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Oesterreich.

Wien, 25. August. Die Presse meldet zu dem Sozialisten­attentat, daß 10 Verhaftungen erfolgt sind. Darunter befindet sich der Redakteur des sozialdemokratischen Organs,Die Zukunft", und 2 Frauen. Bei den Hausdurchsuchungen fand sich eine große Korrespondenz mit englischen Arbeiterführern und mit Most. Die Polizei hat Anhaltspunkte, daß der Einbruchdiebstahl bei Graf Andrassy in Pest von derselben Gesellschaft ver­übt wurde.

England.

London, 26. Aug. Wolseley telegraphirte aus Jsmailia, 25. d., Abends 10 Uhr: Ich rückte neuerdings heute früh mit der ersten Division und ganzen Kavalleriebrigade und 16 Kanonen vor. Die Egppter hatten die Position von Maschuta stark verschanzt und noch 10,000 Mann Verstär­kung herangezogen. Englischerseits standen nur 1500 Mann gegenüber. Der Kampf dauerte den ganzen Tag und zwar erfolgreich. General Wol- selep befahl dem General Lowe, mit Kavallerie und Artillerie die Egppter im Rücken anzugreifen. Lowe führte dies aufs Geschickteste aus. Die briti­schen Truppen schlugen den Feind in die Flucht und brachten ihm empfind­liche Verluste bei. Wir erbeuteten ein großes Lager bei dem Bahnhofe von Mahsame, mit 5 Krupp'schen Kanonen und Munition, vielen Gewehren, sowie 75 Eisenbahnwaggons voll Proviant. General Wolseley erklärte, er sei so sehr von dem Ausgang des Zusammenstoßes befriedigt, daß er bereits morgen den Weitermarsch antrete, um die Schleuse Kassasin am Süßwasser­kanal zu besetzen, da diese Position den Weg der Truppen durch die Wüste zwischen Jsmailia und dem Nildelta sicherstelle. Er erwarte, bevor er nach Zagazig gelange, keinen ernsthaften Angriff der Egppter mehr, welche durch die heutige Niederlage aufs höchste entmuthigt erscheinen. Wolseley gibt die gestrigen britischen Verluste auf sechs Todte und zwölf Verwundete an. Die heutigen Verluste sind noch Unbekannt, aber nicht bedeutend. Ad­miral Seymour stellte auf dem Süßwafferkanal den Schiffsverkehr her, um die Truppen zu verproviantiren.

Wolseley veröffentlichte einen Aufruf an die englischen Soldaten; derselbe besagt, daß nach Abschaffung der Körperstrafe der Tod das einzige Strafmittel gegen Insubordination sei; er appellirt an das Ehrgefühl der Soldaten, damit sie die Einwohner schützen, die Religion achten, sich der Plünderung enthalten und die Requisitionen bezahlen. Ein Jntelligenz- bureau wurde unter Major Tulloch eröffnet, dessen Hauptzweck ist, den Feind durch falsche Depeschen irre zu führen.

Aegyp 1 e n.

Alexandrien, 26. Aug. DerNautilus" liegt noch immer vor Abukir. Alle Bemühungen des österr. Konsuls, die Freigabe der gefangenen Mannschaften des Nautilus zu erlangen, sind bisher erfolglos geblieben. Die zur Vermittelung der Freigabe nach Abukir und Kafr-el-Dowar gesandten Personen sind nicht zurückgekehrt. Ferdinand v. Lesseps erklärte auf das Telegramm des österr. Konsuls, er könne nichts thun. Gerüchtweise ver­lautet, Arabi Pascha beschuldige Hrn. v. Lesseps, daß er ihn durch falsche Vorspiegelungen getäuscht habe! um den Kanal an die Engländer verkaufen zu können. Arabi habe sogar einen Preis auf Lesseps" Kops geschätzt. (Wir haben schon früher darauf aufmerksam gemacht, daß Arabi Pascha aus Lesseps nicht gut zu sprechen sein könne. Wenn auch Lesseps nicht beabsichtigt hat, den Engländern den Kanal in die Hand zu spielen, im Effekt hat er das doch erreicht. Dem Arabi hat er das Ver­sprechen abgenonimen, die Neutralität des Kanals zu achten, und diesen selbst für die Schifffahrt frei zu erhalten. Zum Dank dafür wird er jetzt gerade mittelst des Kanals von den Engländern im Rücken gefaßt.) Schw. M.

