57. Jahrgang.

Uro. 105.

Amts- unä Intekkigenzbkatt für äen Aezirh.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag.

Die Einrückungsgebühr betrügt 9 L für die vier- spaltige Zeile oder deren Raum.

Donnerstag, den 7. September L882

Abonnementspreis halbjährlich 1 -M 80 L, durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 L, sonst in ganz

Württemberg 2 70 L.

Politische Nachrichten.

Frankreich.

DasSiöcle", Organ Brissons, macht heute den Vorschlag, daß allen in Frankreich lebenden Deutschen 10 Prozent von ihren Gehältern oder Löhnen in Abzug gebracht werden sollten, damit auf diese Weise die Un­gleichheit zwischen ihnen und den französischen Arbeitern aufgehoben würde! Siöcle" behauptet, daß etwa eine Million Fremder in Frankreich beschäftigt seien und daß, wenn inan den durchschnittlichen Jahresverdienst ganz gering und nur zu 1000 Fr. anschlüge, nicht weniger als 100 Millionen durch diese Fremdensteuer aufgebracht werden könnten, eine Summe, die zur Gründung großartiger Versorgungsanstalten für Arbeiter mehr als ausreichen würde. Hand in Hand damit gehen auch in andern Blättern Versuche, die Arbeiter, die sich bisher allen chauvinistischen Treibereien entschieden abgeneigt zeigten, zu Brodneid gegen ihre deutschen Kameraden aufzuhetzen.

England.

London, 2. Sept. Ketschwayo gieng diese Woche nur sehr selten aus, da er sich mit Vorbereitungen zu seiner Abreise beschäftigte, die gestern von Southampton aus erfolgte. Reich beladen mit werthvollen Geschenken kehrt der wieder eingesetzte König in sein Reich zurück, von einein Feinde in einen Freund Englands verwandelt, und da Ketschwayo die Gesellschaft zur Bekehrung der Heiden um Traktate und sonstige religiöse Schriften ersucht hat, um dieselben in die Zulusprache übersetzen zu lassen, so wird er wohl das Schwert und das Affagai mit dem Pflug und der Bibel vertauschen, sein kriegerisches Geschäft an den Nagel hängen und als Missionar seine getreuen Unterthanen mit Traktätchen beglücken. Eine am Samstag vor­genommene amtliche Inspektion des Kanaltunnels ergab, daß die Arbeiten nunmehr wirklich eingestellt worden sind, und daß augenblicklich nur das zur Instandhaltung der Betriebseinrichtungen und Maschinerie nöthige Personal in Thätigkeit ist.

Türkei.

Konstantinopel, 4. Sept. Lord Dufferin theilte dem Sultan gestern mit, daß er durch eingegangene Instructionen ermächtigt sei, der, Landung von 2000 bis 3000 Mann türkischer Truppen in Port-Said zuzu-.- stimmen; zum Befehlshaber derselben soll Derwisch Pascha und zum Gene­ralstabschef des Letzteren Baker Pascha ausersehen sein. In einer ander- weiten Conferenz Said Pascha's mit dem griechischen Gesandten Conduriotis erklärte sich die Pforte geneigt, alle streitigen Grenzpunkte, ausgenommen das Gebiet des Nezero-Sees, an Griechenland abzutreten. Es heißt, Oester­reich hätte in Athen neue und ernstliche Vorstellungen erhoben gegen jeden Versuch Griechenland den Frieden zu stören.

Aegyptc n.

Aus Alexandria wird berichtet: Wie man sich erinnert, be­tonte Wolseley in seiner Proklamation an das egyptische Volk, daß er

als Freund desselben komme, um es von dein Drucke der Militärherrschaft zu befreien. Wer die letzten Tage in Alexandria weilte, konnte sich von dieserFreundschaft" durch den Augenschein überzeugen. Da wurde nicht nur erschossen nach Herzenslust, sondern gefangene Egypter wurden mit der Oschwänzigen Katze gepeitscht, bis sie liegen blieben! Doch damit nicht genug. Am vergangenen Dienstag wurde an Bord der egypt. Fregatte Suada von den Engländern an 3 arabischen Matrosen die Prozedur des Kielholens" vollzogen. Dieselben waren angeblich wegen Meuterei kriegsgerichtlich verurtheilt worden und erlitten nun diese furchtbare Strafe. Die Leute wurden nun zuerst gepeitscht, dann an ein Tau gebunden und zum Raanok der Backbordseite emporgezogen. Dann wurden sie in die See untergetaucht, unter dem Kiel durchgeschleift und am Raanok der Steuer­bordseite wieder aufgezogen. Unnütz ist es, hinzuzufügen, daß der Tod als­bald ihren Leiden ein Ende machte. Dieß berichtet nicht etwa ein den Briten feindlicher Korresp., sondern der Vertreter der Daily News, des Organs Gladstone's!

Tages-Nerrigkeiten.

