Die Einführung der neuen deutschen Rechtschreibung in unfern württ. Schulen soll bis Georgii bevorstehen.

6. Stuttgart, 27. Januar. Die Photographie des Raub­mörders Pongratz ist aus Wien bei den hiesigen Gerichtsbehörden ein- etroffen. Ueber die Resultate der Vergleichungen ist Näheres noch nicht ekannt.

Ebingen, 25. Jan. Die Firma Gottlieb Ott Sohn hier (große Manchester- rc. Fabrik mit mechanischen Webstühlen, Dampfbetrieb und elektr. Beleuchtung), welche schon eine Filiale in dem l'/z Stunden von hier ent­fernten Pfeffingen hat, errichtet dieses Frühjahr eine 2. in dem nahen Lautlingen (Bahnstation.)

Oldenburg, 23. Januar. Der Prozeß gegen den Schauspieler Schröder, den Buchdruckereibesitzer Littmann und den Redakteur Hesse fand heute vor der ersten Strafkammer unter großem Andrange des Publikums statt. Für den nichtanwesenden Major Steinmann waren Rechtsanwalt Dr. Sello aus Berlin und Rechtsanwalt Caesar in Oldenburg erschienen. Schröder hat bekanntlich dasOchsenlied" verfaßt, in dem es unter An­derem heißt:Er schimpfte hirnverbrannt, beleidigte das Oldenburger Land." Schröder beantragte, Zeugen zu vernehmen, daß schon früher, noch ehe Major Steinmann in Oldenburg war, preußische Unteroffiziere die Oldenburger Soldaten Oldenburger Ochsen genannt haben, das Ochsenlied sei auch zu dieser Zeit bereits verfaßt worden. Als er von der Steinmann'schen Affaire hörte, habe er das Lied drucken lasten und verbreitet. Das Lied richte sich nicht gegen Major Steinmann, sondern gegen alle den Oldenburgern von Fremden angethanen Beleidigungen. Der Gerichtshof lehnte den Beweisan­trag ab. Der Staatsanwalt fand in den Worten:er schimpfte hirnver­brannt" eine Beleidigung im Sinne des § 185 des Strafgesetzbuches und beantragte 50 Gelsstrafe. Rechtsanwalt Sello beantragte, eventuell sämmtliche Offiziere und Unteroffiziere des Füsilier-Bataillons zu vernehmen, die bekunden würden, daß Major Steinmann niemals den AusdruckOlden­burger Ochsen" gebraucht habe. Der Gerichtshof erkannte gegen Hesse auf 150 gegen Schröder auf 100 gegen Littmann aus 50 Geld­strafe. Die Verurtheilung geschah auf Grund des §. 185.

Wien, 25. Jan. In Florisdorf (nördl. Vorstadt von Wien) wurde heute früh der Detektivbeamte Bloch, als er sich von seiner Wohnung in das Polizeikommiflariat begab, von einem anscheinend dem Arbeiterstande angehörigen Manne erschossen. Vorübergehende nahmen den davonlaufenden Mörder fest und brachten ihn auf das Kommissariat. Im Besitze des Mörders, der jede Auskunft verweigert, fand sich eine Dynamitbombe, ein Revolver und ein vergifteter Dolch vor.

Vermischtes.

Unser Fritz" heißt der 1000-Centnerhammer, mit dem Krupp in Essen seine großen Stahlblöcke bearbeitet. Der 20,000 Centner schwere Ambos ruht auf einem von Wasser umgebenen ungeheueren 100 Fuß im Quadrat haltenden Untersatz (Chabotte). Trotzdem der Schlag durch das Wasser geschwächt wird, verursacht er doch ein mit betäubendem Lärm ver­bundenes, erdbebenartiges Erzittern der Erde. An der Stirne trägt der Hammer die Worte:Fritz, nur immer druff!" Diese Aufschrift hat ihre Geschichte. Als im Jahre 1877 Kaiser Wilhelm das Werk besuchte, impo« nirte ihm besonders dieser Dampfhammer. Alfred Krupp, der Vater des jetzigen Chefs Friedrich, stellte dem Monarchen den Maschinisten vor und rühmte von demselben, er verstehe den Schlag so sicher zu führen, daß ein in den Mittelpunkt des Blocks gelegter Gegenstand unbeschädigt bleibe. Der Kaiser brachte seine mit Brillanten besetzte Uhr an die bezeichnete Stelle und forderte den Maschinisten auf, den Hammer in Bewegung zu setzen. Dieser, der den Namen Fritz führt, wagte nicht, seine Geschicklichkeit an einem so kostbaren Gegenstand zu erproben und zögerte, bis ihn der alte Krupp mit

dem Zurufe:Fritz, nur immer druff!" anfeuerte. Mit furchtbarer Gewalt sauste der Hammer nieder und die Uhr hatte nicht die geringste Quetschung erlitten. Der geschickte Maschinist erhielt sie vom Kaiser zum Geschenke, welchem Krupp noch 1000 ^ beifügte, und jene aneifernden Worte wurden auf dem Hammer verewigt.

