266

Kriegsminister Campenon eine Rede, worin er unter Anderin sagte: Predigt die geheiligte Liebe für das Vaterland, dessen Wunden noch bluten und welches nie mehr die Ergebenheit aller seiner Kinder nothwendiger ge­habt, als eben jetzt. Armand Carrel sagt, ein Volk kann verlassen, besiegt sein, kann aber groß und stark bleiben, wenn es das Gefühl des Schmerzes seiner Niederlage empfindet. Vergißt es und anbequemt sich das Gefühl, dann ist es um dasselbe geschehen. Frankreich, fährt Redner fort, hat nicht vergessen; Frankreich hat trotz der verleumderischen Insinuationen gegen Nie­manden Hintergedanken des Angriffes, aber Frankreich ist immer bereit, wieder einig zu sein und sein Blut für die Verteidigung seines Rechtes, seiner Ehre und Unabhängikeit zu vergießen."

S tuttgart, 5. Juni.

Ter Landtag ist heute durch Königliches Reskript auf unbestimmte Dauer vertagt worden.

Tages - Neuigkeiten.

Teinach, 4. Juni. Am gestrigen Sonntage fand im festlich ge­schmückten großen Saale des hiesigen Badhotels eine Versammlung des Schwarzwälder Zweigvereins des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg unter dem Vorsitze seines Vorstandes, des Universitäts.-Prof. vr. Eimer von Tübingen statt. Nachdem vr. Wurm die erschienenen Mitglieder und Gäste willkommen geheißen, schilderte derselbe in längerem Vortrage die geognostischen, botanischen, zoologischen und archäologischen Verhältnisse der Gegend, neuere Forschungsresultate und manche Nutzanwendung einstreuend. Eine vielseitige Erörterung, an welcher sich Prof. Eimer, Prof. Hartmann von Stuttgart und vr. Mühlberger von Her- renalb betheiligten, ergab unter Anderem den praktischen, vom Verein gut­geheißenen Beschluß, daß vr. Wurm Behufs wirksamen Vogelschutzes eine Petition ausarbeite, mit welcher die Vogelfreiheit revierender Katzen oder eine allgemeine Katzensteuer, sei es im Verordnungswege, sei es mittelst des Reichsgesetzes über den Vogelschutz, angestrebt wird; Vereine ähnlicher Ten­denz sollen zur Mitunterzeichnung eingeladen werden. Es ist um so eher ein Erfolg von diesen Bestrebungen zu hoffen, als die Abschußlisten aus Oester­reich, Bayern, Sachsen, Preußen rc. schon längst alljährlich eine große An­zahl also beseitigter Katzen aufführen, und als der durch sie verursachte Schaden an der Vogelwelt u. s. w., besonders seit sie durch die Bahnwärter­wohnungen über das früher mehr verschonte platte Land verbreitet wurden, dem Beobachter immer erschreckender entgegentritt, vr. Mühlberger gab eine sehr eingehende und lebendige Schilderung der Farne des Schwarz­walds, ihrer Standorte u. s. w. Zwei solcher Farne, Osmunäa ro^sUs und ?c>I^pockium alpostrs, sind sogar dem Schwarzwalde eigenthümlich. Hierauf beschrieb, von einer naturgetreuen Zeichnung unterstützt, Professor Klunzinger von Stuttgart eine auffallend von der gewöhnlichen Form abweichende Forelle, deren Unterkieferbildung lebhaft an den Hakenlachs erin­nert. Es wurden dann innere Vereinsangelegenheiten erörtert; so die Stel­lung des Zweigvereins zum Hauptvereine, in welcher Richtung der Vorstand weitere Unterhandlungen einleiten wird. Mit der Neuwahl des Vorstandes und des Ausschusses, welche, mit Ausnahme der Berufung des Prof. vr. v. Nördlinger in den letztem, die bisherigen Vertreter wieder ergab» schloß die Versammlung. Einige mineralogische und ornithologische Gegenstände hatte vr. Wurm ausgestellt. Als Ort der nächsten Versammlung wurde Neuen­bürg bestimmt. Schw. Merk.

