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Politische Nachrichten.
Deutsches Reich.
Reichstag. Sitzung Montag, 23. April. Im Reichstage wurde die Debatte über die Krankenversicherung fortgesetzt und die 6 bis 12 unverändert nach den Beschlüssen der Kommission angenommen. Die Abgg. Leuschner (Kons.) Kayser, Hasenclever, Kräcker (Soz.-Dem.) vr. Hirsch (Fortschritt) und Gutfleisch und Paasche (Sez.), bemühten sich vergeblich die Anträge ihrer Partei durchzubringen. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr. Fortsetzung der Kranken-Versicherungs-Berathung und Reichskriegshäfen. Schluß ü'/? Uhr.
Schwerin, 21. April. Nach dem Trauergottesdienst in der Schloßkirche fand Nachmittags um 4 Uhr unter dem Geläute aller Glocken und Geschützdonner die Beisetzung der Leiche des Großherzogs im Dome statt. Dem Sarge folgten die drei Söhne des Großherzogs, der deutsche Kronprinz mit dem Feldmarschallsstab in der Rechten, der Großfürst Wladimir, der Großherzog von Strelitz, Prinz Wilhelm von Preußen, viele andere Fürstlichkeiten, der englische, österreichische und russische Botschafter, der dänische, württembergische und bayerische Spezialgesandte, 1000 Kavaliere und Offiziere, 80 Mitglieder der Ritterschaft, 100 Geistliche. Die verwittwete Großherzogin und die übrigen fürstlichen Damen waren auf einem anderen Wege zum Dome gefahren. Im Dome führte der deutsche Kronprinz die Großherzogin, der Großfürst Wladimir die Großherzogin-Mutter, Prinz Paul Friedrich die Großfürstin Marie. Die Ansprache im Dome hielt Superintendent Bard. Die Leichenparade bildeten vier Bataillone, eine komdinirte Kompagnie Infanterie, drei Batterien, vier Eskadrons Dragoner mit Standarten und Fahnen.
Frankreich.
Marseille, 22. April. Heute Abend flog in St. Chamas ein 3000 Kilo Pulver enthaltendes Pulvermagazin in die Luft, eine durch die Explosion herbeigeführte Feuersbrunst legte 7 große Nebengebäude in Asche. Nur mit großer Anstrengung gelang es, die Explosion eines zweiten Pulvermagazins, welche die ganze Stadt gefährdet haben würde, zu verhüten. Bei dem Unglücksfalle hat ein Mann sein Leben eingebüßt. — In Toulon sind 2 Schiffe in Ausrüstung, welche 2000 Mann nach Tonkin bringen sollen.
Stuttgart, 24. April.
26. Sitzung der Kammer der Abgeordneten. Fortgesetzte Berathung des Ertrags aus den Forst-Verwaltungen und zwar Kap. 114 aus Holzgärten: Reinertrag 8647 -4L pr. Jahr und zwar Einnahmen je 265,733 -4L., Ausgaben 257,086 Von den Einnahmen kommen für verkauftes Holz: auf die Holzgärten zu Stuttgart 189,000 -4L, Bietigheim 14,100 -4L, Ludwigsburg 40,700 -lL, Waiblingen 19,100 -4L. Der Kommissionsantrag geht auf Genehmigung als Reinertrag je 8647 -4L in den Etat einzustellen. Wie seit einer langen Reihe von Jahren so tritt der Abgeordnete von Neuenbürg für die Aufhebung der Holzgärten ein. Lenz spricht für den Fortbestand und Minister v. Renner betont, daß schon in den eigenen Bedürfnissen des Staats die Holzgärten nothwendig sind, da 46 große Landesanstalten auf sie angewiesen sind. Becher hält die Holzgärten für den Regulator und Moderator der Holzpreise u. Mohl nennt ganz offen das Kind bei seinem Namen, dem Holzwucher, was der Hr. Präsident nicht für zulässig findet. Der Kommissionsantrag wird angenommen.
