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Leipzig verhaftet, der sich v. Edel nannte, aber eigentlich Franz Schwarz heißt. In Besitz desselben fand man 27 Mark in deutschem und etwas über 100 Frcs. in französischem Geld. Auf dem Transport nach der Polizei warf der Verhaftete eine feine Damenuhr und einen Theil seines Geldes weg. Auf dem Wachtzimmer angekommen, griff derselbe nach seinem Taschen­messer und stach mehrmals nach dem Unteroffizier, welcher dadurch eine Ver­letzung am kleinen Finger erhielt. Später gab er an, er sei verheirathet und Vater eines Kindes. Wo seine Familie zur Zeit weile, wisse er nicht; wahrscheinlich halte sie sich bei Verwandten in Dresden oder Stendal auf. Er komme direkt von der Schweiz und sei zuvor, vom 24. Mai bis 24. August dieses Jahres, in Paris ini Hotel du Louvre in Condition gestanden. Das in seinem Besitz befindliche Geld habe er sich in Paris erspart. Er sei beim Verhaften total betrunken gewesen und wisse nicht mehr, was mit ihm vorgegangen sei. Außer dem bei ihm gefundenen Gegenständen habe er noch einen goldenen Siegelring, eine silberne Tabaksdose und einen gol­denen Bleistifthalter besessen, die er verloren oder weggegeben haben muffe. Wenn er betrunken sei, führe er öfter den Namen seines Vaters, eines Herrn v. Edel; Schwarz sei der Name seiner Mutter, deren außerehelicher Sohn er sei. Schwarz wurde zu weiterer Untersuchung dem Gericht übergeben.

Von der Mündung der Starzel, 31. Aug. Seit dem 19. d. M. steht es bei uns sehr kriegerisch aus; die Hornisten blasen, die Trom­mel schlägt zum Streite, die Adjutanten fliegen, das Kommandowort erschallt und die Salven krachen. Dieses bunte Militärleben, voll Licht und Farbe, hat auch für den Laien seinen Reiz und Jung wie Alt strömt den ausmar- schirenden Kompagnien nach, drängt sich oft weiter vor als rathsam ist und begleitet sie wieder heim in ihre Quartiere. Der aufmerksame Beobachter aber sieht auf dem Uebungsfeld sofort, daß da Vieles zum Besseren geschehen ist, und jedem Freund des Vaterlands wird es wohl um's Herz, wenn er diese stolzen Füsiliere und Grenadiere aufmarschiren sieht, denn unwillkürlich denkt man daLieb' Vaterland magst ruhig sein." Das Verhältniß der Vorgesetzten zur Mannschaft ist ein ganz kameradschaftliches und der unbe­dingte Gehorsam ist weitaus ein freudiger, getragen von dem Gedanken der nothwendigen Disziplin und Ordnung. Ueber die Quartiere hört man im Allgemeinen uur löbliches, so daß die betr. Kommandeure bei vorkommenden Kantonnementsveränderungen sich veranlaßt sehen, den jeweiligen Gemeinden ihren Dank für die freundliche Aufnahme und opferwillige Verpflegung der Mannschaft auszusprechen.

Fr ankfurt a. M., 1. Sept. Die ungarische Zigeuner- Kapelle, unter Leitung ihres Dirigenten Kiß Ianesi spielte gestern Abend in Stein's Wiener Kafv, Kaiserstraße, unter einem so starken Zudrang seitens des Publikums, daß zahlreiche Personen keinen Platz finden konnten. Den ausgezeichneten Ruf, welcher der Kapelle vorausging, fanden wir wohl begründet. Bei diesen schwarzäugigen Söhnen der Pusta vereinigt sich musikalische Begabung mit einer vorzüglichen Routine, welche ihnen den Gebrauch der Noten völlig entbehrlich macht. Das lebhafte Temperament der Künstler verleiht ihrem Spiel viel Feuer und Schwung. Namentlich im Forte.wissen sie ihre Zuhörer Hinzureißen und die unverkennbar gute Schu­lung, die sie genossen, läßt sie die schwierigsten Passagen brillant executiren. Nicht wenig trägt hierzu der weiche und volle Klang ihrer ersten und zweiten Violinen bei, die namentlich in den ungarischen Nationalliedern und den Strauß'schen Tänzen zu voller Wirkung kamen. Der Beifall, den die 14 Personen starke Kapelle fand, die noch drei oder vier Tage im Wiener Cafö spielen und dann nach Wiesbaden, Straßburg und Paris gehen wird, war ein eminenter und seitens ihrer zahlreich erschienen Landsleute aus Oesterreich- Ungarn ein geradezu enthusiastischer.