Wenn man die vielen Verbesserungen betrachtet, welche in unserer Zeit bei den Kinderspielwaaren angebracht sind, bei denen das Unschöne und Gedankenlose von dem Schönen und Sinnreichen verdrängt wird, so muß man sich wundern, daß das Spielzeug der Erwachsenen, die Spielkarte, keinen Fortschritt zeigen will. Umsomehr wird ein neues Unternehmen, das in der Kartenfabrikation Epoche machen wird, Freude Hervorrufen. Die Firma W. Koch jun. in Jena versendet das neue Dr. Schröter'sche Karten­spiel. Der Name Kartenspiel ist fast zu gering; es ist ein wahrhaftiges Bilderbuch mit sehr fein gezeichneten und brillant ausgeführten Darstellungen. Die Könige stellen Karl den Großen, Friedrich Barbarossa, Rudolf von Habsburg und Max I. vor; Ober und Unter bringen Persönlichkeiten im Kostüm der Zeit dieser Regenten, die As enthalten geschichtliche Wappen, und die Zählkarten bringen Symbole des Kriegs, der Wissenschaften, des Handels, der Gewerbe und der Landwirthschaft. Wir zweifeln nicht, daß diese Karte in den Kreisen gebildeter Spieler bald die bisherigen ideenlosen und häßlichen Erzeugnisse verdrängen wird, zumal da der Preis unter Rück­sicht auf die prachtvolle Durchführung ein mäßiger ist.

Die Wittwe Fritz Reuters übergab vor Kurzem die nachgelassenen Papiere ihres Gatten einem jungen Berliner Gelehrten zu wissenschaftlicher Benutzung. Derselbe entdeckte darin einen vollständig ausgeführten Roman, welcher sich zwar mit einem Theile vonUt mine Stromtid" bezüglich der Hauptgeschichte deckt, aber dabei einen selbstständigen künstlerischen Genuß gewährt. Das Recht der ersten Veröffentlichung hatSchorers Familien­blatt" angekauft.

In derMährischen Jllustrirten Zeitung" Nr. 4 vom Jahre 1876 erschien folgendes Gedicht:

Heut knistert unter'm Fuß der Schnee Und gestern wehten Frühlingsdüfte

Ich möchte weinen heut' vor Weh,

Und gestern jauchzt' ich in die Lüfte . . .

Ich seh im Walde unter'm Strauch Manch' weiße Frühlingsblüte sterben.

Wie meinen Lebensmut!) ein Hauch,

Ein einz'ger Hauch könnt' sie verderben.

Ein Vög'lein liegt, erstarrt vor Frost,

Wohl unter seinem Nest beim Baume;

Es macht ein Reif, ein eis'ger Frost,

Ein End' dem holden Frühlingstraume.

Ihr Blüten welk! Du Vöglein todt!

Ein Frühlingsfrost bei Nacht verzehrte

Gleich meiner Liebe Morgenroth,

Das mir ein Reif im Lenz zerstörte . . .

Der Verfasser dieses gefühlvollen Gedichtes ist Hugo Schenk, der Wiener Massenmörder.

Ein Wiener hat Phantasien zur dortigen Kochkun st-Ausstellung verfaßt. Hier einige Proben.

Wer nie sein B:od mit Caviar,

Wir nie die hummervollen Nächte Bei Austern und Champagner saß,

Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.

Der Hummer gleichet manchem Redacteure,

Das Beste an dem Hummer ist die Scheere.

