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traut macht. Es ist vielleicht kein ganz zufälliges Zusammentreffen, daß der schon vor längerer Zeit gefaßte Plan einer Versetzung des Grafen Herbert Bismarck nach Petersburg in einem Augenblick ausgeführt wird, wo endlich wieder gute Beziehungen zwischen der dies­seitigen und der russischen Regierung hergestellt sind. Angesichts des Umstandes, daß mit dem 1. Januar d. I. die Aichung derSchankgfässe obligatorisch geworden i st, wird noch vielfach die Frage behandelt, ob auch die Aichung der Flaschen zugleich damit vorgeschrieben sei. Im Allge­meinen muß diese Frage verneint werden. Als es sich um Ausführung des Aichungsgesetzes handelte, haben im Reichsamt des Innern längere Berath­ungen darüber stattgefunden, ob Flaschen der Aichung zu unterziehen wären oder nicht; die endgiltige Entscheidung war eine negative. Zunächst sprach für diesen Enschluß die große Menge der vom Auslande kommenden Flaschen, für welche man keine Aichung vorschreiben kann. Dann aber sind die Grö­ßen und Formen der tausenderlei Flaschen so verschieden wie bei keiner an­deren Gefäßforni. Endlich sind nach angestellten Schätzungen so unzählige Millionen von Flaschen im Gebrauch, daß alle übrigen Schankgefässe zusam­mengenommen ihre Zahl lange nicht erreichen. Die Verfügung der allge­meinen Aichung würde daher für viele eine materielle Schädigung bedeuten, die dem Vortheile nicht entspricht.

Berlin, 14. Jan. Gestern Abend hielten die näheren Freunde Lasker's eine Versammlung ab, um über die Leichenfeier zu berathen. Die Leiche wird etwa am 24. in Bremen ankommen. Dorthin soll sich eine Deputation von Reichstags-Abgeordneten begeben, um Lasker's irdische Hülle in Empfang zu nehmen. Ein Mitglied der Deputation wird in Bremen reden. Der Sarg wird begrenzt und in die deutschen Farben eingehüllt nach Berlin gebracht. Nach einem Vorschläge des Oberbürgermeisters v. Forcken- beck wurde bestimmt, daß die Leichenfeier auf dem Rathhause abgehalten werden soll. Die Leichenrede wird von Bamberger abgehalten werden. Mittwoch Abend wird eine größere Versammlung abgehalten werden, um über die Einzelheiten zu bestimmen. Auch der Verein derBerliner Presse" wird am Mittwoch Abend über die Art seiner Theilnahme berathen.

O e st e r r e i ch.

Wegen der Erkrankung der Kronprinzessin Stephanie haben sogleich nach dem Bekanntwerden der deutsche Kaiser, der deutsche Kronprinz und Prinz Wilhelm ihre Theilnahme ausgedrückt und telegraphische Nachrichten erbeten. Die Kronprinzessin ist jetzt wohler und dürfte in wenigen Tagen vollkommen hergestellt sein. Die Firma Siemens und Halske wird eine elektrische Eisenbahn zwischen Steyr und Bad Hall Herstellen. Die Vorarbeiten haben bereits begonnen. In Steyr findet im kommenden Sommer eine elektrische Ausstellung statt.

Frankreich.

Marquis Tseng ist wieder in Paris eingetrof­fen. Der Bonapartist Calla beantragte in der letzten Kammersitzung die Ernennung eines Dreißiger-Ausschusses zur Untersuchung der herrschenden Noth im Arbeiter stände. Die Kammer verwei­gerte dem Anträge die Dringlichkeit. Die äußerste Linke und Rechte stimm­ten zusammen. Alle Angaben über den Zeitpunkt der Ausgabe der Anleihe von 350 Millionen Francs sind verfrüht, da der Se­nat zuerst das Extraordinarium für 1884 erledigen mußte. Die Aus­gabe 3procentiger Schatz scheine mit kürzester Lauf­zeit scheint zu beweisen, daß die Regierung, nicht glaubt, die Anleihe in allernächster Zeit aufnehmen zu können.

Tages - Neuigkeiten.

