Wendungen au» Rußland hier an. Dieselben sind durch die hiesige Börse -veranlaßt. Das Getreide kommt zu Schiff von Odessa über Antwerpen. In der vorigen Woche hielten an einem Tage 17 mit russischem Getreide beladene Schiffe am hiesigen Freihafen. E» haben sich nun im südrussischen Roggen nach der Ausladung kleine schwarze Käfer gefunden, welche den Beamten verdächtig erschienen. Die Käfer wurden deßhalb durch einen Sachverständigen untersucht. Dieser hat dieselben für Samenkäfer, deren es 400 Arten in Europa gibt, erklärt. Die untersuchten Käfer lebten in der viersamigen Erbse. Der Sachverständige hielt sie für den Roggen unschädlich, aber für sehr verderblich für dis von ihnen befallenen Hülsenfrüchte. Alle Samenkäfer gehen nach dem Gutachten nur an ganz bestimmte Nahrungspflanzen. Dasselbe schließt damit, daß die untersuchten kleinen schwarzen Käfer nicht besorgnißerregend seien, da sie nur kleinsamige Hülsenfrüchte von Kulturpflanzen, höchstens Linsen, befallen.
Wien. Die Kaffenrapporre der Theater sind ein trauriger Beleg für die durch die Katastrophe so plötzlich heraufbeschworene Theaterkrisis. Die Dezember-Rapporte, welche sonst die stolzesten Ziffern zeigten, bilden an sich ein Leichenfeld. Ein Beispiel: Dar Stadttheater nahm an dem verhäng- nißoollen Tage Mariä Empfängniß 2025 fl. ein. Am Tage nach der Katastrophe betrug die Einnahme 206 fl. 10 kr. und sank allmählig auf 77 fl. vom Abend herab, unter solchen Umständen, so schreibt ein Wiener Blatt, können die Theater allerdings nicht sollbestehen, und es wäre dringend zu wünschen, daß die von den Direktoren zu unternehmenden Schritte von Erfolg begleitet sein mögen.
Wien. 14. Dez. Die große Brandkatastrophe sängt man an, etwas ruhiger aufzufassen, man verurtheilt nicht mehr in Bausch und Bogen und konzenlrüt die Erbitterung gegen die Hauptschuldigen, über die man kaum mehr im Zweifel ist. Die Schreckensszenen verschwinden nach und nach aus den Zeitungen und damit wird wohl auch die Stimmung eine ruhigere, keineswegs aber so west, pm den Theatern der Besucher so v el zuzuführen, daß deren Existenz gesichert wäre. Die Direktoren der Pxivat- rheater wollen nun eine Subvention von der Gemeinde, in zweiter Linie vom Lande und endlich vom Staate erwirken, dürften cs aber kaum an den ersten, gewiß nicht an den letztgenannten Quellen finden.
— Der Direktor des seit 3 Wochen in Paris erscheinenden Blattes „Anti- Juif", in welchem die Juden ziemlich scharf mitgenommen werden, hat von einer größeren Anzahl jüdischer Offiziere Herausforderungen erhalten. Der „Anti-Juif" hat nämlich behauptet, daß die jüdischen Offiziere nie Beweise von großem Muth abgelegt hätten.
London, 22. Dez. Endlich soll der Zufall eine Spur von dem vermißten Ballon (Saladin) des Herrn Powel an die Hand gegeben haben. Bei Portland fanden Knaben den Rahmen eines Thermometers am Strande, wo ihn die See angespült hatte. Der Rahmen ist von Mahagoniholz und lrägt den Namen des Verfertigers. Kapitän Templer hat sich überzeugt, daß das Instrument zum Ballon gehört hat. Es war besonders für seine Auffahrten gearbeitet. Auch ein Hut wurde nicht weit von Bridpvrt auf der See treibend gesunden, doch scheint seine Zugehörigkeit noch nicht nachgewiesen worden zu sein.
Petersburg, 24. Dez. Der Kaiser und die Kaiserin empfingen gestern den französ. Botschafter General Chanzy, welcher sein Abderuf- ungsschreiben überreichte. — Der Reg.-Bote macht bekannt, daß am i0. Dez. Morgens in der Rentei zu Sebastopol ein Diebstahl mittelst emes Minenganges ausgeführt worden sei. In der Renreikasse fehlten 47,000 Rubel. In Folge der sofort angestellten sehr energischen Nachforschungen im Innern des Reiches, sowie in Konstantinopel, wurden in Armansk 3 Personen verhaftet, bei welchen 27,000 Rubel von dem gestohlenen Renteigelde gefunden wurden.
