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gegen das Monopol aussprechen, wie ja auch nur ein Theil der verbündeten Regierungen die Vorlage mache, um dem Reichstag sein „Nein!" dazu sagen zu lassen. Er sei überzeugt, daß dies dann das einzige Monopol nicht blieb, wenn das Haus es bewillige; es sei aber schon deswegen dagegen, weil es dem armen Mann einen Lebensgenuß wesentlich verkümmere, außerdem stelle das Haus System gegen System. Dem Kanzler seien die Fraktionen im Hause noch nicht pulverisirt genug, er wolle sie noch mehr in Atome aufgelöst sehen, um sie desto leichter bewältigen zu-Mnnen, daher denke er auch fortwährend an die Auflösung des Reichstags wenn er nicht seinen Willen thue. Der Reichskanzler denkt immer nur er allein habe Recht und jeder Andere Unrecht. Das Haus müsse aber auch mit der Ablehnung des Monopols Front machen gegen den Sozialismus des Kanzlers, den er freilich nur Staatsomnipotenz nenne, während er die Sozialisten selbst durch ein Gesetz Niederhalten müsse. Es sei Zeit, daß das Reich auch im Innern Frieden bekomme vor den Beglückungsplänen des Kanzlers. Der Schatzsekretär Scholz findet diese Ausführungen so oberflächlich, daß es dem Kanzler sehr leicht sein werde, sie zu widerlegen. Die Motive habe der Abg. Bamberg e r anscheinend gar nicht gelesen. Um ^6 Uhr vertagt das Haus die weitere Berathung bis Dienstag 11 Uhr.
O c st e r r e i ch - U n g a r ».
Wien, 13. Juni. In hiesigen diplomatischen Kreisen sieht man die Lage in Egypten sehr ernst an. Man ist auf Wiederholung der Exzesse gefaßt, weßhalb auch zwei österreichische Kriegsschiffe Befehl erhielten, nach Alexandrien zum Schutz unserer Landsleute zu gehen. Derwisch Pascha spielt nach hiesiger Auffassung ein Doppelspiel; er unterstützt Tewfik nur zum Scheine und steht mit Arabi ini geheimen Ein- verständniß. Jedenfalls glaubt man, daß die Mission, welche Derwisch Pascha offiziell erfüllen sollte, gescheitert sei, und unterstützt deßhalb dringend den westmächtlichen Vorschlag auf baldmögliche Einberufung der Konferenz.— Der russische M i n i st e r w e ch s e l hat hier guten Eindruck gemacht, doch sprechen sich die Blätter relativ kühl aus. In der Auffassung, daß Jgnatiew's Sturz die freundschaftlichen Beziehungen zu Rußland erleichtere, sind alle einig.
Frankreich.
Paris, 12. Juni. Tenot stellt eine Anfrage betreffs der Nachrichten aus Alexandrien. Freyc'inet bestätigt die bekannten Tatsachen, daß der englische Konsul verwundet und der französische bedroht wurde; er hoffe, daß keine Franzosen getödtet worden seien. Der britische Botschafter sei noch ohne Nachricht betreffs der Landung englischer Truppen, er selber sei auch noch ohne offizielle Nachrichten und wisse nicht, welche Maßregeln getroffen werden würden. „Bezüglich der Frage hinsichtlich unserer Staatsangehörigen haben wir nur mit uns zu Rathe zu gehen. Die Regierung wird alle für die Sicherheit der franz. Unterthanen und die Ehre Frankreichs erforderlichen Maßregeln ergreifen." — Mehrere Abendblätter melden: Frankreich und England erließen eine Note, worin der sofortige Zusammentritt der Konferenz verlangt wird. Wenn die Türkei sich weigere, solle die Konferenz anderswo zusammentreten. — Wie es heißt, haben die europäischen Kolonien in Egypten ihre Regierungen um Entsendung von Geschwadern angegangen. — Der Temps berichtet: Derwisch Pascha erklärte den Konsuln, die Pforte erwäge, ob nicht die die Gewalten des Khedive betreffenden Fermane zu modifiziren seien. Die Unruhen in Alexandria werden Agenten Arabi Pascha's zugeschrieben. Derwisch Pascha stoße auf erhebliche Schwierigkeiten, die Lage sei ernst.
Italien.
