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genommen worden sein. — Von dieser Wirthin ist hier wirklich fast ausschließlich die Rede. Seit einiger Zeit verlobt, war die Brautreise nach der Heimath des Bräutigams Vaihingen a. d. Enz in Aussicht genommen, als sie plötzlich bei Nacht per Wagen mit schwerem Gepäck abfuhren. Beim Nachsehen der Polizei auf Veranlassung der Gläubiger, sollen sämmtliche Betten, Kleider rc. verschwunden gewesen sein. Man glaubt, daß dieselben statt nach, Vaihingen ihre Reise nach Amerika auszudehnen beabsichtigen.
Eßlingen, 1. Sept. Außer Hr. Postmeister Lieb hier ist auch Hr. Bahnhofverwalter Brekle in Plochingen von S. M. dem Kaiser von Oesterreich das Ritterkreuz des Franz-Josef-Ordens verliehen worden; ferner erhielt Oberfinanzrath Sch ad den Orden der eisernen Krone und Maschinenmeister Bürkle einen prachtvollen goldenen Ring. Es geschah dies ohne Zweifel aus Anlaß der glücklichen Abwendung der Gefahr, in welcher die Kaiserin von Oesterreich schwebte, als sie am 3. Febr. d. I. in einem Extrazug durch Württemberg reiste, wobei eine Achse ihres Salonwagens hergelaufen war. Dies wurde bekanntlich in Plochingen bemerkt und dann hier der Zug angehalten, wo ein unfreiwilliger Aufenthalt von mehreren Stunden erfolgte.
Eßlingen, 3. Sept. Die 5. Säkularfeier der hiesigen Schützengesellschaft mit Becherstiftung, Fahnenweihe und Festschießen hat heute unter ungeheurer Betheiligung von Festgästen, namentlich aus der benachbarten Residenzstadt, einen brillanten Verlauf genommen. Die auswärtigen Schützen kamen mit Fahnen, Standarten, Musiken, am Bahnhof entfaltete sich von Morgens an ein lebhaftes Bild. Um 10 V» Uhr wurde der neue Becher, welcher als Beweis der Pietät gegen die Schützenvorfahren gestiftet worden ist, in der „Krone" feierlich eingeweiht. In den Becher sind die von Eß- linger Schützen errungenen Festmünzen sämmtlicher seitheriger 7 deutschen Bundesschießen eingelöthet. Der Entwurf und die Ausführung in Edelmetall stammen von der Meisterhand des Hofjuweliers und Bundesschützenmeisters Föhr in Stuttgart. In dem Becher sind die Namen der Stifter eingravirt, mit einer poetischen Widmung. Mittags zog sodann der kostümirte Festzug durch die Stadt zur Burg. Mehrere schöne und charakteristische Wagen befanden sich in dem Zuge, so der Winzerwagen und der Becherwagen. Auf der Burg Fahnenweihe. Die Fahne ist einerseits weiß, andererseits grün ausgeführt; sie trügt im weißen Felde ein Schützen-Emblem, flankirt vom malerischen Wachthaus der Burg und dein historischen „Melacshäuschen", umrahmt von einem oben offenen Eichenkranze. Auf dem grünen Felde ist das städtische Wappen: Adler mit grünrothem Brustschild angebracht. Das schöne Bandelier zur Fahne haben die Frauen und Töchter der Gesellschaft gestiftet; es ist sehr schön und kostbar. Die Fahne ist eine vollendete Arbeit. Sodann begann das Schießen. Abends großes Feuerwerk, Zug mit Lampions nach Kugel's Garten.
Reutlingen, 4. Sept. Heute Nacht wurden wir wieder durch ein fürchterliches Gewitter heimgesucht. Gegen VelO Uhr brach das Unwetter los mit einer Heftigkeit, wie wir solche selten erlebten. Ein starker Sturm bildete die Einleitung, welchem ein wolkenbruchartiger Regen folgte. Der Himmel mar wie ein Feuermeer. Zu Sturm und Regen gesellte sich noch andauernder Hagel, welcher an den Feldern und Weinbergen in nordwestlicher Richtung unserer Stadt großen Schaden anrichtete. Das Gewitter dauerte über eine Stunde. In der untern Stadt stunden die Straßen fußhoch unter Wasser, Scheunen und Keller wurden angefüllt.
V 0 nderIagst, 4. Sept. In der verflossenen Nacht entlud sich über unsere Gegend ein furchtbares Gewitter, das neben orkanartigem Sturm und heftigem Regen in Rudelsdorf, OA. Hall, und in der Nähe von Roth am See auch Hagelschlag brachte. Der Orkan entwurzelte die stärksten Bäume. — Gestern wurde der Mörder des Schmids Thrän von Altenberg in Spalt in Bayern verhaftet und heute nach Hall eingeliefert. — Nachschrift: Der in Spalt Verhaftete ist der Bruder des Raubmörders Friedrich Dierolf von Buch.
