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eine ungemein zahlreich besuchte Versammlung im Festsaale des Oberen Museums statt. Neben einer Anzahl von Herren waren wohl gegen 200 Damen der ergangenen Einladung gefolgt. Vor allem hatten Ihre König!. Hoheit die Prinzessin Auguste von Sachsen-Weimar und Ihre Kaiser!. Hoheit die Herzogin Vera die Gewogenheit, durch persönliches Erscheinen Ihr Interesse an der Sache zu erweisen. Die Versammlung wurde durch Se. Hoh. den Prinzen Hermann von Weimar eröffnet, welcher den Damen für ihr zahlreiches Erscheinen dankte, sie mit den zu verfolgenden Zwecken bekannt inachte, ihnen die Unterstützung der Kunst ans Herz legte, und dann dem Prof. Dr. v. Lübke das Wort überließ. Der berühmte Kunstgelehrte appellirte in eindringlicher Rede an den Beruf der Frauen, das Schöne zu pflegen, sprach erhebend von den idealen Aufgaben der Kunst, uud unterließ auch nicht, auf den sehr realen Nutzen der Kunst hinzuweisen, welcher ungeahnte und unschätzbare Werthe schafft, und, anscheinend bloß dem Luxus dienend, befruchtend wie keine andere menschliche Hervorbringung auf das ganze Leben der Städte und Völker einwirkt. Ueberall regt sich der Wetteifer in den Künsten, bleiben wir hier in Stuttgart nicht zurück! An die stärkste Macht, an die Anmuth und Liebenswürdigkeit der Frauen, appellire der Verein, weil er überzeugt sei, hier ein volles Verständniß für seine Bestrebungen und ein erfolgreiches Eintreten zur Verwirklichung seiner Projekte zu finden. Sodann ertheilte Herr Hofrath Dr. Pfeiffer den Zuhörer- innen in humoristischer Weise einen eingehenden Kurs über die besten Mittel und Wege, die von Damen einzuschlagen sind, um bei Sammlungen möglichst große Beiträge zusammenzubringen. Freudig überraschte die Mittheilung des Redners, daß Ihre Majestät die Königin dem Verein die hochherzige Gabe von 25,000 ^ hat zukommen lassen. Möge dieses Beispiel höchster Munifizenz der erlauchten Fürstin, welche stets bereit ist, für alles Schöne einzutreten, ungezählte Nachahmer im Kleinen finden: es handelt sich hier um Werke, die unserer lieben Stadt Stuttgart zur Zierde und zur dauernden Ehre gereichen sollen. Und nun, so schloß der Prinz - Präsident die Versammlung, ziehen Sie hinaus, verehrte Damen, als unsere Sendboten, als emstge Bienen, welche fleißig sammeln und mit Honig reich beladen zurückkehren! — So wird man also in den nächsten Wochen eine Schaar kunstsinniger und opferwilliger Frauen die Runde machen sehen, welche gewiß kein Mittel, das mit Knigges Umgang mit Menschen irgend vereinbar ist, unversucht lassen werden, um die in der Menschennatur eingewurzelte Abneigung gegen freiwillige Gaben zu besiegen. Wir wünschen diesen Bestrebungen Glück, und zweifeln nicht, daß zur Ehre der Stadt Stuttgart ein großer, reicher Ertrag die edlen Bemühungen der Frauenwelt lohnen wird.
Stuttgart, 12. Januar. Auf die Nachricht von dem Morde in Wien, der nach der Art seiner Ausführung so große Ähnlichkeit mit dem Mordversuche in Stuttgart hat, verdoppelte die hies. Fahndungsmannschaft ihre Bemühungen. Jeder Bahnzug wird kontrolirt. Leider waren die Wiener Behörden erst gestern Abend in der Lage, für die Ergreifung der Verbrecher einige Anhalspunkte zu senden, die übrigens weit entfernt sind, ein Signalement zu sein, das eine feste Handhabe böte. Einige gestern und heute auf dem hies. Bahnhofe bei hier durchkommenden Zügen vorgenommene Verhaftungen waren resultatlos.
Welzheim, 11. Januar. Die schon von vielen Seiten berichteten Abendbeleuchtungen waren auch hier auf unserer Höhe vielfach sichtbar, ganz besonders schön und großartig waren sie gestern und heute Abend, von etwa 5 bis gegen 6 Uhr dauernd, zu sehen. Anfangs war der ganze Himmel roth gefärbt und erst nach und nach zog sich die Röthe in der Richtung der Sonne zusammen, bis 1 Stunde nach Sonnenuntergang an Färbung zunehmend. Zugleich bot der ausgehende Mond mit seinem blassen Licht gegenüber der starken gegenüberstehenden Röthe ein seltenes Naturschauspiel. Gegen 10 Uhr Nachts bemerkte man noch einen großen Kreis rings um den Mond, einen sogen. Mondregenbogen, in vielen Farben leuchtend.
