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Meuchelmörder habe. Zu diesen beiden Geistern kommt jetzt in London der dritte im Bunde, der „Botschafter-Attentäter". Wir haben furchtbare und erschütternde Attentate erlebt, aber diese drei November- Attentäter sind dem doch nichts weiter als eine Satyre zu den gräßlichen Tragödien, welche die Welt in den letzten Jahren erleben mußte. Ein Telegramm meldete nämlich, daß von einem gewissen Wolfs ein Attentat auf die deutsche Botschaft geplant sei. Es hat sich diese Nachricht allerdings bestätigt, auch liegen bereits einige nähere Mittheilungen vor, doch ist die ganze Sache noch sehr dunkel. Die Frau des Attentäters Wolfs soll erklärt haben, daß ihr 24jühriger Gatte ein Altschweizer von Geburt und von Profession ein Zuckerbäcker sei. Vor einein Jahre lernte er zwei Männer kennen, welche stets insgeheim gefährliche Dinge mit Wolsf besprachen. Die deutsche Botschaft sollte demnach in die Luft gesprengt werden. Wolfs behauptet persönlich, er sei unschuldig und erklärt, jene zwei Leute wollten ihm eine Schlinge legen. Die ganze Affaire scheint sehr mysteriös. Alle Betheiligten scheinen Spionenpack zu sein, sich gegenseitig angeben und Andere ruiniren zu wollen. Das Gebäude der deutschen Botschaft hat eine polizeiliche Schutzwache erhalten. Uns scheint dieser Attentäter in die Kategorie jener Verrückten zu gehören, welche neuerdings an allen Enden auftauchen, Leute, die, um von sich reden zu machen, die blödsinnigsten Anschläge ausführen. Ein politischer Zweck ist in der Zerstörung eines Botschaftshotels wohl kaum zu entdecken.
— Die gesetzlichen Vorarbeiten bezüglich der staat- lichen Entschädigungspflicht für unschuldig verurtheilte Personen sind bereits in vollem Gange. Allerdings sind diese Arbeiten Noch nicht soweit gediehen, daß schon in der nächsten Session dem Reichstage ein diesbezüglicher Gesetzentwurf vorgelegt werden kann, aber es wird auf das Bestimmteste versichert, daß spätestens in der'nächstfolgenden Reichstagssession eine gesetzliche Regelung dieser Angelegenheit zu erwarten ist.
— In Bezug auf die Nachricht, daß dem Reichstage eine Vorlage zugehen wird, betreffend den Bau des Nord - Ostsee - Kanals, schreibt jetzt die „Kölnische Ztg.": „Wir halten es doch keineswegs für unwahrscheinlich, daß dem Reichstage die Vorlagen über den Bau des Nord - Ostsee - Kanals zugehen wird. Die Ansicht aber, daß unsere Marineverwaltung dem Unternehmen unfreundlich gegenüberstehe, halten wir geradezu für falsch. Jetzt sind die Vorarbeiten für das Projekt vollkommen zum Abschluß gelangt. Wahrscheinlich wird die. Reichsregierung die sehr sorgfältig ausgeführten Vorarbeiten des Herrn Da hl ström, die von allen maßgebenden Behörden geprüft sind, erwerben.
Testerrei ch.
— Ein Wiener Abendblatt meldet einen im Artillerie- Archiv des militairtechnischen Comite versuchten Verrath. Die Nachricht schien andeuten zu wollen, als ob es sich um die verbrecherische Preis- gebung eines wichtigen artilleristischen Geheimnisses, z. B. der Stahlbroncekanone, handle, und daß dieser Versuch durch einen Unteroffizier und einen Civilisten versucht, aber rechtzeitig verhindert worden sei. Von kompetenter Seite wird der Wiener „N. Fr. Pr." jedoch versichert, daß im Militär-Comite von einem solchen Vorfall absolut nichts bekannt sei; es gebe überhaupt keine geheimen Schriftstücke artilleristischen Inhalts in dem erwähnten Archiv und was speziell den Akt über die Stahlbronce- Erzeugung betrifft, so befindet sich derselbe wohlversiegelt und wohlgehütet im Arsenale. Selbst wenn ein Unberufener das Artillerie-Archiv betreten könnte, würde er nur laufende Dienstakten finden, die übrigens selbstverständlich auch nicht auf den Pulten umherliegen. Man gedenkt übrigens, um alle Zweifel zu zerstreuen, in einer authentischen Verlautbarung alsbald den wahren Sachverhalt öffentlich darzulegen.
Frankreich.