Von derBühler, 3. Sept. Gegenwärtig sind die in der Umgegend stationirten Sicherheitsorgane in angestrengtestem Dienste, um des Mörders von Altenberg habhaft zu werden. Seine Persönlichkeit soll zweifellos festgestellt sein; er treibt sich in den Wäldern der Umgegend umher und soll in der Nacht vom Samstag zum Sonntag in dem Walde bei Markertshofen
verfolgt worden sein. Der Verdächtige kam erst vor wenigen Wochen aus dem Gefängniß. trat gut gekleidet und mit Geld versehen auf.
Karlsruhe, 4. Sept. Großes Bahnunglück. Der gestrige Extrazug von Freiburg nach Colmar entgleiste Nachts auf der Rückfahrt bei Hugstetten. Es heißt, es seien gegen 50 Todte und eine ' große Zahl Verwundete. Authentisches fehlt noch. (Hugstetten ist die erste Station bei Freiburg, 7 üm von da ab.)
— Ueber das Eisenbahnunglück bei Freiburg berichtet die „Karlsruher Zeitung": Der am Sonntag von Colmar nach Freiburg ausgeführte Extrazug ist Abends 8-/2 Uhr auf der Rückfahrt I V» Kilometer oberhalb der Station Hugstetten auf freier Bahn entgleist, wobei gegen 50 Reisende getödtet und 104 verwundet wurden, darunter 23 schwer. Letztere befinden sich in Freiburg in ärztlicher Behandlung. Die Ursache der Entgleisung war entweder Versperrung der Bahn, sei es durch eine vom Sturme abgerissene Telegraphenstange, sei es durch einen Baumstamm, oder Aufreißung der Bahn, durch das fürchterliche Unwetter. Nach Eintreffen der traurigen Nachricht gingen alsbald Generaldirektor Eisenlohr und Oberregierungsrath Helminger mit dem Oberländer Nachtzuge nach Freiburg; ihnen folgte eine Anzahl Betriebsbeamter. Der Colmar-Freiburger Vergnügungszug hatte 1200 Theilnehmer, je 600 von Colmar und Münster, eine der Leistung einer Personenzugs-Lokomotive entsprechende Zahl. Die Entgleisung soll im Mooswalde, in sehr sumpfigem, von dem sogenannten Landwasser durchzogenem Terrain erfolgt sein. — Der verunglückte Zug war von Frei- burg abgelassen und befand sich aus der Rückfahrt von Freiburg her, wo er 8V4 Uhr abging. Er verunglückte nach der ersten Station, ehe er 1/4 Stunde gefahren war. Die Verunglückten sind zum allergrößten Theil, wo nicht ausschließlich, selbstverständlich mit Ausnahme des Zugspersonals, Angehörige der Reichslande.
— Der Bericht der S ch w. Grenzp. lautet: Ein fürchterliches Eisenbahnunglück, hat sich gestern Abend in unmittelbarer Nähe von Freiburg ereignet. Es fällt schwer, nach den schrecklichen Erlebnissen der vergangenen Nacht seine Gedanken ordentlich zu sammeln, um Ihren Lesern ein annäherndes Bild von dem Vorgefallenen zu entwerfen. Doch wagen wirs. Schon zu wiederholten Malen hat die Großh. Generaldirektion bzw. die Direktion der Kaiser!. Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen Veranlassung genommen, an Sonntagen Extrazüge, sogenannte Vergnügungszüge nach unserer schönen, von der Natur so überaus begünstigten Breisgaustadt zu ermäßigen Preisen abzulassen und auch gestern traf um 9 Uhr Vormittags ein solcher mit etwa 1200 Personen von Münster und Kolinar im Elsaß hier ein. Vom schönsten Wetter begünstigt, bemächtigte sich bald der Ausflügler eine heitere Stimmung, die aber zum Schluffe auf furchtbare Weife zerstört werden sollte. Nach 8 Uhr Abends trat nämlich der Extrazug seine Heimfahrt an. Vivat hoch! Freiburg soll leben! ertönte es aus fast allen Waggons und der Zug verließ in der Richtung nach Hugstetten den hiesigen Bahnhof. Nach einer Fahrt von kaum 10 Min. erfolgte das Schauererregende: Ein fürchterlicher Stoß, ein Gegenruck und 53 Todte und über 150 meistens Schwerverwundete lagen unter den Trümmern begraben. Abends hatte nämlich ein schweres, mit wolkenbruchartigen Regen begleitetes Unwetter den Bahnkörper unter Wasser gesetzt, wodurch sich der letztere um etwa Handbreite senkte. Der Zug brauste in voller Geschwindigkeit heran, die Schienen gaben dem Druck der schweren Maschine nach, diese entgleiste, grub sich etwa 50 Fuß vom Bahnkörper entfernt in's Ackerfeld ein, riß von den 25 Wagen des Zugs 21 mit über den 10 Fuß hohen Damm hinunter, wodurch dieselben in tausend Trümmer giengen. Die ersten 3 Wagen wurden über die Maschine hinweggeschleudert, wodurch sich die enorme Zahl von Todten und Schwerverwundeten unschwer erklärt. Der Anblick der Trümmer war ein haarsträubender — das fürchterliche Wehgeschrei und Wimmern der Sterbenden und Schwerverletzten ein schauderhaftes. Vor allem fehlte es an Licht, die Finsterniß war undurchdringlich, dabei regnete es unaufhörlich. Die erste Nachricht brachte der letzte Kurszug nach Altbreisach, der 10 Minuten nach Abgang des Extrazugs demselben gefolgt war. Durch Nothsignale mußte derselbe zum Stehen gebracht werden und rasch fuhr er hieher zurück, um Hilfe zu requiriren. Die Feuerwehr, eine Abtheilung Militär, sowie alle hiesigen Aerzte und Professoren der medizi-
„Jch bin es, und daß ich es bin, danke ich Dir. Ich wiederhole es Henriette, mein Reichthum wäre mir ohne Dich Nichts gewesen, und gern würde ich ihn hingegeben haben, wenn ich mir dadurch Deinen Besitz hätte erkaufen müssen."
