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stand haben. DieWiener Zeitung" veröffentlicht eine Verordnung des

Gesammtministeriums vom 30. ds. Mts., mit welcher auf Grund des Ge­

setzes vom 5. Mai 1869 für die Gerichtssprengel Wien, Korneuburg und Wiener-Neustadt Ausnahme-Verfügungen getroffen werden, welche sich gleich­zeitig auf verdächtige Briefe und gefährdende Druckschriften erstrecken. Eine weitere Verordnung des Staatsministeriums hebt die Geschwornengerichte für die Gerichtssprengel Wien und Korneuburg auf.

Frankreich.

Prinz Victor Bonaparte verläßt Frankreich und bleibt einst- weilen bei seiner Mutter in M o ncalieri. Er markirt damit einen poli­tischen Gegensatz zu seinem Vater, ohne Sohnespflichten zu verletzen. Aus London wird berichtet, daß der Marquis Tseng fortwährend eine sehr

kriegerische Sprache führt. Er versichert seinen Vertrauten, daß China nur

die Eröffnung der Feindseligkeiten in Bacninh erwartet, um eine formelle Kriegserklärung an Frankreich zu richten. Der Marquis erwartet hoffentlich selbst nicht mehr, ernst genommen zu werden.

In Marseille fand eine Versammlung unbeschäftigter Arbeiter statt, in welcher die bekannte Parteigängerin der Kommune, Paula Minck, austrat. Nachdem sie darauf hingewiesen, daß das Elend, welches in Frankreich herrschte, auch in den übrigen Ländern der Welt verspürt würde, brachte sie nachstehende geharnischte T. O. ein:Die Ar­beiter ohne Arbeit fordern die Regierung auf, alle Verzehrungsgegenstände, welche die Magazine und die Ateliers anfüllen, anzukaufen und an die pro- duzirenden Arbeiter zu vertheilen. Sollte dies nicht geschehen, so werden die Arbeiter sich für verpflichtet erklären, selbst ihre Geschäfte zu besorgen und die Klaffe der Kapitalisten zu expropriiren." Die Versammlung verlief so stürmisch, daß keine der vorgeschlagenen Tagesordnungen, einschließlich der anarchistischen Paula Mincks, zur Abstimmung gebracht werden konnte.

England.

Der Prinz von Wales fuhr anläßlich eines Besuches, den er Sir P. Mills abstattete, auf der Great Western Bahn von London nach Bristol. Zu der Reise waren Hanz außerordentliche Sicherheitsmaß­regeln ergriffen, die lebhaft an russische Zustände erinnern. Die ganze 119 Meilen lange Strecke war von Wächtern besetzt, die nur auf Rufweite von einander entfernt standen. Alle Tunnels waren besonders bewacht. Eine Maschine fuhr vor dem Zuge her, und die Bahnstationen, die man durch­fahren sollte, waren geschloffen gehalten und polizeilich besetzt. In Bristol angekommen, bestieg der Prinz einen geschlossenen Wagen und fuhr, von be­rittenen Policisten umgeben, nach Brigh-Cours, ohne die Stadt Bristol zu passiren, wo man alle Vorbereitungen zu einem Empfange getroffen hatte.

Tages - Neuigkeiten.

Im Vollmachtsnamen Seiner Majestät des Königs haben Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm am 1. Februar d. I. die erledigte evangel. Pfarrei Stammheim, Dek. Calw, dem Pfarrer Friz in Eschenbach, Dek. Göppingen, gnädigst übertragen.

Stuttgart, 1. Februar. Nachrichten aus San Remo zufolge ist am 27. Jan. daselbst der Prinz August von Hohenlohe, zweiter Sohn des Fürsten Hugo von Hohenlohe - Oehringen, Herzogs von Ujest, nach langem schweren Leiden gestorben. Seine Majestät derKönig verfügte Sich auf die Nachricht von diesem Todesfall zu den seit längerer Zeit in San Remo befindlichen Eltern des Verstorbenen, um denselben persönlich Seine Theilnahme auszusprechen.