Ulm, 11. Jan. Premierlieutenant Krauß, Adjutant im sechsten Jnf.-Regiment, ritt gestern von der Gänswiese heim, als an den Brücken des
Friedrichsauthores sein Pferd scheute und sich nicht mehr halten ließ. Es rannte im rasenden Laus über die erste Brücke zwischen den Festungsmauern den Weg auf die andere Brücke zu und sprang über die niedrige Brüstung gegen die Pionierkaserne hin in das Wasser des Wallgrabens. Der Reiter sprang vom Pferd und dieses machte den Sprung in die Tiefe ohne den Reiter. Es blieb dabei unbeschädigt, da der Boden des Wassers viel Schlamm enthielt, der Reiter jedoch, der gegen die Mauer gefallen war, erhielt einen doppelten Rippenbruch.
Köln, 9. Januar. Gestern Mittag kehrte eine im ersten Stockwerk eines Hauses an der Mittelstraße wohnende Wittwe vom Markt heim. Als sie in ihre Wohnung eintrat, fand sie die Kommodenschubladen offen stehen. Bei näherer Besichtigung machte sie die Entdeckung, daß Geld und verschiedene Werthgegenstände aus den Schubladen verschwunden waren. Sie rief die Hauswirthin und theilte dieser mit, sie sei während ihrer Abwesenheit bestohlen worden. Die Gerufene erklärte, sie habe die Hausthür sorgfältig beobachtet; wenn ein Dieb in das Haus eingedrungen sei, so muffe derselbe noch anwesend sein. Damit lief sie die Treppe hinunter und schloß die Hausthür ab. Kaum war sie unten, da hörte sie die Wittwe schreien: „Um Gotteswillen, hier liegt ein Kerl mit einem langen Messer unter dem Sopha!" Auf das Hilferufen der Frau eilte deren Sohn, welcher sich in einem anderen Zimmer aufgehalten hatte, und zugleich mit ihm ein anderer Hausbewohner herbei. Beide ergriffen den unter dem Sopha liegenden Kerl und zogen ihn aus seinem Versteck hervor. Derselbe hielt in der That ein langes Messer in der Hand, welches ihm zugleich mit einem Hammer und einem großen Bund Dietriche abgenommen wurde. Die Polizei nahm den gefährlichen Burschen in Gewahrsam.
Wien, 10. Jan. Gestern Nachmittag um 5 V 4 Uhr drangen zwei Männer in die Wechselstube Eiserts in der sehr belebten Mariahilfer- straße ein, streuten dem Bankier Sand in die Augen, verletzten ihn lebensgefährlich und raubten sein Portefeuille aus. Auf sein Hilferufen eilten aus dem rückwärts gelegenen Zimmer die Gouvernante und zwei jüngere Kinder herbei; elftere und ein Kind wurden von den Verbrechern schwer verletzt, ein Kind mit einer Hackeerschlagen. Nach Efferts Angabe soll noch eine dritte Person an dem Attentate betheiligt sein. Es ist den Thätern gelungen, zu entfliehen.
Wien, 11 . Jan. Im Hause Nr. 55 der Mariahilferstraße hat der Wechselstubeninhaber Heinrich Eifert seit mehr als einem Jahrzehnt sein Bureau. Herr Eifert, der sein Geschäft allein führt und gar keinen Angestellten beschäftigt, ist 46 Jahre alt, verheirathet und Vater von 4 Kindern zwischen 2 und 11 Jahren. Abends zwischen >/< und >^6 Uhr, während Eifert im Geschäftslokal mit Lesen eines Blattes beschäftigt war, traten 2 Herren im Alter zwischen 25 und 30 Ihren zu ihm ein. Das Gas war bereits angezündet und die Vorhänge zugezogen, so daß von der Straße Niemand in das Geschäft sehen konnte. Die feuerfeste Kaffe stand offen, weil Effert im Bedarfsfälle nicht erst das Oeffnen vornehmen wollte. Beim Eintritte der beiden Männer trat Effert an die Schränke. „Kann man bei Ihnen Rubelscheine wechseln?" fragte der Eine mit unverkennbarem Wiener Dialekt. „Gewiß," war die Antwort des Wechselstuben-Jnhabers, der der Handbewegung des Fremden folgte, welcher in die Rocktasche griff, anscheinend, um die Rubel hervorzuholen. Doch der Fremde nahm aus seiner Tasche keineswegs die vermeinten Geldzeichen, sondern ehe sich Eifert dessen versehen konnte, hatte ihm der Unbekannte eine Handvoll Sand in das Gesicht geschleudert, so daß er sofort das Sehvermögen verlor. Im nächsten Momente schon war der zweite herbeigesprungen und hatte mit einer Hacke Eifert mehrere wuchtige Hiebe über den Kopf versetzt. Trotz der erlittenen schweren Verletzungen ergriff Effert unter den Rufen: „Hilfe! Räuber! Mörder!" die Flucht und entkam durch das Ruhezimmer und das Kabinet, in dem die beiden Kinder unterrichtet worden waren, in den Hof. Der Mordgeselle eilte Effert in den Hofraum nach und brachte dem Unglücklichen noch 3 fürchterliche Hiebe mit der Hacke und eine Stichwunde an der linken Schulter bei.