* Stuttgart, 15. Jan. Gestern wurde die Weihnachtsausstellung des Württ. Kunstgewerbe-Vereins im Königsbau geschlossen. Dieselbe hat sich durch eine seltene Reichhaltigkeit und Vollständigkeit ausgezeichnet und enthielt namentlich eine große Anzahl durchaus origineller Ausstellungsgegen­stände. Die von der Lotteriekommission angekauften Gewinne bestehen in anerkanntermaßen preiswürdigen, programmgemäß auch dem Mittelstand zu­gänglichen Gegenstände, daher sich auch der Loosabsatz nicht ungünstig ge­

staltet. Den ersten Gewinn bildet eine komplete Schlafzimmer-Einrichtung im Werth von 1500 den zweiten ein Schmuckschrank, Schreibtisch und Tisch mit Tabouret ü 1000 -M, den dritten ein silberner (Buckel) Becher und 12 Teller ü 500 ^ ebenso stellen auch die weiteren 4 Gewinne, näm­lich eine Florentiner Vase mit reichzeschnitztem Postament, die preisgekrönte Bursau-Einrichtung, ein geschmiedeter Garderobeständer und ein vollständig ausgestattetes Wohnzimmer einen Werth von je 500 dar. Es folgen dann 10 Gewinne L 300 -/1L, darunter die beiden prämmiirten Küchen und eine weitere Bureauausstattung, ferner ein Schreibtisch mit vorzüglicher Schnitzerei, ein großer Wandspiegel, 2 Barometer und ein Majolika-Ofen. Daran schlie­ßen sich 15 Gewinne L 200 Vasen, Spiegel, Regulatoren, Barometer, Teppiche, kostbare Fenstervorhänge und Tischdecken u. s. w. an. Die nächst­folgenden 20 Gewinne bilden: 1 silbernes Colliers, 1 aus Elfenbein ge­schnitztes Schachspiel, eine reich mit Bronce verzierte Zeitungsmappe, eine geschmiedete Kassels, Terrinen, Spitzenfächer, Divanteppiche, Spiegel rc. rc.

Die Ziehung ist für den 31. März bestimmt; wünschen wir im Inte­resse unserer vaterländischen Industrie, daß bis dahin sämmtlichs Loose abge­setzt sind.

Degerloch, 16. Jan. Nachdem die Verhandlungen über die Er­stellung der Zahnradbahn von Stuttgart nach Degerloch nunmehr zum Ab­schluß gelangt und, wie wir vernehmen, die Bedingungen für die Konzessions- ertheilung seitens des Unternehmens erfüllt sind, wird in den betheiligten Kreisen der baldigen Erlangung der Konzession entgegengesehen. Die hiesige Gemeinde hat neuestsns den Platz bei dem bei der Kirchheimerstraße gelegenen Feusrsee zur Bahnhofanlage abgetreten, wogegen Direktor v. Keßler zur Herstellung eines Wasserreservoirs in der Nähe des Friedhofs, mit welchem eins Schlittschuhbahn verbunden werden soll, sich verpflichtet hat. Die Gütererwerbungen sind vollzogen und auch das Areal zum Bahnhof in Stuttgart oberhalb der Paul Kolb'schen Bierbrauerei erworben, so daß bis Monat Juni die Vollendung der Zahnradbahn möglich sein wird. Obgleich ein Theil des bereits fertig gestellten Materials zur Niederwaldbahn abgegeben worden ist, so ist doch bei der bekannten Leistungsfähigkeit der Eßlinger Maschinenfabrik an der Einhaltung obigen Termins nicht zn zweifeln. Das bedeutendste Bauwerk ist der Uebergang über die Staats­straße bei der Einmündung der allen in die neue Weinsteige, der 45 m hoch auf eisernen Pfeilern über die neue Weinsteige geführt wird. Die Frage der Fortführung der Bahn über Möhringen, Echterdingen, Plieningen rc. wird wohl erst dann ins Auge gefaßt werden können, wenn über die Fre­quenz und Rentabilität der Bahn bis Degerloch Anhaltspunkte vocliegen.

Aus dem Schönbuch, 16. Jan. Es werden jetzt ca. 8 Jahre her sein, daß im Schönbuch wieder Wildschweine aufgetaucht sind, es fällt dies mit einer Zeit zusammen, wo auch in andern Gegenden des Landes solche angetroffen wurden. Wenn die Sauen heute zu einer stattlichen An­zahl angewachsen sind, so beruht dies einerseits auf ihrer außerordentlichen Fruchtbarkeit, andererfeits auf der schwierigen Art der Jagd auf sie. Was die Anzahl der Sauen betrifft, so sind es genauer Beobachtung nach 23 Rudel, was einer Gesammtzahl von 30 bis 35 Stück für den ganzen Schön­buch entspricht. Diese 30 Sauen befinden sich auf einem Areal von circa 14,500 Hektar 46,000 württ. Morgen. Diese Zahlen beweisen bezugs der Schwierigkeit der Jagd genug, da Jedermann leicht ersieht, daß bei einer so beweglichen Wildart, wie die Sauen es sind, auf einer fo großen Fläche 23 Rudel ohne Schnee kaum anzutreffen sind. Daß der gute Wille, das Schwarzwild auszurotten, vorhanden ist, erhellt aus den hohen Prämien, welche das K. Hofjägermeisteramt auf Erlegen derseben, vom ersten Auftreten an, ausgesetzt hat, außerdem aber auch die große Anzahl der im verflossenen Jahre erlegten Sauen. Das K. Hofjägermeisteramt hat die Gemeindejagd Dettenhausen gepachtet; nachdem früher immer ein Dettenhauser Bürger Jagdpächter gewesen war, der einen geringen Pachtschilling zahlte, ließ sich das K. Hofjägermeisteramt auf Bitte der Gemeinde hin herbei, die Jagd zu pachten. Nun zahlt aber das K. Hofjägermeisteramt nicht nur einen viel höheren Pacht als die früheren "Pächter, sondern auch noch die feste Summe von 300 für etwaigen Wildschaden, die nicht zu gering erscheinen dürfte, da bei der viel größeren Gemeinde Weil i. Schbch. im verflossenen Jahre der Wildschaden 450 betrug. Der Schaden dieses Winters läßt sich

