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Der Hauptrathgeber Arabi's, Mahmud Fehmi, ist als Gefangener im Lager Wolseley's. DiePall - Mall - Gazette" dementirt das Gerücht, daß der General Wolseley Verstärkungen verlangt habe; der General verfüge über ein Korps von 11,000 Mann mit 2770 Pferden und 27 Kanonen.

London, 29. Aug. Aus Jsmailia läuft die Nachricht ein, daß die Eng­länder die Schleuse bei Gasassin mit 7 Geschützen armirt haben. Der Gefangene Mahmud Fehmy Pascha hat von Tel-el-Kebir aus auf einen Eisenhahnzug eine Recognoscirung unternommen. Bei Annäherung der Engländer hatte der Lokomotivführer die Maschine abgehängt und war in toller Hast damit zurückgefahren. Mahmud Fehmi) sagte aus, bei Tel-el-Kebir seien drei Batterien Festungsgeschütz und fünf Krupp'sche Feldbatterien in Position und im Lager Arabis sei große Insubordination. Eine weitere Depesche von gestern 12 Uhr Nachts meldet, daß der Feind gestern gegen Abend in Masse gegen die englischen Vorposten vorgieng. Um 6 Uhr wurde englischerseits der Befehl zum Angriff gegeben, worauf sich auf der ganzen Linie ein heftiges Feuergefecht, hauptsächlich der Artillerie, entwickelte, was noch jetzt andauert.

London, 29. Aug. (Privatdepesche d. F. Journ.) Aus Jsmailia wird gemeldet, daß das Gefecht von gestern Abend mit der Niederlage der Egypter, welche zehn Kanonen verloren, endete.

Limerick, 29. Aug. Etwa 60 Polizisten strickten infolge der Ent­lassung von fünf Kameraden, welche die Leiter der jüngsten Agitation um Solderhöhung gewesen waren. In anderen Städten Irlands wollen die Konstabler ebenfalls stricken, falls die Entlassenen nicht wieder angestellt würden.

Aegyp 1 e n.

Die neuesten Nachrichten aus Egypten würden von großem Be­lange sein, wenn sie alle wahr wären. Danach hätten die englischen Truppen bereits Kafr-ed-Dauar sowohl, als auch Tell-el-Kebir in ihre Gewalt gebracht. Inzwischen wird aber letztere Nachricht flugs wiederrufen. Die systematische Nachrichtfälschung, welche die Engländer betreiben, macht doch einen kläglichen Eindruck, besonders wo sie jetzt in bedeutender Macht in Egypten vertreten sind und schon wirkliche Erfolge zu verzeichnen haben. Eine Nachricht besagt, daß alle Eisenbahnen am Suezkanal in Händen der Engländer seien. Nun gibt es aber nur eine Eisenbahn am Suezkanal (Kaluib-Suez 226 Kilometer.) Wieder ein Beleg dafür, wie sehr die Engländer es lieben, den Mund voll zu nehmen. In Alexandria ist unter dem Vorsitz des Afrikareisenden Schweinfurth ein Ueberwachungs- resp. Sicherheits-Ausschuß zusammgetreten.

Türkei.

Sophia, 28. Aug. Die muselmännische Bewegung ist im Abnehmen. Die russische Regierung schickt den Obersten Vogt, um den Manövern bei Schumla beizwohnen. Das neue Wahlgesetz wurde vom Staatsrath genehmigt.

Rußland.

Petersburg, 26. Aug. In Kiew fanden abermals ernste Ex­zesse gegen die Juden statt, deren Urheber der Stellvertreter des dortigen Polizeimeisters Namens Schiwogliadow gewesen sein soll. Derselbe befahl am 20. d. allen noch in Kiew ansässigen Juden, die Stadt binnen 24 Stun­den zu verlassen, und als nach Verlauf dieser Frist noch einige jüdische Fa­milien, die Häuser und Realitäten in Kiew besitzen, zögerten, diesem Befehle nachzukommen, ließ der Polizeigewaltige die Familien sammt und sonders auf die Gaffe setzen und dann zum Stadtthore hinausjagen. Diese gewalt- thätigen Maßnahmen der Polizei in Kiew waren von Exzessen des Pöbels, welcher dabei wieder plündern konnte, begleitet.

Tie deutsche Mariue.

Lange begleitete das stolze ,6ivis romanus sum"(Ich bin römischer Bür­ger") nur den Engländer durch die Welt, denn er war, wenn ihm irgend wo Gewalt angethan wurde, des Schutzes seiner Regierung gewiß.

