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des deutschen Kaisers an den König AlsonS bemerkt der „Jmparcial", Kaiser Wilhelm drücke sich sehr herzlich und ohne die Formalitäten aus, an die man in ähnlichen Fällen gewohnt sei. Es sei nicht möglich, in würdigerer und klarerer Weise seine Wünsche kundzugeben , als der erhabene Begründer der deutschen Einheit es für das Wohlergehen des Königs Alfons und der spanischen Nation gethan habe. Spanien sei sehr dankbar für den Beweis einer so besonderen Auszeichnung, die ihr durch den Kaiser Wilhelm zu Theil geworden.
Schweiz.
— Der Kanton Appenzell Außer-Rhoden hat die Prügelstrafe wieder eingeführt. Insassen der Zwangsarbeitsanstalt, gegen welche sich die anderen Strafmittel ohnmächtig erweisen, sollen 8 Ruthen- oder Stockstreiche erhalten.
— Die „N. Z. Zt." schreibt: „Eine Zuschrift von Hottin gen an unser Blatt bestätigt die Ausführungen der socialdemokratischen Abgeordneten und verbürgt uns folgende Thatsachen: Ein gewisser Kumitsch trat am 3. September in St. Gallen dem Reichstagsabgeordneten Grillenberger als Anarchist Mosiffcher Observanz mit dem Evangelium des Dynamits und Petroleums entgegen. Dieser Kumitsch war niemals Anhänger oder Mitglied einer deutschen oder schweizerischen socialdemokrasischen Organisation; in Wien wie in St. Gallen gehörte er der anarchistischen Richtung an, deren Anhänger der Briefschreiber als Gesindel und Lumpen bezeichnet."
Frankreich.
— Herr Ferry hat einen recht schweren Stand. Trotzdem die Tonkin - Commission den verlangten Credit von 0 Mill. Francs mit 0 gegen 2 Stimmen bewilligt hat, wird der neugebackene Minister des Auswärtigen von seinen Widersachern in nicht mißzuve:stehender Weise gedrängt, nunmehr über die wirkliche Lage in China reinen Wein einzuschenken. Es wird nämlich berichtet, daß, da Ferry in einer Privatunterhaltung mit Clemenceau sich weigerte, die von demselben angekündigten Fragen zu beantworten, Clemenceau beabsichtigt, dieselben zu Beginn der Kammersitzung wiederum zu stellen, und wenn Ferry sich noch weigern sollte, zu antworten, dieselben in Form einer Interpellation vorzubringen. Da darf man wirklich gespannt sein, was eigentlich an das Licht kommen wird, denn dis offiziöse Ableugnungstrommel, die man zu rühren beliebte, verfängt augenblicklich selbst bei den so leichtgläubigen Franzosen nicht mehr.
Spanien.
Madrid, 30. Nov. In dem Geburtstagsglückwunschtelegramm des Kaisers Wilhelm an den König Alfons heißt es: Als Andenken an den Aufenthalt Ew. Majestät in Preußen habe Ich Meinen Sohn den Kronprinzen beauftragt, daß er Ihnen heute das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten überreiche, jenes Helsen, der die Grundlagen zu der Wohlfahrt Meines Hauses und Meiner Familie begonnen hat. Ich erlaube Mir gleichzeitig, Meinen ganzen tiefgefühlten Dank für die Art und Weise auszudrückeu, wie Ew. Majestät Meinen Sohn auszuzeichnen geruht haben, der Mich bei Ew. Majestät vertritt, da Meine vorgerückten Jahre Mir nicht erlauben, persönlich Ihren angenehmen Besuch zu erwidern, dessen Andenken sich immer unter uns erhalten wird. Die Nachrichten, welche Ich täglich von Madrid erhalte, beweisen Mir, bis zu welchem Grad Sie dem Kronprinzen Ihre Sympathien zu widmen geruhten, denen die Freundschaft gleichsteht, welche Ich Ihnen für Meine Lebensdauer gewidmet habe.
— Wie sehr es der deutsche Kronprinz verstanden hat, sich in allen Kreisen Spaniens beliebt zu machen, und Aller Herzen zu gewinnen, geht aus der Meldung hervor, daß die Offiziere des „Adalbert" und der „Sophie", welche Schiffe bekanntlich jetzt inCarthagena vor Anker liegen, zu einem im dortigen militairischen Casino veranstalteten Fest zu Ehren des Geburtstages des Königs Alfons geladen waren. Wer die Mili- tairgeschichte Spaniens der letzten Jahrzehnte kennt, wer weiß, daß die Armee
in Spanien lange Zeit der einzig maßgebende Factor mar, und wie spröde sie sich oftmals allen Zumuthungen der Regierung gegenüber verhalten hat, dem wird es klar sein, daß das cordiale, kameradschaftliche Benehmen der spanischen Offiziere gegen die deutschen ein bedeutsames Zeichen der tiefen Sympathie ist, welche die hervorragende Erscheinung des Kronprinzen in den Herzen spanischer Militairs zu erwecken im Stande war.
