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Lage Oesterreich-Ungarns nach Außen und Innen erscheint zur Zeit in einem ziemlich günstigen Licht. Die Ratificationen der orientalischen Eisenbahn- Verträge sind aus Constantinopel, Sophia und Belgrad eingetroffen, man­cherlei Schwierigkeiten, welche denselben entgegenstanden, sind geradezu spie­lend beseitigt worden. Auch in dem Verhältniß zu Rumänien vollzieht sich gegenwärtig ein erfreulicher Umschwung.

Frankreich.

Bei dem ihm zu Ehren gegebenen Bankett in Rouen hielt der Ministerpräsident Ferry eine Rede, in welcher er besonders warm des Prä­sidenten Grvvy gedachte, welcher in der republikanischen Verfassung die repu­blikanischen Principiender Festigkeit und Würde vertrete, niemals die Gren­zen seiner Vollmacht überschritten habe und sich persönlich ins Mittel legte, als es galt, eine Schwierigkeit zu beseitigen, welche er selbst nicht verursacht hatte. Das JournalAntiprussien" ist auf Verlangen des neuen Kriegsministers Campenon verboten worden. Casimir Perier ist zum Unterstaatssekretär ernannt worden.

England.

Der chinesische Gesandte, Marquis Teng, empfing am Sonnabend in Falmouth eine Adresse des dortigen Stadtrathes und sagte in seiner Erwiderung, er hoffe, daß durch gegenseitige Nachgiebigkeit eine be­friedigende Lösung des Conflikts mit Frankreich herbeigeführt werde, für seine Person würde er Alles dazu beitragen, einen kriegerischen Ausgang der Verhandlungen zu vermeiden. Der in Ulster, dem loyalen Theile Ir­lands in Scene gesetzte Triumphzug der engl. Conservativen und die daselbst seitens der letzteren gehaltenen Reden, geben der irischen National- Liga zu neuen heftigen Angriffen Veranlassung. Das Comitee der engl. Rheder, welches aus Anlaß der Suez-Canalfrage niedergesetzt wor­den war, hat die englische Negierung ausgefordert, die Angelegenheit nicht in ihrem gegenwärtigen, unbefriedigten Zustande zu belassen, sondern unge­säumt alle Schritte einzuleiten, welche zur Erleichterung des Verkehrs unbe­dingt erforderlich sind.

Spanien-

Das neue Ministerium hat ein Rundschreiben an die Prä­fekten erlassen, in welchem es betont, daß es die Preßfreiheit und Versamm­lungsfreiheit schützen, die Civilehe und das Geschworenengericht wieder ein­führen und Maßregeln treffen werde, die Freiheit des Unterrichts zu sichern. Auch werde ein Zollvereinsvertrag mit Portugal und ein Handelsvertrag mit England abgeschlossen und die Armee re- organisirt werden, um in Zukunft die Ursachen der militärischen Aufstände zu beseitigen.

China.

Der zwischen Frankreich und Anam abgeschlossene Vertrag wird in seinem Wortlaute jetzt veröffentlicht. Unter anderen soll die Verwaltung der Zölle von französischen Beamten geführt werden, ebenso wird Frankreich die zur Erhaltung der ungestörten Circulation ans dem rothen Flusse erforderlichen Veranstaltungen treffen, auch die Garantie für die vollständige Integrität Anams übernehmen und den König gegen alle Angriffe von Außen und gegen alle Aufstände im Innern beschützen. Wie Berichte aus Kanton melden, befürchtet man dort noch immer eine Blokade durch die Franzosen, weßhalb die Handelsstockungen daselbst zunehmen.

Amerika.

In Port au Prince (Hayti) ist die Revolution ausge­brochen. Die Stadt ist geplündert und die Hälfte der Häuser durch Brand­stiftung und Bombardement zerstört. Viele Personen sind dabei ums Leben gekommen. Zum Schntze der Ausländer sind fünf fremde Kriegsschiffe im Hafen eingelaufen. In San-Domingo versuchte ein Individuum den Präsidenten der Republik zu ermorden. Der Präsident tödtete den An- greifer jedoch mit einem Pistolenschuß._

Tages - Neuigkeiten.

Vom 1. November d. I. an wird die Gemeinde Igels loch, OA. Neuenbürg, mit ihren Parzellen Sägmühle und Untsr-Koll- bach vom Bestellbezirk des Postamts Liebenzell abgetrennt und demjenigen des Postamts Calw zugetheilt.

