mancher wackere Meister unter dem Druck, der auf ' dem Gewerbe liegt. Freilich muß man leider sagen, daß auch vielfach der Grund dieser Noth in dem Verhalten des Einzelnen liegt, darin daß viele in unsrer Zeit zu bald selbstständig werden wollen u. s. w. Vielleicht ist es uns später einmal vergönnt, einen erfrischenden und ermunternden Blick zurück in die „guten alten Zeiten des Handwerks" zu werfen. Aber jeder billig Denkende muß bekennen, daß die Zeitverhältnisse der Art geworden sind, daß der Handwerker ungemein schwer thut." Von vielen nun werden die Maschinen angeklagt, sie haben dem Handwerk seinen goldenen Boden geraubt. Dies ist auch richtig, aber die Maschinen sind nicht allein am Elend schuldig. Im Jahr 1848 z. B. waren noch bei weitem nicht so viele Fabriken in Deutschland überhaupt, und so auch nicht bei uns in Württemberg wie jetzt; jene Maschinen welche dem Handwerker Konkurrenz machen, stammen meist aus späterer Zeit, und doch war damals schon das Handwerk in Verfall. Wie viele Handwerker verließen damals das Handwerk, traten in andere Berufsklassen oder wunderten aus. Was damals den Handwerkern die Arbeit und den ausreichenden Arbeitslohn raubte war die allgemeine Ar muth des Volkes. Hütten damals die Massen des Volkes, welches ja immer Bedürfnisse aller Art hat, die der Handwerker befriedigen könnte, mehr Verdienst gehabt, so hätten sie auch den Handwerker besser „ins Brot gesetzt". Wie es nun damals war, so ist es auch heut zu Tage: die Verarmung unsres ganzen Volkes ist der hauptsächlichste Grund, warum der Handwerksstand im Elend ist. Die Handwerkernoth steht in engstem Zusammenhang mit der Gesammtnoth des Volkes und die Handwerkerfrage wird nur gelöst im Zusammenhang mit der ganzen sozialen Frage. — Daß es dem Handwerker besser ginge, wenn dem Bauern geholfen würde, haben wir schon früher gezeigt, das Wohlbefinden des einen Standes hängt aufs allerinnigste mit demjenigen des andern zusammen. Was also dem einen Stand zur Hilfe aus seiner Noth dient, das kommt auch dein andern zu gute. Und was der Reichskanzler durch den Getreidezoll z. B. dem Bauern Hilst, das hist er damit auch dem Handwerker. Aber deßwegen gibt es doch noch weitere Drittel, durch welche besonders dem Handwerker geholfen werden soll. Wir wollen nur 2 nennen: der Schutz-Zoll im allgemeinen und die Innungen. Also 1) durch den Schutz-Zoll will der Reichskanzler dem Handwerksmann aushelfen. Eine Regierung muß wenn sie l a n d e s v ü t er- lich für ihre Unlerthanen sorgen will, darauf sehen, daß alle ihr eigen Brot essen können. Da darf sie es also nicht ruhig mit ansehen, wenn 400,000 Arbeiter auf den Landstraßen des Reiches vagabundiren. Das ist ein Heer, das wir ernähren müssen, ohne daß es zum Schutz und zur Sicherheit der deutschen Bürger dient, vielmehr ist es nicht bloß eine Last, sondern auch eine Gefahr für uns. Eine Last — denn wie viel werden uns diese 400,000 nichtarbeitenden Arbeiter kosten? Man hat berechnet, daß sie jährlich mindestens 36 Millionen kosten; ich glaube, daß diese Summe nicht reicht, denn dabei würden aus den Mann per Tag nicht einmal 30 Pf. kommen. Sie sind aber auch eineGefahr, denn wie viele Kraft, die brach liegt, wird durch das Vagabundiren der geregelten Arbeit ganz entwöhnt; wie viel Schlimmmes wird durch dieses ruhelose Vagabundiren rasch gelernt und rasch in Umlauf gebracht. Man möge billig sein und bedenken, daß diese wandernden Gestalten nicht sämmtlich im Muthwillen und aus Arbeitsscheu die Landstraßen bevölkern, sondern eine große Schuld daran muß man dem Freihandel der Liberalen zumesien. Die Liberalen haben den Grundsatz in Deutschland vertreten und haben ihn auch durchgeführt; der Handel muß zollfrei sein; erst wenn alle fremden Products zollfrei und möglichst billig zu uns eingeführt werden; dann wird das Leben wohlfeil, dann wird Deutschlands Wohlstand gehoben. Ist es so gekommen? Was war denn die Folge des