>v. 0. Stuttgart, 5. Juni. Der Preßprozeß Wieland contra Pfau und Haußmann hat heute mit der 2ten Verurtheilung der beiden letzter» durch die Strafkammer des K. Landgerichts hoffentlich seinen Abschluß gefunden. Wenigstens sollte man denken, daß diese beiden Herren an der Berufung genug haben. Pfau hat statt der 8 Tage der ersten Instanz (Schöffengericht) 4 Wochen und Haußmann statt der 50 nunmehr 100 Geldstrafe erhalten. Auch sind beide solidarisch in die Kosten, auch in die nothwendigen der Klägers, zur Einrückung des Erkennt­nisses in denBeobachter" verurtheilt, wie auch die Konfiskation der be­treffenden Nummer desBeobachters" ausgesprochen worden ist. Der Ge­

richtshof nahm das Schutzvorbringen Pfaus nicht an, daß der incriminirte Artikel in der ersten Aufregung geschrieben worden; nach der langen Zeit von über 2 Wochen, die zwischen dem Artikel desStaatsanz." und dem desBeob." verstrichen waren. Ebenso ist nicht angenommen, daß die Art. des St.-A. für Pfau persönlich beleidigend waren, da ihr Inhalt nur eine principielle und fachliche gewesen gegen den Artikel derNeckarztg.", als des­sen Verfasser Pfau nicht genannt war, Prof. Wieland den Namen desselben also nicht kennen konnte. Dagegen waren die Artikel oder vielmehr der Artikel imBeobachter" gegen Wieland im höchsten Grade persönlich belei. digend. Also nur gereizt konnte Pfau etwas gegen den St.-A. sein, nicht aber zu Injurien gegen Prof. Wieland berechtigt, den er somit vorsätzlich und rechtswidrig beleidigte.

Stuttgart, 5. Juni. Gestern Abend fand im Lokal von Ferdi­nand Weiß eine allgemeine Schreinerversammlung statt, in welcher über die in verschiedenen Städten ausgebrochenen Strikes diskutirt wurde. Vorsitzender Cloß theilte unter Anderem mit, daß in Berlin die Arbeitseinstellung der Schreiner eine partielle sei, daß in Frankfurt ein Strike bevorstehe und daß auch hier in Stuttgart die Verhältnisse unhaltbar seien.

Stuttgart, 5. Juni. Im Nill'schen Thiergarten sind gestern aus Marseille zwei prächtige Exemplare von Riesenschlangen eingetroffen, eine 3'/g Meter lange Anacorda (Wasserschlange) und eine Boa Constriktor (Ab­gottschlange) von wunderbarer rosa-rother Färbung.

Eßlingen, 3. Juni. In 8 Tagen werden hier schon Frühkirschen und in 14 Tagen bis 3 Wochen allgemein die Kirschen reif sein. Ebenso sind die JohanniKträubchen in 814 Tagen genießbar, und schon vor 6 Tagen wurden im Freien gereifte Erdbeeren gezeigt.

Ehingen, 3. Juni. Der glückliche Gewinner des 1. Treffers in der Stuttgarter katholischen Kirchenbaulotterie mit 20,000 ist der kinderlose Steinhauer Mich. Klotz von hier, 66 Jahre alt.

Göppingen, 3. Juni. Bei einer Hochzeit, die vor einigen Tagen im nahen W. abgehalten wurde, ereignete sich ein höchst unliebsamer Zwi­schenfall, indem der Bräutigam, als er eben seine Braut an den Altar ge­führt hatte von einem starken Unwohlsein befallen wurde, so daß er sofort nach Hause gebracht werden mußte, wo er noch jetzt bedenklich krank dar­niederliegt. Einem seiner Brautführer passirte dasselbe Mißgeschick.

Weingarten, 3. Juni. Ein Hagelschlag ist im Schussen- thal gottlob eine seltene Erscheinung. Heute Nachmittag um 2 Uhr brachte uns aber ein schweres Gewitter große Gefahr und auch Schaden. Die Ha­gelkörner fielen 10 Minuten lang in der Größe wie Taubeneier, und sie richteten, vereint mit einem heftigen Regen, an den Gartengewächsen, am Gras und Klee, besonders aber an den Hopsen, keinen kleinen Schaden an. Das Getreide dagegen hat nur wenig, die Obstbäume, die eine' seltene Menge von Früchten angesetzt haben, gar nicht gelitten.

Weingarten, 4. Juni. Das gestrige Gewitter hat zwar im Thal wenig Schaden verursacht, dagegen lauten die Nachrichten von den be­nachbarten Höhen schlimm. In mehreren Orten der Gemeinde Schlier, so in Oberankenreute, Wetzisreute, fiel in kurzen Zwischenräumen 4mal Hagel, der die Winterfrüchte fast ganz vernichtete, so daß die Aecker umgepflügt werden müssen. Auch ist das Futter vollständig zusammengeschlagen, und die Obstbäume stehen zum Theil ganz kahl da.

