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Handlung wegen Beleidigung fand heute vor dem K. Schöffengerichte gegen den Redakteur des „Neuen Tagblatts", Leopold Neuberg statt. In Nro. 88 des „Neuen Tagblattes" vom 16. April fand sich eine Korrespondenz aus Pfalzgrafenweiler, wonach der Wirth K. aus Anlaß eines Liebesverhältnisses seiner 16jährigen Tochter mit einem Bauführer den letzteren mit einem Messer derart getroffen habe, daß derselbe todt zu Boden gesunken sei. Der Thäter sei verhaftet. Die Nachricht, an der absolut nichts Wahres gewesen sei, konnte sich nur auf den Grünbaumwirth Kemps, Schönmünzach, beziehen, der in Folge dessen auch Strafantrag gegen den Redakteur des „Neuen Tagblatts" stellte. Die Redaktion des genannten Blattes hatte aber bereits in Nr. 91 ihres Blattes eine zweite Korrespondenz gebracht, in welcher der Korrespondent zugab, daß er falsch berichtet worden und daß die fragl. Nachricht unbegründet sei. Zu gleicher Zeit schrieb die Redaktion einen Brief an Kemps, in dem sie ihr Bedauern über den Vorfall aussprach. Es sei ihr derselbe von einem Korrespondenten mitgetheilt worden, den sie seit 7 Jahren als zuverlässig kennen gelernt habe. Von einer absichtlichen Täuschung könne keine Rede sein und der fragl. Berichterstatter habe sich offenbar von einem Gerücht irreführen lassen, das allgemein verbreitet gewesen sein müsse, da die Korrespondenz auch von anderen Blättern gebracht worden sei. Loyaler könne die Redaktion nicht verfahren, als wiederholt ihr Bedauern über den Bericht auszusprechen. Der fragl. Wirth, wohl aus Veranlassung seiner Familie, die den Schimpf nicht ans sich sitzen lassen zu wollen erklärte, drang auf energische Verfolgung und Nennung des Berichterstatters, welch letzterem Begehren die Redaktion nicht entsprechen zu können erklärte. Kempf behauptete keine Veranlassung zu haben, die Redaktion über unliebsame Vorgänge in seiner Familie aufzuklären, wogegen Neuberg geltend machte, daß er im Jahre 1873 persönlich eine Reise durchs ganze Land gemacht habe, um tüchtige und genaue Berichterstatter zu engagiren. Unmöglich könne man verlangen, daß ein Redakteur sich persönlich an Ort und Stelle begeben, um sich über einen eingesandten Bericht näher zu informiren. Der Vertreter des Klägers, Georgi II, gab zu, daß Neuberg in gutem Glauben gehandelt und keineswegs die Absicht gehabt habe, den Kläger zu beleidigen. Allein die Thatsache bleibt deßhalb doch bestehen, daß Kemps ein ganz immenser Schaden zugefügt worden sei und daß die offerirte Berichtigung eine genügende Sühne für den Frevel einen unbescholtenen Mann zum Mörder und Todtschläger zu stempeln, nicht sei. Er beantrage eine Geldstrafe von 80 M. Das Urtheil kommt nächsten Samstag Vormittags Oj.9 Uhr zur Verkündigung.
Tübingen, 22. Aug. Bis jetzt sind von 168 Feuerwehren des Landes Anmeldungen zum Feuerwehrtag eingelaufen, und es beziffert sich die Zahl der angemeldeten Theilnehmer nunmehr auf ca. 3000. Unter den neu Angemeldeten befinden sich: Stuttgart mit ca. 350, Eßlingen mit 150, Reutlingen und Nürtingen mit je 100, Balingen mit 50, Calw mit 40, Göppingen mit 35 Mann u. s. f.
Danzig. Ueber ein Unglück, von welchem das ostpreußische Jägerbataillon Nr. 1 auf dem Marsche kurz vor Danzig ereilt wurde, berichtet die „Danz. Ztg.": Bei der Ueberfahrt über die Weichsel auf der Schöneberg- Letzkauer Fähre ist Sonnabend Vormittags 10 Uhr der Kahn mit 17 Jägern der 3. Kompagnie umgeschlagen und 5 Jäger und 2 Oberjäger, wie auch die beiden Fährleute sind ertrunken. Der Kahn fuhr unter das Drahtseil der Fähre, dasselbe schlug plötzlich auf die vorderste Spitze des Kahns, hob das Hintere Ende in die Höhe und sämmtliche 17 Insassen sielen in die Weichsel. Ein Offizier und 9 Jäger retteten sich, indem ersterer sich an das gekenterte Boot anklammerte und einen Jäger mit festhielt, wogegen die anderen sich theils selbst gerettet haben, theils von einem in der Nähe befindlichen Kahn gerettet wurden. Da die Jäger ihre Tornister mit schwerem Gepäck festgeschnallt auf dem Rücken trugen, konnten sich die meisten der Ertrunkenen nicht lange über Wasser halten.