„O, mein Freund, Du kommst schon wieder auf Annahmen, wie einst in der Laube, als die Würfel über unser Schicksal geworfen wurden. Vertrauen wir, wie bisher, dem Sterne unserer Liebe und wahren wir uns das Glück für die Zukunft in der eigenen Brust. Du bist gut, Du bist großmüthig, Ludwig, unsere Freunde achten Dich und suchen Dich auf — bedürfen wir noch einer Bürgschaft für unser Glück und das unseres Kindes? Die Vorsehung allein kann uns dessen berauben, was wir besitzen. Sieh', Ludwig, Du sagtest mir, daß ich für Dich das schönste Weib auf der Erde sei — ich glaube Dir, mein lieber Freund, ja ich glaube Dir, weil es mich glücklich macht, denn Du wirst aufrichtig und wahr von dem schönsten Weibe der Erde geliebt. Und ich bin stolz auf diese Liebe, ich halte mich bestimmt nur dieses eine Gefühl zu empfinden. Sieh', dorthin," fügte sie hinzu, indem sie auf die Wiege blickte, „dort schlummert unsere Zukunft, und können wir leugnen, daß sie noch große und reiche Schätze birgt?"
Sie strich sein dunkles Haar zurück, und drückte einen langen Kuß auf seine Stirn. Nach einer halben Stunde traten sie noch einmal zu der Wiege und flüsterten mit dem kleinen Schläfer, als ob er die an ihn gerichteten Worte verstände. Dann verließ der Baron seine junge Gattin, nachdem er sie zärtlich geküßt.
„Henriette hat Recht," rief er aus, als er allein auf seinem Zimmer war; „ich bin der glücklichste Mensch auf der Erde, und es ist thöricht, mir
durch abgeschmackte Annahmen das Leben zu verbittern. Auf meiner Seele haftet kein Vorwurf, ich kann getrost zum Himmel emporblicken, und Gott wird mich schützen!"
Er stand im Begriffe, Bob, seinen braunen Kammerdiener zu rufen, als sich auf dem Pflaster im Hofe Hufschläge vernehmen ließen. Es war nicht weit mehr von zehn Uhr, wer konnte so spät noch einen Besuch abstatten? Ludwig trat rasch zum Fenster und öffnete es. Da hörte er Heili- genstein's Stimme, die nach dem Gutsherrn fragte. Ludwig's hatte sich ein leichter Schrecken bemächtigt, aber die Stimme des Freundes beruhigte ihn wieder. Er schloß das Fenster und eilte auf den Corridor hinaus. Heiligenstein, mit Staub und Schweiß bedeckt, trat ihm entgegen. Arm in Arm giengen die beiden Männer in das Zimmer zurück.
„Sie kommen spät, Freund, und in einer Aufregung, die mich aus wichtige Nachrichten fchließen läßt," sagte Ludwig in einer Befangenheit, die Heiligenstein nicht entgieng. „Was bringen Sie?"
Heiligenstein legte Hut und Reitpeitsche ab. Der Baron erschrak über die Exaltation, die sich in den Zügen des Freundes aussprach, des Freundes, der stets nur in ruhiger Heiterkeit sich ihm genähert hatte.
„Sind wir ungestört?" fragte ängstlich der Edelmann.
„Warum? Warum?"
„Tragen Sie Sorge, mein Freund, daß uns der Oberst und Ihre Gattin nicht überraschen, ich habe Ihnen allein wichtige Eröffnungen zu machen."
„Mir allein?" fragte Ludwig, indem er erbleichte.
(Fortsetzung folgt.)