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durchzubringen sein werde, sich nicht bestätigt hat, so hat sich doch die liberale Majorität gegenüber derjenigen, mit welcher Cavendish vor 2 Jahren gewählt wurde, um etwas mehr als 800 Stimmen vermindert. Aus den von der konservativen Partei aufgestellten Kandidaten Gathorne Hardy (Sohn des ehemaligen Kriegsministers im Beaconsfield'schen Kabinet, Lord Cran- brook) sielen 7865 St., Holden selbst erhielt 9802.
Rußland.
— In St. Petersburg erzählt man sich folgendes Geschichtchen: Der neue französische Botschafter, Admiral Iaurös, vertiefte sich jüngst in ein politisches Gespräch mit einem russischen Würdenträger, welches die augenblickliche Zustände berührte. Nach längerem Hin- und Herreden soll dabei Jaurös geäußert haben: „Es wird hier nicht eher ruhig werden, bis Sie eine Republik haben."
^ < Tages-Neuigkeiten.
Calw, 21. Mai. Dieser Tage entdeckte ein hiesiger Bürger in der Tasche eines alten Kleidungsstückes, das er seit vielen Jahren nicht mehr angelegt hatte, einen Zehnguldenschein des früheren württemberischen Papiergeldes. Er wandte sich deßwegen an die Staatshauptkasse. Obgleich nun diese Scheine schon seit 31. Dez. 1875 außer Kurs gesetzt sind und einen Anspruch an den Staat nicht mehr begründen, so ist dem Besizer doch zu seiner großen Freude der volle Betrag des Scheines mit 17 14 H sofort ausbezahlt worden.
-- Von Stuttgart dürften wir demnächst den Besuch des Turnerbundes zu erwarten haben, derselbe hat in seiner letzten Monatsversammlung eine Psingstturnfahrt über Calw, Hirsau, Wildbad, Calmbach, Neuenbürg nach Pforzheim projektirt.
— Der Stuttgarter Liederkranz beging am Samstag Nachmittag in herkömmlicher Weise sein Maienfest. Der Festzug mit dem geschmackvoll arrangirten Wagen des Maienkönigspaares, der vierspännigen Ponyequipage, dem Ziegengespann und der großen Anzahl kostümirter Kinder gewährte einen reizenden Anblick. Die im Garten zunächst vorgesührten Reigen und Turnübungen leiteten die Herren Beck und Wagner. An Spielen für kleinere und größere Kinder war kein Mangel und entfaltete Herr Bernhold wieder seine bekannte eminente Thätigkeit im Arrangiren von allen möglichem Unterhaltungen. Den musikalischen Theil des Festes hatte die Kapelle des 3. Infanterie-Regiments Nr. 121 unter Leitung des Herrn Liesch übernommen. Abends von 8 Uhr an fand im Festsaale für die Erwachsenen eine Tanzunterhaltung statt.
Stuttgart, 23. Mai. Die Einrichtung der elektrischen Beleuchtung bei Ingenieur W. Reißer hat jetzt einen Grad von Vollkommenheit erreicht, durch welche sie in Bezug auf Theilbarkeit und dynamische Modulation (Abstufung), wenn dieser Ausdruck verständlich ist, der Gasbeleuchtung, die bekanntlich in dieser Beziehung nichts zu wünschen übrig läßt, sich vollkommen gleichstelleu kann. In dem Moment, in welchem die Gaskraftmaschine sich in Bewegung gesetzt hat, tritt das Licht in Kraft. Durch 3 Leitungen wird es in die Werkstätte, auf die Straße, in die Wohnung geführt. Wenn wir uns in der Sprache des Gases ausdrücken wollen, so kann mit dem Haupthahn jede dieser Leitungen insgesammt geöffnet oder geschlossen („ein"- oder „ausgeschaltet") werden. In der Wohnung ist mit einer höchst einfachen Einrichtung die gleiche Möglichkeit geboten hinsichtlich der einzelnen Zimmer. Betreffs der einzelnen Flamme ist eine solche Einrichtung nicht erforderlich; zehn Glühlichter kosten ungefähr ebensoviel als eines. Ist die Betriebsmaschine im Gange, so muß unter allen Umständen eine gewisse Quantität Elektrizität erzeugt werden. Kann diese nicht verbraucht werden, so muß man dem Strome Widerstand entgegensetzen. Dafür ist eine zweite Art von Hahn, der sich außerordentlich leicht handhaben läßt, vorhanden. Vor einigen Tagen fand sich Hr. Präsident v. Hofacker bei Hrn. Reißer ein; er war begleitet von Hm. Oberpostrath v. Schräg, Assessor Balz u. A. Die Herren ließen sich die Einrichtung auf's Genaueste zeigen. Insbesondere war es der Unterschied zwischen zentralem Bogenlicht und Glühlicht, was den Herren auffiel. Das Bogenlicht, das der Lichtstärke von 500 Normal
kerzen gleichkommt und im Schatten seiner Aufstellung das Tageslicht beschämt, hat gerade hierdurch den Mangel, daß es starke Schatten wirft. 20 Glühlichter, den Wänden entlang angebracht, repräsentiren kaum 200 Normalkerzen und sind für das praktische Bedürfniß doch weit wirkungsvoller. Das sog. Bogenlicht eignet sich für Gärten, Salons, große Räume u. dergl. Das Glühlicht ist die Form für den Hausbrauch. Als besonders praktisch erweisen sich die Glühlichter von Lane-Fox und von Swan; das Edison'sche Lämpchen ist etwas in den Hintergrund gedrängt. Neuestens ist auch viel von Maxim die Rede. In neuerer Zeit wird eine Gasfabrik in Amsterdam mit elektrischem Lichte erleuchtet. Zum Betriebe der Gaskraftmaschine verwendet man aber nicht gereinigtes, sondern das viel billigere ungereinigte Gas. In dieser Form dürfte das Gas im Laufe der Jahre zu einer großartigen Verwendung kommen.