Alexandrien, 27. Aug. Gestern Abend gegen 6 Uhr dampfte ein mit schwerem Geschütz armirter gepanzerter Eisenbahnzug aus der egyp- tischen Position bei King-Osman. Nachdem er ungefähr 300 Meter über die egyptischen Vorposten hinaus vorgerückt war, eröffnete er das Feuer auf die englischen Geschütz-Emplacements auf dem Wasserwerkshügel. Die dort aufgestellten beiden schweren Positionsgeschütze gaben im Ganzen fünf Salven

ab, wodurch der Zug zum raschen Retiriren gezwungen wurde. Eine Gra­nate war in dessen nächster Nähe, wenn nicht in denselben eingeschlagen.

Tages-Neuigkeiterr.

Stuttgart, 26. Aug. In der Strafklagsache des Wirths I. Kemps von Schönmünzach gegen den Redakteur desN. Tagblatts" L. Neuberg (s. vor. Nr.) wurde dieser zu 80 eventuell 10 Tagen Hast verurtheilt.

Stuttgart, 26. Aug. Die große Kavallerieübung vor Sr. Kais. Hoh. dem Kronprinzen hat heute Vormittag stattgefunden. Die Zahl der Zuschauer, die sich zu Wagen, zu Pferd und zu Fuß bei dem Schauspiel eingefunden, war eine ziemlich große, doch nicht so groß, daß sie nicht leicht in Ordnung zu halten gewesen wäre. In einein vierspännigen offenen Wagen mit Vorreiter fahrend, langte Se. Kais. Hoh. der Kronprinz um 9 Uhr in Plieningen an. An der Wilhelmspflege bestieg der Kronprinz das Pferd, einen prächtigen Fuchsen, und sprengte mit einem sehr zahlreichen Gefolge vor die Fronte der 4 Kavallerieregimenter an. Auf dem rechten Flügel standen in Eskadronskolonne die Olgadragoner, dann folgten die rothen Ulanen; an diese schlossen sich die gelben Dragoner an und die gelben Ulanen bildeten den linken Flügel. Die Kapellen stimmten den Fahnenmarsch an als der Kronprinz ansprengte, um die Fronten zu bereiten. Sodann for- mirten sich die Regimenter zum Defiliren in Zugscolonne. Das Defiliren geschah im Schritt. Sofort formirten sich die Regimenter in der Weise, daß die Dragoner westlich von der Straße Plieningen-Bernhausen in der Richtung nach Echterdingen, die Ulanen östlich von dieser Straße in der Richtung nach Neuhausen, die für den Tag angesetzten Uebungen Vornahmen. Zunächst wandte sich S. Kais. Hoh. den Uebungen der Ulanen zu, dann denen der Dragoner. Etwa um halb 11 Uhr wurden die Uebungen beendigt und Se Kaiserliche Hoh. bestieg wieder den Wagen. Die Uebung war vom besten Wetter begünstigt. Die Filderorte hatten sich in ihren Staat geworfen. Hohenheim, Birkach, das Wirthshaus zur Garbe, Echterdingen u. s. w. waren mit Flaggen geschmückt, wohl am reichsten Plieningen selbst. Fast kein Haus war ohne Schmuck mit Flaggen oder Kränzen; zahlreiche Guir- landen waren über die Straßen gespannt. Die Inschriften riefen dem Kron­prinzen:Willkommen auf den Fildern" zu; eine andere lautete: Blank die Wehre, Gott zur Ehre!

Ein Stuttgarter Korrespondent desHaller Tagblatts" weiß von einer neuen Art von Betrug zu erzählen, die auf der Stuttgarter Tuchmesse Vorkommen soll. Es sollen Spekulanten geringe Fabrikwaaren aufkaufen und einarmes Tuchmächerle" hinter dieselben auf die Tuchmesse setzen, um so die leichteste Waare alsStuhlwaare", die stets sehr solid ist, an den Mann zu bringen, wenn dieser unerfahren ist.

Backnang, 25. Aug. Heute Nacht kurz vor 12 Uhr brach in der Lohmühle des L. Winter hier Feuer aus. Dasselbe griff so schnell um sich, daß, ehe die Feuerwehr auf den Plaz kam, das ganze Gebäude sammt Schuppen in Hellen Flammen stand und solches gänzlich niederbrannte. Ein großer Vorrath von Rinden und Loh wurde ein Raub der Flammen. Die Entstehungsursache ist bis jetzt unbekannt.

Crailsheim, 23. Aug. In Satteldorf zog sich der dortige im besten Mannesalter stehende Schultheiß unlängst eine kleine Verletzung am Fuße zu, welche nicht beachtet wurde; vor einigen Tagen nun trat Blutver­giftung ein, an deren Folgen der brave Mann gestern starb.

