57. Jahrgang.

Nro. 10.

Amts- uml Intelkigenzl)katt für äen (Oezirli.

Erscheint Dienstag, Donnerstag nnd Samstag.

Die Einrückungsgcbühr beträgt 9 L für die vicr- spaltige Zeile oder deren Raum

Dienstag, den 24 . Januar 1882 .

Abenncmcntspreis halbjährlich 1 -.A 80 .L, durch die Post bezogen in» Bezirk 2 30 H, sonst in ganz

Württemberg 2 -15. 70 L.

Aeslellungen auf das

Calwer Wochenblatt"

auf das mit dem 1. Januar begonnene vierteljährliche Abonnement werden noch fortwährend bei der Redaktion, für auswärts bei den betr. Post­stellen oder den Postboten, angenommen und die bereits erschienenen Nummern nachgeliefert.

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Amtliche Dekanntmachungen.

Calw. An die U. Pfarrämter.

Das K. evang. Consistorium hat die E r hebu n g statt st ischer Notizen über die Arbeitsschulen im Schuljahr 1880 81 ange­ordnet und sind zur Ausführung dieser Anordnung an diejenigen Pfarrämter, in deren Parochie das Bestehen von Arbeitsschulen diesseits bekannt ist, die entsprechenden Formulare versendet worden.

Diejenigen K. Pfarrämter, in deren Parochie noch Arbeitsschulen be­stehen, und welche ein solches Formular noch nicht erhalten haben, werden aufgesordert, hievon baldigst Anzeige hierher zu erstatten.

Den 23. Jan. 1882. K. gem. Oberamt in Schulsachen

_ Flaxland. Berg.

Politische Nachrichten

Deutsches Reich.

Berlin, 20. Jan. (Reichstag.) Zweite Lesung der Vorlage betr. den Zollanschluß Ha m b urgs. Nach ^ 1 behält Art. 34 der Reichs- Verfassung fortdauernde Anwendung auf das künftige Hamburger Freihafen- Gebiet. Dr. Hänel nimmt das Wort. Derselbe begründet seinen Antrag, wonach die unter Zollflagge und Leuchte von der See nach dem Freihafen­gebiet und umgekehrt transitirenden Schiffe von der zollamtlichen Behandlung befreit sein sollen. Ohne den Antrag sei die Bewilligung der 40 Millionen geradezu in's Wasser geworfen. Der Bundesrath sei seiner Stellung und Aufgabe nach nicht geeignet, einseitig die Modalitäten des Zollanschlusses fest­zustellen. Der Antrag der Fortschrittspartei sei nicht ein Ausfluß partikula- ristischer Tendenz, um Hamburg gegen das Reich auszuspielen, sondern ledig­lich ein Produkt sachlicher Erwägungen. Das Vorgehen des Bundesraths in der Hamburger Frage sei von vornherein geeignet gewesen, Konflikte zu erzeugen, v. Kleist-Retzow bestreitet, daß eine Pression auf Hamburg stattgefunden habe. Das Verhalten der Reichsregierung gegenüber dein Staate Hamburg sei ein großartiger Akt nationaler Politik, welcher Ham­burgs Rechte und historische Privilegien achte und respektire, dabei aber dessen

Feuilleton. Der alte Komödiant.

Novelle von August Schräder.

(Fortsetzung.)

Nach fünf Minuten rauschte es zum zweiten Male und das junge Mädchen erschien wieder. Diesinal öffnete es einen Fensterflügel. Die kalte Nachtluft zog herein.

O, dachte Knobel, das ist überflüssig,

Er zog den Kopf so weit unter die Decke, daß nur die Augen sicht­bar blieben. Und so konnte er beobachten, ohne gesehen zu werden.

Das Mädchen rief leise aus dem Fenster:

Aufgepaßt!

Tann warf es eine Strickleiter hinab, deren oberstes Ende es an dem Fensterkreuze befestigte.

Gut! rief es leise, sich hinabbiegend. Kommen Sie.

Einige Sekunden später erschien der Kopf eines Mannes am Fenster. Agnes! flüsterte er.

Ich bin es!

Wie steht es?

Alles gut.

So kann ich einsteigen?

Natürlich. Ich gehe, um Ihre Ankunft zu melden.

