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Nischen Fakultät waren sofort zur Stelle; sie alle wetteiferten im edlen Ret­tungswerke und nur ihrer raschen und energischen Hülfe ist es zu danken, daß die Todtenliste nicht eine noch größere Zahl aufzuweisen hat. Leider sind viel Amputationen nothwendig geworden, da eine große Anzahl Ver­wundeter Schenkelbrüche davon getragen haben. Die Todten gehören der Mehrzahl nach dem weiblichen Geschlechts an, dieselben sind fürchterlich, teil­weise bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Noch im gegenwärtigen Augen­blick ragen menschliche Körpertheile, wie Arme und Beine, unter den Trüm­mern hervor. Es geschieht Alles, um das Loos der Verwundeten einiger­maßen erträglich zu machen ; dieselben sind theils im Hospital, theils im Mutterhause und theils im sog. Blatternlazarethe untergebracht. Die Todten wurden einstweilen in die Akademie verbracht. Verbandmaterial rc. war so­fort hinreichend zur Stelle. Der Zugmeister des Zuges (Nupp von hier) kam merkwürdigerweise mit einigen Hautabschürfungen davon, auch sollen der Führer und der Heizer nicht schwer verletzt sein. Einem 10jährigen Knaben mußten im Wartesaal 2. Klasse beide Beine abgenommen werden; eine Frau verlor ihren Mann und zwei Kinder. Es dürfen immer noch zwei Tage vergehen, bis die Bahn wieder betriebsfähig ist.

Freiburg, 5. Sept. Das Gerücht, wonach Reichstagsabgeordneter Dr. Petersen und seine Frau beim Eisenbahnunfall schwer verletzt wor­den seien, bestätigt sich bis jetzt nicht. Dieselben sind auf keiner Liste zu finden und sind auch in keiner Klinik untergebracht. In der Vorhalle der Anatoniie stehen 25 Särge für die nach ihrer Heimath zu überführenden Lei­chen bereit, die a nderen werden morgen Abend 6 Uhr hier beerdigt.

Vermischtes.

In diversen Zeitungen liest man von einem Berliner, der in Versen die Unverfrorenheit der Hoteliers in der Schweiz, die sie durch ihre Rech­nungen an den Tag legen, besingt; die kurze Zeit, in der es Hoteliers und Badebesitzern in diesem Jahre vergönnt ist, ihre Rechnung zu finden, macht sich besonders bei Nachzüglern auch bei uns fühlbar, eine solche Nota von einem Hotel in Wildbad liegt uns vor, wir entnehmen daraus nur: 3 Port, grüne Bohnen 4. 20.

Auf die in unserem Blatte unter Verschiedenes gebrachte Notiz: Zur Theaterzoologie" wird uns vom Herausgeber der Crefelder Zeitung in freundlichster Weise nachstehende Berichtigung zugestellt:

Die Annonce unseres Komikers der Sommerbühne, Herrn Becker, durch welche derselbe zu seinem Benefizeinen Esel oder Hund, der in der Milchkarre eingefahren ist", sucht, (ein Requisit, welches derselbe zu seiner gestrigen Benefizvorstellung:Das Milchmädchen von Böckum" reots Schöneberg" unbedingt brauchte) ist in verstümmelter Form in eine Anzahl Blätter übergegangen, welche sich dabei den billigen Witz erlaubten, die Bemerkung daran zu knüpfen,daß die dramatische Kunst in Crefeld auf den Hund gekommen sein müsse." Herr Becker hatte wörtlich annoncirt; Zu der im Laufe nächster Woche stattfindenden letzten Vorstellung der Som­mersaison: Das Milchmädchen von Böckum, oder Crefeld wie es lebt und webt! suche ich einen kräftigen, verständigen Esel oder Hund, der in der Milchkarre eingefahren ist. Gefl. Reslectanten wollen sich persönlich melden bis Sonntag Morgen zwischen 10 und 12 Uhr in der Oelmühle. Becker, Regisseur." Der letzte Satz (Gefl. Reslectanten wollen sich persönlich mel­den rc."), welcher die Pointe der ganzen Anzeige darstellt und in dieser Form schon häufig als Reclame von Komikern benutzt worden ist, wird von den gedachten Blättern weggelassen und nur dadurch ist es ihnen möglich, die für unsere Theaterdirektion wenig schmeichelhafte Schlußfolgerung aus der An­nonce zu ziehen. Es leuchtet ein, daß eine derartige, die Runde durch alle Blätter machende Zeitungsnotiz das Renommö unseres Crefelder Theaters und der Direction Gluth Herr Gluth wußte überhaupt nichts von der- Becker'schen Annonce empfindlich zu schädigen geeignet ist. Wir halten es daher für unsere Pflicht, öffentlich zu konstatiren, daß die Theaterverhält­nisse in Crefeld unter der 34jährigen Leitung des Herrn F. Gluth, durch­aus nichtauf den Hund gekommen" sind, diese vielmehr während dieser Zeit durch regen Fleiß und Energie des Herrn Gluth in jeder Beziehung be­deutend gehoben wurden. Hoffentlich werden nunmehr diejenigen Blätter, welche die gerügte Notiz aufnahmen, auch von dieser Richtigstellung Act nehmen.