VV. 6. Stuttgart, 15. Oktober. Ueber unsere Weinlese für welche die Aussichten sehr günstig sind und die nach der amtlichen Fest.' setzung morgen allgemein beginnen soll, vernehmen wir von berufener Seite daß wenn die Witterung, wie sie sich feit mehreren Tagen gestaltet hat, noch anhält, die wenigsten Weinbergbesitzer sich sehr damit beeilen werden, wenn nicht ein Umschlag zur Nässe und Kälte eintritt, mittlerwelle befindet sich aber neuer Wein genug hier im Ausschank, zumeist bis jetzt aus der bayeri­schen Rheinpfalz und aus dem Remsthale. Der letztere ist ebenso beliebt wie der zuerst gekommene aus der Pfalz; aus Fellbach und anderen Orten ist ziemlich vieles und gutes Gewächs im Handel von den Frühsorten. Da­bei hat aber die Obstmostbereitung so kolossale Dimensionen angenommen wie kaum je früher. '

Auf dem Hopfenmarkt ging es heute lebhaft zu. Am Markt waren nur 60 Ballen, welche rasch an Händler und Bierbrauer vom Lande zu 140160 -//L verkauft wurden. Ein kleiner Posten ging nach Jerusalem.

Nachdem nun der Schreinerstreik definitiv zu Ende und Alles wieder zur Arbeit und Ordnung zurückgekehrt ist, wurde, wie wir hören, Rechnung gestellt, wornach im Ganzen 22,600 ^ für die Streikenden eingegangen und bis auf 2000 ^ verwendet sind. Letztere 2000 stehen noch zur Verfügung und soll noch kein Beschluß gefaßt sein, was mit diesem Betrag anzufangen sei. Vielleicht kann ein Theil bei den kommenden Gemeinde­rathswahlen Verwendung finden. Die Schreiner sollen nämlich beschlossen haben, bei der nächsten Gemeinderathswahl, die ohne Zweifel im kommenden Monat Dezember stattfindet, als geschlossene Phalanx aufzutreten, um einen oder zwei Gemeinderäthe in der Wahl durchzubringen, welche im Kollegium entschieden die Arbeiterinteressen vertreten. Zu diesem Behufs wollen sie sich mit Arbeitern auch anderer Geschäfte in Verbindung setzen.

Von der Nagold, 9. Okt. Die Kirchspielsgemeinden Altenstaig Stadt und Dorf, Simmersfeld mit Filialen u. a. hatten feit alten Zeiten verschiedene Gerechtsame in den im Bezirk gelegenen 10,962 Morgen großen Kirchspielswaldungen zu genießen. Durch einen Vertrag vom Jahr 1830 begaben sich die betreffenden Gemeinden ihrer Vorzugsrechte in diesen Wäl­dern mit Ausschluß des Weiderechts. Noch in den 60er Jahren wurde das Recht der Viehweide in den betr. Wäldern namentlich auf badischem Gebiet ausgeübt, jedoch durch die Ausdehuung forstwirthschaftlicher Kulturen mehr und mehr beschränkt. Die Sache bildete seit Jahren einen Streitgegenstand Vor Kurzem ist nun eine Vereinbarung zwischen der K. Forflverwaltung und den Gemeinden dahin zu Stande gekommen, daß den betreffenden Gemeinden eine Ablösungssumme von 6500 /L gereicht wird.

Leonberg, 13. Oktober. Im hiesigen Bezirke kam in letzter Zeit mehrfacher Wildschaden besonders in Kartoffeläckern, verurfacht von Wild­schweinen, vor. Heute haben nun die hiesigen Jagdpächter einen Keuler Prachtexemplar 267 Pfund im Gewicht, geschossen, 4 Schützen haben ihn um­kreist. Bei dem 6ten Schüsse ist er erlegen. Auch in Warmbronn wurde heute von Kienle ein Wildschwein erlegt. Dasselbe im Gewicht von 163 Pfund ausgenommen, ist von Restaurateur Hauser, Stuttgart, Eberhardstr., angekauft worden. Außerdem sind noch 3 einjährige Frischlinge beobachtet worden.

Owingen, 14. Oktbr. Vor einigen Tagen brachte D. Weißhaar von hier mit einem Schluck süßen Mostes eine Wespe in den Mund, die wenn auch sofort wieder entfernt, doch Zeit fand, ihm in der Gegend des Zäpfchens einen Stich beizubringen. Der ganze Rachen und Hals schwoll sofort an und nur durch dre Hilfe eines Arztes, der die Geschwulst spaltete und äzte, konnte die Erstickung abgewendet werden.

