57. Jahrgang.

Uro. lOl.

Amt8- unä Intelkigenzbkatt für äen Kezir^.

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Amtkiekte Aettanntmuckiungen.

Calw. Flofzsperre.

Behufs Vollendung der Arbeiten am Brückenbau nächst der Agenbacher Sägmühle ist die durch Erlaß des K. Ministeriums des Innern, Abtheilung für den Straßen- und Wasserbau, vom 4. ds. Mts., an das K. Oberamt Neuenbürg für die Dauer des Monats August verfügte Sperrung der Klein­en; für die Strecke von der Agenbacher Sägmühle aufwärts bis zum Hin­teren Neubachstüble bis 10. September d. I. verlängert worden.

Dieses wird hiemit zur Kenntniß der Betheiligten gebracht.

Den 25. August 1882.

K. Oberamt.

Drück, Amtm., A.-V.

Politische Nachrichten.

Deutsches Reich.

In Berliner diplomatischen Kreisen warnt man unausgesetzt, es solle sich keiner vor künftigen Verwickelungen der eg pp tischen Angelegen­heiten bange machen lasten. Zur Bekräftigung dessen wird angeführt, daß die deutsche Politik unablässig bemüht sei,die allendliche Feststellung der Zukunft Egyptens einem Einverständniß aller Großmächte vorzubehalten". Inzwischen aber wolle manallen Bestrebungen Vorschub leisten, welche ge­eignet erscheinen, die Wiederherstellung friedlicher und geordneter Zustände in den von Ärabi aufgewiegten Landestheilen zu beschleunigen". Sehr be- achtenswerther Weise hat sich auch Frankreich so sehr weit zurückgezogen, um scheinbar völlig auf dem deutschen Standpunkte zu stehen. Auch in Paris denkt man nur an die dereinstigeWiederherstellung" und läßt Eng­land bis dazu die Zeit gekommen ist, gewähren. Selbst Herr v. Lesteps geht gemüthlich heimwärts nach so vieler Proteste Sturm und Drang. Die zwischen ihm und dem englischen Ober-Commando in Egypten eingelei­teten Unterhandlungen in Betreff eines moäus vivendi mit der Suezkanal-

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Gesellschaft, von den beiderseitigen Regierungen lebhaft unterstützt, haben einen raschen und befriedigenden Erfolg erzielt. Des weiteren wird von of­fiziöser römischer Seite allen Versionen entschieden entgegengetreten, wonach das italienische Kabinet Anfangs einen Protest gegen die englische Aktion im Suez-Kanäle beabsichtigt hätte. Und auch russischerseits wird auf der nächsten Konferenzsitzung dem nicht widersprochen werden, daß ein Protokoll unterzeichnet werde, wodurch dem europäischen Koncert das Recht der defi­nitiven Regelung der Verhältnisse in Egypten Vorbehalten wird. Dann kann auch die Konferenz sich,bis dazu die Zeit gekommen ist", vertagen. So versprechen denn die von der bekanntenhöheren Gewalt bedingten militäri­schen Operationen Englands" eine recht einmüthige, theilnahmlose Zuschauer­schaft in Europa zu finden. F. Journ.

Der Breslauer Erlaß über die gemischten Ehen, über den jetzt so viel geschrieben und geredet wird, hat folgenden Wortlaut: Katholische Brautleute können eine vor Gott und der Kirche gültige Ehe nur schließen vor ihrem Pfarrer und zwei Zeugen und nur durch diese kirchliche Eheschließ­ung das h. Sakrament der Ehe empfangen. Ist nur der eine Theil der Brautleute katholisch, der andere aber protestantisch, soll also eine Mischehe eingegangen werden, so kann dieselbe ebenfalls nur durch die katholische Trauung kirchlich gültig geschlossen werden. Katholische Brautleute sollen deßhalb, ehe sie auf das Standesamt gehen, um den Civilakt zu beantragen sich vorerst mit ihren Taufzeugnisten bei dem Pfarrgeistlichen melden, um das katholische Aufgebot und die Trauung zu bestellen. Diejenigen Katholiken, welche mit einer bloßen Civilverbindung vor dem Standesbeamten sich begnü­gen, ohne nachher kirchlich sich trauen zu lasten, oder welche, wenn der eine Theil protestantisch ist, nachher von einem nichtkatholischen Prediger sich ein­segnen lasten, werden von der katholischen Kirche als christliche Eheleute nicht anerkannt. Sie schließen sich dadurch von dem Empfang der h. Sakramente und den kirchlichen Ehrenämtern als Pathen, Trauzeugen, Kirchengenieinde- vertretern und dergleichen aus. Ihre Kinder werden kirchlich als unehelich betrachtet, weßhalb auch die Mutter nach der Taufe keinen Kirchgang halten darf. Ebenso können blos Civilverbundene, wenn sie unbußfertig sterben, des kirchlichen Begräbnisses nicht theilhaftig werden. Derselben kirchlichen Strafe machen jene katholischen Eltern sich schuldig, welche ihre Kinder nicht taufen lassen. Die katholische Seelsorgsgeistlichkeit. Herr Stöcker geht gegen diesen Erlaß im Reichsboten heftig vor. Gibt es, fragt er, eine größere und schändlichere Hetze als die, welche in diesem Proclama gegen die evang. Kirche geübt wird? Wir wissen sehr wohl, daß dieses Proclama keine recht­liche Bedeutung hat, aber um so größer ist seine moralische und politische. Solche Proclama sind im höchsten Grade geeignet, den konfessionellen und bürgerlichen Frieden zu stören, denn wir Protestanten können uns das unter keinen Umständen gefallen lassen.

