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Zur Lage in Egypten.
England scheint sich mit seiner ganzen egyptischen Politik doch die Finger verbrannt zu haben und sucht jetzt einen Ausweg, um auf anständige Weise wieder loszukommen — ja es geht noch einen Schritt weiter und hat sogar nichts mehr dagegen einzuwenden, wenn die Türkei auf eigene Kosten im Sudan einschreitet. Das englische Cabinet kann sich der Ansicht nicht mehr veschließen, daß Egypten mit seinen eigenen Hilfsmitteln die Sudanprovinzen nicht wieder erobern könne, und nun hält man es für gut, der egyptischen Regierung anzurathen, den sofortigen Rückzug aller augenblicklich im Sudan befindlichen Truppen bis zum zweiten Nilkaterakt anzuordnen. Was eine derartige Maßregel eigentlich bezwecken soll, ist vorläufig noch unerfindlich , denn die englische Regierung kann doch nicht im Ernst der egyptischen anrathen, Provinzen, die im Aufstand begriffen sind, ohne Schwertstreich aufzugeben.' Nun wird die Situation in Egypten von Tag zu Tag kritischer und es wird jetzt eine ernste Aufgabe der englischen Politik sein, wirkliche Entschlüsse zur Reorganisirung Egyptens zu fassen.
Am liebsten würden wohl die Engländer Egypten ohne Weiteres zu einer britischen Besitzung machen, und es ist sehr leicht möglich, daß sie schließlich auch zu diesem Ziel gelangen. Augenblicklich will man den Khedive zur Abdankung zwingen und dann den englischen Generalkonsul Baring zum Regenten einsetzen. Der Khedive seinerseits ist aber viel zu schlau, um sich einem solchen Plan zu fügen, er erklärte noch kürzlich, daß er nur der Gewalt weichen würde. Offene Gewalt anzuwenden werden sich die Engländer vorläufig wohl noch hüten, vielleicht gelingt es ihrer Staatskunst, ein einfaches Protectorat mit einem Residenten wie in Indien herzustellen, wobei natürlich die Person des Khedive als Puppe ohnehin gleichgültig wäre.
Das egyptische Kabinet, solange man von einem solchen überhaupt noch sprechen kann, da die Demissionsgerüchte fast greifbare Gestalt angenommen haben, will dagegen eine starke egyptische nationale Regierung unter dem vorläufigen englischen Waffenschutze, bis die heimische Regierung erstarke. Die egyptischen Politiker sehen also ein, daß sie ohne englische Hilfe gesicherte Zustände nicht werden Herstellen können, sie wollen aber in leicht begreiflichem Argwohn sich mit den Engländern nicht allzulief einlaffen, jedenfalls haben sie das Gefühl, daß ihre britischen „Freunde", nachdem sie erst den kleinen Finger haben, sich sehr bald nicht mehr mit der ganzen Hand begnügen werden.
Nun haben die Engländer im Laude der Pyramyden nicht nur den egyptischen Einfluß gegen sich, sondern auch die alten französischen Jntriguen leben wieder auf und machen sich täglich bemerklicher. Haben die Franzosen ihr Tonking, so gönnen sie den Engländern von Herzen die egypt. Wirren, und die Franzosen drängen die englische Regierung mit aller Macht zu einem wirklichen Entschluß. Es ist fast mit Sicherheit anzunehmen, daß gerade jetzt die egyptische Regierung mit Frankreich in Unterhandlungen treten möchte. Wenigstens ist Tonino Bey, des Ceremonienmeister des Khedive, in Paris angekommen und soll derselbe mit einer diplomatischen Spezialkommission betraut sein.
Es wäre ja möglich, daß Franzosen und Engländer sich vereinen könnten zur Unterdrückung des Aufstandes; ob aber Frankreich hiezu Lust und vor Allem augenblicklich die Mittel besitzt, ist eine andere Frage. Für die Engländer allein wird die Niederhaltung der Revolte sehr schwierig sein, vielleicht wird im Lande der Pharaonen bald noch mehr Blut fließen, als vor zwei Jahren um den Besitz von Alexandrien vergossen wurde.
Politische Nachrichten.
Deutsches Reich.
— Die Eröffnung der Reichstagssession soll vom Reichskanzler auf den 4. März d. I. festgesetzt sein. — Das Krankenkassengesetz macht außer den administrativen Maßnahmen zur Durchführung desselben, wie z. B. der Aufstellung von Statuten u. s. w., auch im
„Anna!" rief er erregt, „von wem haben Sie dieses Märchen?"