— Jetzt ist der erste Schuß zwischen den Franzosen und Chi -
Ich habe redlich gearbeitet, wo es nur irgend Etwas zu thun gab. Es hat lange gedauert, bis ich wieder ein Unterkommen fand, das einigermaßen zu unserer Ernährung ausreichte. Daher gab's im Hause Zwiespalt und Aerger und verdrießliche Gesichter genug. Meine Frau, die an ein besseres Leben gewöhnt war, fand sich nicht in die veränderte Sachlage. Sie ließ es nicht an Vorwürfen fehlen, die mich auf's tiefste kränkten und erbitterten, mir den Muth zu fernerem Streben raubten und den ersten Grund zu meiner menschenfeindlichen Stimmung legten. Ja, ja! eine Frau vermag fviel! Wie anders wär's gewesen, wenn die Liebe zwischen uns gestanden hätte. Trug ich nicht schon schwer genug an meinem Unglück! Mußte sie den Groll in meinem Herzen schüren, anstatt zu versuchen, ihn zu mildern? Wie viel leichter wäre mir mein oft so mühevolles Tagwerk geworden, hätte Sie mit einem freundlichen Trostworte, mit einem Lächeln der Anerkennung mich zu neuer That- kraft angespornt! Nun, sie hat's längst überstanden und schläft den ewigen Schlaf, der Alles vergessen macht, darum will ich nicht auf sie schmähen, und im Uebrigen war sie auch ein braves Weib. Friede ihrer Asche!" —
Ich kann wohl sagen, daß trotz des zwischen uns bestandenen Mißverhältnisses mein Schmerz tief und aufrichtig war. Ich war untröstlich, nicht sowohl darüber, daß die Arme ihr Leben an meiner Seite unter Noch und Entbehrungen vertrauert hatte, als daß es mir nicht mehr vergönnt war, sie für alle jene trüben Tage zu entschädigen. Doch mit dem Schicksal läßt einmal nicht recht richten. Nachdem ich meine letzten Pflichten gegen sie erfüllt hatte, beschloß ich, die Hauptstadt zu verlassen und fortan auf dem Lande meinen Aufenthalt zu nehmen. Meine Wahl siel auf dieses Städtchen, das mir sowohl wegen seiner Lage, als auch wegen seiner Bewohner zusagte. In Bezug auf letztere habe ich mich, freilich getäuscht. Die Menschen sind auch hier eben nicht anders wre -diejenigen, welche ich verlassen habe."
Elisabeth hatte ihre rechte Hand zutraulich auf die Schultern des Geliebten gelegt. „Sei hinfort nicht mehr böse auf Deine Mitmenschen, lieber Albert!" flüsterte sie. „Du wirst sie lieben lernen, wenn Du sch^n-wir-st, daß auch mancher edle Keim unter dem Unkraut emporstrebt. Es wird die schönste Aufgabe meines Lebens sein, den bösen Geist in Deinem Herzen zu
neseu gefallen. Ein Telegramm des Reuter'schen Bureau's meldet: „Am - 17. d. Mts. griffen 3000 Mann chinesische Truppen Haidphong an; die Franzosen, unterstützt durch ein Kanonenboot , leisteten 7 Stunden lang Widerstand, bis die Chinesen sich zurückzogen. Die Franzosen hatten 20 Todte und Verwundete. ' '
— In Canton treffen fortgesetzt Verstärkungen für »die chinesischen Truppen ein.
— Der neue spanische Botschafter, Marschall Serrano, überreichte dem Präsidenten Grevy sein Beglaubigungsschreiben unter Ausdruck der aufrichtigsten Wünsche des Königs Alfons für das .Glück und die Wohlfahrt Frankreichs.
England.
London, 20. Nov. Einer Meldung aus Zanzibar zufolge, ist das englische Kriegsschiff „Dryad" daselbst aus Madagaskar angekommen mit der Nachricht, daß die an der Nordküste Madagaskars gelegene Stadt Votie- mar ohne vorherige Ankündigung am 8. November von einem französischen Kriegsschiff bombardirt worden sei. Bei dem Bombardement seien fünf Engländer getödtet und viel Eigenthum dort wohnender neutraler Staatsangehöriger zerstört und geplündert worden.
Spanien.
Madrid, 20. Nov. Bei der gestrigen Eröffnung der Rechtsaka demie hielt Präsident Romero Robledo eine im Lobe der Monarchie gipfelnde. Rede. König Alfons erwiderte, nachdem er den anwesenden deutschen Kronprinzen gerühmt und als Schüler der Universität Bonn bezeichnet hatte, daß der innere Friede und die Gerechtigkeit im Könige stets einen energischen- Vertheidiger finden würden. Sollte dazu unglücklicherweise die Anwendung äußerster Mittel erforderlich sein, so werde er seine Pflicht zu erfüllen wissen im Bewußtsein, daß Männer wie die Akademiker seiner Fahne folgten, auf welcher die Worte: „Friede, Arbeit, Gerechtigkeit, Ordnung und Freiheit" stünden. Die Rede erhielt großen Beifall. Es ertönten begeisterte Eoivas auf den König, die Königin, den deutschen Kronprinzen und die Kronprinzessin.