Freihandels? Ausländische Maaren wurden in Massen bei uns eingeführt; wir bezahlten also den ausländischen Arbeitern ihre Arbeitslöhne. Am meisten wurden natürlich solche Maaren eingeführt, welche im Ausland billiger hergestellt werden konnten als bei uns, und deßwegen mußten die Handwerker bei uns ihre Arbeit auch billiger geben, selbst wenn sie die Arbeit theurer zu stehen kam. Wollten nun unsere Handwerker mit den ausländischen Waaren konkurriren, so mußten sie niederere Löhne bezahlen, oder schlechter arbeiten, oder mit nur äußerst geringem Verdienst selbst zufrieden sein. So kams, daß die deutsche Arbeit endlich das Zeugniß bekam, sie sei billig und schlecht. Neben diesem Verlust ging der andere noch nebenher, daß die Handwerksgesellen, welche keine Arbeit fanden, unzufrieden mit den gesellschaftlichen Zuständen sich den Lehren der Sozialdemokraten hin- aben, weil diese ihnen eine bessere Zukunft versprachen. — Wie sehr aber ei dem Freihandel das deutsche Reich allmählig die fremden Länder für sich arbeiten ließ, indessen die Arbeiter im Reich feiern mußten, sieht man daran, daß in den 8 Jahren 1872—1870 um mehr als 9 Milliarden Mark mehr fremde Waren e i n geführt als aus geführt wurden. — Wenn also der Reichskanzler den Schutzzoll wieder einsührte, so hat er damit thatsächlich dafür gesorgt, daß unsere Handwerker wieder eher ihre Arbeiten an den Mann bringen, daß s i e für uns arbeiten dürfen und nicht die ausländischen Arbeiter; und es ist bereits die wohlthätige Wirkung des Schutzzolles in vielen Stücken zu bemerken. — Wie der Schutzzoll nicht blos zum Wohl des Gewerbestandes beiträgt sondern auch andern Ständen, z. B. dem Bauernstand zu gutekommt, kann jeder Weingärtner sehen an dem Zoll, der nunmehr auf die italienischen Trauben gelegt ist. Was wäre aus unserem Weingärtnerstand geworden, wenn die billigen italienischen Trauben zollfrei eingeführt worden wären. Da hätte der Weingärtner bald die Weinberge zu Kleeplätzen anpflanzen dürfen. Denn mit den italienischen Trauben hätte er auf die Länge die Konkurrenz schwerlich ausgehalten. — Jedoch ist mit dem Schutzzoll unseren Handwerkern noch nicht ganz geholfen. Die weitere Maßregel, durch welche der Reichskanzler dem Gewerbestand wieder aufhelfen will, ist 2) das In nungswes en. Sticht als ob das alte Zunft- und Jn- nungswesen wieder in seinen alten Formen soll hergestellt werden; wo jede Gewerbesreiheit aufgehoben war, wo die Zahl der Meister welche sich an einem Ort niederlassen dürften, sowie die Zahl der Gesellen und Lehrlinge, welche gehalten werden durften, genau festgestellt war, wo eine Menge Miß
bräuche, Ungerechtigkeiten und Ausartungen allmählig eingerissen waren. An diesen Satzungen gingen ja auch die alten Innungen zu Grunde. Aber deßwegen haben seinerzeit doch die Innungen die Blüte des Handwerks herbeigeführt. Die Zünfte waren die Pflanzstätten des Handwerks; in ihnen wurde der künftige Handwerker eigentlich erzogen, und Kunst und Großgewerbe waren noch nicht von dem Handwerk losgetrennt, sondern übten noch einen hebenden und veredelnden Einfluß auf dasselbe aus. So hielt man noch auf die Ehre des Gewerbes und sorgte auch dafür, daß tüchtige Handwerker herangezogen wurden. Was das Gewerbe fördern oder gefährden konnte, das wurde in den Zünften gemeinsam berathen. — Diese letzteren Punkte sind es denn auch hauptsächlich, welche in den neu Zu gründenden Innungen beachtet werden sollten; in den Innungen sollten die zersplitterten Kräfte wieder gesammelt werden, damit man da gemeinsam rathen und thaten könne, was dem Handwerk frommt, damit wer das Handwerk erlernt, auch befähigt werde, dasselbe auszuüben und von dein Ertrage desselben ausreichend zu leben vermöge. Wenn so die Innungen wieder „die Schulen und Rathsstuben desH a n dwerks" werden, dann können sie ein Mittel werden, zur Hebung desselben und zum Stutzen und Segen des Gewerbestandes dienen. —
Tages Neuigkeiten.