Bayreuth, 28. Aug. Das Bair. Tagbl. erfährt aus sicherster Quelle, daß der deutsche Kronprinz sich dem Hrn. Bürgermeister Muncker und Verwaltungsrath Hecke! gegenüber auf das Begeistertste so­wohl über WagnersParsifal" selbst, als über die Leistungen der Mitmirkenden ausgesprochen und u. A. geäußert hat, er sei nach dem ersten Akte so tief ergriffen gewesen, daß er jede Beifallsbezeugung ver­gessen habe.

Berlin, 2. Sept. Die Nachrichten über das Befinden der Kai­serin sind leider wenig befriedigend. Das offizielle Hofjournal bringt gar keine Mittheilung, was den Gerüchten nur Vorschub leistet. So viel bekannt ist die Kaiserin durch das Fußübel, welches einen Gypsverband nöthig machte, gezwungen, das Bett zu hüten, und werden die Krankenpflegerinnen, die die hohe Frau in Koblenz pflegten, nach Potsdam berufen. Das Befinden des kürzlich mit dem Pferde gestürtzten Kommandeurs des Garde­korps, Grafen Brandenburg, gibt zu Besorgnissen keinen Anlaß. Der Generalarzt Dr. Leuthold, welcher den Grafen behandelt, hofft, daß die Herstellung in drei bis vier Wochen erfolgt sein kann.

Vermischtes.

Wie nährt man sich gut und billig? In der Concur- renz über diese Preisfrage, für deren Lösung der Verein Concordia einen Preis ausgesetzt hatte, ist nunmehr die Entscheidung erfolgt. Die Schrift sollte so abgesaßt sein, daß jede Hausfrau sich selbst darnach heraus­rechnen könne, wie unter Berücksichtigung des in den verschiedenen Gegenden abweichenden Geschmackes, ein den Ansprüchen der Physiologie genügende Ernährung in der billigsten Weise, das heißt mit dem geringsten Geldauf­wands, bewerkstelligt werden kann. Es waren die Concurrenz - Bedingungen E 167 Fällen erhoben worden und 33 Concurrenzarbeiten eingegangen. Nachdem die einzelnen Arbeiten einer genauen und sorgfältigen Vorprüfung durch fachverständige Vereinsmitglieder unterzogen worden waren, hat das aus den Herren Professor Dr. C. v. Voit - München, Geh. Medicinalrath Professor Dr. Beneke-Marburg und Professor Dr. I. Förster- Amsterdam bestehende Preisgericht der Arbeit des Herrn Dr. Meinert - Berlin einstimmig den ausgeschriebenen Preis zuerkannt. Mit gleicher Ein­

stimmigkeit wurden zwei weitere Preisarbeiten lobend erwähnt und, ohne denselben einen Preis zuzuerkennen, anerkennend bedacht.

Im Interesse der Herbeiführnng einer rationellen Volksernährung ist die preisgekrönte Schrift zum Massenvertrieb bestimmt worden und wird zu dem geringen Bezugspreis von 50 H durch den Buchhandel abgegeben werden; den Vertrieb hat die Firma S. Mittler und Sohn in Berlin übernommen. Abnehinern größerer Partien sollen bei directem Bezug durch den Verein Concordia (Mainz) wesentliche Preisermäßigungen zugestanden werden. Größeren Arbeitgebern rc. dürfte im Interesse ihrer Arbeiter anzurathen sein, eine Vertheilung der nützlichen Schrift zu veranstalten. (Wenn es nicht falsch aufgefaßt würde.)

(Ein Kanalunternehmen.j Wie dieNordd. Allgem. Ztg." hört, hat der französ. Ingenieur Laurent, welcher für Privatrechnung die Verbindung des San, eines galizischen, und der russisch - östreichischen Grenze in die Weichsel mündenden Nebenflusses mit dem Dnister, der bei Odessa in das schwarze Meer sich ergießt, ausführen will, seitens der öst­reichischen Regierung bereits die Bewilligtest hierzu erhalten. Durch die Realisirung dieses Unternehmens würde eine direkte Wayerstraße zwischen Danzig und Odessa, in einer Länge von etwa 1800 Kilomter hergestellt wer­den, in einer Länge, wie sie eine zweite Flußstraße in Europa nicht aufzu­weisen hat.

-- Die Jäger im Fichtelgebirg haben seltene Arbeit bekommen. An mehreren Orten haben sich Wölfe gezeigt, mehrere sind Bauern und Reisenden über den Weg gelaufen. Ein Regierungsrath in Wunsiedel, der in den Wald gegangen war, um Pilze zu suchen, traf einen schlafenden Wolf und retirirte eiligst. Die Störche, die in dem schnell wachsenden Berlin immer sehr thätig sind, haben in Stralau in diesen Tagen ihre herbstliche Generalversammlung gehalten und sind 300 Köpfe stark mit ge­waltigem Geklapper nach Süden abgezogen.

