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weniger als fünf Stabsoffiziere — außer dem Kommandeur —, während wir uns mit 23 Offizieren begnügen. Was den französischen Generalstab betrifft, so iveist die Rangliste 369 Offiziere aller Grade auf, während nach dem Gesetz vom 8. Mai 1880 nur 312 vorgesehen sind; das Bedürfniß, möglichst viel Generalstabsoffiziere zu besitzen, ist überhaupt in Frankreich weit größer als bei uns, da abgesehen davon, daß der gesammte deutsche Generalstab nur 201 Offiziere zählt, jedes französische Armeekorps 8—12 Generalstäbler besitzt, während der Stab eines deutschen Armeekorps mit nur 3 Offizieren dieser Kategorie bedacht ist.
England.
London, 2. Sept. General Wolseley depeschirt aus Ismailia: „Ich erwarte nur die vollständige Organisation des Transportdienstes, ehe ich weiter vorrüäe." Wolseley nahm an, die Eisenbahn und den Kanal zur Proviantirung der Truppen in der Front benutzen zu können; der Feind versperrte indeß die Bahn und den Kanal durch Dämme. Die Hindernisse sind jetzt beseitigt; es funktioniren bereits drei Lokomotiven. Ein Maulthiertransport ist aus Eypern eingetroffen, andere werden baldigst aus Malta, Italien, Syrien, erwartet. Wolseley hofft, Kameele von den Beduinen zu erhalten. Die Hitze ist weniger groß, als erwartet wurde. Die Gesundheit der Truppen ist eine gute.
London, 2. Sept. Die Times meldet aus Alexandrien vom heutigen Tage: Man glaubt, Wolseley werde, durch eine schottische Brigade verstärkt, morgen oder Montag einen allgemeinen Angriff machen. Aus Suez wird von gestern gemeldet: Der Kanal ist von bewaffneten Booten wohl bewacht; die wichtigsten Punkte zwischen Jsmailia und Suez sind von indischen Truppen besetzt.
Dublin, 2. Sept. Heute wurden 300 Offizianten der Stadtpolizei ihres Dienstes entlassen, weil sie an einem Meeting theilgenommen, das mehrere das Verhalten der oberen Polizeiosfizianten kritisirende und Unzufriedenheit ausdrückende Resolutionen annahm. Es herrscht lebhafte Erregung, die Polizeistationen sind militärisch besetzt. Der"'Vizekönig Lord Spencer erließ eine Proklamation, worin er die Bürger auffordert, zum Ersatz der entlassenen Polizeimannschasten sich als besonderes Polizeikorps zu organisiren.
Tages-Neuigkeiten.
Calw, 4. Septbr. Wer heute rückwärts blickend, die große Zeit noch einmal im Geiste durchlebt, welche vor 12 Jahren mit der Kunde vom Siege bei Sedan ihren Höhenpunkt fand und wer mit jener begeisterten Stimmung den heutigen Geist der Zwietracht und des Mißwuchs in Vergleich bringt, der kann sich eines niederschlagenden Gefühls kaum erwehren. Ist es da angebracht, das Gedächtniß jener Tage zu erneuern? Sicher und mehr wie je. Gerade weil wir Gefahr laufen, das kostbare Erbtheil jener Zeit zu vergessen oder gering zu schätzen, feierten wir auch am letzten Samstag wieder jenen denkwürdigen Tag in Calw. Wieder bewegte sich der imposante Zug durch die Straßen unserer Stadt, diesesmal stimmten die freudigen Gesichter der geschmückten Jugend besser mit dem blauen Himmel, zu dem herrlichen Wetter, das uns unsere Prognostiker nicht einmal für diesen Tag zukommen lassen wollten. Die Herren Lehrer eröffneten den Zug mit Ihrer vergnügt dreinschauenden Kinderschaar, „lieb' Vaterland magst ruhig sein", tönt es noch in unfern Ohren und gedenkend der Errungenschaften jenes glorreichen Tages fällt unser Blick zuerst auf den Veteranen- und Militärverein, auch von Turnern hatte sich erfreulicherweise eine Anzahl angeschlossen. Wesentlich trugen zur Verschönerung des Festzugs Schüler des Lyzeums in den malerischen Costümen aus Wallensteins Lager bei. Auf dem Festplatz angekommen hielt Herr Paul Zilling mit bekannter Rednergabe die Festrede, die von jedem Anwesenden mit steigendem Interesse verfolgt wurde und mit einem Hoch auf unfern deutschen Kaiser schloß. Nach einigen deklamatorischen Vorträgen von Knaben begann in der Turnhalle die Aufführung aus Wallensteins Lager, worüber in erster Linie den Arrangeuren derselben die vollste Anerkennung gezollt werden muß, Jedermann freute sich über die von einigen der Schüler besonders gute Recitation bei freiem unbefangenen
Aufklärung geben, ich muß den Schleier noch einige Zeit über der Vergangenheit ruhen lassen — die Zeit ist nicht fern, wo Du mich begreifen wirst. Folge mir blindlings und schreibe!"
