58. Jahrgang.
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Nro. 65.
Amts- unä InteDgenzbkatt für äen Bezirk.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H für die vier- spaltigc Zeile oder deren Raum.
Donnerstag, den 7. Juni L88S
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 L, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 -4L 30 L, sonst in ganz Württemberg 2 -4L 70 L.
Amtkiekie Aekanntmaekiungen.
Calw.
An die Ortsoorsteher.
Diejenigen Ortsvorsteher, welche sich mit den Erledigungsberichten, bezüglich der Oberfeuerschaudefekte und Kaminfegerdefekte noch im Rückstände befinden, werden an die unverzügliche Einsendung derselben erinnert.
Den 5. Juni 1883.
K. Oberamt.
F l a x l a n d.
Politische Nachrichten.
Deutsches Reich.
Reichstag. Sitzung Montag, 4. Juni. Präsident v. Levetzow eröffnet die Sitzung um 12 ff, Uhr. Bei der dritten Berathung des Handelsvertrages mit Italien beantragt der Abg. vr. Moufang (Centr.) die Verweisung der Vorlage an eine Kommission, da die deutschen Weinbauer durch die Ermäßigung des Weinzolles schwer getroffen würden. Diesen Antrag unterstützt der Abg. Majunke, während die Abgg. v. Bunsen, v. Minnigerode, Dirichlet und Nürnberger gegen die Kom- missionsberathung sich aussprechen, waF den Abg. Moufang- veranlaßt^ seinen Antrag zurückzuziehen. Der Vertrag wird unverändert angenommen; ebenso die Literar - Konvention mit Frankreich. Es folgt die zweite Berathung der Zuckersteuer-Vorlage. Der Abgeordnete Stengel (Fortschr.) beantragt die Exportbonifikation statt auf 9 M., wie die Vorlage will, nur auf 8,80 M. festzusetzen. Staatssekr. Durch ard erklärt, daß die Regierung strikte an ihrer Vorlage festhalten müsse und der Antrag Stengel für sie nicht annehmbar ist. Abg. Sonne mann weist nach, daß die Zuckerindustrie leicht eine viel höhere Steuer tragen könne; sie habe aber sehr gute Anwälte am Negierungs - Tische. Geh.-Rath Neumann weist diese Behauptung zurück und beruft sich auf das in Kommission vorgetragene Zahlenmaterial. Abgeordneter Staudy: Der Antrag Stengel bezweckt eine ungeheure Mehrbelastung des Grundbesitzes; wo haben Sie eine andere Industrie-Branche, in der Rohmaterial so hoch besteuert wäre, wie bei der Zuckerfabrikation? Abg. Büchtemann: Der Grundbesitz ist uns gleichgültig, wir wollen nur das bestehende Gesetz zu einer Wahrheit machen. Abg. v. Skarzynski (Pole): Dann ist es doch merkwürdig, daß die auf ihr Budgetrecht so eifersüchtigen Herren hier eine indirekte Steuer erhöhen wollen. § 1 der Vorlage wird unverändert angenommen. Nächste Sitzung Dienstag 2 Uhr. Fortsetzung dieser Berathung und Etat. Schluß 6 Uhr.
— Der Gesetzentwurf, betr. die „Steuervergütung für Zucker" ist von großer finanzieller Wichtigkeit. Die „Kölnische Zeitung" sagt: Es handelt sich um Millionen, welche den deutschen Reichs- und Staatskaffen entzogen
werden zu Gunsten einer Preiserniedrigung für die ausländischen Zuckerkonsumenten und vielleicht zur Vorbereitung eines gewaltigen Krachs innerhalb der deutschen Produktion. Daß hier eine schleunige Abhilfe nöthig ist, darüber sind die Regierungen und sämmtliche Fraktionen des Reichstags völlig einig. Die bundesräthliche Vorlage ist einer Kommission von 21 Mitgliedern zur Vorberathung überwiesen worden. Die Kommission konstituirte sich am 6. April unter dem Vorsitze des Abg. v. Bennigsen und hat in 6 Sitzungen sich ihrer Aufgabe entledigt. Der durch den Abg. Uhden erstattete Bericht legt den Gang der Kommissionsberathungen dar. Der vorgelegte Entwurf ist von vornherein als ein vorläufiger Schritt zur Abhilfe von den Negierungen selbst bezeichnet. Weiter in der Materie der Besteuerung eingehende Gesetzvorschläge seien heute noch nicht zu machen, da die bisherigen Erörterungen unter den Bundesregierungen zu der Ueberzeugung geführt hätten, daß die Grundlagen unserer Zuckerstatistik in Bezug auf den Nachweis der Zuckerausbeute mangelhaft seien. Dieser Auffassung hat die Kommission sich gefügt. Bis die erforderlichen statistischen Grundlagen herbeigeschafft sind, kann nur ein Provisorium geschaffen werden, durch welches das vorhandene Uebel wenigstens gemildert wird. Die seitens der Regierungen vorgeschlagene Herabminderung der Ausfuhrvergütung um 40 Pfennig für den Zentner Rohzucker wurde zwar von einem Theil der Kommission für ungenügend erklärt. Allein die Mehrheit der Kommission hat dem Standpunkt der Regierungen zugestimmt. Die Verminderung der die Finanzen beraubenden und das Anwachsen der Rübenzuckerindustrie gefährlich überreizenden Ausfuhrprämien um 3—4 Mill. kann vorläufig auf ein bis zwei Jahre genügen. Die Kommission legte dagegen Gewicht auf Verbürgung einer nur kurzen Dauer des Provisoriums. Dasselbe soll mit dem 1. September 1883 in Kraft treten und niit dem 1. August 1885 wieder beseitigt werden, wenn bis dahin nicht eine andere Vorlage zu Stande gekommen ist.
