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Partei. . . . Wir müssen Europa sagen, dass dieser Zustand unsere innere und die europäische Ruhe erschüttert und daß wir ihn nicht weiter zu ertragen gewillt sind. Zeigen wir uns entschlossen, so wird uns die Welt schon Recht geben. Die Kraft des Papstes kann überall groß sein, in Italien ist sie es keineswegs, sonst hätte Cavour nicht Rom als Hauptstadt Italiens proklamiren können. Eine einzige ist die Lösung: Der Vatikan muß aufhören, das Zentrum politischer Agitationen zu sein, der Papst sei Papst, er predige einzig nüd allein das Evangelium."
Rußland.
— Der Petersburger Korresp. des Daily Telegraph meldet, daß ein Komplot entdeckt worden sei, welches die Ermordung des K a i s e r s in der Karawaujastraße zum Zweck hatte, die der Czar auf seinem Wege von dem Palast nach der Michaels-Reitschule anläßlich des jüngsten St. Georgsfestes passiren sollte. Es war erwartet worden, daß der Ezar für den Tag nach St. Petersburg kommen und dem Herkommen gemäß eine Revue über die Truppen der Garnison in der Reitschule halten würde. Der Korresp. ist noch nicht im Stande gewesen, vollständige Einzelheiten betreffs der Plane der Verschwörer zu erlangen, die alle vor wenigen Tage., in einer Versammlung von Revolutionären in den Vorstädten verhaftet wurden. Rach der im Besitze der Polizei befindlichen Information zu schließen, war das Leben des Czaren angeblich rettungslos verloren, wenn er die erwälmte Straße passirt Hütte.
Tages-Neuigkeiten.
Stuttgart, 3l. Dez. Rach hiesigen Blättern hat S e. Mas. der König aus Anlaß des letztmaligen Auftretens der Kammersängerin Iran Marlow den Herrn Hoskammerprüsidenten v. Gnnzert beauftragt, der Künnlerm den Merböchsten gnädigsten Tank für die dem Hof- tbeater durch eine lange Reihe von Jahren geleisteten treuen und ausgezeichneten Dienste anszudrücken und zugleich ein (beschenk, bestehend in einer 1000 A<l-Rote zu überreichen, welches dazu bestimmt sein soll, der Sängerin den Uebergang in den Pensionsstand einigermaßen zu erleichtern.
Stuttgart, Ol. Tecbr. Eireusbesitzer Eorty ist mit seiner Gesellschaft heute früh mit Ertrazug eingetroffen. Für die nöthige Erwärmung Ms Cirrus ist genügend Sorge getragen, auch sind die nöthigen Vorsichtsmaßregeln gegen einen Brand getroffen. Ter Marstall besteht ans 10 Pferden und enthält u. A. Raeepserde: l 4 Rapphengste, 2 russische Falbenhengsre,
< Rothschimmelbengst aus dem k. t. öfter, Oiestüte, l Trakehner rothbrauner Fuchs, Hengst, l ungarischer Fnlbenhengst, l braunes englisches Springpferd,
I englisches Vollblutspriugpferd, 2 englische braune Springpferde, Stuten,
1 Araberhengst ans dem hiesigen tonigl. Oiestüte, welcher in Düsseldorf vor 2.Fahren bei der Pferdeausstellnng den ersten Preis und goldene Medaille ertnelt, ein Trakehner, Schimmelhengst, l Tigerhengst, Apporteur, ferner 18 Ponny, l Hirsch, l Esel und l Ziege. Tie Abschiedsvorstellung in Carls- rnbe war glänzend, Frln. Alerandrine Atthoff, eine schlanke junonische Erscheinung, ritt dabei ein braunes Vollblutpferd des in Karlsruhe garnisonirenden Prinzen Hohenlohe, welches von Hrn. Althoff in 15 Tagen dressirt werden war. Eirkus Eortv verfügt auch über ein zahlreiches Oorp« M stullm, lauter jugendlich frische (Gestalten, welche in einer heute Vormittag l l 0-, Uhr bei R ö m e r zum Stadtgarten nbgehaltenen Frühstückssitznng den Herzen und den Portemonnaies der Stuttgarter Sportsmen feierlich den Krieg erklärt haben.
Leonberg, 28. Tezbr. Oiestern hat in der Post jLammj eine Plenarversammlung des landwirthschaftlichen Vereins stattgesnnde», bei welcher mehr als lOO Mitglieder vertreten waren. Tie Versammlung leitete der Vorstand, Staatsminister von Varnbühler. Zur Sprache tanzen: Tie Wettervorhersage, welche unter 100 1«! Treffer gehabt hat, die Frage des Ankaufes von Zuchtstieren in der Schweiz, um dem bei uns verbreiteten Siminenthalerstamm wieder frisches Blut zu verschaffen. Schließlich kam noch die Anpflanzung von Handelsgewächsen zur Sprache: nachdem mehrere Frnchtarten, wie Welschkorn, Mohn, Cichorien u. s. w. genannt wurden, blieb man bei den Zuckerrüben, welche in der Rähe von Zuckerfabriken den höch-
Feuilleton.
