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zurückgetretenen Ed. Leo in Höfen für die Handels- und Gewerbekammer in Calw zum Beirath der Zentralstelle für Gewerbe und Handel gewählt.
Göppingen, 28. Aug. Am letzten Samstag fuhr mit dem Zuge, der um 4 Uhr Nachm, von Ulm her hier ankommt, ein Mann, der beabsichtigte, auf der Station Eislingen auszusteigen. Hier überhörte er aber, wie abgerufen wurde. Nachdem der Zug wieder in Bewegung war, erfuhr er auf Befragen, daß er schon über das Ziel seiner Reise hinausfahre. Sogleich lies er zum Wagen hinaus und sprang hinunter. Dabei fiel er mit dem Kopfe entweder zwischen die Schienen des 2. Geleises oder auf eine dieser Schienen. Die Mitreisenden glaubten, der Mann sei aus der Stelle todt geblieben; als aber der Bahnwärter gleich darauf die Bahn kontrolirte, fand er nur eine Blutlache an der Stelle, wo der Reisende hinausgesprungen war.
Biber ach, 28. Aug. Schon seit 1871 wird hier das deutsche Nationalfest auf das Großartigste gefeiert. Versuche, demselben engere Grenzen zu ziehen, sind bei der Bevölkerung auf entschiedenen Widerstand gestoßen. Den 1. Sept. Abends 6 Uhr ziehen die Vereine nach dem evang. Friedhofe zum Kriegerdenkmal, woselbst Trauergottesdienst stattfindet. Die Rede und Gebete spricht dieses Jahr Dekan Majer. Abends 8 Uhr grüßt kolossales Freudenfeuer (6 Nintr. Scheitholz und 100 Büscheln) wert hmaus das Land. Am 2. Septbr. Geschützesdonner, Musik in den Straßen der Stadt, Choral vom Gigelthurm, Schulfeier und Mittags halbstündiges Festgeläute. Sonntag, 3. Septbr., evang. Festgottesdienst. Hierbei kommt eine von R. Langer gedichtete und K. Braun meisterhaft komponirte Festkantate, von allen musikalischen Kräften unterstützt, zur Aufführung. Nachm. 3 Uhr finden sich sämmtliche Vereine auf dem Gigelberge ein, woselbst Festrede, Gesangs- und musikalische Aufführungen bis zum Abend die Menge Zusammenhalten.
Steinbach, bei Plochingen, 24. Aug. Gestern Nachmittag wurden die'Bewohner unseres Dorfes in Schrecken versetzt. Zwei Perde rannten mit einem lichterloh brennenden Strohwagen auf der von Pfauhausen herführenden Straße bis in die Mitte des Dorfes, woselbst sie ausgehalten werden konnten. Die Pferde wurden schnellstens vom Wagen entfernt und derselbe an den nahen Bach gebracht. Der Fuhrmann war mit brennender Pfeife auf dein Strohwagen eingeschlafen. Als der Wagen schon brannte, wurde er von einem Knaben, der eben die Straße gieng, aufgeweckt, und sprang rasch vom Wagen, während dessen die Pferde schon in vollstem Lauf waren.
— Am Bartholomäusfeiertag trieb ein Bauer aus Heuchlingen ein Rind durch Heidenheiin. In der Nähe des Rathhauses wurde dasselbe scheu, riß den Strick ab und wurde nun durch die Verfolgung so wild, daß es auf feinen Begleiter, der er einsangen wollte, immer wieder mit gesenkten Hörnern losrannte. Alle Verkaufsläden und niedrig gelegenen Wohnungen standen in Gefahr, einen unliebsamen Besuch zu erhalten, denn das scheu- und wildgewordene Thier rannte blindlings aus seinen Verfolger los. Am -Schmied Wiedenbach'schen Hause erreichte es endlich seinen Treiber und drückte diesen an die Wand. Diese gab nach und Fenster und Bauer lagen aus der Feilbank in der Schmiede. Das Thier schien anfangs die Lust in srch zu spüren, seinem früheren Herrn auch auf diesem Wege zu folgen, fand es aber doch für besser, den Weg durch die Thüre zu nehmen. Da galt es für die gerade beim Schmause sich labenden Gesellen auf schleunige Rettung Zu sinnen. Einem der Gesellen gelang dies leider nicht; bedeutende Verwundungen an Hand und Fuß war die nachtheilige Folge. Auch ein Pferdebesitzer soll Pferd und Wagen im Stich gelassen und auf der Feueresse sich versteckt haben. Der Bauer aber soll seinen Rückzug wiederum durchs Fenster genommen haben, durch welches ihm auch die wilde Bestie folgte. Auf der Straße waren indessen verschiedene Leute, Alte und Kinder yerbeigelaufen, das seltene Schauspiel zu sehen; muthige Leute sollen sich sehr wenig gezeigt haben. Nur einzelne