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<<-ingesandt.) Die sozialpolitischen Strömungen der Gegenwart bildeten das Thema, über welches Prof. Dr. Heitz aus Hohenheim in -VPtündigem fließendem Vortrag im Georgenäum sprach. Einleitend citirte er den Ausspruch seines Großvaters: Die Wissenschaft müsse Gemeingut des Volkes werden und sich nicht im Dienste Einzelner abnützen. Es klingt dies alles gut; allein dann möchten jene Träger der Wissenschaft dieses Geschenk in einer verdaulichen Form dem Volke darreichen, nicht daß dieses mit der harten Schale beschäftigt, ermüdet ehe es zum Kern gelangt und am Ende verstimmt Frucht und Hülle hinwegwirft. Im Weiteren nun entwickelt Redner die ersten Zeichen am sozialpolitischen Himmel. Wie namentlich das Jahr 1848 bestimmend gewirkt habe; daß in der Fortschrittspartei der 50r Jahre das Kind das Licht der Welt erblickte; wie sich nun nach und nach die soziale Strömung concentrirte unter der Leitung des bekannten Agitators Lassalle, der Anstoß gab zum allgemeinen deutschen Arbeiterverein, ein Institut, das anfangs viel von sich reden machte, mit der Zeit aber wegen Zerfahrenheit wieder einschlummerte. Auf dem internationalen Gebiete wirkte gleichzeitig Marx in London, wenn wohl mit mehr Erfolg als Lassalle, allein zu einem nennenswertsten Resultat gelangte auch dieser Volksbeglücker nickt. Nicht unerwähnt wollen mir lassen, daß sich auch in ruhig berechnenden Schichten diese soziale Frage einschlich und gerade da am meisten dankbaren Boden fand, denn die von Schulze-Delitzsch hervorgerufenen Associationen dürfen in keiner Weise unterschützt werden. Das Jahr 1870,71 brachte wenigstens scheinbar für die deutschen Sozialisten Ruhe, aber fast könnte man annehmen nur jene Ruhe, die dem Sturme i» so unheimlicher Weise vorausgeht. Und wahrlich die folgenden Jahre spiegelten sich in einem zu klaren Bilde wieder als daß vernünftige Menschen noch zweifeln konnten über die Ziele unserer sozialen Partei, zu welcher der bloße Arbeitertag inzwischen herangewachsen. Das Sozialistengesetz von 1878 wurde nothwendig, über welches der Redner so ziemlich den Stab brach. Weit entfernt zu glauben, daß solche eingefleischte Ansichten, wie sie in den Köpfen der heutigen Sozialdemokraten spucken, durch steife GesetzeS-Para- graphen sich aus der Welt verbannen ließen, aber den folgerichtigen Ausschreitungen, wie wir sie in den traurigen Attentaten illustru't finden, prä- veniren, und hierin liegt doch gewiß Erfreuliches genug, über das man nicht einfach hinweggehen kann. Wie schwer die Lösung der socialen Probleme ist, hat im Weiteren auch Fürst Bismarck begriffen und wenn er mit seinem Staatssocialismus auch noch nicht den rechten Hebel gefunden hat, immerhin bleibt es sein Verdienst, das Reich auf diese Kluft aufmerksam gemacht und mit den bislang denkbar besten Mitteln die Ueberbrückung versucht zu haben. Heitz findet zwar auch in diesen neuesten Vorlagen nur Negatives, was sich auch demonstrativ in dem 4. Stande selber vernehmen lasse. Aber welche Partei ist so schnell befriedigt! Predigt nicht die „Germania" täglich, daß die nunmehr eingebrachten Kirchenvorlagen nur der Anfang vom Ende wären; oder was werden wir mitverleben, wenn einst dem Eugen Richter das Heft geboten würde, welch ein Stück schnitte er nicht aus dem Staatskörper? b'nppelit vianl on wun^eont! Auf der andern Seite fanden nur den Appell an die Kirche denn doch zu sanguinisch. Den wohlthuendeu Einfluß auf die Gemüther auch in dieser Sache nicht zu leugnen, möchten wir aber wirklich eine Agitation seitens der Geistlichen ausgeschlossen wissen wie sie uns in Stöcker in nicht gerade vortheilhaftem Bilde entgegentritt. Diesem Gesalbten könnte vielleicht die Brut, die er mit so vielem Fleiß und Eifer großgezogcn, noch höchst unbequem werden, oder vermag jemand ein durch perpetuelle Hetzereien verranntes Volk zu berechnen! Die große Entrüstung endlich, in die Redner bei dem Namen „Kathebersozialisten" gerüth, möchten wir nicht durchweg theilen. Wem, wie diesem Stand, cs vergönnt ist, nicht gerade zu sehr unter der Ueberbürduug zu leiden, dem mag man nicht verübeln, wenn er sich ab und zu mit der brennenden Frage beschäftigt.