Tages - Neuigkeiten.
Calw, 3. Dezbr. Einer seltenen Rüstigkeit und Geistesfrische in hohem Alter erfreut sich Herr E. L. Wagner, sem., hier. Am letzten Samstag hatte der alte Herr sein 90stes Lebensjahr zurückgelegt, umgeben von einem zahlreichen glücklichen Familienkreis bis herab zum Urenkel. Um seinen Bürgerpflichten nachzukommen schritt er heute zur Wahlurne.
Von der oberen Nagold, 29. Nov. Der den Staatswalt „Eichbosch" bei Schönegründ begehende dasige Waldschütze stieß dieser Tage auf einen auf der Erde liegenden todten Mann, welcher laut eines bei ihm Vorgefundenen Entlassungsscheins der Hospitalverwaltung in Ehingen a. D. der Wagner Wilhelm Stockburger von Röthenberg bei Oberndorf war. Der Verunglückte scheint in der nächtlichen Finsterniß in den Wald und nach eingetretener Ermattung durchs Umherirren in Schlaf gerathen zu sein. Der erhöhte nächtliche Kältegrad brachte ihm zweifelsohne den Tod des Erfrierens.
Stuttgart, 1. Dez. Ueber die Entwicklung der württ.Arbeiterkolonie auf dem Dornahofe bei Altshausen sind wir in der Lage, folgende Mittheilung machen zu können: Nachsem der bestellte Inspektor Röhn Anfangs November auf dem Hofe aufgezogen, wurde am 15. Nov. mit der Annahme einer kleinen Anzahl von Pfleglingen, zunächst mit 10 begonnen. In wenigen Tagen war diese Zahl da und zwar aus verschiedenen Landes- theilen und gleichmäßig beiden Konfessionen angehörig, darunter auch ein vielfach wegen Bettelns bestrafter Vagabund, der unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Strafanstalt in Rottenburg um Aufnahme gebeten hat. Im allgemeinen ist das Benehmen der Pfleglinge befriedigend, einer verläßt die Kolonie übermorgen, weil er eine feste Stelle als Knecht auf einem Bauernhöfe gefunden hat. Angesichts des starken Andrangs hat der Ausschuß in seiner gestrigen Sitzung die Aufnahme von weiteren 20 Pfleglingen beschlossen und steht zu hoffen, daß die Beschaffung der erforderlichen Bettstellen rc. wenn nicht schon vor Weihnachten d. I., so doch jedenfalls bis 1. Jan. 1884 erfolgt sein wird. Wenn je die Nützlichkeit und Noth- wendigkeit von Arbeiterkolonien sich herausstellt, so ist dieses gewiß in den letzten Wochen der Fall gewesen, daher wird die wiederholte Bitte um allseitige, reichliche und möglichst baldige Unterstützung des Unternehmens sicher gerechtfertigt sein.
Stuttgart, 30. Novbr. Man schreibt uns von sachverständiger Seite : Heilbronner und Oettinger ffind jetzt, nachdem mehr als eine Woche seit ihrer Verletzung verstrichen ist und der Heilungsprozeß bis heute einen durchaus günstigen Verlauf genommen hat, mit größter Wahrscheinlichlichkeit als gerettetzu betrachten. Daß trotz der schweren Verletzungen, die beide, namentlich aber Oettinger, erlitten — war doch bei letzterem neben der gänzlichen Absprengung eines größeren Schädelstücks eine starke Hirnhautarterie verletzt und durch die daraus erfolgende Blutung die harte Hirnhaut in großer Ausdehnung, bis gegen die Schädelbasis hin, vom Knochen abgelöst — daß trotzdem bei beiden die Aussichten so günstige sind, verdanken sie den in Beziehung auf ärztliche Behandlung und Pflege denkbar günstigsten äußeren Bedingungen, in die sie sofort gekommen, wie überhaupt den Fortschritten der modernen Chirurgie, welche die schwersten Verletzungen, falls sie nur nicht direkt lebenswichtige Organe zerstören, zu heilen vermag. — Ob
8 .