Ludwigsburg, 21. Mai. Während der Pfingftfeiertage wird in der städtischen Turnhalle hier die dritte Verbandsausstellung des Landesverbandes der vereinigten Vogelvereine in Württemberg abgehalten werden. Dieselbe scheint nach den bisherigen Anmeldungen sehr reichhaltig zu werden. Als Preisrichter von Stuttgart fungiren die Herren M. Rau und H» Sorge (für Hühner), C. Stattmann (für Tauben), Präzeptor Berg (für Sing- und Schmuckvögel). Mit der Ausstellung ist gleichzeitig eine Verloosung von Vögeln im Werth von 1200 verbunden. Als Preise kommen zur Vertheilung silberne und bronzene Medaillen, Geld und künstlerisch ausgeführte Diplome.
— In Murr bei Marbach mußte vor einigen Tagen ein feister Ochse, des Milzbrands verdächtig, von Amtswegen getödtet und, mit Petroleum und Chlorkalk begossen, verscharrt werden. Wie groß war das Staunen, als derselbe andern Tags trotz dieser Prozedur nicht mehr in der Grube vorgefunden wurde. Angestellte Haussuchungen waren bis jetzt erfolglos. — Bei Metzingen hielten am Himmelfahrtsfest die Methodisten der Gegend, wie alljährlich an diesem Tag, einen Gottesdienst im Freien, welcher immer auf einem Berge gehalten und deshalb von ihnen die „Bergpredigt" genannt wird. Der Floriansberg war dieses Jahr von ihnen dazu ausersehen und es war derselbe den ganzen Tag von Schaaren von Andächtigen belagert.
Aalen, 22. Mai. Wie überall, so wird auch in unserer Gegend das Himmelfahrtsfest zu Maiausflügen verwendet und so kamen in dem auf der Höhe des Aalbuchs gelegenen Tauchenweiler bei Essingen an dem genannten Tage verschiedene solcher Ausflügler von den benachbarten Ortschaften zusammen. Aus einer anfänglichen "Neckerei zwischen jungen Lenten entspann sich daselbst eine Schlägerei, die leider einen traurigen Ausgang nahm. Der Gemeinderath und Freiherr!, v. Wöllwarth'sche Jagdaufseher Engelhardt von Lauterburg wollte in den Streit abwehrend eintreten und erhielt dabei einen Stich in den Unterleib, der ihm nach 26 Stunden schweren Leidens das Leben kostete. Derselbe soll während dieser Zeit mit großer Standhaftigkeit seine letzten Anordnungen getroffen und seine Frau und 5 Kinder getröstet haben. Mehrere Verhaftungen sind vorgenommen worden und die Untersuchung wird ergeben, ob nicht versteckte Rache bei dieser That im Spiele war.
Gaildorf, 20. Mai. Die letzten Tage haben uns mit den Frost- nüchten, die die feineren Gartengewächse zerstörten, nachträglich auch noch einen Unglücksfall gebracht. In dem benachbarten Spöck, Gem. Dedendorf, gerieth gestern ein etwa 7jähriges Mädchen in die Nähe eines sog. Rasenbrandes, wie solche in hiesiger Gegend im Frühjahr vorgenommen zu werden pflegen, um den geeigneten Dung für Hirsensaat u. s. w. zu bekommen, ihre wattirten Kleider singen Feuer und bis Hilfe kommen konnte, verbrannten fast sämmtliche Kleider auf dem Leibe, wodurch sie von den Füßen bis an den Kopf angebrannt wurde. Heute früh ist das Mädchen seinen Wunden erlegen.