„Es ist kein Märchen," antwortete sie aufrichtig, „alle Welt hält es für eine ausgemachte Sache, daß Sie sich mit der Tochter Ihres Prinzipals verheirathen werden. Ich habe Sie gestern im Bendler'schen Kaffeehause, wo wir musicirten, gesehen und mich sogleich nach Ihren Verhältnissen erkundigt. Meine Wirthin kennt Sie genau und sagte mir, Sie wären mit dem Fräulein .... Wendling — wenn ich nicht irre, verlobt, und zu Neujahr solle bereits die Hochzeit sein."
„Das Meiste an der Sache ist erlogen. Bei allen Vermuthungen und Combinationen trifft Frau Fama doch nicht immer den Kopf des Nagels," sagte Werner lächelnd. Mein Vater war allerdings ein intimer Freund des Herrn Wendling. Ich habe in seinem Geschäft gelernt, bin mit wenigen Unterbrechungen darin thätig gewesen und habe mich zum Disponenten heraufgearbeitet, was mir um so leichter wurde, als der größte Theil meines ererbten Vermögens in dem Geschäft angelegt ist. Daß er es nicht ungern sehen würde, wenn ich mich um die Hand seiner Tochter bewürbe , weiß ich, und es mag auch seine Richtigkeit haben, daß das Fräulein mir gewogen ist, und dennoch —"
„Dennoch?" fragte Anna, als er innehielt.
„Sie ist das gutherzigste, liebenswürdigste Kind, das ich kenne," fuhr er fort. „Sie muß durch ihre engelgleiche Güte und Sanftmut!) unfehlbar jeden Mann beglücken. Ich glaube wohl, daß ich in der That bei ihrem Vater um sie angehalten hätte, wären nicht durch Ihr Erscheinen, Anna, alle nur mühsam eingeschläserteu Empfindungen in meinem Herzen von Neuem wachgerufeu worden, und ich bin fest überzeugt, unglücklich wäre ich mit dem holden Kinde nicht geworden. Doch wer kann für die Regungen seines Herzens? Das meine schlägt ruhig fort, wenn ich sie sehe, und nichts
Reiche gesetzgeberische Maßregeln nothwendig. Wie verlautet, ist das Reichsamt des Innern mit der Ausarbeitung einer Novelle zum Hilfskaffengesetz beschäftigt, welche dem Reichstag noch zugehen wird. — Die Grundzüge über den Entwurf eines Gesetzes über die Unfallversicher u n g der Arbeiter, von dem schon wiederholt die Rede war, sind jetzt erschienen und den Bundesregierungen zugegangen. Wir behalten uns vor, auf dieselben noch des Näheren zurückzukommen. Selbstverständlich können wir unser Urtheil über die zum Theil völlig neuen Einzelheiten heute nicht bereits aussprechen. Wir glauben indeß nicht zu irren, wenn wir sagen, daß die Chancen der neuen Vorlage auf Annahme im Reichstage wesentlich günstiger sind, als die früheren Vorlagen und daß es den auch auf dem Gebiet der Unfallversicherung an dem Privatversicherungswesen hängenden Parteien nicht leicht werden dürfte, die Grundlagen des neuen Entwurfs zu bekämpfen.
Frankreich.
— Eine etwas kuriosklingende Nachricht kommt aus Madagaskar. Die englische „Times" hätte die Meldung von der Unterwerfung der Hova's gebracht. Das „Journal de Paris" dementirt diese Mittheilung, indem das Blatt dabei bemerkt, die Hova's könnten die Abtretung des nördlichen Theils von Madagaskar nicht Vorschlägen, weil er ihnen nicht gehöre. — Als ob die Franzosen nicht mit ihren eigenen Sachen genug zu thun hätten, drängen sie sich jetzt auch noch in die englisch-egyptischen Verhältnisse ein. Das „Journal de Debats" spricht sich mißbilligend aus über die neue Wendung der englischen Politik, durch welche die Türkei ermächtigt werde, einen Theil des Sudan in Besitz zu nehmen. Der „Temps" meint sogar, Chartum aufgeben, hieße die Arbeit von 25 Jahren aufgeben, welche dahin ging, die Civilisation nach der Mitte von Afrika zu bringen. Namentlich die letzte Aeußerung ist echt französisch phrasenhaft, denn von allen Nationen haben gewiß die Franzosen am allerwenigsten zur Civilisation des dunklen Ecdtheils beigetragen.