Langenburg, 2. Juni. Gestern stürzte in der ersten Nachmittags­stunde in dem benachbarten Weiler Rückershagen eine Scheuer ein und begrub sieben Stücke Rindvieh und ein Pferd unter ihren Trümmern. Glück­licherweise befand sich niemand von der Familie und dem Gesinde des Eigen« thümers in dem Gebäude.

Darmstadt, 2. Juni. Die Kommission zur Prüfung der Frage der Ueberbürdung der Schüler und Schülerinnen der höheren Lehranstalten hat sich u. A. dahin ausgesprochen,daß durch die obligatorischen Turn­stunden das Maß der Einwirkung der Schule auf die körperliche Entwick­lung der Schüler nicht erschöpft sei, letztere vielmehr außerdem durch Schwimmübungen, Schlittschulaufen, Spiele im Freien und periodische, min­destens monatliche Schulausflüge thunlichste Förderung erhalten müsse." Bei Erdarbeiten in Mainz wurden aus der Römerzeit ein Paar römische Schlittschuhe aus Horn aufgefunden.

Er hatte kaum seinen Monolog beendet, als der Kriminalbeamte sich lebhaft zu ihm wandte mit den Worten:Oeffnen Sie mir einmal vom Hausflur aus das Zimmer, in welchem der muthmaßliche Mörder die Nacht zugebracht hat."

Martin hatte Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. Er glaubte wohl gar, der Fuchs werde noch im Bau stecken? dachte er, indem er das Gesicht zu einem breiten Grinsen verzog. Indessen gehorchte er willig. Er drehte den Schlüssel, welcher im Schlosse steckte, herum und ließ den Beamten an sich vorüberschreiten. Als er jedoch wahrnahm, wie dieser, in der Mitte des Zimmers stehend, jeden in demselben befindlichen Gegenstand einer ange­legentlichen Musterung unterzog, wurde der grinsende Ausdruck seines Ge­sichts noch breiter.Wenn ich nur wüßte, was er hier noch sucht? Der Raubmörder ist ja doch schon über alle Bergei" kicherte er in sich hinein.

Sternberg ließ die brennenden dunklen Augen über den weißgescheuer­ten Fußboden gleiten. Das hatte er bereits vom Todtenzimmer aus gethan, um zu konstatiren, welchen Weg der muthmaßliche Mörder zunächst einge­schlagen. Das Ergebniß dieser Untersuchung war die Ueberzeugung gewesen, daß derselbe direkt durch die auf den Hausflur führende Thür den Ausgang genommen haben müsse. Diese Ansicht hatte er auch in dem Protokoll nie­dergelegt.

Die scharfen und nun in keiner Weise mehr träumerisch blickenden Augen flogen über die Dielen hin und her, bis sie auf einem feuchten hand­großen Fleck unmittelbar vor der Waschtoilette haften blieben. Jetzt nahmen die weichen Züge des jungen Mannes einen höchst gespannten Ausdruck an; >

er trat an den Fleck heran und betrachtete ihn mit der äußersten Aufmerk­samkeit.

Ein Wischfleck!" murmelte er,beinahe schon trocken! sollte es sich um die Vertilgung eines Bluttropfens gehandelt haben? Sollte der Mörder nach verübtem Verbrechen noch einmal hierher zurückgekehrt sein?"

Martin stand in der Thüre. Sein Auge folgte jeder Bewegung des Fremden mit jenem heimlichen Lachen, das ihm in seinem Verkehr mit den Stadtmenschen" zur Gewohnheit geworden. Es schien ihm einen gewissen Triumph zu bereiten, diesen unerfahrenen jungen Mann zu beobachten, der so wenig für seinen Beruf zu passen schien. Als jener jedoch den Deckel der Waschtoilette emporhob und mit einer Miene in das leere Waschbecken starrte, als gelte es, den Stein der Weisen zu entdecken, konnte Martin sich nicht länger halten, sondern brach in ein lautes Gelächter aus.

Sternberg wandte sich schnell um. Dann fragte er im ruhigsten und gleichmütigsten Tone von der Welt:

Wißt Ihr etwa, wohin der Mörder das Wasser gegossen hat, in dem er die Hände vom Blute gereinigt hat?"

Martin hielt mit Lachen inne. Nicht die Frage selbst, nur der ernste, würdevolle Ton brachte ihn in Verlegenheit. Obgleich er nicht einsah, wie ein so nebensächlicher Umstand zur Ermittelung des Verbrechers führen könne, fühlte er doch heraus, daß der Polizeibeamte seiner Pflicht im weitesten Umfange genügen wollte, und dazu war ja die Sache auch ihrem Wesen nach angethan.

(Fortsetzung folgt.)