Philadelphia, 0. Dez. Eme neue Zerfiörungsmaschine Erick- sons, der V e r n i ch t e r, macht in nautischen Kreisen viel von sich reden. Der Vernichter ist ein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 1? Meilen per Stunde und einem Torpedogeschützs, das nach den angestellten Proben öomal per Stunde seine vernichtende Ladung schleudern kann. Wegen seiner enormen Geschwindigkeit und Wirkung rst der Vernichter besonders zur Küstenverlheidigung geeignet. Ob gedeckt von Küstendatlerien oder nicht, wird er dreist zum Angriff Vorgehen und wenn die Ladungen verschossen, etwaigen Verfolgungen entgehen können. Ein anderes Zerstörungswerkzeug, ein doppeltes Magazingeschütz, wurde soeben aus der Gouverneursinsel bei Newysrk unter den Augen des Generals Hancock einer Probe unterworfen. Dasselbe, eine Art Mitra illeuse, besteht aus 2 Läusen, welche in einem kupfernen Kasten während des Avfeuerns durch Wasser vor dem Erhitzen bewahrt werden. Das Geschütz wirb von 2 Mann bedient; einer gibt die Patronen in den Aufnahmsbehälter, der andere dreht eine Kurbel. So wurden 200 schüfst tn 25 Sekunden, 100 in 113/4 Sekunden verschossen. Man kann das Geschütz je nach Belieben aufwärts oder abwärts richten. Die anwesenden Sachverständigen sprachen sich sehr anerkennend über diese Erfindung aus.
— (Prozeß Guiteau.) Zeuge General Reynolds, ein Advokat aus Chicago kennt den Angeklagten fett seiner Studentenzeit. Er besuchte Guiteau nach dem Attentate im Gefängniß Der Angeklagte fragte ihn: „Wo waren Sie am Tage des Meuchelmordes?" Zeuge machte sich No- Uzm über seine Unterhaltung mit dem Angeklagten und notirte dieses Wort. Er hätte niemals von „Inspiration" gesprochen. Bei späteren Unterredungen sprach der Angeklagte stets von der „Beseitigung" des Präsidenten. Guiteau erging sich in wüthenden Ausfällen gegen den Zeugen und gegen Corkhill. Zeuge verliest seine Notizen über die Unterhaltung mit Guiteau und bemerkt, daß er dem Angeklagten im Gefängniß mit- theilte, was Grant und Conkling, sowie seine anderen angeblichen Freunde von ihm sagten. Der Angeklagte ging erregt auf und ab und sagte: »Was bedeutet dies? Ich würde mein Leben darauf gesetzt haben, daß sie mich vertheidigen würden. Sie wissen, daß sie Garfield beseitigt haben
wollten, doch tadeln sie mich und erblicken darin nun eine bkutige That.* Guiteau unterbrach hier den Zeugen: „Sie waren ein recht verschlagener Detektive, nicht wahr, General? Sie werden wahrscheinlich mehr in dieser Eigenschaft zu thun bekommen." — In der Verhandlung vom 16. ds. wurde die geschiedene Gattin Guiteau'« vernommen. Sie bekundete, daß der Angeklagte bei gesundem Verstände sei. Ihre Aussagen wurden durch peinliche Scenen unterbrochen. Guiteau überhäufte die Zeugin mit den heftigsten Schmähworten. Zwei Irrenärzte erklärten, daß sie den Angeklagten untersucht und keine Symptome eines kranken Gehirns gefunden hätten. Sie drückten ihre Ueberzeugung au«, daß er bei gesundem Verstände und vollkommen fähig sei. Recht von Unrecht zu unterscheiden.
Vermischtes.
— Der Frkf. Ztg. wird au« Stuttgart geschrieben: Der Eindruck des Wiener Ringtheaterbrandes, welcher allenthalben die Anregung zu Vorsichtsmaßregeln gibt und nicht minder der Nachklang der antisemitischen Stöcker'schen Hetzreden gaben jüngst in dem hiesigen ehrwürdigen Gemeindekollegium Anlaß zu einem heiteren Mißverständniß. War da ein Gesuch eingelaufen zur Anschaffung von Vorhängen für das neue Börsenlokal. Man war daran, den Gegenstand zu beralhen, und eben zu bewilligen, als eine Stimme aus dem Rathe ertönt: „Man nehme aber die Gardinen ja nicht von Jute!" — Pfeilschnell sprang da der Hofrath Levi auf und ries: „Wer hat da etwas gegen die Juden? — Er hatte wohl etwas wie eine Art Hertzog'sche Devise: „Kauft bei keinem Juden!" vernommen; der Kollege aber, Rechtsanwalt Dr. Becher, begütigte ihn in seiner sanften Weise: „Nichts sür ungut, ich meinte ein hartes t, kein weiches!"