Rom, 12. Juni. An der Uebertragung der Büste Garibaldi's auf das Capitol nahmen 170 politische sowie Arbeiter- und Humanitätsvereine Theil. Ein achtspänniger Wagen führte die Kolossalbüste, welche von den Veranstaltern der Demonstration dem Syndikus Roms übergeben wurde.
Aegypten.
Alexandrien, 12. Juni. Die „Agentur Havas" meldet: 49 Europäer, 5 Eingeborene sollen todt, 80 Europäer und 28 Araber verwundet sein; soweit bisher bekannt, sind die Verwundungen des britischen Konsuls schwer. Drei französische und drei englische Schiffe haben ihre Kessel ge
heizt und sind auf alle Eventualitäten vorbereitet; große Aufregung herrscht in der Stadt. Die Konsuln sind höchst beunruhigt.
Alexandrien, 12. Juni. Viele Europäer verlassen Egypten möglichst rasch. Die Proklamation des Konsularcorps ermahnt die Europäer, sich ruhig zu verhalten, und drückt das Vertrauen aus, daß die egyptische Armee den Gesetzen entsprechend für Ruhe und Ordnung sorgen werde. Heute fanden keine neuen Ruhestörungen statt. Die Anzahl der Todten von den gestrigen Unruhen wird jetzt auf 100 geschätzt.
Kairo, 13. Juni. Reuter meldet: Sobald die Nachricht von den in Alexandrien ausgebrochenen Unruhen hier eingetroffen waren, begaben sich die Generalkonsuln von Deutschland und Oesterreich zu Derwisch Pascha, welcher im Begriff stand, sich nach Alexandrien zu begeben. Derwisch er- theilte dein Kriegsministerium sofort Befehle; kurz darauf stellten in Alexandrien die Truppen, welche bis dahin passive Zuschauer geblieben waren, die Ruhe wieder her. Der Konsularbericht bringt folgende Details, welche den ernsthaften Charakter der Unruhen beweisen: Den Wagen des griechischen Konsuls hielten egyptische Soldaten an, sie zwangen den Konsul und dessen Begleiter, auszusteigen und mißhandelten dieselben aufs gröblichste. Der Konsul wurde mit einem Stock aufs Heftigste geschlagen. Man versuchte auch den Wagen des englischen Generalkonsuls anzuhalten. Der italienische Vizekonsul ward aus der Mitte der Menge durch einen Steinwurf verwundet. Die Frau des österreichischen Konsuls wurde auf der Straße angegriffen und insultirt. Der englische Konsul wurde durch Schläge auf den Kopf verletzt, die Wunden sind indeß nicht gefährlich. _
Tages-Neuigkeiten.
— Einer der ersten Hundezüchter unseres Landes, Herr C. Burger in Leonberg, der bekanntlich bei der großen Hundeausstellung in Hannover 13 Preise bekam, hat nunmehr auch bei der Wiener Ausstellung 5 Preise, darunter 2 erste, erhalten. — In Schönaich hat ein »fahriges Mädchen ihrem zweijährigen Brüderlein zwei Finger ganz und den dritten zur Hälfte mit einem Beil abgehauen. — Auf Schloß Schaubeck bet Bottwar hat in diesen Tagen der Fuchs, der bekanntlich in gegenwärtiger Zeit zur Versorgung seiner Jungen einen nicht geringen Aufwand von Federvieh und anderem Gethier benöthigt ist, nicht weniger als etliche zwanzig Hennen geholt. Der Schaden beziffert sich auf 60 — InBühlingen
bei Rottweil ertrank heute Vormittag der 4 Jahre alte Sohn des Küfers Tüchle im Fabrikkanal.
Kornwesthei m, 11. Juni. Gestern wurde in unserer Gemeinde ein seltenes Fest gefeiert. Unsere Mitbürgerin Frau Helfer Bau mann Wtw., geb. den 10. Juni 1782, feierte im Kreise ihrer Verwandten und Freunde ihren 100. Geburtstag, körperlich gesund und munter. Dieselbe wohnt seit 31 Jahren hier und ist seit 63 Jahren Wittwe. Neben den vielen Glückwünschen, welche an diesen: Festtage aus nah und fern eingegangen sind, brachte der hiesige Liederkranz der Jubilarin am Abend ein solennes Ständchen, für welches der Enkelsohn Pfarrer Lechler aus Hepsisau Namens der Gefeierten dem Vereine in herzlichen Worten dankte.