Wassich Berlin erzählt. Es ist rein zum verzweifeln! Das ist der Schmerzensruf, dem man jetzt allüberall in der Residenz be­gegnet. Ein Weiter! Sieben Achtel Regen und Wind und nur ein Achtel

Sonnenschein. Da jammert es ja Einem, einen Hund hinaus zu jagen, wenn dies nicht schon durch dieHundesperre", die über Berlin verhängt ist, verboten wäre. Und so sieht man denn unsere gutmüthigen Berliner und Berlinerinnen, da doch nun einmal ihr großer oder kleiner Liebling Beweg­ung haben muß, trotz des ungünstigen Wetters an einein Strick von ihrem Hunde pardon! ihren Hund auf der Promenade spazieren führen.

Ja, diese traurige Witterung! so seufzen alle die Gastwirthe welche im Besitz vonGartenlokalen" sind und die theure Miethe und die Existenz des ganzen Jahres während der Sommermonate aufbringen müssen, undannon- ciren immer aufs NeueErndtefeste" undVolksfeste" mit u. ohneBlon­din", von denen wir jetzt zwei, einen richtigen und einen falschen oder imi- tirten hier haben, um am Nachmittag und Abend nur halbgefüllte Locale zu sehen, so daß die Eintrittsgelder kaum die Unkosten zu decken im Stande sind.

Ueberall Klage; nur die Theaterbesitzer und Pächter reiben sich die Hände und sind dem lieben Gott garnicht böse, daß er so viel Regen sendet. Denn des Einen Unglück ist des Andern Glück. Und wo sollen auch die Leute hingehen, wenn sie der Regen und Sturm aus den Gärten und aus der Haide von den Landpartien verjagt? Da bleibt ihnen nur noch das Theater übrig, denn die Concertlokale haben ja des Sommers wegen ihre Räume ebenfalls geschlossen.

Unsere Königliche Oper ist noch geschlossen und öffnet ihre Räume erst in der nächsten Woche, die Opernliebhaber finden aber im Knoll'schen Theater, im Luisenstädtischen im National- und Wilhelm-Theater und in derPhil­harmonie", dem ehemaligen Central-Scating-Rink, reichliche Entschädigung. Bei Knoll wirkt Theodor Wachtel mit seinemPostillon" als Magnet, im Luisenstädtischen Theater gastirt väkne vom Altenburger Hoftheater

und Adolph Krüger, der heute sein Gastspiel als !ra viavolo beendet; im National-Theater hat sich die Operetten-Gesellschaft des Viktoria-Theaters einstweilen häuslich niedergelassen, bis der Musentempel in der Münzstraße wieder seine Pforten öffnet, und führt uns täglich eine Novität diealten Deutschen" vor, bei der weder Text noch Melodie einen deutschen Charakter aufweist. Dem Wilhelm-Theater hat der neueImpresario" Sigismund Biberfeld ein besseres Renommö zu verschaffen gewußt, so daß seine Gesell­schaft durch ihre immerhin befriedigenden Leistungen ein recht gutes Publi­kum nach dieser Vorstadtbühne zu ziehen verstand. Leider schließt diese Truppe bald ihre Thätigkeit. In derPhilharmonie" endlich zieht eine ita­lienische Operngesellschaft alltäglich ein gewähltes Publikum heran, welches mit Recht den guten Leistungen der Gesellschaft mit Interesse folgt.

^ Was die übrigen Theater unserer Residenz anlangt, so wird in der Friedrich-Wilhelmstadt immer noch allabendlichder lustige Krieg" weiterge­führt, da Direktor Fritzsche trotz der 218. Wiederholung noch immer nicht an Frieden denken will. Im Belle-Alliance-Theater wird der ProzeßAp­pel contra Schwiegersohn" zum Ergötzen des Publikums weiter geführt. Im Central-Theater, das Direktor Ernst vor einer Woche eröffnet hat, haust dertolle Wenzel", den Gr. W. Mannstädt nach einem alten Stoffe ver­brochen hat. In der nächsten Woche stehen uns viele Neuheiten bevor, da Viktoria- und Wallner-Theater wieder ihre Pforte öffnen. Das Residenz- Theater wird schon am Sonnabend mitUriel Acosta" beginnen und das Ostend-Theater an demselben Abend mitdes Hauses kourokamdsult Ende" die Wintersaison eröffnen. Endlich wird auch noch an demselben Tage das Reichshallentheater seinen Winterseldzug beginnen und dem Walhalla-Theater keine geringe Konkurrenz bereiten.