Das heilige römische Reich deutscher Nation dagegen, das schon ver­möge seines anspruchsvollen Titels den alten Spruch für seine Angehörigen hätte zur Wahrheit machen sollen, that lediglich nichts für den Schutz des Reichsbürgers im Ausland und unter des erlauchten deutschen Bundestags schützenden Privilegien konnte ein Angehöriger der deutschen Bundesstaaten, wenn er nicht gleichzeitig Oesterreicher oder Preuße war, von Anfang auf

Förderung oder Wahrung seiner Interessen im Auslande durch die konsula­rische oder gesandtschaftliche Vertretung seines Heimathlandes verzichten..

Jetzt aber beginnen auch die Deutschen sich als Glieder eines mäch­tigen Staates zu fühlen und zu wissen, daß dieser sie schützt.

Allerdings ist hiedurch unsere Marine sehr in Anspruch genommen, aber ihre Rührigkeit kommt unserem Handel in hohem Grade zu Gute.

Unter dem Schutze der deutschen Flagge, die leider in einem würt- tembergischen Blatte eine schmachvolle Feder einefremde Fahne" nannte, unter dem Schutze dieser Flagge leben die Deutschen auf den ent­ferntesten Punkten der Erde sicher und ruhig und wenn je in der Fremde einem Burger des Reichs Unbill geschieht, so weiß er, daß diese Flagge ihm Genugthuung verschaffen kann und zuversichtlich verschaffen wird.

Es war nicht immer so mit der deutschen Flagge. Als sie noch schwarz- rothgold über das Meer fuhr, drohte Lord Palmerston sie als Seeräuber­flagge zu behandeln und Deutschland mußte diesen Schimpf einstecken.

Jetzt wird sich jeder englische Staatsmann wohl hüten, eine gleiche oder ähnliche Haltung gegen das schwarzweißrothe Banner anzunehmen, wenn er auch als Engländer dasselbe keineswegs mit dem Auge des Wohl­wollens betrachtet.

Wie unangenehm man in England überhaupt das Entstehen und Er­starken einer deutschen Seemacht empfindet, das erhellt aus verschiedenen Vorkommnissen, die wir hier nur kurz berühren wollen.

Als zu Anfang der 60er Jahre die Absicht deutlicher hervortrat, die preußischen Seestreitkräfte besser zu organisiren und zu vermehren, kam diese Angelegenheit anläßlich einer Interpellation auch im britischen Oberhaus zur Sprache. Einer der anwesenden Pairs äußerte dabei mit Bezug auf das erwähnte Streben der Deutschen geringschätzig: »Opiat vpkippia dos" (Der Ochse wünscht sich einen Sattel.) Unter dem frenetischen Beifall, den diese anmaßende Phrase im Hause des Lords erntete wurde die Interpellation begraben.

Am 9. Mai 1864 griffen die österreichischen FregattenSchwarzen­berg und Radetzky" nebst 3 preußischen Schiffen ein dänisches Geschwader bei Helgoland an. Die deutschen Schiffe mußten sich aber, weil der Schwar­zenberg in Brand gerieth, nach der Elbemündung zurückziehen. Als dieser glänzende Sieg der dänischen Flotte" im englischen Unterhause verkündet wurde, brach auch dieses Haus in cynischen Jubel aus.

Unser Kaiser und Fürst Bismarck, sowie der deutsche Reichstag, als er noch die wahre Stimme der Nation repräsentirte, haben dafür gesorgt, daß sich derlei Scenen nicht wiederholen werden.

Der Sattel ist vorhanden, aber es ist kein Ochse, dem er aufgelegt wird und die dänische Flotte wird über die deutsche keine Siege mehr erfechten.

Frei entfaltet unter dem Schutze der letzteren der deutsche'Handel seine Schwingen, die er in alle Weltmeere taucht, überall ist die deutsche Flagge beliebt und gerne gesehen und das Verhalten der deutschen Schiffsmannschaften zeichnet sich überall vortheilhaft aus.

So darf der Deutsche unserer Tage mit Stolz und Genugthuung auf seine Marine blicken, welche ihm überall die Sicherheit seiner Person und seines Eigenthums garantirt. U Oorr.

Tages Neuigkeiten.

