Nro. 100

57. Jahrgang.

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Samstag, den 26 . August L882

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Auf dasCalwer Wochenblatt"

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äie Rektion unä Expedition äesEa^wer Wo^m^atts._

Politische Nachrichten.

Frankreich.

Paris, 22. Aug. Angesichts der neuen Wendung, welche dre egyp- tischen Angelegenheiten genommen haben, mußte der Präsident der Republik seine Reise aufs Land noch bis auf Weiteres verschieben und führte daher im heutigen Ministerrathe noch den Vorsiz. Hr. Duclerc theilte die ein­gelaufenen diplomatischen Nachrichten mit. Die englische Regierung hat der hiesigen unaufgefordert die Umstände dargelegt, welche sie zur vorübergehen­den Besezung des Suezkanals genöthigt hätten, und angezeigt, daß die Ver­waltung desselben bereits gestern wieder den Beainten der Gesellschaft zurück­gegeben worden sei, sowie auch befriedigende Zusicherungen über die künftige Regelung der egyptischen Angelegenheiten abgegeben. In Syrien hat die Aufregung abgenommen; doch verlautet, daß 2 Kriegsschiffe zum Schuze der dort lebenden Franzosen abgesandt werden sollen.

Türkei.

Konstantinopel, 23. Aug. Das Reuter'sche Bureau meldet: Wie verlautet, ist die Zögerung des Sultans, die Militärüberein­kunft abzuschließen, dadurch verursacht worden, daß ihm Zuschriften aus Syrien, Arabien und Egppten zugegangen waren, welche ihn mit dem Ver­lust des Khalifats bedrohen, wenn er den Forderungen Englands nachgäbe; die Araber würden in den Verlust Egyptens nicht willigen. Es gehen hier Gerüchte um von Ruhestörungen in Syrien. In Beyrut soll ein Christ ermordert und mehrere Christen sollen mißhandelt worden sein: Drusen vom Libanon hätten maronische Dörfer angegriffen. Der Gouverneur von Da­maskus habe Verstärkungen verlangt, um die Ruhe wiederherzustellen.

Aegypte n.

Aus Jsmailia wird unterm 22. ds. gemeldet: Die gesammte Ex­pedition ist nunmehr angekommen und der Timsahsee ist von Dampfern be­deckt, von denen die Ausschiffung emsig betrieben wird; dieselbe wird morgen vollendet sein. Das nächste feindliche Lager ist zu Ramses, das zweitnächste zu Poiy. Der Feind flieht dem Kanal entlang in desorganisirten Gruppen, das Gepäck zurück lassend.

Alexandrien, 23. Aug. Als ein österreichisches Kanonenboot am Montag auf der Fahrt von Port Said nach Alexandrien nahe bei Abukir vorbeikam, ließ der Kommandant, da er die weiße Fahne auf dem Fort sah und daraus schloß, daß die Engländer dasselbe besetzt hätten, zwölf Marine­

soldaten mit einem Offizier landen, die alsbald in die Hände der Egypter fielen und gefangen genommen wurden.

Alexandria, 24. August. Es verlautet, Arabi habe Kafrdo- war verlassen und Tulba führe den Oberbefehl. Bezüglich Kairos wer­den ernstliche Befürchtungen gehegt. Mehrere Häuser im Jsmailiaviertel sollen geplündert und angezündet worden sein. Aus Port Said wird gemeldet: Die Araber besezten wieder das Fort Chemilah und errichteten daselbst Erdwerke. 7 Offiziere von der Armee Arabis, worunter ein Kom­mandant mit seinem Stabe, sind in verflossener Nacht hier angekommen und haben sich ergeben.

Jsmailia, 24. Aug. Die Anhänger Arabi's schnitten den Js- mailiacanal ab; der vorhandene Vorrath an Süßwafser ist aber für einige Zeit ausreichend. Die Engländer erschossen 10 Griechen, welche beim Plün­dern betroffen wurden. Die gegenwärtig in Nefische befindlichen Truppen marschiren morgen nach Magfar und lassen ein Regiment zur Bewachung der Brücke zurück. Die egyptische Streitmacht bei Tel-el-Kebir beträgt 25,000 Mann mit 60 Kanonen. Wolseley beschloß, unverzüglich vorzurücken.

Rußland.

Petersburg, 21. Aug. Die Vorbereitungen zur Krö­nung haben eine unliebsame Störung erfahren. Die acht Schimmel­heng sie, welche den Krönungswagen ziehen sollten, sind heute todt im Stalle gesunden worden. Es ist zweifellos, daß dieselben von den Nihilisten, wahrscheinlich durch Gift getödtet worden sind. Alle Gerüchte über den Termin der Krönung, auch die von den Offi­ziösen verbreiteten, sind unrichtig. Die Krönung wird, wie bestimmt verlautet, urplötzlich angesagt werden.