Der Taubenth»rm.
Ein- Novelle aus der Criminalpraris.
(Fortsetzung.)
„Wenn meine Bitte Gewicht erlangen kann, bei den seltsam graviren- den Zufällen," begann von Moorhagen wieder, „so verschieben Sie jeden öffentlichen Akt der Gerechtigkeit bis zu dem Momente, wo Sie mich meiner Frau gegenüber steilen können."
„Das wäre gegen jede Form der Eriminaljustiz," unterbrach der Rath ihn barsch, „solche Vorschläge sind nicht zu berücksichtigen."
„Gut, so thun Sie, was Ihre Pflicht heischt," fuhr von Moorhagen mnu wild und heftig heraus. — „Vielleicht kommt die Stunde, wo Sie mit Qual dieser Minute gedenken, in welcher Sie durch übereilte Handlungsweise einen ehrlichen Menschen zur Verzweiflung brachten — denn, es sei Ihnen hiermit eröffnet — in's Gefängnis; geht ein von Moorhagen nicht!"
Es ist etwas Eigenthümliches um die edle Persönlichkeit eines Mannes. Der Rath fühlte wieder die Unmöglichkeit, daß dieser Mann ans niedrigen Beweggründen zum Mörder hätte herabsinken können. Ter Impuls des Augenblickes entschied jetzt zu Gunsten Richard's.
„Es fällt mir gar nicht ein, mich Ihrer Person auf diese Weise zu versichern," sagte er plötzlich nmgewandelt. „Morgen früh vernehme ich Frau Leovolvine von Moorhagen, dann werde ich Sie vorladen lassen."
„Das läßt Sie Gott sprechen," flüsterte der Edelmann init erleichtertem
sten Ertrag liefern und den Bauern zuerst Geld in's Haus schaffen. Nach den Mittheilungen des Herrn Vorstandes haben ihm die Zuckerrüben auf seinen Gütern per Morgen einen Reinertrag von 101 Mark abgeworfen. Bei dieser Versammlung haben mehrere der Herren Doctoren den' Oecono- men Heinrich Essig besucht und bei dessen Sehenswürdigkeiten einen alten Thorschlüssel gefunden, der auf ein Alter von 4—500 Jahren schließen läßt. Dieser alte plumpe Schlüssel ist 1 Fuß lang und hat insofern eine historische Bedeutung, weil mit demselben in, Jahre 1814, als viele Truppenzüge nach Frankreich durchzogen, dem Bedienten eines preuß. Offiziers der Hirnschädel eingeschlagen wurde und der Thüter sich flüchten mußte. 1248 ist Leonberg zur Stadt erhoben und mit Mauern umgeben worden und als 18l5 die Thore abgebrochen wurden, hat man einen Stein aufgefunden, dessen Wappen an die Grafschaft Württembergs erinnert.
E an „statt, 30. Dez. Bezüglich des Mordversuches, welchen der Entenwirth B ü rklc an seiner Frau verübte, gibt die „Cannst. Ztq." folgende Details: Gestern Abend 10 Uhr kam Bürkle noch in die Ziminer- mnnri'sche Wirthschaft in der Seclbergstraße, entfernte sich aber nach Genuß eines Glases Bier wieder und ging nach Hause; Bürkle soll da etwas auffallendes Benehmen gezeigt haben. Um 1 l Uhr begannen die Streitigkeiten mit der Ehefrau schon wieder und um 4 Uhr sei ein Schuß gefallen, der die Frau Bürkle lebensgefährlich traf, indem die Revolverkungel Lunge und Leber verletzte. Unmittelbar nach der That kamen die Aerzte, Herren Tr. E. Veiel und >-tadtwu»darzt Holtmann, um 8 Uhr erschien' der Oberamtswundarzt Hr. Tr. Pantlen und um halb !> Uhr erfolgte die Verhaftung Bürkle's. Rach seine» ersten Aussagen habe er seine Frau im Scherz geschossen, da er seinen Revolver habe Prokuren wollen. Seit etwa o Wochen nämlich reist Bürkle für eine Buchhandlnng auf religiöse Bücher und heute wollte er eine neue Reise antreten und dazu seinen Revolver mitnehmen. Um !> Uhr wünschte die schwerverwnndete Frau ihren Mann nochmals zu sprechen; es wurde indes) dies seitens des Gerichts nicht gestattet und der Frau eine Tafel gegeben, damit sie ihre Wünsche daraus niederschreibe. Es zeigte sich aber, daß die Schwäche der Verwundeten das Schreilwn unmöglich machte nnd dann erst wurde Bürkle vom Stationskommandanten zu seiner Frau geführt. Was die Frau hier sagte, entzieht sich natürlich der Oeffentlichkeit; das Zusammensein dauerte nur eine Minute.