Man sieht, Berlin kann es an Zerstreuung nicht fehlen, auch wenn das trübe Wetter, das Einen ganz melancholisch stimmt, noch länger anhält.

Die wohlbekannte Turnerin Miß Katarinodar ist wie aus Braunschweig dem Nürnb. Korr, geschrieben wird, bei einer Vorstellung im Zirkus Cortp dadurch verunglückt, daß sie bei einem Saltomortale über das Netz hinaus und in den Zuschauerraum sprang. Die Künstlerin erlitt einen Bruch des rechten Schenkels und des linken Armes.

Behandlung von Stahlfedern. Wenn man eine neue Stahlfeder vor dem Eintauchen in eine frisch zerschnittene Kartoffel steckt, so läßt sie sofort die Tinte gut gehen. Ist eine Feder mit einer Kruste von vertrockneter Tinte überzogen, so genügt es, sie ein- oder zweimal in eine Kartoffel zu stoßen, um sie wieder rein zu machen. In manchen englischen Comptoirs befindet sich auf dem Schreibtische eine Kartoffel, in die man, wenn man aufhört zu schreiben, die Feder steckt.

Hmtkicke Kekanntrnackungen.

Kon^ursoer^alZren.

Ueber das Vermögen des ent­wichenen Rothgerbers Christoph Sturm zu Calw, ist das Konkursverfahren eröffnet.

Die Eröffnung ist am 6. Sep­tember 1882, Vormittags 9 Uhr, erfolgt und der imm. Notar Herr Haffner zu Calw zum Konkurs­verwalter ernannt worden.

Konkurssorderungen sind bis zum 7. Oktober 1882 bei dem Gerichte anzumelden.

Zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderenVerwalters, sowie über die s Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretendenFalls über die in 120 I der Konkursordnung bezeichnten Ge-

j genstünde werden die Betheiligten auf

i

Freitag, den fl. Oktober 1882, Nachmittags 3 Uhr, und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf

Freitag, den 27. Oktober 1882, Nachmittags 3 Uhr, in das Gerichtszimmer im Rath­haus vorgeladen.

Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Be­sitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird aufgegeben, nichts an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Be­friedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 1. Oktbr. 1882 Anzeige zu machen.

Königliches Amtsgericht Calw.

Gerichtsschreiber

Widmann.

Im Manien des Königs;

In äer Drivatkkagefaeke

des ledigen Bauern Johs. Rentsch- ler, Gemeindepflegers Sohn von Lützenhardt, Privatklägers, gegen den ledigen Bauern Jakob Friedrich Schroth und den Bauern Friedrich Keck, beide von Sommenhardt, An­geklagte , wegen Beleidigung hat das K. Schöffengericht zu Calw, in der Sitzung vom 30. August 1882, für Recht erkannt:

Daß die beiden Angeklagten Jakob Friedrich Schroth und Friedrich Keck je wegen eines Vergehen der Beleidigung gemäß 8 135 und 186 des St.-G.-B. zu der Geldstrafe von je dreißig Mark, zu verwandeln im Falle der Uneinbringlichkeit, ge­

mäß H 28 und 29 des St.-G. in je 8 Tage Haft, und nach K 497, 498 und 503 der St. - P. - O. unter gegen­seitiger solidarischer Haftbarkeit des Einen für den Andern je zu Trag­ung der Hälfte der Kosten des Ver­fahrens und je zu Erstattung der Hälfte der dem Privatkläger erwachsenen nothwendigen Auslagen, sowie jedes zu Entrichtung der ihn treffenden Ge­richtsgebühr verurtheilt und daß dem Privatkläger die Befugniß zugesprochen sein solle, die Verurtheilung auf Kosten der Verurteilten binnen der Frist von zwei Wochen durch einmalige Einrück­ung des Urtheiltenors in dem Calwer Amtsblatt öffentlich bekannt zu machen, auch dem Beleidigten auf Kosten der Verurteilten eine Ausfertigung des Urtheils zu ertheilen sei.

Zur Beglaubigung :

Weber,

Gerichtsschreiber des K. Amtsgerichts.