Kap. 115. Der Reinertrag der Berg- und Hüttenwerke ist zu je 100,000 -4L. in Voranschlag genommen, zu je 50,000 -4L weniger als im Vorjahr. Davon kommen auf Abtsgmünd 5000 -4L. , Friedrichsthal 25,000 -4L, Königsbronn u. Ludwigsthal 5000 --4L, Wasseralfingen 60,000 --4L, Wilhelmshütte 5000 --4L. Berichterstatter Leibbrand gibt einen Ueber- blick über die Geschäftslage der Hüttenwerke und namentlich des Werks Wafferalfingen. Er bittet in Folge der Erläuterungen, es möge die Verwaltung in Erwägung ziehen, ob nicht ein anderes verbessertes Verfahren in der Eisenfabrikation angewendet werden könne. Redner bedauert, daß der Staat selbst an der mißlichen Lage Schuld trage, indem er seine Eisenbahn- schinen und Bandagen nicht mehr von Wafferalfingen beziehe. Was die
Frage des Verkaufs der Hüttenwerke betreffe, so glaube er nicht, daß eine Zwangslage vorhanden sei, und er hofft auf baldige günstigere Geschäfts. Verhältnisse auch für die Hüttenwerke. Minister v. Renner erkennt leider die Hüttenwerke als ein wahres Schmerzenskind der Regierung, indem man sich schon seit Jahren auf Erhaltung des Arbeiterstandes beschränken müsse. Von den 2000 in den Hüttenwerken beschäftigten Arbeitern leben 10,000 Personen. Die große Konkurrenz trage viel zu den unrentablen Geschäften bei, indem in Folge der Eisenbahnen eine Menge neuer Geschäfte entstanden sei, wodurch eine Überproduktion eintrat. Für jetzt müsse man die ganze Aufmerksamkeit auf die Fabrikation württ. Spezialitäten richten. Nachdem noch v. Sch ad gesprochen, wird die Position angenommen.
Kap. 116. Salinen. Reineinnahme 700,000 - 4 L, 50,000 -4L mehr als im vorigen Etat. Lang wünscht bessere Bezahlung der Arbeiter, worauf aber Reg.-Commiffär v. Bilfinger bemerkt, daß die Leute durchaus gut bezahlt seien, aber allerdings noch mehr annehmen würden. Das Kap. wird genehmigt.
Kap. 117. Von der Bleich- und Appreturanstalt Meissen au. Reinertrag je 2800 -4L, bei einer Einnahme von 91,000 -4L und einer Ausgabe von 89,000 -4L Die Kommission stellt hiezu den Antrag: die K. Regierung zu bitten, eine Enquete über die Weißwaarenindustrie in Württemberg und über den Einfluß der Bleich- u. Appreturanstalt Weiffenau auf dieselbe zu veranlassen. Haug beantragt den Verkauf der Anstalt oder die zeitweise Einstellung des Betriebs oder die Verpachtung, v. Lutz, Mo hl für das Fortbestehen der Anstalt. Der Kommissionsantrag, Berichterstatter Schwarz, wird angenommen. _
Tnqes Neuigkeiten.
^ 0. Stuttgart, 23. April. In Heilbronn hatte der Lust, schiffer Vogel gestern Unglück, indem zu allgemeinem Bedauem dessen Ballon theilweise, wie es heißt durch Selbstentzündung verbrannte, so daß das Aufsteigen nicht stattfinden konnte und der junge strebsame Mann in große Unkosten zur Wiederherstellung des Ballons versetzt ist.
Stuttgart, 24. April. Herr Luftschiffer Vogel glaubt ver- schiedenen Anzeichen entnehmen zu müssen, daß die Beschädigungen, die sein Ballon in Heilbronn durch Brand erlitten hat, das Produkt eines Bubenstücks seien. Nebenbei sei noch bemerkt, daß Herr V. nach seiner ersten Auffahrt einen anonymen Drohbrief und später eine Postkarte gleichfalls ohne Unterschrift erhielt, welch' beide Schriftstücke auf einen feindseligen Anschlag hindeuten.
>V. 6. Stuttgarl, 24. April. Im Musterlager der Centralstelle für Gewerbe und Handel soll von nun an bis auf Weiteres die elektrische Beleuchtung zu sehen sein und zwar ohne Eintrittskosten oder Belästigung.
— Nachdem der deutsche Katalog des Exportmusterlagers überallhin in alle Welitheile wo deutsche Konsulate sich befinden, versandt ist, wurde soeben auch der spanische Katalog zur Versendung fertig gestellt und Ist nun der Katalog in englischer Sprache im Drucke. Die Geschäfte des Exports durch das Musterlager mehren sich in erfreulicher Weise.
— S. M. der König wird sich dem Vernehmen nach Ende nächster Woche nach Bebenhausen; I. Kais. Hoh. die Herzogin Wera nach Rußland begeben.