Petersburg, 24. Aug. Das Journal de St. Petersburg schreibt: Das Telegramm der Times über die Absicht Rußlands, in Kleinasien einzu­rücken, beruht auf Erfindung und gehört ganz und gar ebenso in das Gebiet der Fabeln, wie der angebliche Verzicht von Seiten Rußlands auf die näch­stens fälligen Raten der Kriegs-Entschädigung; ebenso verhält es sich ferner auch mit den hypothetischen Discussionen des Temps über einen von Rußland durch die Kriegsentschädigung auf die Pforte erlangten Einfluß, welche Ent­schädigungsforderung der Temps lediglich als einen fortdauernden Rechts­anspruch Rußlands ansieht, sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei einzumischen, ohne daß die Pforte jemals zahlen werde. Das finanzielle Arrangement Rußlands ist vollkommen ebenso solide, wie dasjenige mit den Bondholders. Politik und Ehrgeiz haben damit durchaus nichts zu schaffen.

Tages-Neuigkeiten.

Bei der Konkursprüsung von 85 Schülern für die Aufnahme in das evang. Seminar in Schönthal, wurde unter den 39 als Seminaristen ausgenommen: Paul Hahn, Sohn des Pfarrers Hahn in Hirsau.

Stuttgart, 23. Aug. Eine für die Presse höchst interessante Ver-

Ferrikketon.

Bo rurt heile.

(Fortsetzung.)

Mein Herr, haben Sie Ihrem verstorbenen Freunde Nienstedt kein Versprechen zu erfüllen?"

Die Abreise seines Sohnes und die ungünstigen Vermögensverhält­nisse haben mich von diesen: Versprechen entbunden."

Der junge Baron ist zurückgekehrt er besitzt mehr als eine Million, sein Stammbaum ist makellos, und mehr noch, ich habe ihn als einen vor­trefflichen Mann kennen gelernt. Herr Oberst, von den Verhältnissen, die wir jetzt berühren, ist ihm Nichts bekannt, er ahnte sie nicht einmal; aber er liebt Fräulein Henriette, und wenn er seinen Stand nicht sofort entdeckte, so geschah es aus Besorgniß, daß sein übereilter Jugendstreich mit ange­rechnet werden möge. Ueberlassen Sie Ihrer Tochter die Wahl, Herr Oberst, und alle Ihre Bedenken werden beseitigt sein."

Heiligenstein schilderte nun in begeisterten Worten die Liebe des jungen Mannes. Dem Obersten schien eine schwere Last vom Herzen genommen zu sein. Beide Männer verbrachten noch länger als eine halbe Stunde in: eifrigen Gespräche. Nach Ablauf derselben hatte Heiligenstein die schwierige Angelegenheit so weit geordnet, daß der Oberst und vorzüglich Ludwig zu­frieden sein konnte.

Hinter dem Hotel, das der Oberst von Eppstein mit seiner Tochter bewohnte, dehnte sich ein weitläufiger Garten mit schattigen Laubgängen aus.

Hier wollte Ludwig den Freund und Anwalt seiner Herzensangelegenheit er­warten. Seine Stimmung bedarf wohl kaum einer Beschreibung. Er wußte, daß Henriette ihn liebte, und nach der so eben stattgehabten Unter­redung mit dem Obersten war ihm klar geworden, daß der Vater in Ver­hältnissen lebte, die ihn mehr als jede andere Rücksicht bestimmen mußten, der Neigung seiner Tochter kein Hinderniß entgegenzustellen. Und befand er sich nicht im Besitze aller der Mittel, die erforderlich waren, um den Obersten dem Einflüsse der Erichsheim's völlig zu entziehen? Er glaubte nicht mehr zweifeln zu dürfen, daß er heute noch das Ziel seiner Wünsche erreichen würde. Glühend vor Aufregung durchschweifte er die einsamen Gänge, die von den Kurgästen um diese Zeit, wo die Sonne heiß hernieder­brannte, gemieden wurden.

Da trat ihm plötzlich Henriette's Kammermädchen entgegen.

Ich suche Sie, gnädiger Herr!"

Zu welchem Zwecke?" fragte Ludwig, der die ihm bekannte Botin wie eine glückbringende Erscheinung begrüßte.

Fräulein Henriette trinkt jetzt in der Laube ihre Chocolade."

Bist Du beauftragt, mir diese Mittheilung zu machen?"

Ja, mein Herr!"

So nimm Deinen Botenlohn! Bemerkst Du, daß der Herr von Heiligenstein den Obersten verläßt, so benachrichtige mich davon."

Er warf dem Mädchen 'eine Börse zu und verschwand zwischen zwei blühenden Hecken. Bald stand er vor einer kleinen, dicht beblätterten Linden­laube. Als er leise die Zweige zurückbog, sah er Henrietten; sie saß in einem kleinen Sessel und las in einem Buche. Unter dem großen runden