Frankreich.
— (Französische Revanche-Stimmen.) Der Kommandant der 2. Ca- vallerie-Division, General Verneville, richtete an seine Truppen ein Abschiedsschreiben, worin folgende Stelle vorkommt: „Ich bin überzeugt, ihr werdet eine starke Revanche nehmen, wenn Frankreich einen Appell an den Math seiner Kinder machen wird. Wenn der Feind stark und geschickt ist, so erinnert euch, daß französisches Blut in euern Adern rollt und daß unsere Väter diese Feinde niedergetreten haben. 1870 konnten sie nur in einem Augenblicke der Ueberraschung ihren Erfolg finden." — Der Gambettist Paul Bert hielt in Lyon eine Rede, worin er sagte: „Vielleicht habt ihr nicht genug an das gedacht, an das ihr täglich denken sollet, wie der Gläubige an ein Gebet, nämlich an das zerstückelte Vaterland, an den großen Gekreuzigten (!), welcher an den Wänden unserer Schulen seinen linken am- putirten Arm (Elsaß) zeigt. Ihr habt nicht genug an die gedacht, die an euch denken, die ihr Sieg nicht zufrieden gestellt hat und die in ihren Schulen die Verachtung des Besiegten lehren und die Gier des Siegers schärfen." — In der Gesellschaft für Volkserziehung hielt der ehemalige gambettistische
(Nachdruck verboten.)
Der Sohn des Köerrvirths.
Kriminal-Nowelle von Karl Zastrow.
(Fortsetzung.)
Wie gewöhnlich war sie um 5 Uhr aufgestanden und hatte sich zunächst in die Küche begeben, um Feuer anzumachen. Danach wollte sie die Hausthür öffnen, welches Geschäft zu ihren täglichen Funktionen gehörte. Zu ihrer Bestürzung hatte sie dieselbe weit offen stehend gefunden. Die Klingel war zurückgebogen, so daß der oberhalb der Thüre befestigte Draht sie nicht erreichen konnte. Ein jäher Schreck zuckte ihr durch die Glieder, als sie Blutspuren auf dem ziegelgepflasterten Fußboden entdeckt hatte. Voll Entsetzen war sie in das Schlafzimmer ihres Herrn geeilt, und was sie hier wahrgenommen, hatte sie jählings zu Boden geschmettert und ihre geistigen und körperlichen Kräfte vollständig gebrochen.
Vor der Thür des Eberwirthshaüses hatte sich inzwischen ein Haufe Neugieriger eingefunden. Meist waren es Leute aus dem nächsten Dorfe, welche den Eberwirth persönlich gekannt hatten. Kroll, der stämmige Polizeisergeant, welcher die Wache hatte, ließ jedoch Niemand hinein. Die Schänke war bis auf Weiteres geschloffen.
Der junge Kriminalbeamte hatte die Protokolle noch einmal mit raschem Blick durchflogen und sodann seinen Namen „Georg Sternberg" da
runter gesetzt. Nun übergab er Beller, dem zweiten Sergeanten, das bereits entworfene Telegramm, worin sämmtliche Polizeibehörden der Umgegend aufgefordert wurden, auf den muthmaßlichen Mörder zu vigiliren und ihn im Ergreifungsfalle zu verhaften. Besonders ausführlich wurde nach den beiden Endpunkten der Bahnlinie, an welcher die Stadt lag, telegraphirt, eine möglichst genaue Beschreibung des Flüchtlings beigefügt und um die eingehendsten und umfassendsten Recherchen ersucht.
Kaum eine halbe Stunde später lief die unheimliche Geschichte von Draht zu Draht, und die Expeditionen der Amtsblätter gingen ebenso rasch mit dem Abdruck des Briefes vor . . .
Sternberg hätte nunmehr die Rückfahrt nach der Stadt antreten können. Allein noch stand er nachsinnend auf der Schwelle des Eberwirths- hauses, die Papiere und das corpus äelicti sorgfältig in der Seitentasche seines Rockes geborgen. Es war ihm, als habe er die Untersuchung nicht mit jener in's Kleine gehenden Gewissenhaftigkeit ausgeführt, wie sie die Dringlichkeit des Falles erheischte. Insbesondere konnte er sich von dem peinigenden Gedanken nicht losmachen, daß er irgend etwas vergessen habe.
. Martin stand, die Mütze in der Hand herumdrehend in einiger Entfernung und beobachtete aufmerksam den träumerisch in's Blaue hineinstarrenden jungen Mann: „Na, der weiß just auch so viel von der Sach, wie ich ," lachte er in sich hinein. So geht's alle mal, wenn man die Nase in die Bücher steckt, anstatt in's Treiben der Menschheit, wie unser Herr Kantor daheim sagte. Da hätt' ich doch an seiner Stelle keine Ruhe mehr. Das erste beste Pferd hätt' ich aus dem Stalle gerissen und wär dem Mörder nachgesetzt. Denn weit kann er doch nicht sein —"