Frankfurt, 23. Mai. Eine englische Dame, Lady Plumber, verlor bei einem Spaziergange auf der Landstraße von Seckbach nach Frankfurt einen ihrer Brillantohrringe, ein Familienstück und mehrere hundert Pfund werth. Als sie daheim ihren Verlust gewahr wurde, ließ sie sich nach
Die eine Zeitung brachte folgenden Artikel:
TraurigesGeheimniß. — Am vorigen Sonnabend wurde eine gerichtliche Todtenschau über einige menschliche Ueberreste abgehalten, die in der vorhergehenden Nacht aus einem trocken gelegten Brunnen auf der Besitzung des Herrn Blount Aymar, der alte Herrenhof genannt, ausgegraben worden. Diese Ueberreste gehörten einem Frauenzimmer an, wie aus Ueber- bleibseln von Kleidungsstücken und Schmucksachen hervorging. Sonst war der Leichnam nicht viel mehr als ein Scelett.
Man erinnert sich, daß vor etwa dreißig Jahren ein junges Mädchen, Namens Emilie Ford, plötzlich verschwand, und daß trotz aller Nachforschungen keine Spur von ihr je gefunden ward. Der peinliche Eindruck, den diese Begebenheit damals in dieser Gegend hervorrief, ist manchem der älteren Bürger wohl noch bekannt.
Mr. John Ford, der Vater des jungen Mädchens, und Mr. Juda Murdock waren diejenigen, welche die Ueberreste ausgruben und gleichfalls die Zeugen bei diesem Falle sind. Mr. Juda Murdock sagte eidlich aus, er sei durch verschiedene Umstände zu der Muthmaßung geleitet worden, daß dem jungen Mädchen schmählich mitgespielt und sie an den benannten Orte begraben sei, worauf er seinen Verdacht Mr. John Ford mitgetheilt habe und sie heimlich hingegangen seien, um sich von der Richtigkeit ihres Argwohnes zu überzeugen. Der Brunnen schien vorsätzlich verdeckt worden zu sein, und nicht zufällig verschüttet, wie man es bisher geglaubt hatte. Auf dem Grunde lagen die Reste eines menschlichen Körpers, die man jetzt vor Augen hatte.
Mr. John Ford bezeugte, daß Mr. Juda Murdock ihm, wie oben erzählt, berichtet habe, und daß, nachdem der Leichnam aus seiner Gruft zu Tage gefördert worden, er denselben an verschiedenen Kennzeichen als den seiner Tochter erkannt habe. Erstens an den Ueberresten der Kleidung, welche
sie getragen, als er sie zum letztenmal gesehen, zweitens an einer Halskette, die er ihr als Weihnachtgeschenk gegeben, und drittens an einem Medaillon mit einem Miniaturbilde von ihm selbst, welches er ihr in dem Jahre vor ihrem Verschwinden geschenkt hatte. Diese Dinge wurden vorgezeigt und die Aussagen Beider beschworen.
Aber das Wichtigste bei der ganzen Sache war ein peinlicher Umstand, der einen allgemeinen geachteten und geliebten Bürger schwer zu graviren scheint. In der Grube wurde zugleich mit dem Körper ein verwitterter Wachstuchhut gefunden, an dessen innerem Rande der Name „Blount Aymar" geschrieben stand.
Eine Anklage auf Tödtung ist gegen Blount Aymar anhängig gemacht worden.
Dieser Vorfall ist der peinlichste, der seit dem Verschwinden des unglücklichen Mädchens in unserer Mitte sich zugetragen. Es ist augenscheinlich, daß sie ein gewaltsames Ende genommen, denn ihr Hirnschädel war durch einen heftigen Schlag zerschmettert. Näheres wird wahrscheinlich das Verhör ergeben. Wir halten unser Urtheil zurück, aber wir hoffen und glauben aufrichtig, daß die Anklage gegen Blount Aymar sich als falsch erweisen und er vollständig freigesprochen werden wird. Sein ganzes Leben, sein ganzer Charakter machen ein solches Verbrechen unmöglich.
Um vier Uhr Nachmittags an demselben Tage wurde Aymar arretirt und ins Gefängniß abgeführt.
Nichts kann die allgemeine Theilnahme übertreffen, die der Gefangene erweckt. Die Ueberzeugung von seiner Unschuld, und die Hoffnung, daß er von der Anklage wird losgesprochen werden, lebt in Aller Herren.
(Fortsetzung folgt.)