Neugieriger um uns.Warum haben Sie mir das gethan?" flüsterte sie mir zornbebend mit farblosen Lippen zu;warum lassen Sie mich nicht meinen Weg gehen, der zur Ruhe führt? Hinweg!" Sie suchte sich mit Anstrengung von mir loszureißen.Fräulein," sagte ich ebenso leise,wie groß auch das Unglück sein mag, das Sie zu diesem Schritt der Verzweif­lung drängte, er ist nicht gerechtfertigt in den Augen des höchsten Richters, der Ihnen das Leben verliehen. Gehen Sie in sich, und selbst wenn Sie die Urheberin Ihres Unglücks sein sollten, giebt es Erbarmen, Ruhe für Sie!"Phrasen!" stößt sie kurz und heftig heraus.Sie wissen nicht, wie unrecht Sie handeln. Was liegt an einem Geschöpf, wie ich bin?" Und wären Sie das gesunkenste, verachtetste Geschöpf der Welt", entgegnete ich,wären Sie so tief gefallen, wie nur ein Weib fallen kann, ich würde Sie nicht verdammen, nicht verachten, so lange mir nur noch eine Ruine des göttlichen Ebenbildes den Beweis lieferte, daß Sie ein menschliches Wesen sind."

Da milderte sich der harte, kalte Ausdruck ihrer Züge. Mit einem Blick, den ich nie vergessen werde, sah sie mich einen Augenblick lang an und dann bat sie in sanftem Tone:Ich danke Ihnen, lassen Sie mich nun gehen!"Sie werden doch nichts dagegen haben, wenn ich Sie durch die mehr und mehr zunehmende Menschenmenge hindurch zu einem Fiaker ge­leite?" fragte ich. Da sah sie sich mit einem scheuen Blicke um und faßte dann krampfhaft meinen Arm.

Der Menschenknäuel um uns her war dicht genug geworden, so daß es mir beinahe Mühe kostete, hindurch zu kommen.Kommen Sie denn," flüsterte sie rasch,ich fürchte mich." War sie mir vorhin in ihrem Zorne wild und dämonisch vorgekommen, so schien sie jetzt in jeder Beziehung das -.arte, schwache, hilfsbedürftige Weib. Zitternd an allen Gliedern schritt sie neben mir her. Ich machte ihr Platz und gelangte glücklich bis zur nächsten Ecke, wo die Wagen standen. Hastig riß ich den Schlag des ersten besten und . fragte, während ich ihr beim Einsteigen behilflich war:Wohin

wollen Sie, Fräulein Zriny?" Sie nannte mir das Hotelzum goldenen Kreuz" in der Wiedener Hauptstraße. Ich reichte dem Kutscher den Fähr­lohn und sagte ihm die Adresse. Ich hatte mir vorgenommen, das seltsame Geschöpf nie wieder zu sehen. Aber schon am folgenden Morgen drängte es mich, sie zu besuchen. Ich hatte ja einen schicklichen Vorwand. Verstand es sich doch beinahe von selbst, daß ich mich erkundigte, ob die Aufregung des vergangenen Abends ohne nachtheilige Folgen für sie geblieben sei. Mochte sie es immerhin unzart finden, auf diese Weise an die dunkelste Stunde ihres Lebens erinnert zu werden, ich konnte einmal nicht anders; denn zu mächtig war der Drang in mir, sie wieder zu sehen. So ging ich denn zur passenden Stunde nach dem Hotel, in welchem sie ein freundliches, sauber ausgestattetes Stübchen inne hatte. Wider mein Erwarten empfing sie mich freundlich; aber mit keiner Sylbe gedachte sie des gestrigen Vor­falls. Im gemüthlichsten und doch oberflächlichsten Conversationstone plau­derte sie zu mir von allerhand gleichMigen Dingen. Da» Theater, die Vorzüge und Schattenseiten der Residenz lieferten ihr hinreichenden Stoff, um mir die reiche Welt ihres Innern zu verhüllen. Auch in ihre Ver­gangenheit ließ sie mich keinen Blick thun. Die vielfachen Widersprüche, welche sich in dem Wesen dieses Mädchens kund gaben, zogen mich unwider­stehlich an. ^

Das Problematische ihrer Natur reizte mich zum Studium und bald war ich in einem Grade gefesselt, daß ich keinen anderen Gedanken hatte, als sie. Ohne daß ich mir eine Erklärung über daswie" zu geben weiß, umstrickte sie mein Herz, das ich stets -gepanzert gegen die Pfeile des Liebes­gottes hielt, mit einem Zauber, gegen den mein Verstand bald vergeblich an­kämpfte, und dabei lag gleichwohl in ihrem Benehmen nicht das Geringste, was mich hätte ermuthigen können, ihr offen und frei meine Liebe zu ge- stehen.

(Fortsetzung folgt.)