Stellung im Welthandel dem Reiche nutzbar mache. Redner bittet um An­nahme der Vorlage, welche die Reichsversassung zum Abschluß bringen wolle. Finauzmiuister Bitter wendet sich gegen die Ausführungen Hünel's und rechtfertigt das Vorgehen der Reichsregierung in der Hamburger Frage. Von einer Pression gegen Hamburg und den Reichstag könne keine Rede sein, um so weniger, da die Regierung sich bewußt sei, streng auf dem Boden des Rechts und ihrer Kompetenz sich zu bewegen. Psasseroth und L ang - wert h von Simmern bekämpfen, M aper (Jena), Windthorst befür­worten die Vorlage. Aus Anfrage Windthorst's erklärt Staattzminister Bitter, er halte zwar die von der Kommission beantragte Resolution für überflüssig, trage aber kein Bedenken, seine Zustimmung dazu auszusprechen. Windthorst bezeichnet den Inhalt des 8- k als das Maximum des Er­reichbaren und bittet, den Antrag Hänel abzulehnen und die Resolution der Kommission anzunehmen. Der Antrag Hänel wird abgelehnt und 1 in der Kommissionsfassung angenommen. Für 8 2 (Bewilligung von 40 Mill. als Reichszuschuß) spricht Sandtmann, dagegen in längerer Rede B a m- berger. Das Haus vertagt die Debatte bis morgen.

O c st e r r c i ch - U » g a r n.

Wien, 19. Jan. Vorgestern fand in der Herzegowina das erste größere Gefecht zwischen österreichischen Truppen und einer 80 Mann starken Abtheilung Aufständischer statt. Von den unsrigen sind ein Offizier und fünf Mann verwundet, die Insurgenten haben zehn Mann verloren. Tie Aufständischen wenden ihre alte erprobte Taktik an; sie überfallen die Trup­pen und ziehen sich nach dem Gefecht in ihre unzugänglichen Schlupfwinkel zurück. Sämmtliche Berichte konstatiren die vollständige Organisation des Aufstandes.

Frankreich.

Paris, 20. Jan Die gestrige Abstimmung brachte allen Lagern eine unerwartete Ueberraschung, selbst die Feinde der Listenwahl hatten eine solche zerschmetternde Mehrheit nicht erhofft, in ihrem Lager war daher die Freude übergroß. Alle stimmen darin überein, daß die Listenwahl zu Grabe getragen sei. Gegen sie war hauptsächlich der Widerwille der Kammer gerichtet, während unter den 32 nur 3 erklärte Gegner jeder Senats­revision sitzen. Die Zusammensetzung der Commission verbürgt, daß diese die Verwerfung der Listenwahl beantragen wird. Dagegen ist es unsicher, ob nicht gar eine Gesammtrevision der Verfassung beantragt wird, welche natürlich der Senat seinerseits verwerthen würde. Die Justice nennt die gestrige Ab­stimmung vernichtend und kann an eine Aenderung des Stimmenverhältnisses nicht glauben, sie verlangt eine rasche Berathung und schließt:in einigen Tagen wird die Kammer oder das Ministerium am Boden liegen." Der Jntransigeant jubelt, daß Gambetta unterlegen ist. Nie sei eine derartige Opposition irgend einem Ministerium gemacht worden, wie diesmal einem republikanischen Ministerium von einer republikanischen Mehrheit. Die Gambettisten sind sehr entmuthigt und erkennen offen das Gewicht der Ab­stimmung an.

Agnes huschte fort. Der Mann sprang mit einem gewandten Satze in das Zimmer und lehnte das Fenster an. Während dieser Zeit hatte Knö­del rasch die Vorhänge des Bettes zusammen gezogen. Die Spalte, die der schwere Gardinenvorhang gelassen, erlaubte ihm zu beobachten. Er wäre ganz ruhig gewesen, Hütte das Felleisen nicht an der Wand gelegen.

Der Mann war eine stattliche, elegante Erscheinung. Der dunkle Oberrock, den er trug, bedeckte eine breite Brust uud elegante Taille. Bei jedem Schritte, den er ausführte, klirrten seine Sporen. Jetzt legte er einen Gegenstand auf den Tisch, der wie ein Pistol aussah.

Nun wird's bedenklich! dachte mit einem Anfluge von Furcht der Alte im Bette. Der Mensch scheint auf einen ernsten Angriff gefaßt zu sein. Was wird er mit mir anfangen, wenn er mich entdeckt? Mir scheint, es wäre doch besser, ich übernachtete auf einem Strohlager in der Schenke. Gott mag wissen, was hier vorgeht!

Ter Mann hatte sich auf einen Sessel geworfen und die Arme gekreuzt. Regungslos starrte er vor sich nieder.

Es bleibt dabei, murmelte er so laut, daß es Knöbel deutlich verstehen konnte, ich muß in dieser Nacht zum Ziele gelangen! Bin ich ein Knabe, der unter der Zuchtruthe steht?

Er sprang auf und ging hastig durch das Zimmer. Dann blieb er sinnend am Fenster stehen.

Agnes erschien wieder.

Gnädiger Herr!

Wo ist Adelheid?

Das Fräulein wird gleich kommen.