Gelangen nur zum Resumö, so glaubten wir in den ganzen bis jetzt vorgenommenen Operationen zur Entfernung dieses Uebels die umgekehrt schaffende Kraft (als sich Mephistopheles dem Faust gegenüber bekräftigte) zu vernehmen. Aber man mache doch positive Vorschläge, die auch nur halbwegs eine Discussiou ermöglichen! Die Gelehrtenwclt ist heute noch so unentschlossen, wie es die Parteigenossen im sozialen Lager selbst sind. Und so lange denkt uns die wirthschaftliche Reform des Reichskanzlers doch durchaus einer nähern weniger abfälligen Kritik der Mühe werth. SL.
Tages Neuigkeiten.
— Ihre Majestät die Königin haben am 7. Januar d. I. den Pfarrer Faulhaber, Reiseprediger für innere Mission, in Audienz zu empfangen geruht und einen Bericht über die Sache des Haller Dia- c o n i s s e n h a u s e s allergnüdigst entgegengenommen.
Nagold, 19. Jan. Gestern widerfuhr unserer Stadt die Ehre, daß in ihr die Jahresversammlung des Sülchgau er Alter- thumsvereins abgehalten wurde. Freiherr Hans vonOw von Wachendorf, der eifrige und unermüdlich thätige Vorstand des Vereins, er- össnete die Versammlung mit einleitenden Worten und kam dann auf „die Fabel von den angeblichen Raubburgen Waldeck rc., die Rudolf von Habsburg 1284 belagert und zerstört haben soll", zu sprechen. Die Waldecker waren durch Rudolfs Belagerung in den Verdacht gekommen, als hatten sie gegen den Landfrieden gesündigt und Räubereien betrieben. Redner führte mit guter Sachkenntnis; und sichtlicher Wärme aus, daß weder die Waldecker, die 5 Burgen besaßen, noch die schwäbischen Burgen überhaupt gegen den Landfrieden errichtet waren. Neuere Geschichten bestätigen, daß die Herren von Waldeck Stiftungen an Klöster machten, somit in guten Verhältnissen waren. Das Landvolk freilich, hält, an dem Roman fest, daß z. B. Albrecht von Waldeck ein Raubritter gewesen sei, der alles zusammengeraubt habe — eine Sage, welcher im Württemberger Lande noch manches Seitenstück beigegeben werden könnte. Wenn demnach die Herren von Waldeck keine Raubritter waren, so fallt die ganze Fabel von den 00—80 Raubburgen, die Rudolf von Habsburg zerstört haben soll. Im Verlauf der Rede verbreitet sich der verehrte Redner ziemlich eingehend über die Heereszüge des nach der kaiserlosen Zeit wieder Ordnung schaffenden Kaisers Rudolf, welcher namentlich das verloren gegangene Reichsgut wieder zu gewinnen suchte. Auch der beiden Belagerungen Stuttgarts durch Rndolf wurde gedacht. Professor Or. Hart m a n n von Stuttgart hielt sodann den zweiten sehr interessanten Vortrag mit großer Gewandtheit und vorzüglicher Sachkenntniß. Der Gegenstand, den er näher zu erörtern sich zur Aufgabe gestellt hatte, war „die älteste Geschichte der Stadt Nagold." Redner weist mit Bestimmtheit nach, daß Nagold vorrömischeu Ursprungs sei, ums er theils aus dem Vorhandensein des Heidenbühls („.Krautbühl"), der ohne Zweifel ein großer Grabhügel sei, welcher noch im Laufe dieses Jahres geöffnet werde, theils aus dem Namen des Flusses, der wie Neckar, Nahe rc. ganz sicher aus der keltischen Sprache abstamme, ganz glaubwürdig bewies. Auch die Burg Hohennagold, eine der 50 Ringburgeu Schwabens, stamme sicher aus vor- römischer Zeit. Aus der Römerzeit hat Nagold manches aufzuweisen. Es waren beispielsweise hier und in der Umgegend 5 Römerstraßen erbaut. Am Heidenbühl hat man schon früher römische Gefässe, in der Stadt und auf der Burg auch römische Münzen gefunden. So Schönes wie Wildberg habe allerdings Nagold nicht aufzuweisen. Dort fand man beim Eisenbahnbau in unbedeutender Tiefe einen fein aus Kupfer getriebenen, versilberten Visirhelm, dessen Abbildung vorgezeigt und erläutert wurde. Die Römer waren ganz sicher in Nagold, doch dauerte ihre Herrschaft nicht sehr lange. Zu Ende des dritten Jahrhunderts waren die Allemannen Herren des Landes. Seit 1000 Jahren aber gehört die Stadt zum gesegneten Schwabenland. Aus der allemanuischen Zeit hat Nagold mehrereS aufzuweisen z. B. beim Eisenbahnbau gefundene Skelette, Pserdeknochen, Eisenwasfen und Gefässe, ferner fand man beim Bau des Seminars weitere Gräber, auch verschiedene Schmucksachen (feingearbeitete eiserne Stecknadeln und farbige thönerne Knöpfe). Redtier zeigt diese hübsch herausgeputzten Gegenstände nebst durchlöcherten Bärenzühneu, die wohl von den Bärenjägern als Anhänger getragen wurden, vor. Schließlich wurde eine kleine'Sammlung von Alterthümern besichtigt und eingehend erklärt. Ilm O/e Uhr erfolgte der Schluß der sehr zahlreich von hier und auswärts, namentlich Beamten, Geistlichen und Lehrern — auch den Seminaristen wurde die Theilnahme gestattet — besuchten Versammlung.
