Htro. 140
58. Jahrgang.
Amts^ unä InteüigenMatt für äen Kezirh.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag.
Die SinrückungSgcbühr beträgt 9 ^ für die vielfältige Zeile oder deren Raum.
Tonnerstag, den 29. November L88L
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 sonst in ganz
Württemberg 2 70
„Calwer Wochenblatt"
für Dezember ladkt Irdkmaml m Stadl uad Laad ftkuudlichst kiv
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Amttiebe Aebarmtmaekungen.
Calw.
Amtsversammlnng.
Am Samstag, den 1. Dezember d. I., Bormittags S Uhr,
findet eine Sitzung der Amtsversammlung auf hiesigem Rathhaus statt, bei welcher nach dem bestehenden Turnus die Gemeinden Calw, Aich- Halden, Altburg, Althengstett, Bergorte, Breitenberg, Dachtel, Deckenpfronn, Gechingen, Hirsau, Holzbronn, Liebenzell, Möttlingen, Oberkollbach, Oberreichenvach, Ostelsheim, Simmozheim, Speßhardt, Stammheim, Unterhaug« stell, Würzbach stimmberechtigt sind und zwar Calw mit 7, Deckenpfronn, Hirsau und Stammheim mit je 2 Stimmen, die übrigen Gemeinden mit je 1 Stimme.
Zur Verhandlung werden folgende Gegenstände kommen:
1) Mittheilung des Ergebnisses der Abhör der Amtspflegerechnung pro 1883/84.
2) Vortrag der Rechnungs-Ergebnisse der Amtspflege pro 30. Sept. 1883.
3) Einführung eines einheitlichen Formulars für die Anfertigung des Gats der Amtspflege.
4) Verlängerung des mit der Stadtgemeinde Calw abgeschlossenen Vertrags über die Mitbenützung des dortigen Krankenhauses für Korpo- rativnszwccke.
5) Verwiüigung eines Beitrags zur Einrichtung eines Postwagenkurses zwischen Dachtel und Calw.
6) Besprechung des derzeitigen Standes der Naturalverpflegung armer Reisender. Beitritt zum Verein für Arbeiterkolonien in Württemberg.
7) Mittheilung der Beschlüsse der Landarmcu-Commission seit 1. April d. I.
8) Wahlen und zwar:
s) des Ausschusses zur Auswahl der Schöffen und Geschworenen nach H 40 und 87 des Gerichts-Verf.-Ges. und Art. 20 des Ges. vom
24. Jan. 1879 (Reg.-Bl. S. 7).
d) der Schützer zu Ausführung des Reichs-Gesetzes v. 23. Juni 1880 betr. die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen. (Württ. Ausführungs-Ges. Art. 9.)
o) der Sachverständigen zur Abschätzung des bei Truppenübungen entstehenden Flurschadens.
9) Eine Reihe weiterer Gegenstände von untergeordneter Bedeutung.
Die Ortsvorsteher der nicht stimmberechtigten Gemeinden sind eingeladen, der Amtsversammlung mit berathender Stimme anzuwohnen.
Den 27. Nov. 1883.»
K. Oberamt.
F l a x l a n d.
Politische Nachrichten.
Deutsches Reich.
— Die Nachrichten über die Aufnahme des deutschen Kronprinzen im Lande der Kastanien lauten übereinstimmend andauemd günstig. Sogar die französischen Blätter müssen sich zu einer Bestätigung verstehen mögen sie sich noch so sehr drehen und wenden; obwohl sie in Valencia wie zuvor in Genua einzelne Pfiffe gehört haben, so können sie doch den allgemeinen Beifall und die „laute und sympathische Auf, nähme" nicht unterdrücken. Die Parade, die der Kronprinz im Beisein des Königs Alfons, der Königinnen Christine und Jsabella und des ganzen glänzenden Hofstaates, über die Madrider Garnison abnahm, verlief vortrefflich. So steht denn zu hoffen, daß diese Reise nicht vergeblich unternommen sein, sondern ein neues Band knüpfen wird zum Ziele der Erhaltung und der Befestigung des europäischen Friedens.
— Das preußische Abgeordnetenhaus hat am Montag seine eigentliche Arbeit begonnen. Der Gat, der Hauptgegenstand jeder Session, ist das erste Objekt des parlamentarischen Redekampfes, in welchem die kühnsten und gewiegtesten Streiter aller Parteien auf die Wahlstatt treten.
— Die letzten Wochen haben eigenthümliche „Attentäter" gezeugt. Zu dem Bismark-Attentäter mit Lied und Spritze hat sich der sonst Backwaaren austragende Ferry-Attentäter gesellt, der in einer Kanzleistube seine Mordthaten gegen Ferry deklamirt und die Beamten fragt, wann eigentlich der französische Ministerpräsident seine Sprechstunden für
(Nachdruck verboten.)
Dnrch Liebe erlöst.
Original-Novelle von Karl Zastrow.