Calw, 30. Aug. Dem Schw. Merk, wird zweifelsohne von gut unter­richteter betheiligter Seite geschrieben: Schon seit einiger Zeit bereiten sich die Schüler des Lyzeums unter Leitung ihrer Lehrer auf eine theatralische Aufführung vor, welche sie zur Feier des N a t i o n a l f e st e s am 2. Sept. in der Turnhalle veranstalten wollen. Sie haben dazu Schiller'sWallen- steiifls Lager" gewählt. Da das Schauspiel im Kostüm vor sich gehen soll, so haben Alt und Jung schon mit den Vorbereitungen dazu viel Unterhal­tung und Freude. Das Bleibtreu'sche BildDie Schlacht von Wörth" ist heute von hier abgegangen nach Altenstaig. Es hat hier ein Eintritts­geld von 256 cM. 57 L ertragen, welche der Unterstützungskasse des württ. Kriegerbundes zugute kommen.

Fab. Ferd. Schmidt jun. von Neuenbürg wurde an Stelle des

Gnädige Frau," begann er,Sie haben diesen Morgen dem Obersten von Eppstein das Kapital gekündigt, das Sie auf seinem Gute Nienstedt stehen haben. Dieses Kapital ist Ihnen nicht nur durch die erste Hypothek genannten Gutes gesichert, Sie besitzen über dieselbe Summe auch noch einen Wechsel."

Ah, das ist es!" flüsterte höhnend die Freifrau.

Ja, das ist es, Madame!"

So sind Sie der Negociant des Herrn Obersten?"

Ich bitte, nehmen Sie mich als solchen."

Nun gut, so sagen Sie ihm, daß ich nach acht Tagen zunächst von dem Rechte Gebrauch machen würde, das mir der Wechsel giebt. Noch heute wird inein Rechtsanwalt Auftrag erhalten-"

Ersparen Sie sich diese Mühe, gnädige Frau; ich komme im Aufträge des Herrn Obersten, um den Wechsel sofort einzulösen. Dieses Portefeuille enthält die volle Summe in guten Staatspapieren."

Der Baron holte ein Taschenbuch hervor und behielt es in der Hand. Fast bestürzt sah es die Freifrau an.

Dieser Umstand würde das Geschäft allerdings vereinfachen," sagte sie mit einem verlegenen Lächeln.Demnach würde ich meinem Rechtsan­walt nur Auftrag zu geben haben, das Kapital gegen die Papiere einzutauschen."

Und wenn sich die gnädige Frau auf der Stelle diesem Geschäfte unterzöge?"

Dies ist unmöglich, da ich die betreffenden Papiere nicht bei mir führe. Aber zählen Sie darauf, in acht Tagen wird das Geschäft beendet fein. Wo hat sich mein Geschäftsträger einzufinden?"

Auf dem Gute Nienstedt."

Ludwig verbarg sein Portefeuille und erhob sich. Die Freifrau ver ließ ebenfalls ihren Platz. Man grüßte sich gegenseitig sehr artig, und der Besuch entfernte sich. Frau von Erichsheim war in der Mitte des Zimmers stehen geblieben.

Verdammt," zischte sie,so wäre mir das letzte Mittel entrungen, mit dem ich den alten Schwachkopf meinem Plane geneigt machen konnte! Armer Ignaz, die schöne Henriette ist für Dich verloren. Und wer trägt die Schuld daran? Wer zerstört alle Hoffnungen, alle Aussichten auf einen glücklichen Erfolg? Dieser Abenteurer, dieser-spekulirende Baron. Er ist uns ein gefährlicher Gegner, denn er besitzt die mächtige Waffe des Reich­thums. Soll ich mich für überwunden erklären, indem ich ihm einfach die Papiere übersende? Dagegen sträubt sich mein Stolz! Das Geschick des Obersten lag völlig in meiner Hand, es hieng von der letzten Bewegung derselben ab, und er wäre ein Bettler gewesen. Bleibt mir denn Nichts, Nichts, um einen Streich zu führen? O, daß dieser Ehrenschein verschwunden ist, er würde jetzt zu einer furchtbaren Waffe in meiner Hand werden."

Zitternd vor Aufregung sank die bleiche Frau in den Sopha; sie zog ein kleines Medaillon aus dem Busen hervor, in dessen Goldrahmen sich das Portrait eines jungen Mannes zeigte. Mit leuchtenden Blicken betrach­tete sie die Züge, als ob sie neue Nahrung für ihren Haß daraus schöpfen, als ob sie ihre Empfindungsgabe dadurch schärfen wollte. Da ließen sich Schritte in dem Vorzimmer vernehmen. Die Freifrau verbarg rasch und zitternd das Medaillon. Ignaz trat ein; er trug ein zusammengelegtes ver­gilbtes Papier in der Hand.

(Fortsetzung folgt.)