Backnang, 10. Juni. Welche Früchtlein unter unserer modernen Jugend heranwachsen, davon bot eine Verhandlung des Schöffengerichts kürzlich ein trauriges Bild. Der 17jährige Joseph Friedrich Hohl von Jagst- feld, ein kräftiger Bursche mit rothblondem Lockenhaar, — er nennt sich Bäcker — zieht schon seit Jahren als Landstreicher, vom Bettel lebend, umher und kam auf seiner Reise neulich auch nach Althütte. Dort wird zunächst fast der ganze Ort ausgebettelt, dann setzt er sich ins Wirthshaus, vertrinkt das erbettelte Geld bis auf den letzten Pfennig mit Gesinnungsgenossen in Schnaps uud rühmt sich unter Anderem, er habe vorgestern in Gmünd seinen Todtschläger an Einem abgeschlagen, der dann todt auf dem Platze geblieben sei. Wie ihn der Schultheiß — Mittags 2 Uhr — auf der Straße trifft und ihn auffordert, den Ort zü verlassen, wird er unverschämt, verweigert auch die Vorzeigung seiner Papiere; wie ihn der Schultheiß sestnehmen will und einen Bürger zur Unterstützung herbeiruft, springt er davon. Eingeholt, versucht er sich mit aller Gewalt loszureißen; dann aber, wie er sieht, daß er nicht frei wird, legt er sich auf den Boden, erklärt, er gehe keinen Schritt mehr und stellt sich auch vollständig todt, so
Blount erfaßte schweigend die Hand seines Sohnes, und eine Thräne trat in sein Auge. Cyrill war tief ergriffen, denn er hatte nie zuvor diese kräftige Natur so weich gesehen.
Der Hut mit Deinem Namen drin ist der schlimmste Punkt von allen, sagte er nach einer Pause.
Bei weitem der schlimmste, sagte Blount.
War es Dein Hut, Vater?
Es war der meinige, Cyrill, erwiderte Blount langsam und gemessen.
Und kannst Du den Zusammenhang nicht erklären?
Ich kann es nicht.
Weißt Du, wie er dahin gekommen?
Ich weiß es.
Und Du kannst es nicht sagen?
Nein.
Es ist hart für Dich, Vater. Dieser Grund, der Dich zum Schweigen verurtheilt, wird Dich verderben.
Das fürchte ich, Cyrill.
Und mußt Du denn schweigen?
Ich muß es.
Selbst gegen mich? Selbst gegen mich? rief Cyrill wehmüthig. Welches schreckliche Schicksal hat Deinen Weg in deiner Jugend gekreuzt? Welcher Grund kann Dich zu einem solchen Opfer bewegen? Nichts kann dadurch gewonnen werden, und Alles mag verloren gehen.
Du hast Recht, mein lieber Junge; Alles mag verloren gehen.
Ist denn kein Fall möglich, in welchem Du Dich entschließen könntest, eine Aufklärung zu geben?
Keiner ist möglich.
Keiner?
Ich sollte sagen, keiner ist wahrscheinlich. Eine Möglichkeit ist vorhanden. Hängt sie von Dir ab, oder kann ich etwas dazu thun?
Sie hängt weder von Dir, noch von mir ab.
Ueberhaupt von irgend einem lebendigen Menschen?
Ja, von einem lebenden.
Kannst Du mir sagen, wo er zu finden ?
Nein.
Und mußt Du ausharren, Vater, und Dich in solcher Weise hinopfern? Ich muß es.
Und ist dieser Mensch nicht zu erreichen? Ist es nicht möglich ihn vorzuführen?
Es läßt sich nicht thun.
O, wenn ich wüßte, wo er wäre! Hätte ich nur eine Ahnung, wer es ist!
Du kannst eine solche Ahnung nicht haben, Cyrill. Ich stehe in der Hand Gottes. Er wird die Dinge zu einem guten Ende führen.
Aber Du kannst, trotz Deiner Unschuld, verurtheilt werden.
Der Fall ist möglich.
Und kannst Du kein Wort sprechen, um Dein Leben zu retten?
Nein, Cyrill, ich muß die Dinge ihren Lauf nehmen lassen. (Fortsetzung folgt.)