(Fortsetzung.)
„Um alles Nöthige zur Hebung unseres. Geschäfts zu thun und um unser Verhältniß noch intimer zu gestalten, heirathete ich die Schwester meines Compagnons, welche seit dem Bestehen der Handlung als Verkäuferin gewirkt hatte. Die Dame stand nicht mehr in der ersten Jugendfrische, war weder schön noch häßlich, schien aber das Geschäft gründlich zu kennen und war dabei von peinlicher Ordnungsliebe, sparsam und häuslich. Was konnte ich mehr verlangen, als eine gute Hausfrau für den Herd, den ich mir gegründet? Wähnte ich doch das heilige Feuer der Liebe für immer in meinem Herzen erloschen und war der festen Ansicht, daß es sich auch ohne Liebe in der Ehe recht gut leben lasse, wenn nur jeder Theil in ausreichendem Maße seine Schuldigkeit thue. Genug, ich war zufrieden, beinahe glücklich in dem Gedanken, eine auskömmliche, gesicherte Existenz zu haben, und fragte nicht danach, wie es hätte sein können, wenn meine zu Grabe getragenen jugendlichen Illusionen sich verwirklicht hätten. Leider war meine Freude von kurzer Dauer. Wenige Tage, nachdem ich die letzte Rate meiner Antheils- summe in guten Papieren eingezahlt hatte, war mein sauberer Herr Socius verschwunden. Er hatte den vorhandenen, geringen Waarenbestand Tags vorher, ohne daß ich oder meine Frau eine Ahnung davon gehabt, zu Gelbe gemacht und war mit dem Erlös, sowie mit meinem ganzen Vermögen und einigen anderen Werthgegenständen auf und davon gegangen. Was half es mir, daß ich in ohnmächtiger Wuth mit den Zähnen knirschte, daß ich eine Fluth von Vorwürfen und Beschuldigungen auf das arme Weib häufte, das mir mit heißen Thränen seine Unschuld betheuerte? Ich war und blieb der Betrogene, und von dem gestohlenen Gute schaffte ich dadurch keinen Pfennig wieder herbei. Obwohl ich die Sache sogleich der Kriminalpolizei anzeigte,
blieben doch alle Nachforschungen nach dem Betrüger erfolglos, und ich mußte es sogar noch erleben, des betrügerischen Bankerottes und des Einverständnisses mit jenem Hallunken beschuldigt zu werden, denn kaum einen Tag später lief mir eine ganze Schaar von Gläubigern das Haus ein, und nun kam's heraus, daß die Schulden, mit denen das Geschäft überladen war, die vorhandenen Activa beinahe um das Dreifache überstiegen. In den Büchern, die der Gauner mir vorgelegt hatte, waren falsche Eintragungen enthalten, und alle Angaben über den guten Fortgang des Geschäfts erwiesen sich als ebenso grundlos. Meine Frau betheuerte mir wiederholt unter Jammern und Wehklagen ihre Unschuld. Sie behauptete, durchaus keine Kenntniß von der Sachlage gehabt zu haben, da ihr Bruder die Hauptbücher selbst geführt und ihr nie einen Einblick in seine Correspondenz und in die Caffen- angelegenheiten gestattet habe. Nichtsdestoweniger wurde ich zur Untersuchung gezogen und vom Staatsanwalt die Anklage wegen Betrugs g?gen mich eingeleitet. Das Geschäft lautete auf meinen Namen, — ich war mithin für alle Inkonsequenzen verantwortlich. Einige falsche Wechsel, die der Betrüger in meinem Namen ausgestellt und auch mit meiner Unterschrift versehen hatte, wurden mir an demselben Tage präsentirt, an welchem meine Abführung in die Untersuchungshaft erfolgte. Gerade das fehlte noch, um mich vollends in Verzweiflung zu jagen. Allein es gelang mir, die Geschworenen von meiner Unschuld zu überzeugen. Ich wurde freigesprochen, „wegen Mangels an vollgiltigen Beweisen", hieß es. Die wenigsten meiner Gläubiger glaubten an meine Unschuld. Selbst dann waren sie nicht überzeugt, als ich den Rest des Wenigen, was ich besaß, verkaufte und den Erlös nach dem Verhältniß ihrer Ansprüche unter sie vertheilte. Ich habe nun einmal nicht jenes Etwas in meinem Aeußern, was die Leute besticht, ihnen schmeichelt und gefällt. Sie hielten mich für einen tückischen, verschlossenen Duckmäuser und wollten mir kein Vertrauen schenken. Ich schwieg denn auch, als ich sah, daß ich nichts ausrichtete und ließ sie glauben, was ihnen gut dünkte.
„Arm, von Allem entblößt, was zum Leben nothwendig erforderlich ist, miethete ich mit meiner Gattin in einer kleinen Hofwohnung der Vaterstadt ein. Jahre des Elends, der bittersten Noth kamen. Gott ist mein Zeuge.