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Es verlautet, Jerüme werde seinen dauernden Aufenthalt in Brüssel nehmen und dort jeden Sonntag mit seinen von hier dorthin kommenden Parteigängern berathen. Rouher werde hier die Partei reorganisiren.

8«üutz äer nationaken Arbeit.

Von George Kolb.

(Fortsetzung.'»

Deutschlands geographische Lage ist aber derart, daß es nur mit gro­ßem Aufwands erhalten werden kann.

Und da kann es sich nicht darum handeln, überall zu sparen und den Aufwand zu unterlassen, sondern es handelt sich darum, Deutschland in die Lage zu versetzen, den nohwendigen Aufwand machen zu können.

Ob ein General 10 oder 20 Tausend Mark Gehalt hat, das ist gleich­gültig, ob aber der General eine Schlacht gewinnt oder verliert, das ist nicht gleichgültig.

Wenn das deutsche Heer von einem Kriege siegreich heimkehrt, dann fragen wir nicht darnach, was es in Friedenszeiten gekostet hat, sondern wir danken Gott, daß namenloses Elend von uns gewendet ist. Und wenn die Armee, was Gott verhüten wolle, geschlagen heimkehrt, dann würde jahr­zehntelanges Ersparen des ganzen Militärbudgets nicht ausreichen, die Verluste auch nur einigermaßen zu decken.

Der Staat kann nicht vom Sparen, er muß vom Verdienen leben und das kann nur durch Schutz der nationalen Arbeit geschehen.

Da haben wir aber die ewigen Kämpfe. Auf der einen Seite fragt man, wo kann gespart werden, auf der anderen Seite, wo sollen die Steuern Herkommen?

Der bekannte Refrain der Wahlreden schon heißt:Ich werde gegen jede Erhöhung der Steuern und für Verminderung des Heeres stimmen."

Nun, damit kann man aber heute selbst dem Bauern nicht mehr im- poniren, denn er weiß nur zu gut, was zur Erhaltung des Staatshaushaltes gehört und, daß demnach Steuern bezahlt werden müssen, er weiß aber eben so gut, daß, wenn er selbst 10 Procent weniger Steuern als bisher zu zah­len brauchte und, das wäre ja schon eine ganz unerhörte, factisch gar nicht ausführbare Ersparniß daß ihm damit gar nicht gedient wäre, son­dern, daß ihn der Schuh wo ganz anders drückt.

Der Bauer von heute weiß, daß er einestheils für seine Produkte zu wenig zahlungsfähige Consumenten hat und daß anderntheils noch überdies seine Produkte, Getreide und Fleisch, vom Auslande eingeführt werden, so, daß er dieselben unter den Erzeugungskosten verkaufen muß.

Das ändert ihm keine noch so große Steuer-Er- sparniß, sondern nur ein Schutzzoll, der nur dann in Wegfall zu kommen hätte, wenn der Preis seiner Produkte eine gewisse Höhe übersteigt. Der Bauer weiß nur zu gut, daß fechtende Handwerksburschen keine Consumenten seiner Erzeugnisse sind und, daß nur der Arbeiter, der lohnende Arbeit hat, Fleisch und Weizen kauft und kaufen kann.

Und in der That, wenn ein Bauer, der heute 100 Steuer zu zahlen hat, auf einmal nur 50 ^ zu zahlen hätte, nein wenn er gar keine mehr zu zahlen hätte, wäre denn dem geholfen? Mit Nichten, weil ihm nicht die 100 fehlen, sondern es fehlen ihm 400 oder 500, die er für seine Produkte mehr erhalten müßte, wenn seine mühselige Arbeit be­lohnt werden soll und die er aber nur dann mehr einnehmen könnte, wenn die Zahl der Consumenten stiege und er gegen die Einfuhr ausländischer Produkte wenigstens soweit geschützt wäre, daß er nicht mit offenbarem Ver­lust verkaufen müßte.

Wenn aber derselbe Bauer durch den Schutz der nationalen Arbeit 500 mehr einnimmt, dann zahlt er auch recht gerne mehr Steuern.

Auch er kann nicht vom Sparen, sondern nur vom Verdienen leben.

So, rufen da die Gegner der Schutzzölle, also die Lebensmittel sollen dem armen Manne vertheuert werden?