Bukarest, 20. Aug. Die Wiener Presse brachte vor Kurzem die kaum glaubliche Nachricht, daß in einem rumänischen Bezirke ein Steuereinnehmer die Arbeitskraft von 28 Bauern, welche ihre Steuern nicht zahlen konnten, öffentlich versteigert hatte. Der Bukarester Monitorul sieht sich nun genöthigt, die Thatsache zuzugeben. Das amtliche Blatt schreibt: „Infolge der an Ort und Stelle vorgenommenen Untersuchung hat sich das Ministerium überzeugt, daß die Thatsache richtig ist, hat
demge ::?': den S'-.:cre:nnehmer abgesetzt und verfügt, daß die Untersuchungsakten der Justiz übergeben werden. Gleichzeitig wurde auch der Kontroleur Jonescu abgesetzt, welcher durch seine Nachlässigkeit derartige schwere Mißbräuche möglich machte."
K o n st a nti n o p el, 22. Aug. Das hiesige türkische Hamidie- t d e a t e r ist Sonntag Abends wühreno d e r V o r st el l u n g eingestürzt. Das Haus war sehr gut besetzt. Eine beispiellose Panik entstand. Der große Kronleuchter fiel von der Decke ins Parterre und zerschellte an den Banklehnen, diese selbst zertrümmernd. Die Gallerten fielen krachend zusammen und Pfosten und Balken flogen zu Boden, die Insassen der Gallerten mit sich niederreißend. Die Menge drängte in unbeschreiblicher Angst den Ausgängen zu, doch überrall versperrten ihnen Trümmerhaufen den Weg. Hundertsünfzig Personen wurden theils schwer, theils leicht verletzt, doch ist bisher seltsamer Weise kein Todesfall zu verzeichnen, trotzdem die Katastrophe so ungeahnte Dimensionen angenommen hatte. „Es war wie ein Erdbeben", so erzählten die Geretteten. Ueber die Entstehungsursache des Einsturzes ist noch nichts bekannt. Das Theater war anscheinlich gut erhalten.
Beyrut, 8. Aug. Am 4. d. herrschte eine große Aufregung unter den Christen. Ein Mahomedaner, der Sohn des abgesetzten Hafenkapitäns, war am 4. d. Morgens auf der Damascenerstraße todt gefunden worden mit einem Stiche in der Brust und Verwundungen am Kopf. Sein Geldgürtel war ausgeschnitten und leer. Alle Anzeichen deuteten auf einen Raubmord, doch im Gehirne eines Mahomedaners findet keine andere Ueberzeugung Eingang, als daß ein Moslem nur durch einen Christen ermordet werden könne. Alsbald verbreitete sich eine Aufregung gegen die Christen. Der Leichnam wurde um 6 Uhr Morgens auf das Serail und nach Aufnahme des Thatbestands in eine Moschee getragen. Gegen 4 Uhr Nachmittags fand das Begräbniß statt. Die Mahomadaner hatten ihre Waffen mitgebracht fuchtelten mit blanken Säbeln in der Luft herum und schrieen, daß für diesen Todten alle Christen mit ihrem Leben büßen müßten. Die Christen verloren den Kopf; es entstand ein großer Tumult. Wie der Bliz lief die Nachricht durch die Stadt, daß die Mahomedaner eine Christenermordung begännen. Jetzt entstand eine unbeschreibliche Verwirrung, die ganze Bevölkerung schien wie von der Tarantel gestochen zu sein. Was fliehen konnte, floh in überstürzter Eile, die Christen vor den Mahomedanern, diese vor den Christen. Der ganze große Halbkreis außer der Stadt, vom Leuchtthurm bis gegen den Hundsfluß war von Flüchtigen überfüllt, wohl an 5000 Menschen verbrachten die Nacht außerhalb der Stadt und zitterten um ihr Leben. Am nächsten Morgen war Alles wieder ruhig ; man erfuhr, daß die Schreihälse eingesperrt worden seien. Nachmittags lief ein französ. Kriegsschiff ein, und die Christen, deren unsere Stadt 55,000 gegen 15,000 Mahomedaner zählt, beruhigten sich wieder. __
Vermischtes.