beherzte Männer wagten es, den Kampf aufzunehmen; aber ohne Hilfe gelassen, mußten auch sie der Gefahr aus dem Wege gehen und Rettung suchen. Rannte das Thier in voller Wuth einer Stelle zu, dann stob Alles, was da fliehen konnte, in Häuser und Nebengassen, um alsbald wieder zu erscheinen und das Schauspiel auf's Neue zu begaffen. Die Gefahr wurde immer größer; denn es rannte das scheue Thier auf jede Thüre zu, wo Männer sich zeigten, und schien bald da, bald dort einen Einbruch wagen zu wollen. Immer kehrte es jedoch auf den Schauplatz semer bisherigen Thaten, die Hauptstraße, zurück. Schon war dem Wildling der Tod aus sicherer Büchse zugedacht — da sollte sich sein Geschick alsbald auf ganz andere Weise erfüllen. Im Begriffe, auf hinter einem Wagen Deckung suchende Verfolger, welche durch den offenen Stadtbach von ihm getrennt waren, loszustürzen, fand es in diesem das Grab seiner kurzen wilden Freiheit. Mit den Hinterfüßen in demselben stehend, war es nicht mehr im Stande, aus demselben sich herauszuarbeiten, und unerwartet umfingen es feste Bande und sichere Haft. Aber nun verwandelte sich die Wuth in unbeugsamen Trotz; der angelegten Fesseln spottend, war das trotzige Vieh auch durch Streiche und Schläge nicht weiter zu bringen. Es mußte ein Wagen herbeigeschafft werden, und das Thier stark und eng gefesselt per Wagen auf den Bahnhof befördert zu werden. Daß auch jetzt noch die Wfldheit nicht gebändigt war, zeigte sich beim Einladen in den Güterwagen.
^ Neresheim, 24. Aug. Eine originelle Wette hat sich dieser --bage hier abgespielt. Aus Anlaß eines im Wirthshaus stattgehabten kleineren Güterverkaufs offerirte der Verkäufer 3 zufällig auch anwesenden, der beiseren Gesellschaft anqehörigen Herren einen Mrg. 8,7 R. großen, E Haber bestellten Äcker sammt dem Haber als Eigenthum, wenn solche den Haber selbst schneiden. Als weitere Zugestäudnisse war für die Schnit- ter ausgemacht: 14 Tage Zeit zum Schneiden, täglich 3 Maas Wein, Abends einen Trunk im Wirthshaus; ferner eine sog. Sichelhänge, wobei auch ein Schwein geschlachtet wird, Alles aus Kosten des Ackerbesitzers. Tre Wette wurde angenommen und von den Herren selbstverständlich, wenn
auch unter manchen Schweißtropfen, gewonnen. Der Erlös aus dem Acker sammt Ertrag ist für Armenzwecke bestimmt.
Murrhardt, 26. August. Vor einigen Tagen verunglückte die Frau eines hiesigen Taglöhners F. D. dadurch, daß der mit Garben beladene Wagen, der auf einem abhängigen Feldstück stand, ohne daß er auf irgend eine Weise vorher gesperrt worden wäre, in Lauf kain und über die Frau, die sich anstrengte, das Fuhrwerk anzuhalten, hinweggieng, wodurch sie so bedeutende Verletzungen erlitt daß sie in Folge derselben gestern Abend starb. Sie hinterläßt ihrem Manne 5 Kinder, wovon das jüngste etwa 3 Jahre alt ist.
Ulm, 27. Aug. In der vergangenen Nacht brach zwischen 11 und 12 Uhr in dein benachbarten Söflingen auf der Bühne des Gasthauses zur Traube Feuer aus, welches das ganze Haus zerstörte. Die dicht danebenstehende Scheuer wurde auch vom Feuer ergriffen, es gelang jedoch der Ortsfeuerwehr dieselbe zu retten. Der Besitzer des abgebrannten Hauses wurde noch in der Nacht auf Anordnung der Staatsanwaltschaft festgenommen und hieher geliefert, da gegen ihn dringender Verdacht sich ergab, daß er der Urheber des Brandes sei.
Frankfurt a. M., 28. Aug. Ein generöser Finder. Vorige Woche verlor ein in eineni hiesigen Gummiwaarengeschäft conditio- nirender junger Mensch einen 100-Markschein, der ihm von seinem Prinzipal übergeben worden war, uin dafür diverse Bureau - Utensilien einzukaufen. Der Commis schickte eine Annonce ab, in welcher er dem Finder eine Belohnung versprach. Inzwischen war das Papiergeld von einem durchreisenden Herrn aus Berlin gefunden und der Polizei abgeliefert worden. Das versprochene Douceur konnte jedoch nicht angebracht werden, da sich der betr. Herr dasselbe verbeten und nur zu dem Zwecke seine Visitenkarte abgegeben hatte für den Fall, daß sich Niemand für das Geld meldete.
