „Er weidet seine Herde" und „Jerusalem, Jerusalem". Letzteres wurde mit viel Verständniß und mit guter Aussprache gesungen. Zu diesen Slücken kam noch ein gemischter Chor „Das ist ein köstlich Ding" und ein Männerchor unter Leitung des Hrn. Appenzeller ausgeführt von hiesigen Gesangeskräften, zur Aufführung. Beide waren gut eingeübt und zeugten von großem Fleiß des Dirigenten und der Sänger und Sängerinnen. Alle Anwesenden sind gewiß mit innerer Befriedigung aus der Kirche gegangen und zollen wir deßhalb noch allen Mitwirkenden den besten Dank.
— Von der evangelischen Oberschulbehörde wurde am 21. März die Schulstelle in Neuweiler, Bezats. Calw, dem Schullehrer Meroth in Happenbach, Bezats. Heilbronn, am 28. März die in Nöthenbach, Bezats. Sulz, dem Schullehrer Flamm in Monakam, Bezats. Calw, übertragen.
Nagold, 31. März. Auf Veranstaltung einiger hiesiger, patriotischer Männer wurde am letzten Freitag Abend eine Adresse mit Glückwunsch zum 69. Geburtsfest unseres großen Reichskanzlers, des Fürsten v. Bismarck abgesandt. Wer Augenzeuge war von dem enthusiastischen Andrang aller Schichten der Bevölkerung (von den Bezirksbeamten an bis zum Taglöhner) zur Unterzeichnung der aufgelegten Adresse, konnte sich die freudige Ueberraschung verschaffen, daß es bei uns nicht heißt: „Fort mit Bismarck", sondern daß noch eine dankbar anerkennende Stimmung bei uns für die großen Thaten unseres Reichskanzlers vorhanden ist. Der von O.A.-Baum. Schuster und Seminaroberlehrer Gräsle hier entworfene und auf Karton gezeichnete Titel der Adresse wurde durchweg als eine vollendete künstlerische Leistung anerkannt und macht den Verfertigern alle Ehre. In der Umrahmung ist oben in der Mitte das Bismarck'sche Familienwappen mit dem Eichenlaubdreiblatt und der Devise: in trinitato robur, auf Goldgrund und mit Eichenlaub- und Lorbeerranken eingefaßt, angebracht. Rechts ist in figürl. Form zum Ausdruck gebracht der energische Kampf gegen die Umsturzpartei (die Krone der Germania soll geraubt und durch eine Jakobinermütze ersetzt werden, was durch die kräftige Gegenwehr einer dritten Figur im Kürassierhelm abgewendet wird.) Links des Bismarck'schen Wappens ist als Pendant folgende Gruppe dargestellt: unter den Fittigen des deutschen Aars der Friedensbund Zentraleuropas, der Genius Deutschlands in der einen Hand noch die Blitze haltend. In weiteren Feldern und Gruppen sind dargestellt: die segenspendenden Genien für nationale Arbeit und Handel, für Landbau und Arbeiter rc. Endlich drückt die Germania (des NiederwalSdenkmals) mit ihren Siegen und deutsche Größe verkündenden Herolden unsere Hoffnung auf den endlichen Sieg der Bismarck'schen Ideen aus. Die Aufschrift auf der Adresse, in altdeutscher Schrift ausgefühct,
Stange: „Schänke zum straffen Segel" las er aus den dicken lateinischen Buchstaben.
„Es wird besser sein," murmelte er, auf das Haus zuschreitend, „wenn ich dort meinen Violinkasten u. s. w. absetze und zuvor ein wenig Toilette mache. Es ist nur eine Schänke, das Logis kann nicht allzu theuer sein. He, guter Freund!"
Die Anrede galt einem starkknochigen, wettergebräunten Manne in Hemdärmeln , der, aus dem Hause tretend, den Weg nach einem Stallgebäude einschlug. Als er des Fremden ansichtig wurde, blieb er stehen und schien ruhig das Weitere zu erwarten.
„Kann ich ein Zimmer für die Nacht bekommen?" fragte Werner.