Lndwigsbnrg, 20. Tecbr. > Tie Schlittschuhbahn in Monrepos ist eröffnet. Von Stuttgart war heute eine größere Gesellschaft auf dem Lee, um sich auf der glatten Bahn dem Schlittschnhvergnügen hinzugeben, das durch den Reiz der Umgegend des Sees, die Insel mit der Kapelle u. s. f. noch erhöht wird.
Hall, 20. Tecbr. Heute Rachmittag wurde Landrichter Friz dahier, welcher in der Rächt vom 20. auf den 27. ds. nach kurzem aber schwerem Leide» im Alter von 4l Jahren verschieden ist, unter zahlreicher Theilnah» aus allen Ständen, zur Erde bestattet. Ter Staat verliert ist dem Vc ewigten einen talentvollen, kenntnißreicben, fleißige», gewandten nnd gewisse haften Beamten; seine Bekannten mzzzsissen einen treuen Freund und liebem, würdigen Gciellschafter.
B erli n, 28. Tez. Ein frevelhafter Fenerruf richtete am zweiten Weihnachtsfeiertage, wie der Pvlizeibericht meldet, im Bornssiatheater in der Wrangelstraße große Verwirrung an. Ein Töpfergeselle, der wegen Störung ans dem Zuschauerraum entfernt werden sollte, stieß den Ruf: „Feuer!" aus. Natürlich entstand unter den etwa 1000 Personen, welche das Theater füllten, eine gewaltige Panik. Fast alle Anwesenden verließen ihre Plätze und eilten in wilder Hast den Ansgängen zu, wobei der Andrang so stack wurde, daß mehrere Personen über umgeworsene Tische und Stühle zur Erde fielen. Besonders groß war die Verwirrung auf der zweiten Gallerte, als daselbst mehrere Personen uiederstürzteu und der Ausweg dadurch behindert wurde. Ein junger Mann glaubte sich nur dadurch aus der vermeintlichen Gefahr retten zu können, daß er von der zweiten Gallerie in die Mittelloge der ersten Gallerie hinabsprang. Obgleich derselbe hierbei auf eine Gaskrone fiel und letztere völlig zertrümmerte, kam er doch ohne Schaden davon. Das Publikum wurde erst dann beruhigt, als die Theater-
Athem, nnd schob unbemerkt das kleine geladene Terzerol, das er seit der eingetretenen Katastrophe in seiner Brusttnsche trug, zurück in seine Verhüttung. Sein Entschluß schien fest zu stehen: lieber sein Leben zu enden, als sich den Qualen und Beschimpfungen einer gerichtlichen Untersuchung bloßzustellen.
Kein Mensch dachte an einen solchen Vorsatz, als Theodore.
Sie kannte allein den Charakter Richard's bis zum Grunde und wußte, was dort gühreu und zum Ausbruche kommen mußte nach den eingetretenen Vorfällen. ' Sie erwartete nach der Enthüllung der Thäterschaft des unglücklichen Mannes jeden Augenblick die Rachricht seines Todes. Was sie bei dieser Erwartung empfand, ist unmöglich zu analysiren, wenn wir sagen, daß Richard seit ihrer Jugend der Oiegenstand einer abgöttisch heißen Liebe gewesen war, die sich mit der lauen Erwiederung von weiten des jungen Mannes vollständig begnügte. In den letzten Wochen hatte das arme Mädchen zu ihrem Entzücken eine wärmere Empfindung, als jemals in dem Busen Richard's entflammen gesehen, sie war beseligt durch die Anerkennung ihrer Vorzüge, und hingerissen durch die Hoffnung auf Glück.
Was mußte sie an dem Morgen fühlen, als der Arzt und der Crimi- nalbeamte das stille Landhaus verließen, wo durch deren Anwesenheit das ganze lkngewitter des Unheils hüllenlos hervorzubrechen drohete! Still verrichtete sie ihr Amt als Krankenwärterin bei der Frau, die den Keim des Unglückes gesäet hatte, und gefaßt unterzog sie sich den kleinen Dienstleistungen bei ihren Pflegeeltern. ' Aber als sie endlich in ihrem Zimmerchen allein war, da überließ sie sich fast willenlos dem Ansbruche ihrer grenzenlosen Verzweiflung.
Ihre Gebete um Rettung des theuren Lebens, das sie von allen Seiten