Ja, die Lebensmittel sollen vertheuert werden, denn das ist ein Glück für die Nation, aber sie werden deßwegen nicht dem armen Manne vertheuert.

Denn der arme Mann ist derjenige, der nicht arbeiten kann und dessen Lebensmittel werden nicht so vertheuert, daß er es irgend empfin­det, wohl aber wird der arme Mann weit besser gestellt sein, wenn er unter einer reichen Nation lebt, als unter einer, die, wie Deutschland, immer mehr der Verarmung entgegen geht.

Es gibt aber noch einen armen Mann, es ist derjenige, der ar­beiten will, arbeiten kann, aber keine Arbeit findet.

Soll dem damit geholfen werden, daß man die Lebensmittel entwerthet? Was helfen ihm denn die billigsten Lebensmittel, wenn er sie nicht kaufen kann?

Man muß ihn in den Stand setzen, Lebensmittel kaufen zu können und das ist der Kern der sozialen Frage. Alles Andere sind Doctrinen.

Der Arbeiter hat ein Recht zu verlangen, daß die Institutionen des Staates derart sind, daß der, der arbeiten will und kann, auch Arbeit findet.

Es ist falsch, Fabrikate aus dein Auslande zu beziehen, die unsere Arbeiter machen könnten, während diese fechtend umherziehen und schließlich auswandern müssen, um im Auslande an jenen Fabrikaten mit zu arbeiten, für die wir ihnen dann den Arbeitslohn in's Ausland senden, damit sie sich dort theure Lebensmittel kaufen können, die sie in ihrem Vaterlande bei bil­ligerem Preise entbehren mußten.

Da haben wir die vielen Vorschläge zur Steuer der Vagabondage: Zuchthäuser, Gendarmen, Colonnien, Religion, Schule u. sogar Prügelstrafe.

Die Katze und der Brei! Das Ueberhandnehmen der Vagabunden geht ganz gleichen Schritt mit dem Ueberhandnehmen der Arbeitslosigkeit.

Die Arbeitslosigkeit ist das Erziehungsmittel des Vagabunden, gleich­viel ob er nicht arbeiten will, oder ob er keine Arbeit findet.

Solche, die nicht arbeiten wollen, hat es zu allen Zeiten gegeben, und

sie werden kaum aussterben. Aber wer arbeiten will und doch keine Arbeit findet, der ist eben wohl oder übel arbeitslos.

Und hier liegt das einzig richtige Mittel zur Steuer der Vagabondage: Betet und arbeitet!

Dieses ernste Wort ist heute aber eine ebensoernste Mahnung an die Volksvertretung:

Es ist recht, daß der, der beten will, die Schule und die Kirche findet, sorget dafür, daß er auch Arbeit finde!

Der billigste Weizen und das billigste Fleisch nützen dem feiernden Arbeiter nichts, und der arbeitende und gesuchte Arbeiter empfindet die Preis­erhöhung der Lebensmittel, die dadurch entsteht, daß ein Bauer, der 100. Steuer bezahlt, für die Folge 500. mehr einnimmt, gar nicht

Ein solcher hat jährlich zu verkaufen:

150 Centner Gerste »

9.

^ 1350.

30 Roggen L

10.

300.

80 Weizen »

12.

960.

30 Hafer ä

6.

180. -

20 Erbsen rc. ä

12.

240. -

1 Paar Ochsen. . .

1000.

1 Kuh.

.

. .

250. -

8 umma 4280.

Nimmt er hiefür 500. mehr ein, so werden Getreide und Fleisch ungefähr 10 Prozent theurer.

Soviel aber fluctuiren ja die Lebensmittelpreise ohnedieß, und keinem Menschen wird es einfallen, wenn einmal in einem Jahre die Preise 10Vo höher, als in einem anderen sind, darin einen Nothstand zu sehen.

Selbst ein Minderbemittelter, ein verschämter Armer, der zu seinem Unterhalte vielleicht jährlich 400. braucht. Er würde eben, selbst wenn alle Lebensbedürfnisse 10 Prozent theurer wären, dann 440. brauchen, während, wenn es allenthalben Arbeit gibt, auch die Arbeit dieser Leute: Nähen, Häkeln, Stricken, Schreiben, Sticken rc. besser bezahlt werden Muß, als es leider heute der Fall ist.