Plieningen. 20. Aug. Am Freitag spielte auf der Terrasse in Hohenheim die Musik des Ulanenregiments auf Veranlassung des Regiments­kommandeurs Grafen v. Zeppelin. Leider sollte dieser Abend ein betrübtes Nachspiel erhalten, indem auf der Heimfahrt die Pferde eines Wagens scheu wurden. Der Sergeant Karbaum, 32 Jahre alt, sprang über denselben hinunter, fiel aber dabei so unglücklich auf den Kops, daß die Hirnschale sprang und im Laufe der Nacht der Tod eintrat. Heute fand seine Beerdi­gung unter großer Betheiligung seitens des Publikums statt.

Berlin, 25. Aug. In der verflossenen Nacht brach in der Hof-

an seine Lippen. Henriette legte ihre Wange an seine Schulter, als ob sie ihr glühendes Gesicht verbergen wollte. Ein Geräusch von Schritten schreckte die Liebenden empor. Als Sie aufsahen, stand die bleiche Freifrau von Erichsheim am Eingänge der Laube; der blonde Ignaz hielt den Arm seiner Mutter in dem seinigen. Mutter und Sohn schienen sprachlos vor Erstau­nen zu sein. Henriette war nur überrascht, sie erhob sich und grüßte durch eine leichte, anmuthige Verneigung.

Man sagte uns, daß der Oberst von Eppstein hier bei seiner Tochter sich befände," begann die alte Dame mit zitternder Stimme.

So hat man Ihnen die Unwahrheit gesagt, gnädige Frau," antwor­tete Henriette so ruhig, als ob der Besuch sie durchaus nicht belästige.Mein Kammermädchen wußte, daß der Herr Baron von Nienstedt mir Gesellschaft leistet, und ich habe durchaus keinen Befehl gegeben, mich zu verleugnen. Mein Vater befindet sich in seinem Zimmer und hat Geschäfte mit dem Herrn von Heiligenstein. Wollen Sie ihn sprechen, so werde ich selbst gehen"

Die lange bleiche Frau vertrat dem jungen Mädchen den Weg.

Ich bitte, bleiben Sie, mein liebes Fräulein!" sagte sie spöttisch lächelnd.Nach dem töte - ä - töte, das der tückische Zufall uns zu be­lauschen gestattete, fällt der Grund des Besuchs weg, den ich dem Herrn Obersten zugedacht. Der Herr Baron von Nienstedt soll sich nicht darüber beklagen, daß wir dem zärtlichen Ergüsse seines Herzens auch nur um eine Minute Abbruch gethan."

O, gewiß," fügte der blonde, junge Mann höhnend hinzu,man soll uns nicht der Zudringlichkeit zeihen, und deshalb bitte ich Fräulein von Eppstein annehmen zu wollen, daß wir durchaus keine Ansprüche aus den Beziehungen herleiten, in denen wir zeither gestanden haben."

Henriette verneigte sich zum zweiten Male. Dann antwortete sie mit kalter Artigkeit:

Ich habe dies seit dem Augenblicke vorausgesetzt, daß ich das Glück hatte, den Herrn von Erichsheim kennen zu lernen."

Wahrhaftig?" fragte Mutter und Sohn zugleich.

Sie werden nicht in Abrede stellen, gnädige Frau, daß ich mir das Recht frei zu handeln in jeder Beziehung gewahrt habe."

Eben so wenig," fügte die Freifrau hinzu,daß Sie dieses Recht auch geübt haben. Wahrlich, ich kann es mit gutem Gewissen bestätigen!"

Gnädige Frau," sagte Ludwig, dessen Geduld zu Ende gieng,es bedarf Ihrer Bestätigung nicht, denn Fräulein Henriette hat mir den Vor­zug eingeräumt, ihrem Vater zu sagen, daß sie der Familie von Nienstedt anzugehören kein Bedenken trägt."

Die Freifrau zuckte zusammen. Wie krampfhaft drückte sie die Spitzen ihrer schwarzen Mantille in der Hand, und dabei schleuderte sie einen furcht­baren Blick auf die beiden jungen Leute, die mit furchtloser Stirn vor ihr standen.

Sie trägt kein Bedenken!" zischte sie, in tiefster Seele verletzt.Ich verschmähe es, von Ihnen, mein Herr, eine nähere Deutung dieser Worte zu fordern."

Aber ich verschmähe es nicht, Mutter!" rief Ignaz.Mein Herr," wandte er sich zu Ludwig,Sie werden nicht abreisen, ohne mir Rede ge­standen zu haben! Erwarten Sie bis Morgen meinen Cartelträger."

Seien Sie gewiß, mein Herr, daß ich ihn erwarte!"

Mutter und Sohn verließen rasch die Laube und verschwanden in den Gängen des Gartens. Henriette sank an Ludwig's Brust.

(Fortsetzung folgt.)