Wieder standen die Einwohner des Städtchens in Gruppen vor ihren Hausthüren. Eine wichtige überraschende Neuigkeit lief von Mund zu Mund und rief ein Flüstern, ein Fragen, ein Verwundern und ein Geberdenspiel hervor, wie man es in letzter Zeit nicht mehr erlebt hatte. Die Bombe war geplatzt. Man hatte es doch endlich herausbekommen, was an dem Fremden eigentlich war, und merkwürdigerweise hatte es nun Jeder längst vorher vermuthet und lange vorausgesagt. Der Herr von Steinfels war ein Edelmann vom reinsten Waffer und dabei Millionär, das war sehr natürlich ; aber was die guten Bürger durchaus nicht begriffen und trotz allen Kopfzerbrechens auch nicht fassen wollten, war die schier unglaubliche Behauptung, der reiche, vornehme Mann werde die arme, vermögenslose Tochter der Wittwe Raven zur gnädigen Frau von Steinfels machen. An eine solche Möglichkeit hatte der phantasiereichste Kopf nicht gedacht. Ja, wenn es noch Retti'gs Ottilie gewesen wäre, die besaß doch Bildung, Verstand, ein schönes Aeußere und bekam eine anständige Aussteuer und Mitgift; aber die arme, einfache Elisabeth Raven? nimmermehr!
Und doch konnte Niemand mehr zweifeln. Das Pärchen war am Sonntag bereits zum ersten Male aufgeboten worden.
„Die Welt steht auf dem Kopf!" lautete der Orakelspruch der alten Patriarchen des Städtchens, und da die jüngere Generation gleichfalls keinen besseren Grund für den seltsamen Fall anzugeben vermochte, so wiederholte sie ehrfurchtsvoll: „Ja, die Welt steht auf dem Kopf!"
Zwar hatte der Doctor Berner, welcher das Nähere durch seine Verbindungen in der Kreisstadt erfahren, feine Freunde über manchen dunklen Punkt aufgeklärt. Viele Leute wußten, daß Elisabeth Raven durch ihr Zeugniß dem Angeschuldigten die Freiheit wiedergegeben hatte, daß aber daraus gleich eine Herrath folgen sollte, mochte Niemand, glauben, nachdem man sich gewöhnt hatte, die Verlobung des Herrn Steinfels mit dem Fräulein Rettig als etwas Feststehendes anzunehmen.
Aber der Doctor Berner wußte noch mehr. Noch einmal war Steinfels vor das Gericht geladen worden, diesmal indessen als Zeuge. Er sollte
einen Mann recognosciren, den man wegen Vagabondirens und Stehlens zur Haft gebracht hatte. Ein ziemlich verkommenes Subject war es, das sah man auf den ersten Blick, und die beiden Strolchs, welche in jener Ballnacht in die Steinfelsssche Wohnung einzubrechen gedachten, sagten ihm nach, daß er es gewesen sei, der durch hingeworfene verlockende Mittheilungen über die fabelhaften Schätze des einsamen Fremd lings sie zu dem frevelhaften Unternehmen verführt habe. Bald kam es denn auch heraus, daß er jener geheimnißvolle Dritte im Bunde gewesen, der in jener Nacht in respektvoller Entfernung die beiden Diebe beobachtet hatte, jedenfalls in der Absicht, nach vollbrachter That sich einen Antheil an der Beute für sein Stillschweigen auszubitten. Als Steinfels dem Verbrecher gegenüber gestellt wurde, erkannte er in ihm sofort den Bruder feiner verstorbenen Frau, Berthold, welcher, auf der Bahn des Lasters von Stufe zu Stufe gefunken war, zuletzt als ein gemeiner Dieb bei einem versuchten Einbrüche ertappt und gefänglich eingezogen worden war. Der Verbrecher wurde auch von Elisabeth Raven als derselbe Mensch recognoscirt, welchen sie am Vormittage jenes Tages, an welchem der Mord stattgefunden, in der Nähe des Steinfels'schen Hauses gesehen hatte. Darüber zum Verhör gezogen, legte er ein umfassendes Geständniß ab. Er war an jenem Tage früh Morgens von seiner Lagerstätte, die er im Walde unten einigen dichtstehenden Ahornbäumchen gehabt, aufgebrochen und hatte feinen Weg nach der Stadt genommen, um in letzterer sich das nöthige Geld zu einem Frühstück zu erbetteln. In der Nähe des Weges, welcher von der Landstraße ab nach dem einsamen Hause führte, wurde er plötzlich durch einen lauten Schrei um Hülfe zum Stillstehen bewogen. Als sich der Ruf aber noch einige Male in den gräßlichsten Tönen wiederholt habe, sei er flink über den Chausseegraben gesprungen und nach der einsamen, von einige» Pappelbäumen eingefaßten sogenannten Kirchenwiese geeilt, von woher die Rufe erklungen seien. Hier habe er einen noch jungen, höchst anständig gekleideten Mann blutend am Boden liegend gefunden, während ein zweiter, dem Anschein nach gleichfalls den besseren Ständen ungehöriger Mensch, der offenbar der Mörder gewesen, einen blutigen Dolch über den Sterbenden