„Der Wirth ist augenblicklich nicht hier," lautete die Antwort. „Ich bin nur Knecht bei ihm — aber kommen Sie nur mit mir!"
Er führte den Gast eine Treppe hinauf und erschloß eines der Zimmer, in welches er Werner eintreten ließ. Dieser beeilte sich, seine Effekten abzusetzen und dann seinen Anzug zu ordnen, worauf er den Weg nach der Stadt einschlug.
Vor dem Thore hielten mehrere Droschken. Er bestieg eine derselben und nannte dem Kutscher den Namen seines Freundes, worauf der Wagen sogleich durch die belebtesten Straßen der Stadt rollte und nach wenigen Minuten auf dem Marktplatze vor einem großen, ansehnlichen Gebäude von drei Stockwerken und acht Fenstern Front hielt.
Zwei auf prächtigen, gußeisernen Ständern befindliche Laternen gossen ein blendendes Licht auf den Vorplatz und beleuchteten hell die mit großen vergoldeten Buchstaben über dem Portal angegebene Firma „Schwerdtmann L Co."
lautet: Dem eisernen Gründer und Erhalter deutscher Einigkeit und Größe, dem durchlauchtigsten Fürsten und Reichskanzler v. Bismarck zu seinem 69. Geburtstag in tiefster Ehrfurcht gewidmet von unterthänigst gehorsamsten Verehrern im Schwarzwald Württembergs, Nagold. Auf den 1. April 1884. Der kalligrafisch schön ausgeführte Text der Ad- t reffe lautet: Durchlauchtigster Fürst, gnädigster Reichskanzler und Herr! j Mip freudiger Genugthuung nehmen wir, die unterthänigst gehorsamst unter- zeichneten, reichstreuen Anhänger eines, durch die heroische Geistes- und ^ Willenskraft Eurer fürstlichen Durchlaucht geeinigten und gekräftigten Deutsch« ^ lands, Kunde von der überlegenen Einsicht, der kräftigen Beweisführung und dem unerschrockenen Muthe des deutschen Reichskanzlers im parlamentarischen Gefecht mit den destruktiven Parteien des Reichstags um die soziale Reform unseres lieben deutschen Vaterlands. Wir begehen das 69. Geburtsfest Eurer Durchlaucht in unserer kleinen Oberamts- und Seminarstadt mit freudig bewegtem Herzen und dem sehnlichsten Wunsche: es möge dem lieben, deutschen Vaterland der deutscheste Mann in der hochverehrten Person unseres jetzigen Reichskanzlers lange in guter Gesundheit „den Freunden zum Schutz, den Feinden zum Trutz" erhalten werden. Als kleines Angebinde zum hohen Geburtsfeste erlauben sich die unterthänigst gehorsamst Unterzeichneten ein Produkt des Schwarzwaldes, bestehend in einer Probe echten Heidelbeergeistes, in der angenehmsten Hoffnung darzubringen, der Saft der Schwarzwaldbeere möge zur Erfüllung oben ausgedrückten, aufrichtigsten Wunsches das Seinige beitragen. In tiefster Ehrfurcht verharren Euer fürstlichen Durchlaucht unterthänigst gehorsamste Reichsbürger. Nagold auf 1. April 1884. Folgen die Unterschriften. Das Schwarzwaldprodukt bestand in 10 Literflaschen ächten Heidelbeergeistes mit Etiketten in Reichsfarben mit der Aufschrift: Schwarzwälder Heidelbeergeist aus dem Bezirk Nagold (Württemberg). Die Sendung in wohlverpackter Kiste mit sauberster Adresse ging am Samstag - nach Berlin ab und es soll die Nagolder Patrioten freuen, wenn unserem hochverehrten Reichskanzler unser Heidelbeergeist mundet.
Stuttgart, 1. April. Gestern Nachmittag wurde der 45 Jahre alte Jakob Ruffner, Arbeiter in einer Farbwaarenfabrik hier, durch unvorsichtiges Oeffnen des Ventils, wodurch ein Laugenkessel zum Ueberlaufen kam, derart verbrüht, daß er heute Nacht im Katharinenhospital gestorben ist.