Reutlingen, 23. April. Heute Nacht wurde in das Comptoir der Kunstmühle des Hrn. W. Hahn eingebrochen. Die Diebe stiegen vom Garten aus durch ein Fenster, dessen Laden und Flügel sie erbrachen, in das Lokal. Da der Kassenschrank ihren Bemühungen widerstand, warfen sie ihn von dem hölzernen Aufsatz, auf welchem er stand, auf den Boden herab und versuchten schließlich, ihn durch ein Fenster ins Freie zu bringen. Allein der Schrank war zu schwer und somit mißlang auch dieser Versuch. Nachdem die Burschen noch den hölzernen Aufsatz, in welchem sich alte Geschäftsbücher befanden, erbrochen hatten, mußten sie unverrichteter Dinge abziehen, ließen aber dabei Meisel und Lochsäge, mit welchem sie ihren Einbruch bewerkstelligt hatten, zurück. Als man heute früh den Einbruch entdeckte, fand man diese Werkzeuge vor, welche sofort als in die Mühle gehörig erkannt wurden, und so lag der Verdacht nahe, daß Leute aus dem Hause die Thäter sein könnten. Da noch übrigens die Fußstapfen im Garten niit den Stiefeln eines
Feuikteton.
(Nachdruck verboten.)
Irma.
Erzählung aus Ungarn von Wilhelm Braunau. (Fortsetzung.)
Er hatte bei den letzten Worten das Auge wieder erhoben, um den Eindruck seiner Frage zu beobachten, den diese auf die Gräfin machen würde. Letztere war bleich wie der Tod in ihren Stuhl zurückgesunken, Thränen entstürzten ihren Augen, sie preßte das Taschentuch vor das Gesicht und frug von innerem Weh zitternder Stimme:
„Was haben Sie, Herr Graf'4 Was veranlaßt Sie zu dieser Frage?"
„Ich werde Ihnen das Räthsel lösen, Frau Gräfin, doch muß ich vorläufig meiner Frage die weitere hinzufügen: Vermißten Sie nicht nach dem Brande etwas an dem Kinde, was dasselbe vorher besessen hatte?"
Die Gräfin suchte sich zu fassen und sah aus den verweinten Augen erstaunt auf den Sprecher. Dieser schien offenbar mehr zu wissen.
„Ja", stammelte sie zögernd; „mein Gyula trug ein Medaillon mit dem Bildniß seines Vaters. — Nach dem Brande war es nirgends zu finden; doch -"
„War es vielleicht dieses?" frug der Graf aufathmend und reichte seiner Nachbarin das Medaillon hin.
Die Gräfin nahm es in die zitternde Hand; kaum aber hatte sie einen Blick daraus geworfen, als sie mit einem Schrei des Schmerzes zusammenzuckle und ausrief:
„Herr Graf! Martern Sie mich nicht länger! Sie wissen noch mehrt Wo ist mein Gyula, sagen Sie es, wo ist mein Kind geblieben?"
Ueber das Antlitz des Mannes ging ein sonderbares Zucken.
„Ihr Sohn?" sagte er mit angenommener Verwunderung. „Das fragen Sie mich, Frau Gräfin?"
„Ja, ja!" stieß diese heftig hervor, das Medaillon an ihre Brust pressend; „Sie wissen es, was aus meinem Kinde geworden ist. Woher haben Sie dieses Medaillon?"
Ihr Augen waren angstvoll bittend auf das Antlitz des Grafen gerichtet. Bei den letzten Worten streckte sie flehend die Hände gegen denselben ans. „Sagen Sie mir — Sie wissen Alles!" Ihre Stimme keuchte, ein nervöses Zittern durchlief die zarte Gestalt der Dame.
Graf Pokolkö verzog keine Miene.
„Ich denke er ist drüben bei —"
„Nein, nein!" rief die Gräfin leidenschaftlich. „Halten Sie mich nicht länger auf I Sagen Sie, lebt mein süßer Knabe, mein Gyula noch?"
Der Graf schien all' seinen Muth zu einer entscheidenden Frage zusammenzuraffen.
„So antworten Sie mir offen, Frau Gräfin: Ist der Bräutigam meiner Tochter nicht ihr Sohn?"
Als Hab« die Gequälte nur auf diese Frage gewartet, stieß sie ihre letzte Kraft zusammenfaffend, im Tone höchsten Schmerzes hervor: