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England.

London, 20. Juni. In Irland scheint man seit der Waffenbe­schlagnahme in Clerkenwell ernstlich einen fenischen Putsch zu befürch­ten, und die Militärbehörden treffen entsprechende Vorsichtsmaßregeln. Unter besonders scharfe Bewachung sind die Kasernen in ganz Irland gestellt wor­den; Zivilisten ist der Zutritt verwehrt; die Posten sind verdoppelt, die Nacht­patrouillen vervierfacht, und den Schildwachen ist die strengste Wachsamkeit gegen die Einschleppung von Sprengstoffen in die Kasernen eingeschärft wor­den. In England scheint die Feuierfurcht ebenfalls überall zu spucken. General Pakenham, der Truppeubefehlshaber in Devonport, empfing am Freitag einen anonymen Brief, worin ein Angriff auf das dortige Regie­rungsgebäude angedroht wurde mit dem Bemerken, daß die Insassen des­selben alle getodtet und die Mauern in Ruinen verwandelt werden würden. In Folge dieser Drohung sind auf höheren Befehl die Wachen vor süinmt- lichen Regierungsgebäuden des Platzes verdoppelt worden.

Aegypten.

Alexandrien, 21. Juni. Das KriegsschiffHabicht" ist ange­kommen; ein anderes deutsches Kriegsschiff wird erwartet. Das Minister­programm enthält die Versicherung, daß die internationalen Verpflichtungen speziell bezüglich der konsolidirten schwebenden Schuld und der Kontrole be­obachtet werden sollen. Der Khedive, Derwisch Pascha und Arabi Pascha sind am Nachmittag zusammen ansgefahren. Der Khedive wird von der Nationalpartei, dem Sultan und dem österreichischen Generalkonsul gedrängt, sich nach Kairo zu begeben und dort bis zum Thronbesteigungstag, dem 26. Juni, zuzubringen. Der englische und der französische Generalkonsul haben auf das Entschiedenste abgerathen, weil sie befürchten, daß bei einer even­tuellen Aktion der Khedive als Geisel behandelt würde. Gleiches befürchtet man für die europäischen Beamten, welche zur sofortigen Rückkehr nach Kairo unter Androhung der Dienstentlassung aufgefordert worden sind. Der Khedive erklärte nach einem Telegramm desDaily Telegraph"-Korrespon­denten, er werde sich einstweilen nicht nach Kairo begeben. Der britische Admiral hat peremptorisch bei der egyptischen Regierung angefragt, was sie bezüglich der ermordeten englischen Flottenangehörigen vorzunehmen gedächte. Die britische Regierung verweigert angeblich die Anerkennung des Mini- _

Tages-Neuigkeiten.

Stuttgart, 22. Juni. Gerüchte, welche gestern Abend über er­folgte Verhaftung rc. der früheren Direktoren der hiesigen Volksbank umhergetragen und auch an auswärtige Blätter telegraphirt wurden, sind nach dem Stande von Erkundigungen, welche diesen Vormittag angestellt worden, unbegründet. Vorsicht in solchen Dingen ist im Interesse des ge­regelten Ganges der Rechtspflege durchaus geboten. (Schw. M.)

Stuttgart, 22. Juni. Im E x p o r t m u st e r l a g e r sieht es ungefähr so aus, wie in den letzten 14 Tagen vor Eröffnung einer Aus­stellung. Da sind alle Stadien, vom runden offenen Mühl- oder Schleifstein, von der eben angelangten geschlossenen Kiste bis zum vollständig eingeräumten Schranke vertreten. So ist's mit den Schränken selbst; diese sind da ver­treten in jedem Grad der Fertigstellung; Wandschränke, Pultschränke mit und ohne Glas, offene und geschlossene Laden; alles ist da zu finden. Für jeden Gegenstand bietet sich der richtige Aufbewahrungsraum, ja sogar das richtige Licht. Für Gegenstände, welche viel Licht verlangen, sind zwei überaus lichtreiche Säle da; für andere Gegenstände dient ein dritter Saal, der auch noch hell ist, wenn auch nicht in dem Grade, wie die beiden andern. Es ist ein Triumvirat, welches dermalen die Geschäfte des noch nicht be­stellten Direktors führt, die Herren Gg. Ehni, Max Neuburger und Paul Schied mayer. Die laufenden Bureaugeschäfte besorgt Hr. Oster- maier. Die Zahl der Aussteller dürfte in diesem Augenblicke wohl schon 130 erreicht haben, die Zahl der Vereinsmitglieder etwa 300. Die nächste, und zwar die dringendste Ausgabe, dringender als die Eröffnung des Export­musterlagers selbst ist die Herstellung des Kataloges. Die Mitglieder des Exportmusterlagervereins mögen sich dringend aufgefordert fühlen, ihre Wünsche

in Bezug auf Aufnahme in den Katalog sobald als möglich an das Bureau einzusenden. Es handelt sich darum, diesen Katalog nicht blos so bald als mög­lich, sondern auch in recht stattlicher Erscheinung in die Geschäftswelt zu bringen.

Nürtingen, 20. Juni. Heute früh erschoß sich am Neckarufer, unterhalb der Brücke, ein 22jähriger Fabrikarbeiter aus Frickenhausen mit­telst eines 6läufigen Revolvers, aus dem er 2 Schüsse, den einen in die Brust, den andern in den Kopf abfeuerte. So viel man hört, soll der Un­glückliche fleißig und sparsam gewesen sein; die Gründe zu dieser That sind derzeit noch nicht sicher bekannt.

Heilbronn, 21. Juni. Im hiesigen Zollhose hatte gestern der Führer eines Frachtwagens einem jungen Menschen die Bewachung der Pferde anvertraut und es scheint, daß dieser sich mit den Zügeln mehr als nöthig zu schaffen machte. Die Pferde verloren ihre ruhige Haltung, geriethen in die Nähe der hohen Böschung, eines glitt hinab und riß das andere nebst einem Theil des Wagens mit in die Tiefe. Beide Pferde mären sicher nach wenigen Minuten ertrunken, wenn nicht ein junger Mann, Mitglied der z. Z. hier anwesenden Kunstreitergesellschaft Schlegel, der in einem Nachen fuhr, schnell herangerudert wäre, sich in das Wasser gestürzt, die Stränge und Riemen, welche die Pferde mit dem Wagen verbanden, durchschnitten und dieselben so von weiter herzugeeilten Männern unterstützt, gerettet hätte. Zweckmäßige Behandlung, Einreibungen rc. brachten die erschöpften Thiere in kurzer Zeit wieder auf die Füße.

Künzelsau, 1!>. Juni. In voriger Woche wurden in Büchenbach, diess. Bezirks, drei neue Feuerspritzen aus der Fabrik von E.'Kirchdörffer in Hall, welche für die Gemeinden Buchenbach, Nitzenhausen und Eberbach bestimmt sind, von Herrn Landes-Feuerlöschinspektor Großmann aus Stuttgart einer eingehenden, genauen Prüfung unterworfen, die aber, wie uns von ganz kompetenter Seite versichert wird, sehr befriedigende Re­sultate lieferte. Im Laufe dieser Woche nun kamen 5 neue von Herrn Fabrikant W. Müller in Cannstatt gelieferte Spritzen hier durch. Dieselben sind auch für Gemeinden unseres Oberamtsbezirks bestimmt, so daß derselbe bald eine Ausstattung mit Feuerlöschgeräthschaften wird Nachweisen können, wie kaum ein zweiter.

Aus dem Fränkischen, 20. Juni. Dieser Tage wurde Bäcker­meister Rupp von Kotzenaurach als des Mordes in der Moosbacher Mühle (worüber s. Z. viel in Blättern geschrieben wurde) verdächtig, gefänglich ein­gezogen. Die Volksstimme hatte schon lange den Mann im Verdacht, doch fehlten bis daher den Behörden die nöthigen Anhaltspunkte. Der 'Müller soll Rupp dem Gerichtsvollzieher übergeben und seine Frau zum Hause hinausgeworfen haben.

Aus der Reichs Hauptstadt. Seitens der Reichsregie­rung sind die Eis enb a hn d ir ekti on en benachrichtigt worden, daß die Reisefreikarten der Reichstagsabg. auch ihre Giltigkeit während der Vertagung des Reichstags behalten. Das Neueste, was man jetzt auf der Straße kaufen kann, sind gekochte Krebse. Einige Hundefuhrwerke tragen diese Speise durch die belebteren Gegenden und für 15 L ist schon ein ganzes Duzend kleiner, für 20 V, ebenso viel großer Krebse zu haben .

B e r m i s ch t e s.

j Briefbeförderung u n t e r d e m W a s s e r.) Ein interes­santer Fund ist am 18. April an dem stromaufwärts von Paris gelegenen Ufer der Seine bei dem sogenannten korto ä l'Anglais gemacht worden. Dieser Fund besteht in einer Zinkkapsel, in welcher 430 nach Paris bestimmte Briefe eingeschlossen waren, die im I. 1870 offenbar unter Benutzung des Strom­laufes der Seine unter dem Wasserspiegel unbemerkt von Monlins in die belagerte Hauptstadt befördert werden sollten. Der Fluß hat jedoch, wie die llevus «>88 postes at telegrapbss bemerkt, weniger Eifer in der Aus­führung des ihm übertragenen Kurierdienstes gezeigt, aber treu das ihm in jener bedrängten, schon so weit zurückliegenden Zeit anvertraute Gut zurückgeliefert.

Folgen eines Spasses. Enns, 16. Juni. Vor einigen Tagen goß der Dragoner-Oberlieutenant Eckhardt dem Offiziers-Stellvertreter Grafen Wimpfen aus Spaß ein Seidel Bier ins Genick. Letzterer forderte Eckhardt zum Säbelduell auf. Elfterer erhielt einen Säbelhieb über den

Sie wandte sich und verließ das Zimmer.

Juda stand wie festgebannt. Leila's Zorn hatte sie unbeschreiblich schön gemacht. Er hatte sie nie vorher in Leidenschaft gesehen. Ihr Abscheu und ihre Verachtung überwältigten ihn. Er war verstummt.

In diesem Augenblick trat der Richter in's Zimmer.

Murdock schritt auf die Thür zu.

Einen Augenblick! sagte der Richter stolz. Ihr jüngstes Verfahren gegen Blount Aymar bezeichnet Sie als den elendesten Schurken, der aus Gottes Erdboden lebt. Nichtswürdiger, kennt Deine Verworfenheit und Un­verschämtheit keine Grenzen? Du kommst mit Deinen Anträgen zu meinem hochherzigen Kinde. Du kommst, sie zu quälen und ihr zu sagen, daß sie an Allem schuld sei. Bin ich denn nichts? Ist meine Einwilligung nichts? Wahnwitziger Thor! dächte meine Tochter niedrig genug, um Dir Gehör zu geben, so würde ich sie lieber tödten, als zugeben, daß Sie die Deinige würde!

Die Brut der Nattern ist nicht vertilgt, fuhr der Richter mit bedeut­ungsschwerem Blicke fort. Sie haben dies Alles auf's Ungewisse hin begonnen. Sie haben die Folgen nicht in Anschlag gebracht. Wissen Sie erstens, was es heißt, sein Zeugniß oder seine Kenntniß von einem Verbrechen wegzuleugnen, nachdem der Verbrecher in Haft gesetzt ist? Sie wissen das schwerlich. Aber hüten Sie sich! Die Rache folgt Ihren Schritten.

Möge sie kommen, rief Juda dem Richter in's Wort fallend. Es kümmert mich nicht, was aus mir wird. Blount Aymar wenigstens soll sterben!

Er soll nicht sterben, rief der Richter.

Er soll sterben! brüllte Juda, mit einem Fluche.

Sie bauen auf das Gewicht Ihres Zeugnisses und der Beweise, die Sie Vorbringen können. Aber es gibt andere Dinge, die Sie nicht berechnet haben.

Welche Dinge? fragte Juda, überrascht durch des Richters Wesen, das vertrauensvoll, ruhig, fast triumphirend erschien.

Meinen Sie, daß ich Ihnen das sagen werde?

Sie haben nichts vorzubringen.

Wenn ich Ihnen sagte, was ich weiß, Sie würden zittern, sagte der Richter ernst.

Juda lachte.

Ich warne Sie. So viel will ich Ihnen sagen; Wenn Sie in diesem Proceß weitergehen, so werden Sie einen furchtbaren Schlag auf sich selber herabbeschwören. Es gibt Gründe, weßhalb ich Sie schonen möchte, nicht um Ihretwillen, sondern um Anderer willen, und ich warne Sie hiemit. Wenn Sie klug sind, werden Sie das Land verlassen, und nie wieder hieher zurückkehren.

Glauben Sie, daß leere Drohungen, wie diese, Blount Aymar's Sache Nutzen bringen können?

Ich habe geringe Hoffnung, daß Sie einen anderen Weg einschlagen werden. Ich thue nur meine Pflicht, indem ich Sie warne. Doch hüten Sie sich! Ich habe nicht vergebens sechzig Jahre gelebt. Ich bin nicht ver­gebens mein Lebenlang mit der Familie Aymar vertraut gewesen. Habe ich kein Zeugniß abzulegen?

Nicht das geringste, schrie Juda. Sie haben nichts zu sagen. Die Sache ist zu klar. Der Mord ward begangen. Ihre Kenntniß davon kann Blount Ayinar nur nachtheilig sein. Sie kann ihn nicht retten. Ich wünsche Ihnen einen schönen guten Morgen! Und mit spöttischer Höflichkeit verbeugte Juda sich und verschwand.

(Fortsetzung folgt.)