Am 31. Jan. fand vor dem Disziplinargerichtshofe die Hauptver­handlung in der Disziplinarstrafsache des Amtsnotars Feh leisen von Langenau, OA. Ulm, statt. Der Angeklagte, von Rechtsanwalt Payer H. vertheidigt, war selbst erschienen, die öffentliche Anklage vertrat Oberstaats­anwalt v. Köstlin, Referent war Oberlandesgerichtsrath v. Heigelin. Es ist in allgemeiner Erinnerung, daß Fehleisen auf dem Rathhause in Asselfingen in Abwesenheit des Schultheißen ein Couvert zur Hand nahm, das ein ver­

trauliches Schreiben des Oberamtmanns in Wahlangelegenheiten sim Wahl, kampf zwischen Regierungsrath Riekert und Fabrikant Hänle) enthielt. Er lieferte dieses Schreiben der Hünle'schen Partei aus; und es ist bekannt, daß vornemlich wegen dieses Schreibens vom Reichstag die Wahl Riekert's für ungiltig erklärt wurde. Wegen Diebstahls vor das Landgericht Ulm gestellt, wurde F. freigesprochen, da angenommen wurde, er habe den Brief nicht behalten, sondern nach der Benützung zurückgeben wollen. Uebrigens wurde vom Landgericht ausgesprochen, daß sich Fehleisen der Achtung un­würdig gezeigt und so sehr verfehlt habe, daß es nicht mit Geldstrafe oder Verweis geahndet werden könne, sondern daß Strafversetzung geboten er­scheine. Das Urtheil lautete auf Strafversetzung, und Zahlung der Prozeß­kosten.

Reutlingen, 1. Febr. Heute Nacht unmittelbar vor 11 Uhr er­tönten die Sturmglocken auf den Thürmen, was ein Zeichen ist, daß ein Brand in der Stadt ausgebrochen sei. Es brannte in der Albvorstadt bei Schönfärber Rosenfelder-Fischer, wo im Trockenhaus auf bis jetzt uner­klärliche Weise die zum Trocknen aufgehängten Maaren sich entzündet hatten. Augenblickliche rasche Hilfe, besonders durch die im Lokal des in der Nähe wohnenden Schönfärbers Aickelin aufgestellte Dampffeuerspritze, welche in diesem Jahr bei einem ähnlichen Fall in der Nachbarschaft so gute Dienste geleistet hatte, beschränkte den bedrohlichen Brand auf seinen Herd, und als die Feuerwehr anrückte und in Thätigkeit sich setzte, da war alle Gefahr bald vorüber. Der eigentliche Brandschaden ist nicht sehr bedeutend, dagegen hat das in das Haus geworfene Wasser viel vernichtet.

Pfullingen, 30. Jan. Gestern hat der hiesige Gewerbe­verein in dem schönverzierten Saale des Gasthauses zur Krone sein 20- jähriges Stiftungsfest gefeiert. Nachdem der Vereinsvorstand, Oberlehrer Mayer, die sehr zahlreiche Versammlung begrüßt und die nicht uninteres­sante Geschichte des Vereins von seiner Gründung am 29. Januar 1864 bisi n die neueste Zeit in seiner Festrede dargestellt hatte, zeigte der Vize­vorstand Verwaltungsaktuar Haas, wie die gesunde Entwicklung des Ve­reins und die Ueberwindung der Schwierigkeiten, welche sich derselben mit­unter in den Weg gestellt, hauptsächlich dem Manne zu verdanken sei, der seit 20 Jahren an der Spitze stehe und mit weiser Umsicht und unermüd­lichem Fleiße die Bestrebungen des Vereins gefördert habe. Die Stimmung der Festversammlung wurde durch mehrere Toaste erhöht, ausgebracht vor allen auf beide Majestäten, deren Bilder über einem der 3 schön gemalten Transparente und über Fahnen in den deutschen Farben zwischen Tannen­grün auf die Festgäste niederschauten, sodann auf die in ansehnlicher Zahl erschienenen Frauen, auf die beiden Vorstände und den Ausschuß des Vereins und andere mehr. Es wird hier wohl noch selten ein so durchaus gelungenes Fest gefeiert worden sein, wie dieses Stiftungsfest, welches allen, die daran theilgenommen, stets eine heitere Erinnerung bleiben wird.

Eisenach, 29. Januar. Die Enthüllung des hier zu errichtenden Denkmals Joh. Seb. Bachs ist nunmehr für nächsten Juni bestimmt in Aussicht genommen. Bei dieser Feier kommen bedeutende Tonwerke Bachs in der Stadtkirche zur Aufführung.

Wien, 1. Febr. Der Zusammenhang des Detektivmordes mit der Ermordung des Wechslers Eifert ist wahrscheinlich. Bekanntlich wurden bei dem Mörder Blöchs wie in der Wechselstube Eiserts ganz gleiche Metallknöpfe gefunden, welche bei näherer Untersuchung als Stahlstifte er­kannt wurden, dazu bestimmt, auf Dynamitpatronen aufgesetzt zu werden, um dieselben durch Ausfallen auf die Erde zur Explosion zu bringen. Nur dem Umstande, daß der Mörder Blöchs vergaß, die Stifte an der Patrone anzubringen, war es zu danken, daß keine Explosion erfolgte. Diese Stifte kommen nicht im Handel vor und sind offenbar ein Erzeugniß einer geheimen Fabrik.