Eßlingen, 16. Okt. Fünfzig Jahre im Amte mit Ehren, fünfzig Jahre im Ehestande in Eintracht, ist immerhin ein seltener Fall und gibt Anlaß zu festlicher Begehung.^ Der Polizeiwachtmeister hiesiger Stadt, Friedrich Wäger, geb- 1805, ein Sohn unserer Filiale, trat im Jahre 1833, nachdem er 6 Jahre Soldat gewesen, als Polizeisoldat in städtische Dienste und schloß am 15- Okt. 33 den Ehebund mit Katharine, geb. Sey- boldt. Aus dieser Ehe sind 2 Söhne und 4 Töchter entsprossen, die mit 11 Enkeln den engeren Familienkreis bilden. Beide Eheleute, die Frau ist 1810 geboren, sind noch rüsüg und gesund. Der Mann, der rasch zum Polizeiwachtmeister vorgerückt fft und daneben das Amt eines Wasservogtes

was in ihre Nähe kommt. Sie dünkt sich über ihr Geschlecht erhaben und ist doch von dem größten Fehler desselben nicht frei, der Eitelkeit. Sie ist sogar in einem gewissen Grade kokett. Sie versteht es, eine Liebenswürdig­keit zu heucheln, von der ihr Herz nichts weiß, scheint ein müßiges Vergnügen, eine Unterhaltung darin zu finden, Herzen an sich heranzuziehen, um ste als­dann mit kalter Grausamkeit wieder von sich zu stoßen. Man erzählt sich in dieser Hinsicht eine kleine Geschichte, die allerdings schon vor etlichen Jahren spielte, die ihr aber, wenn man auch ihre Jugend dabei berücksichtigt, gerade nicht zur Empfehlung gereicht. Ein junger, geschickter Handwerker, Ignaz Brand, hatte eine schwärmerische Liebe für das schöne, kalte Geschöpf ohne Seele gefaßt. Jedenfalls hat sie ihn dazu aufgemuntert, wenngleich es von verschiedenen Seiten in Abrede gestellt wird. Als er, von seiner heftigen Leidenschaft getrieben, ihr mit glühenden Worten seine Liebe gestand, mit heißen Thränen, auf den Knieen, um Gegenliebe flehte, antwortete sie ihm mit einem schallenden Hohngelächter, und der junge Mensch beschloß sein Leben in einem Jrrenhause. Man sollte es kaum für möglich halten, aber es ist eine Thatsache!"

Eine neue Giftblüthe im Garten der Menschheit!" murmelte Stein­fels.

Was sagen Sie?" fragte Berner mit einem raschen Aufblick.

Ich meinte nur, Sie scheinen das Fräulein gründlich zu kennen", antwortete der Andere, sich 'aus seinen Sinnen gewaltsam aufraffend.

Ich traute meinem eigenen Urtheile nicht, und das war eben die Verfassung zu der Frage, die ich vorhin an sie zu richten mir erlaubte. Ich weiß nicht, wie es kommt, aber Sie scheinen mir ein Mann von tiefem

Verständniß in derartigen Dingen, jedenfalls mußte ich Sie nach Allem, was ich von Ihnen sah und hörte, für einen großen Menschenkenner halten, und"

Menschenkenntniß ist noch lange keine Frauenkenntniß", unterbrach ihn Steinfels,aber Sie mögen im Allgemeinen Recht haben, man zieht sich nicht, wie ich es thue, von den Menschen zurück, wenn man sie nicht genau kennt."

Das war meine Ansicht", versetzte Berner.Nun hören Sie werther Herr Steinfels. Mein Interesse für Fräulein Ottilie ist noch immer nicht erloschen. Sie ist im hohen Grade verbildet, das ist schon war. Sie hat Ansichten, die der Statur des Weibes geradezu widersprechen, aber diese An­sichten entspringen aus ihrem Kopfe, und werden weichen, sobald ihr Herz zu sprechen beginnt. Glauben Sie nicht, daß die Liebe dieses kalte, sirenen- hafte Geschöpf veredeln könnte?"

Steinfels schüttelte den Kops.Ich halte ihr Herz von ihrem Ver­stände zu gut bewacht," gab er zur Antwort,als daß sich noch die Liebe hineinschleichen könnte. Wenn es dennoch möglich wäre, o ja. Die wahre, ächte Liebe veredelt stets. Es dürfte kaum eine Jungfrau geben, die nicht einige Fehler ablegte und einige Tugenden annähme, wenn die beiden großen Epochen ihres Lebens eintreten, nämlich wenn sie Gattin und wenn sie Mutter wird."

Das denke ich auch!" versetzte Berner sinnend.Aber wenn man nur wüßte, auf welche Weise man sich die Liebe dieses Mädchens erwerben, könnte."

(Fortsetzung folgt.)