München, 27. Aug. Der Verwaltungsgerichtshof hat dieser Tage in Betreff der religiösen Erziehung der Kinder in Misch - ehen die Entscheidung gefällt, daß, entgegen der bisherigen Praxis, an solchen Fällen, in welchen keine ausdrückliche Ehevertragsbestimmung über die Erziehung vorliegt, die Supplementarbestimmung zur Geltung gelange, laut welcher die Söhne in der Konfession des Vaters, die Töchter in der Konfession der Mutter zn erziehen sind. Mündlichen Vereinbarungen von Eheleuten soll keinerlei Rechtswirksamkeit zukommen.
Vermischtes.
— In der Untersuchung der Berliner Mordaffäre der Con- rad'schen Familie ist endlich ein fester Anhaltspunkt gefunden worden. Es ist nämlich festgestellt, daß die unverehelichte D. in Charlottenburg am Tage der That, 12. August, in der Mittagsstunde von Conrad, zu dem sie bekanntlich in näheren Beziehungen stand, einen Brief erhalten hat, durch welchen Conrad ihr mittheilt, seine Alte habe sich erhängt ; die Thür sei von innen verriegelt gewesen; er habe einen Schlosser holen müssen, um sie zu öffnen. Dieser Brief ist zwischen 7 und 8 Uhr Morgens in einen Briefkasten in der Nähe des Ostbahnhofes geworfen worden; er ist also zu einer Zeit geschrieben, zu welcher die Oeffnung der verriegelten Thür noch gar nicht erfolgt war. Conrad hat demnach von dem Tod seiner Frau bereits gewußt, als er vor dem bezeichnten Tage um Uhr nach Hause kam, den Schlosser herbeiholte und durch das Fenster einstieg. Unmittelbar darauf ist er verhaftet worden und hat also keine Gelegeiheit mehr gehabt, an seine Geliebte zu schreiben.
— Ein lebender Koloradokäfer wurde dem „Han. Cour." dieser Tage vorgezeigt, der am Donnerstag in Hamburg am Quai zwischen Waren gefunden wurde, die mit der „Silesia" angekommen sind. Kartoffeln hatte das Schiff nur für den eigenen Bedarf an Bord, auch war der Vorrath bei Helgoland schon zu Ende. Gefahr liegt also in diesem Falle nicht vor. Das Thier befindet sich in sicherem Gewahrsam in einem Glaskästchen und frißt Kartoffelkraut, das ihm zur Disposition gestellt worden, mit sichtlichem Behagen und auffallender Schnelligkeit. Unter den nöthigen Vorsichtsmaßregeln (?) soll der Käfer weiteren Beobachtungen unterzogen werden.
— Vierzig Mönche in Hungersgefahr. Auf dem Rücken des Berges Sinai befindet sich noch heute ein vom Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert erbautes griechisches Kloster. Dasselbe ist sestungsartig gebaut und besitzt nicht einmal ein Eingangsthor. Reisende und Lebensmittel werden daher in einein vom Thurine des Klosters herabgelassenen Korb in das Innere desselben befördert. Die Verproviantirung des Klosters erfolgt von Alexandrien aus. Vor einigen Tagen konnte jedoch, wie die egpptischen Blätter melden, in Folge der Kriegsereignisse die von Alexandrien abgegangene Proviantsendung nicht ins Kloster gelangen und mußten die' vierzig Mönche durch einige Tatze ausschließlich von Datteln leben. Der Abt hat nun Fürsorge getroffen, daß das Kloster von jetzt an von Suez aus verproviantirt werde.
— Der Engländer und die Hkls fl'küte. Der „Temp" erzählt Folgendes: Vor einigen Tagen saßen wir unser acht in Trouville beim Souper. Unter uns befand sich ein Engländer mit Frau und Tochter. Als Entre brachte man, drei ziemlich große Hummern. Der Engländer packte die Rockschöße des Kellners, gab den kleinsten Krebs seiner Tochter, den zweiten seiner Frau, während er den dritten aus seinen eigenen Teller legte. Ein bei Tische anwesender kleiner Knabe begann bei dieser Theilung und Ver- theilung bitterlich zu weinen und zeigte mit dem Finger auf die leere Schüssel. Phlegmatisch weiter essend, wandte sich der Brite an die Mutter des Kleinen: „Madame, Sie thun gut, rechtzeitig ihrem Kinde die Gefräßigkeit abzugewöhnen", und hierauf achselzuckend zur andern Gesellschaft: „Kind paßt nicht zur Isdls cl'köte, weiß sich nicht zu benehmen."
— Wie. kalt ist es wohl amNordpol? fragte ein Lehrer beim Unterrichte in der Geographie einen Schüler. So kalt, daß einem die Antwort auf der Zunge erfriert, wenn man nur daran denkt!