Vaihingen a. E., 9. Juni. Bei der heute stattgefundenen Wahl eines Landtagsabgeordneten haben von 4,417 Wahlberechtigten blos 1,445 abgestimmt und ist deßhalb sofort in Gemäßheit Art. 16 des Wahlgesetzes v. 26. März 1868 eine Ergänzungswahl auf 16. Juni vom k. Oberamt angeordnet worden. In Anbetracht, daß diese Wahl nach Aufhebung des Landtags für gegenwärtige Periode fast ganz werthlos und blos Ein Kandidat vorhanden ist, ließ sich dieses Wahlergebnis voraussehen. Die demokratische Partei, welche keinen Kandidaten finden konnte, hat Wahlent- ! Haltung empfohlen und den Bauern angerathen, sie sollen lieber am Wahl- ' tage ihr Heu hineinführen, statt an die Wahlurne zu gehen. ^
Bop fingen, 2. Juni. Als gestern in Zöbingen auf dem 18Sll : neu angelegten Gottesacker ein Grab aufgeworfen wurde, stieß man in der Tiefe von etwa 6 Fuß auf einen hohl tönenden Gegenstand, der sich bei näherer Besichtigung als ein noch ganz gut erhaltener altdeutscher, aus einem i ausgehöhlten halbrunden Eichenstamm bestehender Sarg erwies. Der gewölbte Deckel ist hinten und vornen je mit einein wohlgearbeiteten langgestreckten Thierkopf verziert. In dem Sarge befanden sich außer einigen Theilen morscher Rohrbeine nur zwei wurmstichige Schusterleisten, lange rohrartige Nadeln und der obere Theil eines Schusterstuhls, so daß man wohl annehmen darf, es habe sich ein Schuster sammt seinem Handwerkszeug daselbst beerdigen lassen. Jedenfalls dürfte es der Mühe werth sein. daß ein Alterthumskenner sich die Sachen näher besähe, die im Zöbinger Pfarrhaus« ! zu Jedermanns Ansicht aufgestellt sind. -:
Rottweil, 9. Juni. Die Berufsstatistik hat schon ihren Speku- ! lauten gefunden. In Stetten erschien vor einigen Tagen in einer dortigen Wirtschaft ein gut gekleideter Fremder, ließ sich Getränke und Nachtessen > gut schmecken, erklärte der Wirthin, er sei ein Beamter, der im Bezirke die Kontrolle über die ausgefüllten Berufslisten auszuführen habe. Nach sanftem Schlummer und behaglichem Frühstück bestellte er ein Mittagessen beim Ausgehen zu Erfüllung seines Berufes; der Wirth und die Wirthin kamen hie- ^ durch zu einem bessern Diner als sonst, denn der Beamte kam nicht und ist !
seitdem verschwunden. '
Tuttlingen, 9. Juni. Gestern, am Fronleichnamsfeste, nahm der Sohn des Lorenz Dufner in Seitingen ein geladenes Terzerol in der Hosentasche mit in die Kirche. Nach Beendigung des Gottesdienstes eilte er nach Hause und wollte dann oben zum Dachladen hinausschießen, aber beim Herausziehen des Terzerols entlud sich dasselbe und durchlöcherte ihm die rechte Hand vollständig; heute wird das verletzte Glied abgenommen.
Baden-Baden, 9. Juni. Wir erinnern uns nicht, im Monat Mai hier in einer Privat - Soiree die Neuen Säle des Conversationshauses , so besucht gesehen zu haben — und zwar von einer so distinguirten Gesell- i schaft besucht — wie gestern Abend bei der Produktion des Schnellmalers I Herrn Ritter von Palm aus Wien. Die Erwartungen des Publikums dürften wohl auch nicht getäuscht, im Gegentheil übertroffen worden ! sein. Denn die Virtuosität, mit welcher der Künstler seine Technik behandelt, ! die Geschwindigkeit in der Ausführung und die Sicherheit in der Erzielung > der Wirkungen erscheinen gleich nierkwürdig. In 21 Minuten wurde eine italienische Landschaft — die Campagna bei Rom in Abendbeleuchtung — gemalt. Das Bild ist heute bei Herrn Katzau (Breul) auf der Promenade ausgestellt; Jeder kann sich also selbst überzeugen, wie viel hier in unglaublich kurzer Zeit geleistet worden ist.
Berlin, 8. Juni. Man ist nicht ohne Besorgniß wegen des Prinzen : Karl in Kassel, dessen Zustand sich jedenfalls nicht wesentlich gebessert hat. Dieser Unglücksfall wirft auch seinen Schatten auf die Vorbereitungen zu dem Tauf fest des Sohnes des Prinzen Wilhelm. Die Nachrichten, ob I König Humbert selbst kommen werde, haben mehrfach geschwankt. Der Tod Garibaldi's versenkte alsdann Italien in Trauer, und so traf die Nachricht ein, daß der König sich durch den Prinzen Amadeus vertreten lassen werde.
— Anger münde. Ueber eine gräßliche That wird Folgendes gemeldet: In der Nacht vom 2. zum 3. d. M. gegen 12 Uhr ist das Haus des Messerschmiedemeisters Schimazeck dortselbst durch eine furchtbare > Explosion und durch Feuer zerstört worden. Wie gewaltig die Ex- ^ plosion gewesen, kann man daraus ermessen, daß die Fensterscheiben sämmt- licher Nachbarhäuser zertrümmert und selbst eine 6 Centimeter starte Schaufensterscheibe der ca. 120 Schritt entfernt gelegenen Windolffschen Buchhandlung in mehrere Stücke zerbrach. Binnen wenigen Minuten war das fast in sich zusammengesunkene Haus ein Feuermeer, und nur den furchtbaren Anstrengungen der freiwilligen Feuerwehr ist es zu danken, daß 10 Menschen