Paris, 9. Januar. Admiral Courbet telegraphirte, daß er in Sontai 89 Kanonen, wovon 7 gezogene, erbeutet habe, und daß der feindliche Verlust 400 Todte und 600 Verwundete betrage. Die französischen Verluste, obwohl telegraphisch Kunde darüber verlangt, sind immer noch nicht gemeldet.
Rußland.
— Das Gerücht über ein Attenta tauf den Kaiser von Rußland, zu dessen Verschleierung der Jagdunfall gemeldet worden sei, dieses zuerst von dem in der Regel gut informirten Petersburger Correspondenten der „Germania" herrührenden Berichts, wird jetzt von einem Wiener Gewährsmann des „Daily Telegraph" durch nähere Angaben bestätigt. Danach fand das Attentat bei der Rückfahrt des Czaren nach Gatschina am 17. Oez. Nachm. 3 Uhr statt. Von anderer Seite wird diese Nachricht freilich auf das Entschiedenste abgeleugnet.
Spante«.
— In der Sitzung der Cortes erklärte der Minister des Auswärtigen, wenn die Spaltung der liberalen Parteien fortdauere, so sei es möglich, daß die Gewalt in die Hände der großen und mächtigen konservativen Partei, welche als eine geeinigte in Spanien bestehe, übergehen werde.
Amerika.
— Wieder wird von einer Revanche seitens der amerikanischen Regierung für das deutscherseits erlassene Einfuhrverbot von gesalzenem Schweinefleisch, berichtet: Aus Philadelphia meldet man, daß im Repräsentantenhause eine Bill eingebracht worden sei, wonach der Präsident, wenn eine fremde Regierung den Import amerikanischen Pökelfleisches verbietet, befugt sein soll, die Einfuhr von Weinen, Liqueuren und anderen Erzeugnissen dieses Landes in die Unionsstaaten zu verbieten und das Verbot «ufrechtzuhalten, bis die erwähnte Beschränkung aufgehoben ist. Hau'st du meinen Juden, hau ich deinen Juden.
Anderes beseelt mich für sie, als eine rein freundschaftliche Zuneigung. Das schwöre ich Ihnen, Anna!"
„Und wenn die junge Dame nun eine gleiche Neigung zu Ihnen hätte," sagte Anna, „wäre das nicht die sicherste Bürgschaft für ein dauerndes, ungetrübtes Eheglück? O, Edmund, warum jagen Sie einem Irrlicht nach und lassen das glänzende Lichtbild, welches Ihnen gewiß ist, im Stich ?"
Sie sah ihn bei diesen Worten mit ihren dunklen Augen so forschend an, daß er beinahe verlegen die seinen zur Erde senkte.
„Anna!" rief er, „wenn Sie nur ein etwas mehr als oberflächliches Interesse an mir nähmen, würden Sie so nicht sprechen. Für mich gibt es doch einmal kein anderes Lebensglück, als dasjenige, welches im Lieben und Geliebtwerden liegt. Mag auch Lieben in vielen Fällen gleichbedeutend sein mit Leiden, viel besser das, als in ruhigem Tempo an der Seite eines ungeliebten Wesens die Lebensbahn hinabschreiten. Für mich ist die reizendste, behaglichste Häuslichkeit werthlos, wenn sie nicht durch den sonnigen Glanz der Liebe verklärt wird."
„Ich weiß nichts davon," sagte sie tonlos, „aber wer mich zur Gattin will, muß auf jede Häuslichkeit Verzicht leisten. Weiß ich doch nur zu gewiß, daß ich nicht geschaffen bin, um als stiller, freundlicher Genius der Familie zu walten. Wie ich keine Heimat habe, so ist auch in mir keine Ruhe, kein Sinn für den Frieden des Hauses. Der Wandertrieb ist mir angeboren, und wie ein Zugvogel treibt es mich von Ort zu Ort und läßt mich nirgends länger ruhen, als zur dringendsten Erholung nothwendig ist. Heute hier, morgen dort, lautet meine Parole. Nur im rastlosen Umherschweifen finde ich eine gewisse Befriedigung, Glück aber nur in der Pflege meiner Kunst."
Fortsetzung folgt.