Der Gipfel der Trägheit wurde kürzlich bei folgendem Zwiegespräch in einem Theaterbüreau entdeckt:Wie kommt es nur, daß X. der doch für einen der trägsten Menschen gilt, so viele Stücke schreibt? Und immer fünfaktige!"Wahrscheinlich", lautete die Antwort,ist er, wenn er einmal anfängt zu schreiben, zu faul, um die Feder wieder aus der Hand zu legen."

Ein seltsamer Zwischenfall ereignete sich dieser Tage im Pariser Chateau-d'Eau-Theater. Man gabDon Pasquale" und die Vorstellung war im besten Zug, als die Sängerin Mineur von der Bühne herab die Musik unterbrach, indem sie dem Kapellmeister Bourgeois zurief, daß er ihren Gesang nicht in gehöriger Weise begleite.Dann werden wir Sie gar nicht begleiten", erwiderte gereizt der Dirigent und wirklich verläßt er in feierlichem Schritte das Orchester, gefolgt von sämmtlichen Mitgliedern desselben. Natürlich konnte nicht weiter gespielt werden und man ließ den Vorhang inmitten einer großen Bewegung des Publikums fallen. Während nun die Oper unterbrochen war, gieng es hinter den Coulissen äußerst leb­haft her. Der Direktor, unterstützt von einigen Künstlern u. s. w. bot Alles auf, um die erzürnten Musiker zu versöhnen und sie zu bewegen, zu ihrer Pflicht zurückzukehren. Aber alle Vorstellungen blieben vergebens und man kam schließlich zu gegenseitigen Grobheiten, um von da zu Faustschlägen und Fußtritten überzugehen. Endlich wurde ein Entschluß gefaßt. Der Vorhang geht von Neuem in die Höhe und der Regisseur tritt vor die Rampe mit der ebenso höflichen, als dringenden Anfrage, ob nicht im Pub­likum ein klavierkundiger Herr oder Dame sei, im Stande und geneigt, die Begleitung zu übernehmen. Großes Erstaunen im Publikum und allgemeine Stille, endlich erhebt sich eine alte, würdig aussehende Dame im Parquet und erklärt sich bereit, dem Wunsche Folge 'zu leisten. Donnnernde Bravos belohnen sie für den bekundeten Muth, ein Pianino ist rasch zur Stelle ge­bracht und die alte Dame accompagnirt bis zum Schluß zur allgemeinen Zufriedenheit.

Ein fröhlicher Pfälzer wanderte in Amerika ein und besuchte seinen in der Nähe von Lancaster, Penns., ansässigen Onkel. Neben dem reichen Sonntagsmahl stand anstatt der gewohnten Weinflasche das Wasser­glas. Der Deutsche machte einige Bemerkungen darüber, die man ihm mit der kurzen Erklärung abschnitt: Mir sein halt Temperen;, bei uns derf kei Troppe Spiritus in's Haus. Nach dem Essen zog sich der Bauer zum Mit­tagsschläfchen zurück, die Mädchen giengen in die Sonntagsschule und die Jungen in die Scheune. Plötzlich rief die Tante den deutschen Vetter in die Küche und zog verstohlen eine Flasche Kirschengeist aus dem Wandschrank und sagte: Komm, trink mei Alter ist so streng Temperen;, daß ich niks merke lasse darf; aber wer kriegt mitunter Leibweh. Zehn Minuten später ruft der Alte den Vetter in seine Stube, schließt eine Kiste auf, in welcher ein vier Gallonenfäßchen schlummert, schenkt ein und sagt: Trink herzhaft, wenn mer auch Temperenzler sein, unseren gute Troppe halte mer doch, aber die Alte darfs net wisse. Etwas später geht der Gast nach den Ställen, dort schleppen ihn die Söhne des Farmers in eine dunkle Ecke, ziehen eine Flasche aus dem Stroh mit den Worten: Vetter trink, 's guter Bourbon, aber sag's den Alten net, die sein verrückte Temperenzler.

Amerikanische Vermögen. Günstiger als anderswo liegen in den Vereinigten Staaten die Verhältnisse für die Ansammlung großer Vermögen und gerade in den letzten dreißig Jahren haben sich die Riesen­kapitalien, welche sich drüben in den Händen Einzelner befinden, nach dem natürlichen Gesetze ungeheuerlich vermehrt. Vor dreißig Jahren noch war der reichste Mann in den Vereinigten Staaten nicht reicher, als der reichste Römer im Zeitalter des Pompejus und Julius Cäsar, der römische Krösus Marcus Crassus, dessen Vermögen in Dollars an 15 Millionen betragen haben dürfte. Für ungefähr so reich wurde vor dreißig Jahren der Phila- delphiaer Bürger Girard gehalten, der damals als der reichste Mann des westlichen Continents galt. Als Commodore Cornelius Vanderbilt starb, wurde sein Vermögen auf 40 Millionen Dollars geschätzt. Einige Jahre da-