— Daß ein Auktionator im Diensteifer seine eigenen Effekten mit ver
steigerte, soll schon öfter passict sein; noch nicht dagewesen war aber, daß ein Gerichtsvollzieher seinen eigenen Regenschirm pfändete, bis dieser Fall sich kürzlich in Altona ereignete. Er handelte sich nm den Psandbetraz von 1 60 L bei einem Musikus. Dort angekommen wird Zahlung
des Betrags verweigert, worauf der Gerichtsvollzieher sr;p,s Blicke naA einem geeigneten Pfandobjekt umherschweistn läßt. Endlich gewahrt er einen Regenschirm in der Ecke und versiegelt ihn. Als er sich nun zum Weggehen anschickt, macht er die Entdeckung, daß dies sein eigener Schirm war.
— Die Franzosen sind etwas fixer im Zugreifen als wir Deutschen, und
Gambetta ist auch ein Franzose. Er hat sich die Rsformpläne Bismarcks nach Paris kommen lassen, sie studirt und sogleich Hand angelegt. Der Bismark'sche Plan, den armen alten und arbeitsunfähigen Leuten von Staatswegen beizuspringen, hat ihm ungemein gefallen und er hofft die Deutschen um eine Nasenlänge zu schlagen. Den französischen Abgeordneten liegt bereits ein Entwurf vor, nach welchem die sämmtlichen 160,000 erwerbsunfähigen Greise und Greisinnen Frankreichs (eine merkwürdig geringe Zahl) je nach ihrem Alter Pensionen von 360. 480 und 600 Frcs. jährlich beziehen sollen; die Kosten sollen Staat und Gemeinden zu gleichen Theilen tragen und sind zu 63 Millionen angeschlagen. Die Idee, daß den Armen und Alten geholfen werden müsst, wendet sich an die besten Instinkte des Volkes. Dfztg.
— (Abenteuer eines Korrespondenten.) Mr. O'Donovan, der aus Merv znrückgekehrte Spezialkorrespondertt der „Daily News" scheint lange vor der Expedition, die ihn berühmt gemacht, ein abenteuerliches Leben geführt zu haben Ein irisches Blait erzählt, daß seine Gefangenschaft in Merv die fürste war, die er im Laufe seines Lebens zu erleiden hatte. Er ist oder war ein Erz-Fenier. In 1866 wurde er unter der ZwangS- akte in dem Richmond-Gefängniß internirt und kurz nach seiner Entlastung mußte er eine zehnmonatliche Gefängnißhaft wegen Waffentragens in einem unter den Belagerungszustand gestellten Distrikt verbüßen. Später schloß er sich der französischen Armee der Loire an und fiel in deutsche Kriegsgefangenschaft. Nach dem deutsch-französischen Krieg kehrte er nach Irland zurück, wo er dis „nationalistische" Partei organisirte und sich an dem Unternehmen beteiligte, wegen besten Michael Davitt zu 15 Jahren Zuchthaus verurtheilt worden. Nach der Unterdrückung der fenischen Revolution begab er sich nach Spanien, wo er von den Carlisten eingesperrt wurde, die ihn aber nach einiger Zeit auf Fürbitte des Kardinals Cullen die Freiheit Wiedergaben. Dann ging er als Kriegs-Korrespondent der „Daily News" nach Armenien und von da nach Merv.
Handel und Verkehr.
— Das Königreich Hawaii (Sandwichs-Jnseln) tritt zum 1 . Januar 1882 dem Weltpostverein bei. Von diesem Zeitpunkt ab kommen daher für die Biiefstndungen nach und aus Hawaii die VereinSportosätze (20 Pf. für srankirte, 40 Pf. sür unsrankirte Briefe rc) in Anwendung.
Ulm, 24. Dez. (W 0 chenmarkl.) Gemüse ganz schwach vertreten. Kartoffeln ebenso, 2 -0—30 pr. Ztr.; Tafelobst 6—9
80 L pr. Ztr.; Huzeln 26 „/L; Nüsse 19 -OL pc. Ztr.; Butter 1 ;
Speck 1 c^L; Unschlill 50 L; Schweineschmalz 1 Rindschmalz 1 -M» 15 ^ je per Pfd. 10 Eier 65 L. Holz, tannenes 7 30 L, buchenes 9 50 pr. Rm. Stroh 2 „k oO L pr. Ztr. Der Geflügel
markt »st heute ausnehmend stark versehen, insbesonder» mit geschlachteten Gänsen, die im Preis ziemlich höher gingen. Hühner 50—80 L, Enten 1 -OL 20—40 Gänse 3 -OL 50 ^ bis 5 -ÖL. Die Fleischpreise sind: Kalbfleisch 40-45 L, Rindfleisch 42—46 Hammelfleisch 50 L, Schweinefleisch 60 Ochsenfleisch 65 ^ je pr. Pfd.
Neues in der Bibliothek:
Der Brand des Ringtheaters in Wien am 8 . Dezember 1881.
Eine wahrheitsgetreue Schilderung der Katastrophe, »ach authentischen Quellen bearbeitet von Th. Fockt. Mit b Abbildungen nebst Berzcichniß der Opfer der Ringtheater-
Katastrophe.