Aber auch wenn das nicht der Fall wäre, so kann man doch nicht das ganze Wirtschaftssystem eines Landes nach den Bedürfnissen der Minder­bemittelten, oder der verschämten Armen rc. einrichten; man kann doch nicht Handel, Gewerbe, Landwirtschaft zu Grunde richten, nur damit dem Armen sein Brod nicht vertheuert wird.

Schluß folgt.

Tages Neuigkeiten

Cannstatt, 12. Febr. Gestern fand der zweite Aufstreich zum Verkauf des Hotel Achtelstetter statt. Außer Herrn Hermann, dem früheren Besitzer des Hotels, hatte sich kein weiterer Liebhaber eingefunden und gieng dasselbe um die Sume von 200,000 mit Inventar in de« alleinigen Besitz von Herrn Hermann über. Bei dem ersten Aufstreich hatte Herr Hermann mit Frau Formes zusammen geboten. Das Hotel soll in kürzester Frist wieder eröffnet werden, der Gartensaal, für welchen eine in Stuttgart sehr bekannte und beliebte Persönlichkeit als Pächter in Aussicht genommen ist, vielleicht schon in nächster Woche.

Rottenburg, 12. Febr. Heute Mittag war ein hiesiger Bürger damit beschäftigt, einen größeren Birnbaum zu fällen. Nachdem derselbe ringsum abgegraben und von den Wurzeln gelöst war, sollte oben ein Seil befestigt werden. Während nun der Taglöhnner den Baum zu diesem Zwecke besteigen wollte, kam letzterer zum Falle und elfterer so unglücklich unter den Stamm zu liegen, daß ihm die Brust eingedrückt wurde, wodurch der Tod audenblicklich erfolgte, Die Theilnahme an diesem jähen Todesfälle ist eine große.

Eningen, 11 . Febr. Vor einiger Zeit haben sich 15 hies. Bürger entschlossen, die Weidenkultur hier einzuführen. Ein 6^/4 Morgen großes Stück Land wurde auf 15 Jahre von der Gemeinde verpachtet; hie­für ist in den ersten 2 Jahren nichts, in den 13 folgenden 70 Pacht pr. Jahr an die Gemeindekasse zu entrichten. Die Vorarbeiten, das Ziehen von Gräben uud das Umreuten, haben schon begonnen. Möge das Unternehmen, welches von Kunstgärtner Rall angeregt und geleitet ist, zu einer gedeihlichen Weidenindustrie führen.

Ehingen, 12. Febr. Samstag 10. Febr. sind die Staaren im oberen Donauthal angekommen. Am gestrigenFunkensonntage" brannten Abends Feuer auf der Alst, dem Hochsträß und in der Richtung des Bussens.

Ehingen, 11. Febr. Bei den großen Bauten der Stuttgarter Baugesellschaft in Allmendingen geschah gestern ein großes Unglück. Nach­mittags, als die Zimmerleute wieder auf die Arbeit giengen, brach ein 30 Fuß hohes Gerüst unter der Last zusammen, und 7 Bauleute stürzten mit den Balken herunter. Zwei davon sind lebensgefährlich und 3 Mann weniger erheblich verletzt, die andern kamen mit dem Schrecken davon.

Aus dem Oberamt Gerabronn, 12. Febr. In Niederweiler be- gieng ein dortiger Gutsbesitzer die Unvorsichtigkeit, seinen großen Hofhund des Nachts in die Scheune zu seinen Schafen zu sperren. Welcher Anblick bot sich ihm aber am andern Morgen dar, als er nach den Thieren sah. Von den elf Stück Schafen waren zwei total in Fetzen zerrissen, acht andere schwer verwundet; nur ein einziges blieb unversehrt.

Ravensburg, 12. Febr. Ueber die gestern da und dort brennen­den Funkenfeuer wird demO. A." aus Friedrichshafen geschrieben: Gestern Abend klärte sich die Luft auf unerwarte Weise auf und dem Auge bot sich ein wunderhübsches Bild. Von der Westgrenze des Thurgau bis hoch hinauf ins Allgäu waren Hügel und Berge bis zu ihren Spitzen mit Funken" beleuchtet zum Theil von ganz respektablen Größen. Dieses in­teressante Schauspiel zog wie immer viele Bewunderer an. Auch diesseits des schwäbischen Meeres wurden solche Feuer abgebrannt und wurden hier-