Göppingen, 29. März. Unser Stiftungsrath berieth in seiner letzten Sitzung u. a. über das neue Glockengeläuts, das auf den Thurm der Stiftskirche Oberhofen kommen soll, der gegenwärtig erneuert, beziehungsweise ausgebaut wird. Der Glockenstuhl soll von Eisen hergestellt werden. Es waren mehrere Ueberschläge vorgelegt, und das Kollegium entschied sich für denjenigen, welcher ihr die Kommission der Sachverständigen empfohlen hatte. Demgemäß wird Glockenstuhl sammt den Glocken einen Aufwand von 6000 erheischen. Die Ausführung der Arbeit wurde Gebr. Kurz, Glockengießer in Stuttgart, übertragen. Die 3 Glocken werden den v <>ur Accord angeben und ihr Guß derart beschleunigt werden, daß mit den neuen Glocken das Jahresfest des Gustav-Adolfsvereins, das im Juni d. I. hier stattfinden wird, eingeleitet werden kann. Der Schaden, der durch das Herabstürzen der einzigen noch gut erhalten gewesenen Glocke entstanden ist, wurde auf 400 veranschlagt. Zu den Kosten des neuen Geläutes liegen 5100 c/1L bereit, der Rest soll durch freiwillige Beiträge ausgebracht werden.
Blaubeuren, 25. März. Die Jagdpächter Herzog von Hütten und Kley von Gundershofen haben gestern am Ufer der Schmieh nach einem Fischotter gegraben und trafen im Bau eine ganze Familie: 3 Alte, darunter 2 Weibchen, und 2 halbgewachsene Junge, die sämmtlich erbeutet wurden.
Karlsruhe, 29. März. Der Redakteur des „Bad. Landesboten", Egmont Fe hl eisen, wurde wegen Beleidigung des Prinzen Wilhelm zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt. Der Staatsanwalt beantragte zwei Monate Festung.
Barmen, 29. März. Der Bauunternehmer Wehner aus Elberfeld hatte gestern mehrere Dynamitpatronen in die Hinteren Taschen seines Nockes gesteckt und sich dann, um Kaffee zu trinken, in eine Restauration begeben. Kaum hatte er sich gesetzt, als eine furchtbare Detonation erfolgte
In eigenthümlich gedrückter Stimmung betrat er den fast tageshell erleuchteten Hausflur. Der großartige Aufschwung, den nach Allem, was er sah, das Geschäft des Jugendfreundes genommen haben mußte, flößte ihm Besorgniß ein, ob Schwerdtmann ihm wohl auch mit der früheren Freundschaft entgegenkommen werde. Die Wände des Flurs zeigten sich mit meisterhaft ausgeführten Fresco-Malereien geziert. Figuren aus Marmor mit Gasleuchtern in der Hand paradirten auf zierlich geschnörkelten, zum Theil vergoldeten Postamenten. Kein Stäubchen lag auf dem feinen Mosaik- Fußboden , und die mit Decken belegten Marmorstufen der in die oberen Räume führenden Treppe verriethen deutlich, daß hier nur der Eingang für geladene Gäste, gleichgestellte Freunde und Bekannte des Hausbesitzers sein sollte, während alle in Geschäftsangelegenheiten kommenden Besucher sich durch den seitwärts gelegenen Thorweg nach dem Hofe zu verfügen hatten. Er verweilte jedoch nicht bei diesen Betrachtungen, da es ihn drängte, den einstigen Freund sobald als möglich wieder zu sehen und von ihm Aufschluß über die glücklichen Umstände zu erhalten, welche sein rasches Emporkommen begünstigt hatten.
Rasch die nur angelehnte buntfarbige Glasthür aufreißend, trat er in den geräumigen Hof, auf welchem ein reges Leben und Treiben herrschte. Eine Menge Fracht- und Rollwagen machten sich bemerkbar, umgeben von Arbeitern und Fuhrleuten, welche eifrig die schwersten Kisten, Koffer und Ballen hinauf- und herabschroteten, ohne auf ihn, den Fremden, zu achten.
(Fortsetzung folgt.)