„Edmund! Seien Sie nicht bitter!" mahnte sie in sanftem Tone, „ich muß dies verlangen! Ich kann nicht anders. Und es ist bei näherer Betrachtung wirklich nicht halb so schlimm, als es von fern den Anschein hat. Sie spielen die Violine meisterhaft. Welch ein Künstlerpaar würden wir abgeben! Sehen Sie, ich sehne mich auch darnach, selbstständig zu sein, möchte mich gern der Gewalt des alten rauhen Brandey entziehen, der mich beinahe noch rauher und rücksichtsloser behandelt, als seine Tochter. Ist es doch schon eine Qual für mich, mit diesem koketten, hochmüthigen und kalt- sinnigen Mädchen zusammen zu leben. Auch finde ich wohl ohne die Beiden mein Fortkommen, aber von einem Jmpressario, der mich schulmeistert und mein Talent auf seine Manier ausbeutet, möchte ich auf keinen Fall abhängig sein, und ohne jeden Schutz allein meinen Weg gehen, das hat viel Unangenehmens und große Schwierigkeiten, denn ich bin nur ein Weib. Wie dankbar würde ich daher Demjenigen sein, der mir die Hand reichte, um mich zu unterstützen in meinem Streben, in meiner Kunst, die mir so sehr am Herzen liegt, der mich erlöste aus diesem Sumpfe, in dem ich über kurz oder lang versinken muß."
Edmund schwieg und seine Blicke hafteten finster auf dem Erdboden.
„Nun, Edmund?" fragte sie nach einer langen Pause und hob lächelnd ihren Blick zu ihm empor.
„Nein Anna!" entgegnete er tief aufseuszend," das kann ich nicht. Alles Andere verlangen Sie von mir, nur das nicht!"
„Nicht wahr, Edmund?" fragte sie lächelnd, „das Opfer ist zu groß? Ein solches Opfer kann keine Liebe bringen, und wäre sie rein und selbstlos und erhaben, wie die Liebe eines Engels, der aus den himmlischen Sphären herniederstiege, um aus dem Erdenstaube ein armes Menschenherz zu sich empor zu ziehen. Nie kann die Liebe eines Mannes sich so weit vergessen seinen S tolz, seine VorurtheUe zu opfern. Ja, der Stolz, der Hochmuth!
Darin liegt es. Das Leben des Mannes wird einmal durch die Liebe nicht ausgefüllt!"
„Und ist dies denn bei Ihnen der Fall?" unterbrach er sie scharf und heftig. „Sind Sie denn so selbstlos und opferfreudig, wie Sie es durchaus von mir verlangen? Wären Sie wohl geneigt, irgend etwas Ihrer Liebe zum Opfer zu bringen, — vorausgesetzt, daß Sie überhaupt lieben könnten — wie dies doch des Weibes schönste Eigenschaft sein soll? Würde wohl Ihr Leben durch die Liebe vollständig ausgesüllt werden? Sagen Sie nicht selbst, Ihre Kunst ginge Ihnen über Alles?"
„Gewiß!" gab sie langsam zurück, „doch ist es bei mir der Genius der Kunst, dem ich mich zu eigen gebe, während es bei Ihnen der Krämergeist, der Thaler ist, den Sie höher schätzen, als das Gebot Ihres Herzens!"
„Genug des Streites!" rief er unmuthig. „Diese Worte sagen mir mehr als alles andere, daß wir in keiner Weise zu einander paffen, daß unsere Wege gänzlich auseinander gehen. Warum also gewaltsam aneinander schmieden, was sich in Ewigkeit nicht verschmelzen würde? Dieser Krämergeist , wie Sie ihn nennen, ist doch nun einmal ein gut Theil von jener Kraft, welche das Wohlergehen der Menschheit fördert. Fortschritt, Humanität und Bildung stehen im Dienste des Geistes, des Handels. Er allein wäre im Stande, alle Völker der Erde zur innigsten Gerneinschaft zu verbinden, die großartige Idee eines ewigen Friedens zu verwirklichen, und jeder Mensch, der als ein Glied jener großen Kette wirkt, hat ein Recht, stolz zu sein. So sehr auch ich die Kunst liebe und so hoch ich besonders die Musik verehre, treibe ich sie doch nur zu meiner Erholung und preise meinen Schöpfer, daß ich sie nicht zum Broterwerbe zu treiben brauchen denn die Kunst soll nur das Leben verschönern; den nothwendigen Dingen; des Lebens muß sie nachstehen. Das ist meine Ansicht!"
(Fortsetzung folgt.)