— In Dresden hat ein IKjähriger Lehrbursche eine Dienstmagd ermordet, nur, um bei der beabsichtigten Ermordung seines Lehrherrn nicht gestört zu werden. Von diesem Tags zuvor auf unredlichen Wegen ertappt, war er in seiner Kammer eingeschlossen worden. Morgens früh weckte den Lehrherrn ein fürchterlicher Wehruf. Er rief zunächst zum Fenster hinaus um Hülfe, welche auch in Person eines vorübergehenden Eisenbahnbeamten erschien, und nun fanden Beide die Dienstmagd in ihrer Kammer todt, im Blute schwimmend. Als die rasch herbeigeholte Polizei eintraf, fand man den Burschen fluchtbereit hinter der Thüre kauernd. Ergriffen, gestand er den Mord des Mädchens kaltblütig ein. Er hatte die Absicht gehabt, an jenem Morgen seinen Lehrherrn zu ermorden und zu berauben und nach Amerika zu entfliehen. In der Befürchtung, daß das Dienstmädchen erwachen und Lärm machen könnte, hatte er sich in deren Kammer geschlichen und dasselbe durch Messerstiche und Schnitte in Hals, Brust und Arme ge- tödtet. Es war eine wahre Metzelei, denn die Leiche wies bei der Section nicht weniger als 85 Wunden auf. Die Kaltblütigkeit und das Raffinement, mit welcher dieser Bube bei seiner Schandthat vorgegangen ist, beweist ein im Voraus angefertigtes Plakat: „Wegen Todesfall bis Sonntag geschlossen". Es sollte hierdurch das vorzeitige Oeffnen des Ladens und die Flucht erleichtert werden.
Strohhute mit den langen blauen Bändern quollen die schweren glänzenden Locken herab. Ein einfaches weißes Kleid schmiegte sich leicht den jugendlichen, eleganten Körperformen an. So reizend das Bild auch war, das sich dem entzückten Lauscher in der dunkelgrünen, duftigen Einfassung der Laube bot, so wenig Ruhe hatte Ludwig, um sich auch nur eine halbe Minute dem Beschauen desselben zu überlassen. Er trat in den stillen, dämmernden Raum und ließ sich schweigend vor seinem Ideale auf ein Knie nieder. Henriette streckte ihm hocherröthend die kleine Hand entgegen.
„Guten Morgen, mein lieber Freund!" flüsterte sie, indem sie das Buch auf den Tisch warf. „Sie kommen von meinem Vater?" fügte sie rasch hinzu.
„Ja, und glaube mich der Hoffnung hingeben zu dürfen, daß mein Glück von Ihrer Entscheidung allein abhängen wird. Der erste Schritt ist bereits geschehen, um den Einfluß unserer Feinde zu schwächen. Ihr edler Vater, Henriette, hat mir bewiesen, daß er für den verstorbenen Baron von Nienstedt noch eine wahre, innige Freundschaft hegt."
„Sie kommen mit dem Herrn von Heiligenstein?" fragte sie, als ob sie das Gespräch von diesem Punkte ablenken wollte.
„Er befindet sich noch jetzt bei dem Herrn Obersten, um das Werk zu vollenden, das ich so glücklich eingeleitet habe. Ach, Henriette, überlassen wir dem Freunde und dem Vater das Arrangement der materiellen Dinge, uns bleiben ja andere Gegenstände zu besprechen —"
„Sie haben Recht," flüsterte sie wie beruhigt. „Doch zuvor stehen Sie auf und nehmen Sie neben mir Platz."
Er küßte ihre Hand, erhob sich und setzte sich auf einen Stuhl.
„Henriette," begann er mit schwankender Stimme, „daß in diesem Bade das Loos über mein Lebensglück geworfen werden würde, war mir klar als ich das Glück der ersten Unterredung mit Ihnen gehabt. In diesem Augenblicke vielleicht fällt der eherne Würfel, und wenn ich mich auch einer frohen Hoffnung hingeben darf, so können dennoch Fälle eintreten, die der Erreichung meines Ziels Hindernisse entgegenstellen. Henriette, verzeihen Sie meiner Liebe den Kleinmuth —"
„Mein Gott, was fürchten Sie?" fragte sie naiv überrascht. „Ich glaubte Hoffnung von Ihnen zu erhalten, und nun —"
„Noch einmal Verzeihung, Henriette! Wer wie ich liebt, sieht in dem kleinsten Umstande Gefahr, er zittert für sein Heiligstes bei jeder dunkeln Wolke. Die Saison naht sich ihrem Ende, die Ereignisse drängen zu einem Ziele hin, und wenn wir uns trennen müßten, ohne daß eine definitive Entscheidung stattgefunden — Sie haben tausend Rücksichten zu nehmen —" „Aber keine, mein lieber Freund, die mich bestimmen könnte, mein Herz völlig unbeachtet zu lassen. Ich habe den Muth gehabt, Ihre Betheuerungen anzuhören, ich habe Sie aufgefordert, dem Freiherrn von Erichs- Heim entgegenzutreten — ich werde auch den Muth haben, meine Neigung offen zu bekennen, jetzt, da ich weiß, daß der Baron von Nienstedt meinem Vater das ist, was er ihm sein soll. Ich verhehle es nicht, das nur ein blendender, künstlich erzeugter Schimmer uns umgibt, daß ich ein armes Mädchen bin, wenn die Verhältnisse schwinden, die diesen Schimmer erzeugen."
(Fortsetzung folgt.)