Tages - Neuigkeiten.
>V. 6. Stuttgart, 20. Nov. Polizei-Inspektor Kern, der die Spuren der drei noch nicht verhafteten Mordgesellen verfolgt hatte, ist unverrichteter Dinge wieder hieher zurückgekehrt. Bereits ist die Vermuthung ausgesprochen worden, daß der in Pforzheim Verhaftete nicht blos einen unrichtigen Namen in Betreff seiner selbst, sondern auch in Betreff seiner Mitschuldigen angab, sowie daß er, um ihnen die Flucht zn erleichtern, absichtlich auf eine falsche Fährte geführt habe. Dieß wird nun durch den Inhalt eines dritten Nachtrags zu dem Steckbrief bestätigt. Hiernach heißt der Verhaftete nicht wie er anfänglich angegeben Ernst Baum von Chemnitz, sondern ist der Schreiner Michael Kumitsch aus Cernik in Slavonien, der im Mai d. I. wegen socialistischer Umtriebe aus Wien weggewiesen wurde.
Pforzheim, 20. Nov. Heute in der Früh tödtete, wahrscheinlich in Geistesstörung, ein Bewohner des 1',? Stunden von hier entfernten Dorfes Ersingen seine Frau und sich dann selbst durch mit einem Rasir- messer geführte Schnitte in den Hals.
Bruchsal, 25. Nov. Im Gasthaus „Zum Kopf" hier wurde gestern Abend ein Reisender auf Grund des Signalements der Stuttgarter Raubmörder und in Folge seines Benehmens, insbesondere seines auffälligen Geldausgebens, verhaftet. Der Verhaftete ist heute photographirt und das Bild an die Staatsanwaltschaft nach Stuttgart abgesendet worden.
Steinheim a. d. M., 25. Nov- Als Ergänzung zu dem Artikel aus Steinheim in einer der-letzten Nummern muß noch folgendes uach- getragen werden. Als der Waldbauer seinen Wagschein abgegeben hatte,
bannen, Dich heiter und gesellig zu stimmen, denn niemals soll der Mensch extrem sein, stets die goldene Mittelstraße inne halten. Solltest Du aber finden, daß mein Umgang Dir genügt, daß ich Dir vollständig die Welt ersetze, der der Mann vermöge seines geistigen Strebens ja stets angehört, und und die Du ja nur aus Uebermüdung und Abspannung flohest, — nun, dann wollen wir, wie Lessing sagt, das schönste, lieblichste, glücklichste Plätzchen auf der Gotteswelt aufsnchen und wie Paul und Virginie nur unserer Liebe leben."
„Ja Elisabeth!" rief er entzückt, „ich habe die volle Ueberzeugung, daß mein Streben in Dir seine Begrenzung gefunden haben wird. Sei es, wie Du sagst. Genug habe ich von der Welt gesehen, um sie ohne Schmerz vergessen zu können/ Und Du mit Deinem großen schönen Herzen, mit Deinem reichen tiefen Gemüthe wirst fortan meine Welt sein. Das Studium Deines Herzens, das wie ein idyllisches Buch mit tausend poesiereichen Blättern vor mir aufgeschlagen liegt, wird die. Begierde, von dem schalen Treiben, dem nichtigen Wesen Anderer Etwas zu erfahren, nicht aufkommen lassen. Und auch Du wirst an meiner Seite keine Ermüdung fühlen. Ich denke, daß mein Geist stark genug ist, um den Deinen entwickeln zu können. Wir wollen die Anlagen und Talente, die ein gütiger Schutzgeist uns verliehen, bilden und pflegen, aber nur, um unsere Umgebung reizend zu stimmen, uns gegenseitig zu erfreuen, oder die wenigen Menschen zu beglücken, die es verstehen werden, sich unsere Liebe zu erwerben. Folge mir denn, Geliebte! fort aus dem rauhen Norden nach dem schönen, sonnigen Süden. Wohin Du willst, am Genfer See oder am Golf von Neapel, nach den Orangenhainen Italiens oder nach den Palmenwäldern Aegyptens, nur fort von hier, wo meine Seele von dem eisigen Gefühl des Menschenhasses durchschauert wird. Die Welt wird ja auch'ohne uns ihren Gang gehen. Die edelsten Menschen werden nach wie vor ihre schönen, humanen Ziele verfehlen, und die Bösen werden nach wie vor Gift und Zwietracht säen. Darum fort! fort! nicht wahr? Du bist mit einverstanden, Geliebte? Wir reisen sobald als möglich!"
, Fortsetzung folgt.