Der Sohn ergriff die Feder, und die Mutter diktirte:
„Herr Baron! Ernste Rücksichten veranlassen mich, eine Sache zu ignoriren, die mir eigentlich stets hätte fremd bleiben sollen. Es ist mir lieb, daß der Plan meiner Mutter auf die bekannte Weise vereitelt wurde, denn wenn ich mich fügte, so geschah es aus kindlichem Gehorsam, mein Herz gab mir keine Veranlassung dazu. Da Sie ein Mann von Ehre sind, überlasse ich Ihrem eigenen Gefühle die Schritte, die zu unternehmen erforderlich, um die Kränkung einer Dame wieder gut zu machen. Dies ist der Wille meiner Mutter, und ich füge mich ihm als gehorsamer Sohn."
Trotz aller Protestation des jungen Mannes ward der Brief versiegelt und abgeschickt. Als Antwort darauf erhielt die Freifrau eine einfache Entschuldigung Ludwig's und die Anzeige des Obersten, daß seine Tochter Henriette mit dem Baron Ludwig von Nienstedt verlobt sei.
„Mutter, darin liegt eine neue Beleidigung!" sagte Ignaz, nachdem er die Zeilen gelesen.
„Sie entgeht mir nicht," antwortete bitter lächelnd die Freifrau. „Mögen sie Beleidigung auf Beleidigung häufen — der Tag der Abrechnung bleibt nicht aus. So habe ich es gewollt; man soll an meine Niederlage glauben, bannt ich einst desto furchtbarer mich erheben kann. Gieb Befehl, daß man packe, diese Nacht reisen wir ab."
Um Mitternacht verließen die Erichsheim's das Bad. Zwei Tage später reiste der Oberst mit seiner Tochter ab. Tags darauf folgten Ludwig und Heiligenstein, sie begaben sich nach dem kleinen Gute des Letztem, das eine Stunde von Nienstedt entfernt lag. Die Frau des Polizeicom-
Spiel. Während unsere Stadtmusik, die sich wieder verschiedene neue Nummern zugelegt hatte, auf dem Festplatz spielte, gaben sich die Festtheilnehmer der ungezwungensten Unterhaltung hin, unsere, mit weniger Ausnahme, liebe Jugend sich dagegen mit diversen Spielen ergötzte.
Nachdem der Festzug um 7 Uhr Abends auf den Marktplatz zurückgekehrt, sprach Herr Rector Müller noch beherzigenswerthe Worte an die Anwesenden und fand somit das schöne gelungene Fest den würdigsten Abschluß.
— Die freiwillige Gehilfen-Prüfung in Crailsheim hat am 26. Aug. d. I. erstanden: Friedr. Müller, Verw. - Candidat in Calw.
— Die erste theologische Dienstprüfung hat mit Erfolg bestanden und ist zur Versetzung von Pfarrgehilfdiensten für befähigt erklärt worden: Paul Harr von Calw.
* Stammhei m, 4. Sept. Gestern Abend gleich nach 9 Uhr schlug der Blitz auf Hof Dicke, Parcelle Stammheim, in das ehemalige Ziegeleigebäude, in welchem abwechselnd landwirthschaftliche Geräthschaften aufbe- mahrt werden; das Gebäude brannte mit seinem ganzen Inhalt nieder; das in der Nähe stehende ehemalige Wohngebäude für die Ziegelei, sowie 3 große Strohhaufen vis-a-vis von dem abgebrannten Gebäude, wurden glücklicher Weise, durch den heftigen Regen, kräftig durchnäßt, so daß bis Hilfe von Stammheim und Holzbronn kam, dieselben verschont blieben, im andern Fall wären auch die andern Oekonomie-Gebäude in großer Gefahr gewesen, indem nur wenig Wasser zum Löschen vorhanden war.
Stuttgart, 2. Septbr. Gestern Abend wurde auf Grund des Sozialistengesetzes eine Versammlung von Sozialdemokraten auf dem Haidehof (Eßlinger Berg) aufgehoben, indem die Versammelten, eine Anzahl sozialdemokratischer Arbeiter, auch ein auswärtiger Schriftsteller war darunter, von der Polizei zum Auseinandergehen ausgefordert wurden, welche Weisung auch ohne Widerstreben befolgt wurde. Außen vor dem Hause auf der Straße soll einer der Arbeiter Lärm angefangen und dadurch seine Haftnahme veranlaßt haben. Im Saale prangte die Büste Lasalles.