stellen, dem Sie für's Leben angehören wollen. Ich habe nicht die Kraft, Ihr Bild aus meinem Herzen zu verdrängen. Mögen Sie daraus erkennen, wie tief und wahr meine Liebe ist.

Morgen Vormittag löse ich mein Verhältniß zu meinem Prinzipal. Von Mittag ab stehe ich zu Ihrer Verfügung. Haben Sie die Güte, mich morgen im Laufe des Tages zu erwarten. Es drängt mich, das Weitere mit Ihnen zu besprechen.

In aufrichtiger Liebe

Edmund Werner."

Diesen Brief übergab er, nachdem er ihn gesiegelt und adressirt hatte, noch an demselben Abend einem Dienstmann mit dem Aufträge, ihn nach der Waldemarstraße zu tragen und dem Fräulein Zriny zu behändigen. Jetzt, wo er einen festen Entschluß hinsichtlich seiner Zukunft gefaßt hatte, wurde er ruhiger. Er sagte sich, daß alle äußeren Glücksverhältnisse gering seien gegen die Befriedigung, welche dem Herzen zu Theil wird, wenn es mit dem Gegenstände seiner Neigung vereint ist. Außerdem hegte er die leise Hoffnung, daß es ihm über kurz oder lang gelingen werde, die Gattin zu seinen Ansichten und Ideen zu bekehren, sie dem ruhelosen, unstäten Wanderleben zu entwöhnen. Dann wollte er seine kaufmännische Carriöre wieder aufnehmen, und gewiß mußte die Gattin eine behagliche Existenz bald dem planlosen Umherschweifen vorziehen. In diesen Gedanken legte er sich zur Ruhe und schlief zum ersten Male nach den letzten unruhigen Nächten fest und unbelästigt durch düstere Traumbilder.

Dennoch trat er am nächsten Morgen mit einer gewissen Beklemmung in das Arbeitszimmer des Prinzipals. Dieser saß bereits, mit der Durch­

sicht von Werthpapieren beschäftigt, in seinem Büreau. Dem Buch­halter, der mit höflichem Gruße eintrat, nickte er freundlich zu.

Bitte, nehmen Sie Platz, Herr Werner!" sagte er in seiner gemüth- lichen Weise,was haben Sie schon so früh?"

Es ist diesmal eine persönliche Angelegenheit, welche mich zu Ihnen führt, Herr Wendling," nahm der junge AssociL, welcher gerade auf sein Ziel loszugehen beschlossen hatte, das Wort.Ich habe die Absicht, aus Ihrem Geschäfte auszuscheiden, und wünsche deshalb, mich mit Ihnen aus­einander zu setzen. Verhältnisse, deren Erörterung Sie mir gütigst erlassen wollen, zwingen mich zu diesem Schritt, den ich bitte nicht ungünstig deuten zu wollen!"

Der Banquier fuhr hastig von seinen Papieren empor und starrte den Buchhalter groß an.

Sie wollen aus dem Geschäft treten?" fragte er in einem Tone, welcher zu betroffen klang, als man ihn für den Ausdruck einer reinen Ver­wunderung hätte nehmen können,wollen uns verlassen? Verhältnisse halber? Was könnten öäs für Verhältnisse sein, mit denen Sie sogar gegenüber Ihrem alten Prinzipal, der sich Ihnen stets als Freund gezeigt hat und daher wohl Anspruch auf Ihr Vertrauen haben sollte, hinter dem Berge halten?"

So fest sich auch Werner vorgenommen hatte, jedem Einwand des alten Herrn mit triftigen Gründen zu begegnen, fühlte er sich doch bereits durch diese einfache Frage vollständig aus dem Sattel gehoben. Er senkte das Auge vor dem.forschenden Blick des Banquiers verlegen zur Erde, während das Blut ihm in» Gesicht schoß. (Forts, folgt.)