Literarisches.

DieNational-Ztg." schreibt: DieMemoiren Heinrich Heine's" werden nun doch endlich erscheinen. Das Manuskript ist vor einigen Wochen

Auf einen Spaziergang durch einige Straßen soll es mir jedoch nicht an-

O, wir haben hier eine Kirche, die wegen ihrer architektonischen Schönheit einen Ruf hat, und auf dem Rathhause befindet sich eine schätz­bare Sammlung von Alterthümern aus der Heidenzeit.. Im Sommer ist es sehr hübsch hier. Die Stadt hat eine prächtige Umgegend. Sie reisen

also nicht in Geschäften?" . . «r-. -

Nein," antwortete Werner, mdem er dem forschenden Bucke des Wirthes auswich;ich mache eine Erholungsreise, will Verwandte besuchen und nebenbei die Welt ein wenig kennen lernen. Aber sagen Sie mir noch, haben Sie nicht auch ein Theatergebäude hier?"

Es ist gerade nicht viel mit dem alten Hause los," gab der Gefragte zur Antwort;hat lange unbenutzt gestanden, ist auch etwas baufällig, der Herr ist vielleicht ein Künstler?"

Nein, aber ich liebe Theater und Concerte, und obwohl ich mich nur einige Tage hier aushalten kann, wäre es mir doch lieb, wenn ich die Abende in einer mir zusagenden Weise verbringen könnte. Ich erwarte einen Vetter, der mit mir von hier aus Weiterreisen will. Es ist immerhin möglich, daß er einige Tage länger ausbleibt, und der Gedanke, in einem so langweiligen Neste länger als nöthig zu verweilen, hat für mich etwas Entsetzliches."

Ich denke, Sie sollen finden, was Sie amüsiren wird," fuhr der Wirth fort, indem er sich mit vergnügtem Lächeln die Hände rieb, da der junge Reisende ihm die Aussicht auf ein guter Geschäft bot.In dem Theatergebäude wird zwar gegenwärtig nicht Theater gespielt. Herumreisende Komödianten haben uns lange nicht besucht, da unser Städtchen ich muß es leider gestehen wegen seiner Spießbürgerei sehr w Verruf gekommen ist. Es befindet sich aber augenblicklich eine ambulante Gesellschaft am Orte, Musikanten, wie sie für gewöhnlich die Messen und Jahrmärkte zu bereisen

pflegen. Diese sollen jedoch etwas mehr los haben und wollen sich deshalb im Schauspielhause hören lassen. Es ist ein Herr mit zwei Damen. Sie werden heute zum erstenmal auftreten."

Werner vermochte kaum seine Freude zu verbergen.

Es sind jedenfalls Virtuosen von Ruf," warf er scheinbar gleichgiltig hin,und es möchte nicht uninteressant sein, ihre Bekanntschaft zu machen. Hoffentlich logiren sie imweißen Roß?"

Ach nein!" sagte der Wirth, indem er sich mit der rechten Hand durch die Haare fuhr, wobei er ein ziemlich verdrießliches Gesicht zeigte, die Herrschaften haben sich bei einer alten Dame eingemiethet, die ein Keines Häuschen in der unmittelbaren Nähe des Schauspielhauses besitzt und immer dergleichen Zugvögel beherbergt. Ach nein! um einige Zimmer imweißen Roß" zu bezahlen dazu wird's wohl nicht reichen. So viel wirft die Kunst heutzutage nicht mehr ab!"

Er hatte die letzten Worte kopfschüttelnd und mit einer Kennermiene gesprochen und wandte sich darauf seinem Schreibpulte zu, auf welchem das Fremdenbuch aufgeschlagen lag.

Wollen Sie die Güte haben und sich einzeichnen?" fragte er dann, dem Gaste höflich eine Feder überreichend.

Werner schrieb flüchtig Namen und Stand in das Buch und verließ dann das Haus, nachdem er noch dem Wirth das Versprechen gegeben, zur Speisestunde wieder zurück zu sein.

Frohen Herzens durcheilte er die engen, schiefen Straßen und achtete kaum auf die wenigen Vorübergehenden, die ihm als einem Fremden mit verwunderten Gesichtern nachschauten. Er war hoch erfreut, daß er die Wohnung der Geliebten wußte. Noch hatte er zwar keinen Plan, in welcher Welse er sich ihr, ohne Aussehen zu erregen, nähem sollte, allein er hoffte auf einen günstigen Zufall. (Forts, folgt.)