— Am Abend des 19. d. ließ in Backnang die Frau des Gerbers E ssig ihre beiden Kinder allein in der Stube, um Wasser zu holen. Vis dieselbe zurückkehrte, hatte das ältere Kind die Erdöllampe umgestoßen, wobei das jüngere, 1 Jahr alt, so furchtbare Brandwunden erhielt, daß es in
Hierher?
Dies Zimmer ist der sicherste Ort zur Unterredung. Wir haben alles reiflich überlegt. Vorn hinaus schläft der Eerberus, der stets argwöhnt . . .
Ich strecke ihn durch einen Schuß zu Boden, wenn er mich hindert . . .
Das werden Sie nicht! ries Agnes erschreckt. Was haben Sie mir versprochen? der Kapitän ist der Vater meines Ernst . . . Denken Sie an die Folgen einer Uebereilung . . .
Beruhige Dich mein Kind! Du hast Dir keinen Undankbaren verpflichtet. Wie Dein Ernst mir ein ergebener Freund ist, so bleibe Du meiner Adelheid eine ergebene Freundin.
O, wie muß ich die gute Dame ehren und lieben! Seit sie in unserem Forsthause wohnt, ist es ganz anders geworden. Ich denke mit Schrecken an den Tag der Trennung.
Eugen! ries leise eine Stimme.
Adelheid!
Eine Dame im weißen Nachtmantel eilte herbei. Sie flog an die Brust des jungen Mannes, der sie zärtlich umarmte und küßte.
Ich begebe mich auf meinen Posten! rief Agnes leise. Wenn sich Verdächtiges zeigt, klopfe ich an die Thür.
Das knarrende Geräusch ließ sich wieder vernehmet;. Dann war es einige Minuten still.
Das ist die Sängerin ! dachte Knöbel. Also Adelheid heißt sie. Wenn ich nur wüßte, wer der Liebhaber märe ... ich erfahre es wohl noch. Diese Beiden sind mir nicht gefährlich. Aber um meine Nachtruhe ist es
geschehen. Ich liege in einem wundervollen Bette, und kann nicht schlafen. Wenn nur das verwünschte Felleisen meine Anwesenheit nicht verräth.
Er lugte durch die Spalte im Vorhänge, Da stand das alte bestaubte Felleisen an der vom Blonde beschienenen Wand; die kleinen Räder und der nachlässig zugeworfene Deckel, ließen sich deutlich erkennen. Daneben lehnte der Wanderstab, auf dem der Hut hing.
Man sagt, die Liebe sei blind. Das zärtliche Paar sieht wohl die verrätherischen Dinge nicht.
Mit diesem Gedanken tröstete sich der Alte, der ängstlich bemüht war, auch das kleinste Geräusch zu vermeiden. Bleischwer lag die, Müdigkeit aus seinen Augen; aber er konnte nicht schlafen. Ein Gefühl der Aengstlichkeit hielt ihn wach.
Endlich, endlich! rief Eugen mit bebender Stimme. Ich habe qualvolle Wochen verlebt.
Schon seit drei Tagen habe ich Dich mit Sehnsucht erwartet, sagte Adelheid.
Diesen Morgen erhielt ich Deinen Brief.
Diesen Morgen erst?
Der Försters Agnes' Geliebter, hatte früher keine Gelegenheit, sich mir zu nähern. Aber kaum hatte ich aus dem Brief Deinen Aufenthalt erfahren, als ich meiner Umgebung ankündigte, daß ich zu einer mehrtägigen Jagd verreisen würde. Auf den Plan, den ich gefaßt, komme ich später zurück. Jetzt erzähle mir, meine Geliebte) wie man Dich aus der Residenz entsernt hat. Aus den Einzelheiten lerne ich die handelnden Personen kennen.
(Fortsetzung folgt.)