Dienstag, den 29. August L882.

Feuilleton.

D orurtheile.

(Fortsetzung.)

O, mein Gott," rief Ludwig hingerissen.Sie beregen Dinge, die mir so fern liegen"

Und dennoch halte ich es für Pflicht, sie zu beregen, denn Sie dürfen über meine Person nicht den leisesten Zweifel hegen. In diesem Augenblicke entscheidet sich unser Loos, und in diesem Augenblicke will ich ganz offen sein. Ludwig, Sie schilderten mir den Eindruck, den mein erstes Erblicken auf Sie ausgeübt dieselben Empfindungen bemächtigten sich meiner, als ich Sie, den Fremden, zum ersten Male auf dem Schlöffe Nienstedt sah. Sie folgten uns in das Bad, und ich entzog mich Ihrer Annäherung nicht, da sie einem Gefühte entsprach, das ich bis dahin nicht gekannt hatte, und ich bekenne es, mich glücklich machte. Mein Vater entdeckte mir nun die Absicht der Erichhheim's, mit Schaudern gedachte ich des traurigen Schicksals meiner altern Schwester, und Ludwig, der nicht ohne mich leben zu können schwur, ward mir ein Trost, eine Stütze, denn alle hatten mich verlassen, man wollte mich rücksichtslos den Verhältnissen opfern. Sie wissen es," fügte sie flüsternd hinzu,ich verbarg dem Vater das Geheimniß meines Herzens, uni gegen ihn und und seinen Plan zu conspiriren. Vielleicht war dies ein wenig leichtsinnig, aber ich baute fest auf den ehrlichen Charakter, der sich so offen in Ihren Zügen ausspricht und glaubte den Versicherungen, daß ein Standesunterschied zwischen uns nicht obwalte. Der Ball bei dem Für­sten gab mir die Gewißheit, daß ich mich nicht getäuscht hatte, und als ich Ihren wahren Namen hörte, ward mir die Vorsicht erklärlich, die Sie anwendeten."

Henriette," rief Ludwig,ich wäre sicher ein Fremder geblieben, würde unzweifelhaft mein Jncognito bewahrt haben, hätte mich die Liebe nicht zu Ihren Füßen festgebannt! Ich begriff, daß meine Abkunft die einzige Waffe war, mit der ich Sie vertheidigen konnte"

Sie reichte ihm verschämt lächelnd die Hand und flüsterte:

Huldigen wir den Vorurtheilen, da das Glück meines armen Vaters davon abhängt. Ich habe Sie geliebt, ehe ich Ihren Stand kannte, und Sie müssen überzeugt sein, daß meine Neigung keine bedingte ist."

O, mein Gott, Henriette, ich habe nie daran gezweifelt!"

Und dennoch erblicke ich eine Wolke auf Ihrer Stirn, die Ihr Glück zu trüben scheint. O, sprechen Sie sich offen aus, diese Stunde darf nicht vergehen, ohne daß der kleinste Zweifel beseitigt wird. Woran denken Sie?" fragte Sie zärtlich, indem sie ihre kleine Hand an seine glühende Stirn legte.Theilen Sie sich mir mit, vielleicht kann ich Sie beruhigen."

Henriette, ich denke an einen Umstand, den der Zufall hätte fügen können."

Nennen Sie mir diesen Umstand."

Wenn es mir «un nicht vergönnt gewesen wäre, einen Stamm­baum aufzuzeigen? O, meine Geliebte, sagen Sie mir, was wäre mein Loos gewesen?"

Sie gehen zu weit, Ludwig!" antwortete sie lächelnd und erröthend. Auch ich habe mir diese Frage in jener Zeit der Ungewißheit vorgelegt"

Und was antworteten Sie sich darauf?"

Ich vertraute dem guten Genius der Liebe, und, wie Sie sehen, hat er mich nicht getäuscht. Warum soll ich jetzt noch an Dinge denken, die mir nur Qual bereiten? Ich liebe Sie, Ludwig, und dieser eine Gedanke füllt mein ganzes Herz aus, daß für andere kein Raum mehr darin ist."

Hingerissen ergriff Ludwig ihre beiden kleinen Hände und drückte sie