Simmozheim, 4. Sept. (Eingesdt.) Der Brandbericht von Simmozheim, offenbar auf Grund oberflächlicher Informationen verfaßt, bedarf in mehreren Punkten der Berichtigung und Vervollständigung. Wenn er der Thätigkeit der hiesigen Feuerwehr und Einwohnerschaft warmes Lob spendet, so thut er dies mit vollem Recht, denn ohne das sichere und thatkräftige Eingreifen der­selben wäre es unmöglich gewesen, den Feuerherd auf das einzige abge­brannte Gebäude zu beschränken; dagegen durste er die erfolgreiche Thätig­keit der mit anerkennenswertster Raschheit auf dem Brandplatze eingetroffenen Althengstetter Feuerwehr nicht in Abrede ziehen, da dieselbe mit ihrer aus­gezeichneten Spritze von ihrer Ankunft bis zum andern Morgen recht gute Dienste leistete. Der Einsender hält dies hervorzuheben umsomehr für seine Pflicht, als er sich für die freundnachbarliche Hilfe zu bedanken alle Ursache hat. Von den Abgebrannten sind zwei unversichert und beklagen ihre Sorg­losigkeit dem tückischen Element gegenüber.

- - b. Altburg, 6. Sept. Vergangene Woche hatten wir und Ober­reichenbach Besuch vön einer aus ca. 30 Köpfen bestehenden Zigeunerbande. Ihr Lager war in Oberreichenbach, von wo aus 5 weibliche sauber gekleidete Glieder dieser Bande hieher kamen, nicht um zu betteln, nein um Geld einzuwechseln und zwar nur solche Stücke die den Buchstaben ^4 unter dem Bild hatten. Beim Aussuchen solcher kamen sie den Gefälligen, um sie nicht zu lange aufzuhalten, in generösester Weise entgegen, während dieses Vorgangs waren Andere sonst iin Hause beschäftigt, denn Zeit ist Geld, den Hühnern mit der Geschicklichkeit eines Fuchses den Hals umzudrehen und in ihre Schlinghalstücher verschwinden zu lassen, was ihnen bei 3 Stück gelang und doppelt geprellt hatten die Bereitwilligen das Nachsehen. Besonders soll unsere Wirthin R. nach eigener Aussage beim Einwechseln am meisten mit-

Feuikketon.

Vorurtheile.

(Fortsetzung.)

Die Reise in das Bad ward durch einen neuen Glücksumstand ver­hindert. Henriette schenkte ihrem Gatten einen Sohn. Heiligenstein hob ihn aus der Taufe, und der Täufling empfieng den Namen seines Pathen, Friedrich. Die zärtliche Liebe der beiden Gatten, die sich mit jedem Tage der Ehe zu vergrößern schien, erregte die allgemeine Bewunderung und wenn auch einige eifersüchtige uud neidische Frauen hier und da boshafte Bemerk­ungen darüber machten, so wagte es doch Niemand, dem jungen Baron die Vergangenheit zum Vorwurfe zu machen. Ludwig und Henriette hatten üch einer aufrichtigen Liebe und Achtung zu erfreuen, vielleicht deshalb, weil ^keinen erhabeneren Anblick gibt, als glückliche Menschen. Beide lebten sich selbst und ihrer Familie, ohne sich gerade von der Welt zurückzuziehen. Ludwig empfieng von Zeit zu Zeit große Gesellschaft in seiner prachtvollen Wohnung, denn gab er dem stillen Familienleben auch den Vorzug vor den Freuden der Welt, so war er doch der richtigen Ansicht, daß eine Familie früher oder später ihrer bedarf. Und dann sah er mit Stolz, wie man seiner reizenden Gattin huldigte, die an Schönheit und Liebenswürdigkeit alle Damen überstrahlte.

Es war gegen Ende des Sommers. Ein heiterer Septemberabend hatte sich auf die herrliche Landschaft herabgesenkt, und die Ruhe der Nacht begann sich über der Besitzung auszubreiten. Ludwig stand mit seiner

Gattin an der Wiege des kleinen Friedrich. Die Freude über den reizen­den Knaben, der ruhig schlafend in den weißen Kissen lag, durchbebte die Herzen der Aeltern. Innig umschlungen standen sie da und lauschten auf das leise Athmen des kleinen Schläfers.

Ludwig," flüsterte Henriette,ist unser Kind nicht ein Engel?"

Er schloß sie in seine Arme und flüsterte zurück:

Dem Himmel können nur Engel entsteigen, und Du bist mein Himmel, Henriette, meine Vorsehung, mein Leben!"

Sie lehnte ihr Gesichtchen, das in diesem Augenblicke von einer über­irdischen Schönheit zu sein schien, an seine Wange. Ludwig fühlte, wie ihr Herz an dem seinigen klopfte, wie der würzige Hauch ihres Mundes sein Gesicht fächelte.

O, könnte ich Dir Alles sein, was Du soeben ausgesprochen!" rief sie leise.Ich lebe ja nur für Dich und für unser Kind. Nun," fügte sie mit einem Lächeln unter Thränen hinzu,ich werde mich wenigstens bemühen, durch Liebe und Ergebenheit Dein Glück zu fördern. Bleibt das Resultat hinter meinen Bemühungen zurück, so habe Nachsicht, Ludwig-"

Er schloß ihr durch einen leidenschaftlichen Kuß den kleinen blühen­den Mund.

Henriette," rief er dann,sprich nicht weiter, Du tödtest mich!"

Sie hing sich an seinen Hals; er umschlang sie mit beiden Armen und trug sie zu dem Sopha. Nachdem er sie langsam auf das schwellende Polster gesetzt, ließ er sich zu ihren Füßen nieder, ergriff ihre Hände und sah zärtlich zu ihr empor.

Bist Du nun ganz glücklich, Ludwig ?" fragte sie leise.