— Zum Beweise, daß es in unserer Zeit auch noch theilnehmende Herzen gibt, mag dienen, daß ein von Scharnhausen gebürtiger Bürger Köngens, der vom Hagelschlag schweren Schaden erlitten hat, dieser Tage von seinen Verwandten und Freunden seines Geburtsortes mit drei Wagen prächtiger Dinkelgarben erfreut wurde. — In Ulm stand in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag eine Reihe von Erntewagen, vollauf mit Haber geladen. Einer dieser Wagen war offenbar von boshafter Hand angezündet worden und stand in Hellen Flammen. Die Leute aus dem Haus und der Nachbarschaft hatten die Geistesgegenwart, den Wagen mit der brennenden Frucht zu isoliren und ihn umzustürzen. Die Frucht dieses einen Wagens verbrannte oder verdarb beim Löschen, der Wagen aber ward nur in den oberen Theilen beschädigt. Hoffentlich gelingt es bald, den Brandstifter zu entdecken. — In Fornsbach bei Backnang wurde am Mittwoch früh auf einen Bahnwärter, während er die Linie beging, ein Schuß abgefeuert und derselbe durch einige Schrotkörner, zum Glück nicht erheblich, verwundet. Der Thäter ist noch nicht ermittelt. — In Heilbronn glitt am Donnerstag Abends die junge Ehefrau des Max Nuffer (Windgasse 1), als sie im Begriffe war, ein Faß Bier auf dem Kopfe nach Hause zu tragen, unmittelbar vor ihrer Wohnung aus, stürzte nieder und brach das Kreuz. Ein Blutstrom aus Nase und Mund ließ erkennen, daß der Tod sofort eingetreten war. — Zu Alten steig ertrank letzten Sonntag Nachmittag im Mühlkanal der Nagold mitten in der Stadt ein 4'/» Jahre altes Knäblein, das seit geraumer Zeit von den entfernt wohnenden Eltern ins Haus der Großeltern gegeben war und kommende Woche wieder ins Elternhaus zurückgebracht werden sollte. — In der Nacht vom Montag auf Dienstag wurde in der 10 Minuten von Marbach entfernten Häldenmühle ein Pferd des Müllers von einer bis jetzt unbekannten Hand durch einen Messerstich derart verwundet, daß man das werthvolle Thier in seinem Blut sich wälzend antraf. Die That wird allgemein als Racheakt aufgefaßt.
Württ. Ldztg.
— In Tübingen wurde ein 22jähriger vagirender Kellner aus
missars hatte den Auftrag erhalten, ihr ganzes Haus zum Empfange der jungen Gatten für das nächste Jahr vorzubereiten.
Vl.
Der Herbst und der Winter waren verflossen. Ludwig wohnte mit seiner jungen Gattin auf Nienstedt, und Alles schien sich zu vereinigen, um sein Glück zu einem vollständigen und dauernden zu machen. Henriette liebte ihn mit der innigsten Zärtlichkeit, und der greise Oberst, der frei aufathmete, nachdem er das lästige Joch der Erichsheim's abgeschüttelt, lebte wieder auf bei dem Glücke seines Kindes. Aber die Erinnerung an seine älteste Tochter trübte den Sonnenschein, der den Winter seines Lebens mit einem milden Lichte übergoß, und sein Schmerz über das unglückliche Loos derselben war um so größer, da es nicht in seiner Macht stand, der armen Gattin eines leichtsinnigen und gemüthlosen Mannes hülfreich die Hand zu bieten. Durch den Bruch mit der Freifrau waren alle Beziehungen zu der Familie der Erichsheim's aufgehoben, und die Nachrichten, die man zufällig erhielt brachten wenig Beunruhigung.
Heiligenstein war im vollen Sinne des Wortes ein Hausfreund auf Nienstedt, man zog den erfahrenen Mann bei jeder Gelegenheit zu Rathe und Nichts ward ohne seine Beistimmung unternommen. Ludwig verwandte einen Theil seines großen Vermögens dazu, seinem väterlichen Gute den alten Glanz wieder zu verleihen, und als der Frühling erschien, entfaltete sich in allen Theilen der weiten Besitzung ein reges Leben. Der benachbarte Adel näherte sich den jungen Leuten, und Ludwig ward nicht nur als der reiche Baron geachtet, man schätzte ihn auch seines vortrefflichen Charakters wegen, und wünschte dem alten Obersten Glück zu einem solchen Schwiegersöhne.
(Fortsetzung folgt.)